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- Eine Begegnung -
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Es spielen mit:
David
Hatice
Rudi
Max
Mirjams Vater
Mirjams Mutter
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Vorwort & Vorgeschichte -
1998 kam eine kleine Zahl junger Christen und Muslime zusammen und gründete die Christlich-Islamische Gesellschaft – zuerst nur im Landkreis Esslingen, nach großem Zulauf bald in der Region Stuttgart. Durch die Unterstützung vieler Menschen wurden zahlreiche Veranstaltungen möglich – Gespräche, gegenseitige Besuche in Moscheen und Kirchen, Vorträge, Arbeitskreise und Diskussionen, bis hin zu gemeinsamen Reisen, Festen und Filmabenden. Immer wieder, wenn wir uns dabei tiefer über unsere Religionen unterhielten, stießen wir auf Abraham und seine Familie – und spätestens hier bemerkten wir, dass zum Verständnis dieser gemeinsamen Wurzel unbedingt auch das Judentum dazu gehört. So machten wir uns auf den Weg zur Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, wo wir mit Herrn Meinhard Tenné, dem damaligen Vorstandssprecher der Gemeinde und dann auch mit einigen Menschen in der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit offene und engagierte Gesprächspartner fanden.
So wurde ab 2000 der “Dialog” zum “Trialog”, u.a. mit einer großen Veranstaltung im Stuttgarter Rathaus zur Europawoche und mit der mehrtägigen Begleitung einer jüdisch-amerikanischen Studiengruppe bei ihrer Deutschlandreise. Im Oktober wagten wir uns dann an das bisher größte Projekt: unser erstes “Abrahamsfest” mit Juden, Christen und Muslimen im Kongresszentrum in Filderstadt. Zu diesem Fest haben wir das vorliegende Theaterstück “Abraham heute” entwickelt. Wir probten und besprachen das Stück im Vorfeld des Abrahamsfestes in der Gruppe, fügten Änderungen ein und diskutierten miteinander. Idee, Konzeption und Ausarbeitung des Textes stammen von Michael Blume. Wichtige Beiträge und Verbesserungen steuerten u.a. besonders Murat Aslanoğlu, Christoph Bräutigam und Gülşah Doğan bei.
Am Abend des 28. Oktobers 2000 kam “Abraham heute” zu seiner Uraufführung und fand zu unserer Freude bei den Vertretern aller drei Religionen großen Anklang. Auf die eingehenden Anfragen für die Texte oder auch für weitere Aufführungen waren wir wirklich nicht gefasst – sie erfreuten uns umso mehr! Nun sind wieder einige Monate seit dem “Abrahamsfest” vergangen. Aber das Engagement soll natürlich weitergehen! Als neues Ziel haben wir uns das “Haus Abraham” vorgenommen, einen Ort der Begegnung, des Gespräches und des Friedens und auch ein architektonisches Symbol für Glauben, Friedfertigkeit und Respekt vor der Identität des jeweils anderen – mehr dazu finden Sie im Anhang.
Das Ihnen vorliegende Theaterstück “Abraham heute” geben wir in der vorliegenden Form ausdrücklich allen zur Aufführung frei, die sich für Begegnung und Frieden zwischen den Religionen und Kulturen engagieren wollen. Wir würden uns sehr darüber freuen, wenn es hier und da immer wieder zu neuem Leben kommt! Bitte informieren Sie uns über Ihre Aufführungen, auf die wir gerne auf unseren Internet-Seiten und weiteren Gelegenheiten hinweisen würden. Und wenn Sie es wollen, könnte ja z.B. eine Mark pro verkaufte Karte dem Projekt “Haus Abraham” und damit der interreligiösen Begegnung in Deutschland zukommen – das wäre natürlich wundervoll!
Nun bleibt uns nur noch, Ihnen viel Spaß beim Lesen und Gottes Segen in Ihrem Wirken zu wünschen! Lassen Sie uns gemeinsam der sich abzeichnenden Vielfalt in unserer Gesellschaft und in der kleiner werdenden Welt mit Mut, Neugier und Hoffnung entgegen gehen – im festen Glauben daran, dass der Eine da ist, Der alle Seine Kinder liebt und ihnen gerade auch durch Abraham Seinen guten Segen zugesagt hat.
Ihr Team der CIG
Region Stuttgart e.V.
1. Akt
Vater eintretend, Krawatte in der Hand:
Sooo, die Mittagspause ist gleich rum. Das Geschäft ruft.
Oh, erwarten wir Besuch?
Mirjam: Ja. Wir bereiten ein Schulprojekt vor.
Vater: Oho, das klingt ja nach Arbeit! Um was geht es denn?
Mirjam: Das Thema lautet “Abraham heute”.
Vater: Abraham heute? Wer stellt so sinnlose Aufgaben?
Mirjam: Warum sinnlos?
Vater: Ihr solltet was fürs Leben lernen!
Was hat Abraham mit unserm heutigen Leben zu tun!?
Mirjam: Naja, die Bibel, die drei Religionen...
Vater: Da hast Du’s!
Statt über Sachen, die was einbringen, redet Ihr über totes Zeug!
Abraham heute – schreibt doch einfach:
“Heute ist Abraham Staub!”
Damit liegt Ihr garantiert richtig!
Was soll das Ganze heute schon bringen?! ...
Sag mal, sitzt die Krawatte? Du weißt doch, ich mag keine Spiegel.
Mirjam hilft. Moment Schweigen.
Vater, die Krawatte prüfend:
Wer kommt denn alles?
Mirjam, zögernd:
David kommt und Max ... - und Rudi und Hatice!
Vater, empört:
Wie bitte!? David, okay, man muss ja tolerant sein, heutzutage.
Max, auch gut. Der leistet wenigstens was.
Aber Rudi und Hatice! Der ist doch Anarcho und sie ist Türkin.
Und das in meinem Haus!
Mirjam: Hatice ist längst Deutsche.
Vater: Ein Pass alleine macht niemanden dazu!
Mirjam: Sie ist hier geboren!
Vater: Na, und? Ich sag Dir was, mein Kind.
Wenn nicht diese gierigen Unternehmer und diese ganzen Gutmenschen
alle Welt in unser Land gebracht hätten, wäre uns
viel Ärger erspart geblieben!
Das hier ist immer noch MEIN HAUS und MEIN GARTEN!
Und ich will, dass das so bleibt!
Mirjam: Aber...
Vater: Kein “Aber” !!
Gut, lernt zusammen, macht euer Projekt.
Es kommt ja eh nichts dabei raus als heiße Luft,
mit der sie uns einlullen, damit wir ruhig bleiben!
“Religion ist Opium fürs Volk!” - damit hatten sie Recht.
Und wenn du und deine Kinder aufwachen,
aus euren süßen, guten Träumen
– dann ist es zu spät!
Betretenes Schweigen.
Vater: Ich sollte nicht so schreien hier draußen.
Die Nachbarn könnten es hören.
Schau, das mein ich Mirjam.
Man kann in diesem Lande gar nicht mehr sagen, was man will!
Man muss aufpassen auf die “Political Correctness”!
So weit ist es schon gekommen!
Und da wundern sich alle, dass es hier brodelt! ...
Ich muss los, DEINE Brötchen verdienen.
Mirjam, leise:
Ja, tschüss.
Vater geht
Mirjam, alleine:
Ich hab’s gewusst, dass es Ärger gibt!
Was will der Lehrer damit erreichen,
ausgerechnet uns in ein Projekt zu stecken?
Und warum musste es hier sein und nicht woanders!?
Woanders ist es immer leichter, aber doch nicht hier!
Gut, wir haben hier ein großes Haus, das stimmt schon.
Aber es hätte doch wohl auch woanders Häuser gegeben!
Und hat nicht jeder seinen eigenen Garten!?
Als ob ich nicht schon genug Ärger mit meinen Eltern hätte!
Max, eintretend:
Hallo, Mirjam!
Sieht aus, als wär’ ich der Erste.
Dabei haben wir uns für Punkt 12 verabredet!
Und Zeit ist Geld!
Hey, du siehst ja traurig aus. Stress mit den Eltern?
Mirjam: Ja, ein wenig.
Max: Versteh ich gar nicht, wie ihr Probleme haben könnt!
Dein Dad verdient doch gut und das Haus ist doch so groß,
dass jeder sein Zimmer haben kann.
Hatice, eintretend:
Hallo, ihr zwei!
Ein Haus mit vielen Zimmern?
Sprecht ihr über die Villa oder über Europa?
Mirjam: Ach, wir haben nur so geredet.
Max: Stell dir vor, Hatice,
sogar Mirjam hat mit ihrer Familie manchmal Probleme!
Hatice: Oh. Gab es Streit - wegen uns?
Mirjam: Ach was, wie kommst du denn darauf!?
Ihr seid hier alle willkommen!
Familien streiten eben!
Hatice: Wem sagst du das!? Auch bei uns...
Naja, vielleicht könnt ihr euch’s ja denken,
auch bei uns gibt’s manchmal kräftig Streit.
Unsere erste Generation fühlt sich hier immer noch fremd.
Die zweite weiß nicht so richtig, wo sie hingehört.
Und der dritten wird vorgeworfen,
dass sich die erste und die zweite so schwer tun!
Rudi, eintretend:
Hallo, allerseits!
Mannomann, was für eine Protzvilla!
Sind deine Eltern auf den Mist genauso stolz wie meine!?
Max: Der gute, alte, revolutionäre Rudi!
Erst mal mit einer Beleidigung anfangen.
Dabei kannst du nur so große Töne spucken
weil du selbst in Wolle aufgewachsen bist!
Rudi: Würdest du meine Eltern kennen,
würdest du das nicht sagen!
Sie sind der lebende Beweis dafür,
dass viel Geld nicht immer viel Herz bedeutet.
Max: Ach so. Deswegen gibst du es so kräftig aus - das Geld deiner Eltern!
Rudi: Ich nehme keine Mark mehr von ihnen – na ja, fast keine –
und trage eigene Klamotten. Nicht halb so spießig wie deine!
Max: Was ich trag, hab ich mir selbst verdient!
Ich arbeite, und leb nicht auf Kosten anderer!
Rudi: Du klingst schon wie mein Vater...
David: Schalom allerseits! Stör ich!?
Hatice: Im Gegenteil!
Wir stellen gerade fest, dass jeder so seine Themen daheim hat...
Rudi, spöttisch:
Na, deswegen haben sich die Christen
doch ihren “Himmlischen Vater” erfunden.
Die auf der Erde waren ihnen einfach viel zu anstrengend.
David: Lieber Rudi, schon bevor es die Christen gab,
hat auch mein Volk schon von Gott als dem “Vater” gesprochen –
als Vater aller Menschen übrigens.
Und sage keiner, der habe nicht auch seine Probleme mit seinen Kindern...
Rudi: ... und sie mit ihm!
Max: Einen Extrapunkt für unseren David,
der die Brücke geschlagen hat zu unserem heutigen Thema!
Ich würde sagen, lasst uns endlich anfangen, denn ihr wisst ja...
Mirjam, unterbrechend:
... Zeit ist Geld, ja ja, schon klar.
Alle platzieren sich, suchen ihre Notizen heraus
Max: Okay, dann lasst uns mal anfangen,
es geht schließlich um eine gute Note!
Hat sich jeder, wie abgemacht, schon ein paar Notizen gemacht?
Mirjam: Ja, ich hab mir auch Sachen aus der Bibel rausgeschrieben.
Aber wie gehen wir damit um,
wenn sich Aussagen widersprechen sollten?
Hatice: Du meinst, zum Beispiel zwischen Bibel und Quran..?
David: ...oder zwischen den Auslegungen?
Rudi: Na das ist doch klar!
Ihr führt “Heiligen Krieg” gegeneinander –
wie die letzten Jahrhunderte!
Hatice: Also Rudi, ich würde sagen,
in Sachen Toleranz brauchst du uns keine Nachhilfe zu geben!
Du wirklich nicht!
Max, haut auf den Tisch:
Hört bloß auf! Jetzt sag ich euch mal was!
Es interessiert mich überhaupt nicht, was hier jeder glaubt oder getan hat!
Ich investiere hier Zeit, weil ich ein gutes Ergebnis sehen will –
und zwar möglichst effektiv und ZÜGIG!
Also, wer fängt an!?
David: Eine schöne Interpretation von Toleranz, Max!
Dir ist einfach alles egal!
Max: Ich orientiere mich einfach an dem, was am Ende rauskommt!
David: Und es wird gar nichts rauskommen,
wenn wir nicht einmal den Mut haben zu klären,
zu welchem Volk Abraham am ehesten gehört!
Bitte entschuldigt, aber ihr müsst doch zugestehen,
dass das Volk der Juden sich schon auf Abraham bezogen hat,
als der Rest der Welt diesen Namen noch gar nicht kannte!
Mirjam: Ja, natürlich – aber deswegen kann man doch wohl nicht sagen,
jetzt wäre Abraham euer Eigentum!
David: Das hab ich so auch nicht getan!
Hatice: Was streitet ihr euch?! Es ist doch wohl klar,
dass Abraham an sich weder Jude noch Christ gewesen sein konnte,
denn zu seiner Zeit gab es weder die Thora noch das Evangelium...
Rudi, spöttisch:
Ach so, aber den Quran, Hatice, den gab es schon, oder was!?
Hatice: Es gab die Eine Religion Gottes, die an allem Anfang war,
die Abraham wieder errichtet und seinem Volk verkündigt hat!
David: Lass mich raten, Hatice – du meinst, das wäre der Islam!
Hatice: Du meinst ja auch, es wäre das Judentum!
Mirjam: Und was ich meine, ist auch klar!
Max: Na großartig – Sackgasse!
Rudi: Ich hab’s doch gesagt
– bei euch Religiösen kann es immer nur einen geben!
David: Wenn du Gott meinst, es gibt auch nur einen!
Rudi: Und wenn es nur einen gibt, warum hat er es dann so kompliziert gemacht?
Hatice: Vielleicht, um uns aneinander zu prüfen?
In einer Sure im Quran heißt es... Moment... (sucht eine Notiz)
Hier, hört mal, es ist natürlich nur eine Übersetzung,
aber sinngemäß lautet es in der Sure 5, Vers 49:
Und hätte Gott gewollt,
Er hätte Euch alle zu einer einzigen Gemeinde gemacht.
Doch Er wünscht Euch auf die Probe zu stellen durch das,
was Er Euch gegeben.
Wetteifert darum in guten Werken.
Zu Gott ist Euer aller Heimkehr.
Dann wird Er Euch aufklären über das,
worüber Ihr uneinig wart.”
Max: Nicht schlecht! “Wetteifern” gefällt mir.
Also so eine offene Art Wettbewerb,
in dem jeder beweisen muss, was in ihm steckt!
Hatice, erfreut:
Ja, so kann man es sehen!
In der gleichen Sure, 20 Verse weiter, heißt es dann auch:
“Diejenigen, die
glauben, und diejenigen,
die dem
Judentum angehören und die Sabäer und die Christen –
alle
die, die an Gott und den jüngsten Tag glauben und tun, was Recht ist,
brauchen
wegen des Gerichtes keine Angst zu haben,
und sie
werden am Jüngsten Tag nicht traurig sein.”
David: Das klingt irgendwie alles ein bisschen nach Lessing “Nathan der Weise”,
findet ihr nicht?
Hatice: Wie ich neulich in einem Buch gelesen habe,
– übrigens eines anerkannten christlichen Theologen –
spricht ja auch vieles dafür,
dass Lessing diese Stellen kannte!
Max, eifrig notierend:
Super! Das nehmen wir gleich in die Arbeit auf.
Lessing gibt fast immer Punkte!
Mirjam: Dann wird Lessing aber sicherlich auch gewusst haben,
dass es im Quran auch ganz andere Stellen gibt,
die von Juden, Christen und Andersgläubigen
alles andere als positiv sprechen!
David: So wie im gemeinsamen Teil unserer Bibel
auch ganz schön grausame Dinge stehen.
Und auch euer Evangelium, Mirjam,
ist ja nicht frei von ganz schön harten, antijüdischen Stellen!
Ich glaube, da sollte man ein bisschen vorsichtig sein,
mit dem Finger auf andere zu zeigen!
Rudi, spöttisch:
David – woher plötzlich diese selbstkritische Toleranz?!
David: Es wird dein Bild von den ewig intoleranten Religionen wohl etwas erschüttern, Rudi, aber das, was Hatice da genannt hat,
ist auch meinem Glauben im Kern nicht fremd.
sind also gerechten Menschen nicht verschlossen!
Und kein Geringerer als Maimonides,
einer unserer größten Gelehrten des Mittelalters,
hat gelehrt, dass auch Christentum und Islam Werkzeuge Gottes seien,
um das Kommen des Messias vorzubereiten!
Warum sollte ich es also nicht auch unterstützen,
wenn Hatice in ihrem Glauben Gutes und Gerechtes findet!?
Hatice: Das hab ich gar nicht gewusst!
Ich dachte immer, ihr Juden und Christen glaubt,
wer nicht genau euren Glauben hat,
ist sofort und automatisch ein Fall für die Hölle!
Max: Das ist doch auch so. Zumindest bei den Christen, oder!?
Wenn ich meinen vorgeblich so “bibeltreuen” Nachbarn richtig verstanden habe,
kann ein Mensch sich noch so bemühen,
kann engagiert und gerecht sein,
so lange er nicht Christ wird, ist er verloren!
Für mich klingt das zutiefst ungerecht,
eingebildet und vor allem leistungsfeindlich!
Das war übrigens für mich einer der Gründe zu sagen:
Religion – Nein danke!
Mirjam: Einspruch – Euer Ehren!
Nur weil dir das einer erzählt hat, muss es so auch noch nicht stimmen.
Zumindest nicht in meiner Kirche!
Bei meinen Recherchen zum Thema Abraham
war ich natürlich auch im Internet
und hab einfach einmal ein paar Sites meiner Kirche
nach seinem Namen abgesucht.
Und – haltet euch fest! –
beim letzten Konzil unserer Kirche, dem 2. Vatikanischen,
bin ich mehr als fündig geworden!
Hatice: Ähm, Mirjam, was bitte ist ein Konzil?!
Rudi, nörgelt:
Kommt schon, was hat das alles hier noch mit diesem Abraham zu tun?!
Hatice: Es wird mir doch noch erlaubt sein, Mirjam eine Frage zu stellen.
Mirjam: Auf einem Konzil kommt die gesamte katholische Kirche,
mindestens in Vertretung ihrer Bischöfe, zusammen,
berät sich – oft über Jahre – und legt dann unseren Glauben aus.
Dieses letzte Konzil also war das Erste, das den Mut hatte,
sich intensiv mit der Frage der nichtchristlichen Religionen zu befassen.
Und siehe da: In der Erklärung “Nostra Aetate”
erkennt die Kirche “Strahlen der Wahrheit” in den anderen Religionen an.
Gerade auch der Islam und das Judentum
werden im Zusammenhang mit Abraham nicht nur genannt,
sondern auch sehr gewürdigt!
Dein Volk, David, wird übrigens ausdrücklich “Stamm Abrahams” genannt!
David, nickt:
Ich habe natürlich davon gehört.
Dieses Konzil war ein guter Anfang auf einem schweren Weg.
Aber du wirst mir nicht übel nehmen, wenn ich es traurig finde,
dass es nahezu zwei Jahrtausende und sehr viel Unrecht bis dahin gebraucht hat!
Max: Und dieses Konzil hat also feierlich erklärt, dass andere auch eine Chance haben?
Mirjam: Genau das steht in einem anderen, wichtigen Text:
In der Erklärung über die Kirche selber!
Moment, ich hab’s ausgedruckt und kopiert, hier:
Nostra Aetate und Lumen Gentium, Kapitel 16.
Sie teilt aus, alle lesen.
David: Gar nicht übel, die Aussagen über das Judentum.
Wirklich ein guter Anfang...
Hatice: Hier steht ausdrücklich drin,
dass wir Muslime im Heilswillen eingeschlossen sind
und uns zum Glauben Abrahams bekennen.
Und dass wir gemeinsam den Einen Gott anbeten, den Barmherzigen –
hey, die haben ja extra den Namen für Gott verwendet,
den wir am häufigsten benutzen:
Ar-Rahman – der Barmherzige!
Max: Sogar denen, die nicht ausdrücklich an Gott glauben,
ist hier ein Türchen geöffnet,
wenn sie sich um ein rechtes Leben bemühen.
Hätt ich jetzt nicht gedacht.
Ich meinte immer, Kirche sei so was Mittelalterliches.
Ist das jetzt der neueste Stil des Papstes?
Mirjam: So neu ist das gar nicht.
Diese Texte stammen alle vom Beginn der 60er Jahre!
David: Das ist echt interessant – aber leider kennt das gar kein Mensch!
Max: Kunststück – wer liest heute noch Bücher über Religion?
Rudi: Das klingt ja alles ganz toll –
aber, Mirjam, nenn mir auch nur einen Bibeltext von deinem Jesus,
an dem du das festmachen willst!
Mirjam: Wie wär’s mit dem barmherzigen Samariter?!
Max: Dem barmherzigen was?
David: Samariter, eigentlich Samaritaner.
Max: Gibt’s davon eine Kurzversion?
Mirjam: Es ist ein Gleichnis von Jesus:
Ein Mann wird von Räubern überfallen und verletzt liegengelassen.
Leute kommen vorbei. Erst ein Tempeldiener, dann ein Priester –
beide helfen dem Mann nicht.
Dann ein Samariter – der kümmert sich um den Verletzten.
Und Jesus sagt:
Der Samariter hat den Bund mit Gott erfüllt, die anderen nicht!
Rudi: Eine schöne, alte Geschichte –
aber einen großen Punkt für Toleranz seh ich da nicht!
Mirjam: David, kannst du uns sagen,
wie die Samaritaner vom Judentum aus gesehen wurden?
David: Die Samaritaner erkannten nicht alle unsere Bücher an
und hatten ein eigenes Heiligtum.
Zur Zeit Jesu galten sie natürlich als solche,
die sich vom Glauben losgesagt hatten.
Mirjam, ihr würdet sagen, als Ketzer.
Mirjam: Und ausgerechnet einen solchen Ketzer stellt Jesus
als Vorbild all den angeblich so Rechtgläubigen hin!
Indem dieser Samariter dem anderen hilft,
erfüllt er nach Jesus den Bund mit Gott.
Die Rechtgläubigen, die Hilfe verweigern, aber nicht!
Wenn das mal keine Botschaft ist, oder!? ...
Ich glaube, dieses Gleichnis gilt auch zwischen uns!
Max: Sehr schön. Jetzt haben wir uns alle schöne Geschichten erzählt
und viel voneinander gelernt –
was mir fehlt ist aber ein greifbares ERGEBNIS!
David: Ich würde sagen, wir sind einfach mal soweit,
dass wir mit den Texten anfangen können.
Max: Einen Moment, ihr habt dieses Gelaber gebraucht,
um mit dem Arbeiten anzufangen?!
Da sieht man, dass ihr keine Geschäftsleute seid!
Rudi: Warum sind Geschäftsleute deiner Meinung nach so schnell?
Max: Ist doch klar – sie wissen, worum es geht! Ums Geld.
Hatice: Wir haben einen Moment gebraucht,
es herauszufinden, worum es uns gemeinsam geht –
und ich möchte behaupten, das ist mehr wert als Geld.
Max: Ach ja – und was soll das sein?
David: Ich würde es “Schalom” nennen.
Hatice: Und ich “Salam”.
Mirjam: Ich Frieden.
Rudi: Bevor ihr jetzt miteinander in Tränen der Rührung ausbrecht –
wer fängt denn wirklich an?
Max: Danke, Rudi.
Rudi: Bitte, Max.
Hatice, zu Mirjam:
Ich würde sagen, der erste Schritt liegt bei der Gastgeberin.
David: Ja, so sollte es sein.
Mirjam: Okay. Ich hab mir einfach mal die Bibel angeschaut –
das Buch Genesis, um genau zu sein.
Da steht ja eine Menge zu Abraham drin.
Aber am interessantesten finde ich die Stelle ganz am Anfang:
“Und der Herr sprach zu Abram:
Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft
und aus deines Vaters Haus in ein Land, das ich dir zeigen will.
Und ich will dich zum großen Volk machen
und will dich segnen und dir einen großen Namen machen
und du sollst ein Segen sein.
Ich will segnen, die dich segnen,
und verfluchen, die dich verfluchen,
und in dir sollen gesegnet sein alle Geschlechter der Welt.”
Rudi: Stop! Wer will mit mir mitlachen!?
Hatice: Wieso? Was ist denn los?
Rudi, aufspringend:
Segen! Hah! Seht ihr es denn nicht!?
Wo bitte ist Abraham ein Segen? Wo bitte ist Religion ein Segen?
an David: Komm, sag doch, David,
wie könnt Ihr diesen Abraham einen Segen nennen!?
Hat er eurem Volk nicht nur Verfolgung eingebracht?
Unterdrückung und Tod und sinnlose Gesetze?!
Wie kannst du, nach allem was geschehen ist,
noch behaupten, er oder sein Gott wären “irgendein” Segen!?
Hatice: Rudi, warum so aggressiv? Was willst du damit erreichen?
Rudi: Ich will euch die Augen öffnen!
Ich will klare Antworten und kein hohles Gesülze!
Im Gegensatz zu Max bin ich nicht bereit,
irgendwelchen Schmalz zu fabrizieren nur wegen einer guten Note!
Eure Religionen sind doch nur Masken
und dieser Abraham der Beginn einer großen Lüge!
David, ruhig:
So falsch ist deine Frage nicht, Rudi.
Wie kann und konnte Er das alles zulassen?
Viele von uns kämpfen damit – und keinem fällt es leicht, keinem.
Aber, hast du dir die Alternative schon einmal überlegt?
Wenn Abrahams Weg ohne Bedeutung war,
welche Bedeutung hätte dann unser Weg gehabt?
Wenn sein Glaube nur Einbildung war,
war dann alles, was wir geglaubt haben,
und wofür man uns hasste und weiter hasst –
auch nur sinnloser Wahn?
Wenn es Abrahams Gott nicht gibt,
wo wäre dann die Hoffnung auf eine zweite, glückliche Chance
für all die Opfer, die vielen Unschuldigen?
Nein, Rudi, so laut du auch schreist,
du wirst mir erlauben müssen, gerade aus seinem Weg Kraft zu schöpfen,
um zu leben und um zu glauben,
dass nicht alles sinnlos ist und war.
Einen Moment Schweigen.
Rudi: Du sagst gar nichts, Mirjam. Das war ergreifend, oder?
Hat dir das schlechte Gewissen die Kehle zugeschnürt?
Hat nicht besonders euer Glauben
jeden Gedanken an einen Segen zerstört?
Sklaverei, Unterdrückung, Kriege,
Verfolgung, Folter, Ausbeutung und Völkermord!
Entweder ihr habt dazu nur geschwiegen
oder ihr habt es sogar “gesegnet” und kräftig mitgemacht!
Das eigentlich Üble ist ja,
dass das, was euer Jesus so gesagt hat, oft so schön ist –
manchmal will man ja dran glauben.
Aber ihr habt es zerstört und tut es weiter!
Die Bergpredigt und all der Kram,
ich sage, vor die Säue hat man sie geworfen, die Perlen oder Ringe!
Wäre Abraham nicht gewesen, dann auch euer Jesus nicht –
was wäre uns alles erspart geblieben!?
Mirjam, ruhig:
Du beobachtest genau und triffst wie immer, wo es wehtut.
Schuld. Wie kann man ihr entkommen?
Ich könnte sagen: Damit hab ich nichts zu tun,
persönlich hab ich keinem was getan,
ich war nicht da, was interessiert es mich,
sollen andere darüber nachdenken – oder auch nicht.
Das wäre der einfache Weg.
Und warum einen schwereren gehen?
Und jetzt sag ich dir was, etwas, das ich glaube!
Der Mensch trägt wenig Liebe in sich,
es ist verdammt schwer, sich zu bewegen, wenn es um andere geht.
Und genau an dem Punkt gibt mir der Glaube Kraft,
mich dem dann auch zu stellen,
mir Gedanken zu machen
und aus der Geschichte zu lernen, auch wenn es wehtut,
mich auf den Weg zu machen, auch wenn es unbequemer ist!
Rudi: Und dafür brauchst du “Segen”?
Mirjam: Ja, dafür brauch ich eine kleine Stimme, die mir Mut macht und mir sagt:
“Komm mit, mach dich auf den Weg!”
Und sage nicht, das gibt es nicht!
Ich lasse viel gegen meine Religion anführen, ja,
aber ich sage eben auch mal eines:
Bei uns in den Gemeinden engagieren sich Leute,
ganze Werke haben sie aufgebaut.
Für Arme, für Hungernde,
für Kinder und Jugendliche, die ihren Weg suchen,
für Kranke, für Verzweifelte,
für Demokratie, Menschenrechte,
für die Umwelt und gegen Fremdenfeindlichkeit!
Ich weiß, Rudi, vor deinen Augen kann das nicht bestehen,
du schaust da nur mit Spott darauf,
du siehst nur die Fehler, die andere machen!
Aber es wäre nur fair, wenn man auch einmal anerkennen würde,
was täglich getan wird, von ganz gewöhnlichen Menschen wie du und ich.
Einfach, weil diese Menschen sich auf den schmalen Weg gemacht haben
anstatt nur zu spotten - und von anderen mehr zu verlangen!
Hatice: Wie machst du es, Rudi?
Rudi: Was?
Hatice: Wie begründest du, was du tust oder nicht tust?!
Rudi: Ganz einfach –
ich glaube nichts, also muss ich mich auch für nichts rechtfertigen!
David: Das ist sehr praktisch.
Und die Schlechtigkeit der Welt kannst du dann problemlos bei anderen abladen.
Sie geht dich dann einfach nichts mehr an.
Rudi: Ich kann Ungerechtigkeit wenigstens beim Namen nennen!
Schau dir Hatice doch an – mit dem Kopftuch, zu dem man sie zwingt!
Der Segen Abrahams – Unterdrückung heißt er!
Wie kannst du weiter daran glauben, Hatice,
dass die Frau unter dem Mann steht,
dass Unterdrückung fair und göttlich ist!?
Haben Jahrhunderte nicht gelangt, um euch zu zeigen,
wozu man die Religion benutzt!?
Wie viele Frauen hat dieser Abraham gehabt?
Der männliche Gott im Bund mit den Männern daheim
und du unterwirfst dich immer noch brav!
Hatice: Wer sagt das? Schließt du von meinem Äußeren gleich auf das Innere?
Ausgerechnet du?! Was weißt du von meiner inneren Freiheit?
Gerade der, die mir Gott schenkt!
Vor Ihm sind die Menschen gleich und Ihm kommt es nicht auf die Macht an,
die noch keiner verschenkt hat an uns Frauen – auch keine Revolution!
Wenn du von Freiheit für Frauen redest,
dann lass mir auch die Wahl, meinen Weg zu gehen!
Wenn du sagst, Jahrhunderte haben fast nur Männer definiert,
was falsch und richtig war, dann lass mich jetzt definieren,
mich allein, was ich für falsch und richtig halte
und schreib mir nicht schon wieder ein neues Frauenbild vor
und eine bestimmte Art, mich zu kleiden!
Damit das einmal klar ist:
Nur weil ich vielleicht anders aussehe als ihr
bin ich weder gleich unterdrückt noch gefährlich!
Mirjam: Das hat doch auch keiner gesagt!
Hatice: Nein, Mirjam, offen sagt das keiner.
Aber versuch mal eine gute Ausbildungsstelle zu finden mit diesem Tuch!
Da ist’s mit der Toleranz schnell vorbei – nicht nur bei Rudi!
Dabei würde ein einziger Blick in deine eigene Kinderbibel genügen,
um zu zeigen, dass Maria, als fromme Jüdin ihrer Zeit,
sich doch selbst einmal so gekleidet hat!
Und Sara, die Frau von Abraham, natürlich auch!
Max: Hört noch nicht auf, Kinder, macht weiter!
SO macht ein Streit wenigstens Sinn!
Ich mach hier schon eifrig Notizen, einiges haben wir schon zusammen!
Mirjam, baff:
Du schreibst schon mit!?
Max: Klar, es ist eine alte Weisheit:
Wenn andere sich streiten, ist die Zeit für maximalen Gewinn!
Rudi: Du bist echt ekelhaft, Max!
Max: Sehen wir es doch einmal ganz nüchtern, Rudi!
Ihr diskutiert hier über Dinge, die mich kaum etwas angehen.
Segen, Gott, Gerechtigkeit – das sind so wolkige Begriffe
Und ich mach das Einzige daraus, was zählt – Profit!
In diesem Fall, eine gute Note! Also bitte, streitet weiter.
Dann haben wir bald genug Begriffe für die ganze Arbeit!
Mirjam: Ich fass es nicht! Du freust dich, wenn wir streiten!?
Max: Liebste Mirjam, ich freu mich nicht, aber ich hab mich damit abgefunden –
und ich mach das Beste daraus. Ich bin’s ja nicht, der hier streitet!
Anstatt dass ihr euch moralisch über mich aufregt,
könntet ihr ruhig mal anmerken,
dass ich der Einzige bin, der hier was Produktives leistet,
während ihr euch eure Glaubenskämpfe liefert!
Rudi: Ich finde nicht, dass es Glaubenskämpfe sind!
Wir diskutieren endlich mal, was Sache ist!
Max: Ja, und ich schreib mit.
David: Was hast du denn bisher so zusammen?
Max: Also – es ging darum, ob Abraham wirklich ein Segen wäre.
Dank Rudi habt ihr da sehr konkret antworten müssen!
David, du hast, so hab ich dich zumindest verstanden,
den Sinn und die Hoffnung genannt, die du bei Abraham findest.
Mirjam hat auf die kleine Stimme abgehoben, die einem Mut machen kann,
der eigenen Situation ins Gesicht zu sehen und sich für andere zu engagieren.
Und Hatice hat die Gewissensfreiheit genannt,
die “innere Freiheit” sozusagen.
Das ist doch schon mal was, oder!?
David: Gut, du hast bisher mitgeschrieben, was wir so gesagt haben.
Aber hast du dir auch eine eigene Meinung gebildet?
Max: Zu Abraham? Oh ja, aber die wird euch nicht gefallen!
Rudi: Wird sie den Gläubigen hier nicht gefallen – oder uns allen nicht?
Max: Ich fürchte, sie wird auch dir nicht gefallen, Rudi.
Hatice: Jetzt sind wir aber gespannt!
Mirjam: Na los, sag schon!
Max: Okay, haltet euch fest!
Ich hab über diesen Abraham zwar nichts gelesen –
aber ich hab immerhin einen Film über ihn gesehen.
Und ich behaupte:
Abraham war der Urtyp des Unternehmers!
Hatice: Wie bitte?!
Rudi, lacht:
Was anderes war von dir auch nicht zu erwarten...
Max: Ich kann es auch belegen!
Also: da ist ein Mann, der lebt in festen Verhältnissen,
wohlhabend, Familie, festes Einkommen,
das Beste, was ein Mann seiner Zeit sich eigentlich wünschen konnte, oder?!
Und was macht er?
Er bricht auf, um es allen zu zeigen, er geht einfach seinen Weg,
zu einer Zeit, als die Gesellschaften doch noch ganz festgefügt waren,
mit Königen und Priestern oben und Bauern und Viehzüchtern unten!
Total erstarrt halt!!!
Nicht so Abraham. Der zieht einfach los.
Der wird einfach seines eigenen Glückes Schmied
und guckt, dass er seine Leute und sein Vieh gut beieinander hält,
geschickt Verträge aushandelt,
Verantwortung auch mal delegiert und gute Leute fördert,
Niederlagen entschlossen in Siege umwandelt –
und das alles im hohen Alter!
Und am Ende hat er all seine Ziele erreicht.
Ist wohlhabend, hat Kinder, ist berühmt und geschätzt –
und geht in die Geschichte ein! Und er ist glücklich am Ende.
Tschakka!
Als bekennender Kapitalist sag ich:
Hut ab, Abraham.
Heute bräuchte es mehr wie dich,
mit soviel Lust auf das Neue,
mit soviel Mut, ihren Träumen zu folgen!
Abraham war ein Urtyp des erfolgreichen Unternehmers zu seiner Zeit –
das ist meine Interpretation von Abraham!
Rudi: Also, ich weiß nicht, wie ihr das seht –
aber ich brauch jetzt ne Pause! Zigarettenpause!
Hatice: Das ist gut! Bei mir wär’s Zeit fürs Mittagsgebet!
Mirjam, hast du einen Raum wo ich beten kann?
David: Für mich auch, bitte.
Mirjam: Klar, das Haus ist groß genug.
Es wird sich schon ein Platz für jeden finden.
Max, sich genüsslich zurücklehnend:
Tja, so hat halt jeder seine Sucht.
Nur ich nicht.
Das heißt...
Mal schauen, wie der DAX steht!
2. Akt
In der Küche
Mutter, Mirjam, Hatice, David eintretend
David: Einen schönen Tag, Frau Schreiber.
Hatice: Grüß
Gott.
Mirjam: Hallo Ma!
Mutter: Huch, ich habe euch gar nicht kommen hören!
Macht ihr hier eine Party oder so was?
Mirjam: Nein – wir machen ein Schulprojekt.
Über Abraham. Draußen im Garten, eigentlich.
Mutter: Aber ich hab draußen nur Rudi und Max gesehen.
Mirjam: Ja, wir mussten kurz ...beten.
Mutter, lacht:
Na, außer dir, Mirjam, haben in diesem Haus
ja lange nicht mehr viele gebetet!
Aber es spricht natürlich nichts dagegen...
Mirjam: Naja, wir müssen jetzt auch weitermachen, Ma.
Mutter: Einen Moment mal! Habt ihr denn was zu trinken draußen?
Hatice: Ja, Frau Schreiber.
Mutter: Und was zu knabbern auch?
Mirjam: Ja, ich hab daran gedacht –
und die anderen haben auch einiges mitgebracht!
Mutter: Nur interessehalber – habt ihr zusammen gebetet?
David: Eher beieinander und füreinander.
Mutter: Wie das?
Hatice: Jeder war beim Gebet des anderen dabei, einfach in Freundschaft anwesend.
Das war schön – und verbindend.
Mutter: Verbindend? Inwiefern?
Mirjam: Nun ja, unsere Gebete unterscheiden sich schon – wie unsere Religionen.
Aber den gemeinsamen Kern, den kann man fühlen, erleben...
David: ...und das gemeinsame Ziel.
Mutter: Ja, seht ihr denn keine Nachrichten? Lest ihr denn keine Bücher?
Juden, Christen, Moslems –
Unterdrückung und Krieg gegeneinander, immer wieder!
Und trotzdem betet ihr hier miteinander?
Mirjam: Vielleicht gerade deswegen, Ma...
Rudi, vom Garten her kommend:
Können wir langsam weitermachen –
oder plant ihr eine “Verschwörung der Gläubigen” da drinnen?
Hallo, Frau Schreiber.
Mutter: Hallo, Rudi! Du machst da auch mit?
Rudi: Jawohl, Frau Schreiber, ich bin auch dabei,
momentan noch eher zwangsläufig.
Man glaubt es vielleicht nicht,
aber wir haben eben doch den gleichen Lehrer.
Und Max übrigens auch. Und der wird schon ungeduldig – ihr wisst ja...
Rudi, Hatice, Mirjam, David:
ZEIT IST GELD!!!
Mutter: Schade. Es war gerade ein ganz interessantes Gespräch.
Na, dann springt mal!
Die anderen gehen, Mutter alleine.
Mutter: Ist das nicht lustig?
Da kommen sie von überall her, die Kinder,
und verwandeln Haus und Garten in einen kleinen Ort des Friedens.
Füreinander beten – wer hätte das gedacht?!
Ich glaube, bei Gelegenheit muss ich den Lehrer mal loben.
Im Garten, alle wieder beisammen.
Max: Da seid ihr ja endlich! Wisst ihr, wie lange ihr gebraucht habt?
Hatice: Was sein muss, muss eben sein.
Max: Wenn ihr fünfmal am Tag so was machen müsst,
schlägt das doch wohl ganz schön auf die Produktivität!
David: Max, darf ich dich mal was fragen?
Max: Aber bitte doch, David!
David: Wenn dir jemand, sagen wir, 24 Goldstücke schenkt
und eine Weile später kommt er vorbei und bittet dich,
ihm ein Goldstück zurückzugeben, würdest du es tun!?
Max: Was soll die Frage? Na klar würde ich!
David: Gott hat uns 24 Stunden am Tag geschenkt.
Meinst du nicht, wir könnten ihm eine wiedergeben..?
Hatice: ...zumal sie ja nicht verloren wäre, die Stunde!
Max: Vorausgesetzt, es gibt diesen Gott, David,
und ich hätte die 24 Goldstücke nicht einfach zufällig gefunden!
Mirjam: Und auch dann wäre es wohl nur fair,
einen Teil davon abzugeben, an die, die gar nichts haben!
Rudi: Was haltet ihr davon, wenn wir uns einigen,
dass ja jeder für sich selbst am besten wissen muss,
ob ihm jemand die Stücke geschenkt oder ob er sie zufällig gefunden hat.
Auf jeden Fall brauchen wir ja jetzt nichts verschwenden,
sondern könnten weitermachen!
Max: Danke, Rudi!
Rudi: Bitte, Max.
Hatice: Okay, wo waren wir?
David: Max hatte Abraham als Unternehmer entdeckt.
Rudi: Wie denkt ihr darüber?
Mirjam: Naja, er hat viele Facetten, unser Stammvater...
Max: Warum nennt ihr diesen Abraham eigentlich ständig “Stammvater”?
Das war doch auch in diesem Kirchentext –
war er der Vater von Moses, Jesus und Mohammed, oder was?
Kurzes Schweigen.
David: Nun ja, in einer gewissen Weise wohl schon...
Rudi: Du machst Witze – Abraham der Urahne von allen dreien!
Wie kann denn so was gehen?
Hatice: Abraham hatte zwei Söhne: zuerst Ismael und dann Isaak.
Ismael gilt als Urvater der Araber und auch der Quraisch.
Aus diesem Stamm kam unser Prophet Muhammad.
Über Isaak entstand das Volk der Juden.
Und damit dann auch Moses, die anderen Propheten
und später eben Jesus.
Rudi: Aha, und wer war die Mutter?
Mirjam: Es waren zwei:
Hagar, die Mutter Ismaels, und Sarai, die Mutter Isaaks.
Rudi: Wie bitte?!
David: Zu jener Zeit waren Abraham und Sarai schon sehr alt.
Obwohl Gott es ihnen versprochen hatte,
hatten die beiden kaum noch Hoffnung auf ein Kind.
Daher gab Sarai ihre Magd Hagar dem Abraham zur Frau.
Max: Mannomann – da sind vielleicht Stories in euren alten Büchern!
Hätt ich nicht gedacht!
Rudi: Nur weil sie ein Kind wollte,
schickt sie ihren Mann zu einer anderen?!
Mirjam: Nicht “nur” weil sie ein Kind wollte!
In ihr war der Wunsch nach einem Kind sehr stark,
sie erwartete es und es wurde von ihr erwartet.
Rudi: Und warum hat Abraham da mitgemacht?
David: Ob es Sehnsucht war oder Liebe, Verantwortung oder Verzweiflung...
Was in den dreien letztlich vorging,
wissen, glaube ich, nur sie alleine – und Gott.
Max: Aber, Rudi, du musst zugeben,
so ein glatter “Glaubens-He-Man”
ist dieser Abraham nicht unbedingt gewesen!
Rudi: Geb ich gerne zu. Wie lief die Geschichte weiter?
David: Hagar wurde schwanger.
Und weil sie also offenbar fruchtbar war und Sarai unfruchtbar,
kam es zum Streit zwischen den Frauen!
Mirjam, lies mal bitte vor!
Mirjam, blätternd:
Hier! “Als nun Sarai sie demütigen wollte, floh sie von ihr,
Aber der Engel des Herrn fand sie bei einer Wasserquelle in der Wüste,
nämlich bei der Quelle am Wege nach Schur.
Der sprach zu ihr: Hagar, Sarais Magd,
wo kommst du her und wo willst du hin?
Sie sprach: Ich bin von Sarai, meiner Herrin, geflohen.
Und der Engel des Herrn sprach zu ihr:
Kehre wieder um zu deiner Herrin und ertrag ihre harte Behandlung.
Und der Engel des Herrn sprach zu ihr:
Ich will deine Nachkommen so mehren,
dass sie der großen Menge wegen nicht gezählt werden können.
Weiter sprach der Engel des Herrn zu ihr:
Siehe, du bist schwanger geworden und wirst einen Sohn gebären,
dessen Namen sollst du Ismael nennen,
denn der Herr hat dein Elend erhört.
Er wird ein Mensch sein wie ein Wildesel.
Seine Hand gegen alle, die Hände aller gegen ihn!
Allen seinen Brüdern setzt er sich vors Gesicht!”
Max: Ha! Was für ein schmeichelhaftes Bild der Muslime! Ein Wildesel!
Mirjam: Bevor du lachst, darf ich daran erinnern,
wie der Messias selbst nach Jerusalem einziehen wird!
Auf einem Esel, wenn ich mich recht entsinne.
David: Und im 4. Buch Mose wird eine Eselin den Engel des Herrn erkennen,
wo die anderen ihn nicht erkannten.
Ruth: Was habt ihr eigentlich immer mit eurem Engel?
Hatice: Für uns ist es kein Zufall,
dass der “Engel des Herrn” mit Hagar spricht.
Für uns ist das Engel Gabriel, derjenige,
der später unserem Propheten den Quran überbringen wird.
Mirjam: Das ist doch der gleiche, der auch Jesus ankündigt!
Hatice: Ja, genau dies berichtet auch der Quran.
Max: Ihr hattet es doch immer so mit euren Namen.
Warum heißt dieser Knabe eigentlich “Ismael”?
David: Ismael heißt hebräisch: “Gott hat erhört.”
Und wir werden sehen, dass dieser Name seine Berechtigung hat!
Mirjam: Hier steht, dass Abraham den Jungen dann auch Ismael nennt.
Das heißt doch, er glaubt Hagar die Begegnung mit dem Engel, oder?!
Hatice: Ganz offenbar.
Mirjam: Weißt du, für uns Christen ist der Gedanke noch etwas fremd,
dass der Islam auf Ismael zurückgehen soll.
Für uns war eigentlich mit Jesus die Geschichte
auch mit Abraham irgendwie...
nun ja, abgeschlossen.
David: Ja, das hat doch etwas von göttlicher Ironie!
Jahrhunderte lang habt ihr gegen uns Juden angeführt,
dass Gott “aus Steinen” Abrahams Kinder berufen könnte –
aber dann den Ismael anzuerkennen,
das ist euch dann plötzlich wieder ganz schwer gefallen!
Mirjam: Jetzt tut doch nicht so, als hättet ihr keine Probleme miteinander!
Hatice: Ich bitte euch.
Wir alle wissen, dass es Probleme gibt – zwischen uns allen.
Aber es gibt eben auch eine tiefe Verwandtschaft.
Und wenn wir das erkennen, ist das doch ein Hoffnungszeichen!
Max: Also ich kenne Christen, die behaupten, das wäre alles Lüge.
Dieser Ismael habe mit den Moslems nichts zu tun
und der ganze Islam wäre eher eine teuflische Angelegenheit.
Hatice: So hat halt jede Religion ihre Fundamentalisten.
David: Wobei “Fundamentalist” ja eigentlich von “Fundament” kommt.
Und das scheint diesen Leuten ja ein wenig zu fehlen.
Mirjam, würdest du bitte... Moment... diese Stelle hier vorlesen?
Mirjam: Okay... ab hier?
“Und für Ismael habe ich dich auch erhört.
Siehe ich habe ihn gesegnet und will ihn fruchtbar machen
und über alle Massen mehren. Zwölf Fürsten wird er zeugen,
und ich will ihn zum großen Volk machen.
Aber meinen Bund will ich aufrichten mit Isaak,
den dir Sara gebären soll um diese Zeit im nächsten Jahr.”
Hatice: Es hat in der Geschichte kein einziges größeres Volk gegeben,
das sich auf Ismael berufen hat, als die Araber.
Max: Und wenn euer Gott den Ismael ausdrücklich “gesegnet” hat,
wird er seinen Nachkommen wohl keine “teuflische” Religion aufsetzen!
Rudi: Ihr bekriegt euch also ständig, obwohl ihr einen gemeinsamen Ursprung habt!
Ha! Ich hab’s doch gesagt, in jeder Familie gibt es Probleme!
Max: Und dieser Isaak – der wird also der Stammvater der Juden?
David: Ja. Im unglaublich hohen Alter gebärt Sara doch noch einen Sohn...
Rudi: Ich dachte, sie heißt Sara...“i” !
David: Wie bei Abraham änderte auch Gott ihren Namen.
Sie wird nun zur “Fürstin” vor der Geschichte.
Und “Isaak”, ihr Sohn, bedeutet übrigens “Lachen”.
Denn sie hatte noch gelacht,
als ihr im hohen Alter ein Sohn angekündigt worden war.
Und sie lacht nun natürlich wieder, als es tatsächlich soweit ist.
Hatice: Hagar aber hat bald nichts mehr zum Lachen.
Denn jetzt, nachdem auch Sara einen Sohn hat,
bricht der Streit zwischen den beiden offen aus.
Sara besteht nun darauf, dass Hagar und ihr Sohn verbannt werden.
Und Abraham gibt schließlich - auf Gottes Wink hin - nach.
Mirjam, liest:
“Da stand Abraham früh am Morgen auf
und nahm Brot und einen Schlauch mit Wasser
und legte es Hagar auf ihre Schulter,
dazu den Knaben, und schickte sie fort.
Da zog sie hin und irrte umher bei Beerscheba.
Als nun das Wasser in dem Schlauch ausgegangen war,
warf sie den Knaben unter einen Strauch
und ging hin und setzte gegenüber von ferne, einen Bogenschuss weit;
denn sie sprach: Ich kann nicht ansehen des Knaben Sterben.
Und sie setzte sich gegenüber und erhob ihre Stimme und weinte.
Da erhörte Gott die Stimme des Knaben...”
Max: Da ist es - dieses “Gott erhört”!
Mirjam: “...Und der Engel des Herrn rief Hagar vom Himmel her
und sprach zu ihr: Was ist dir, Hagar? Fürchte dich nicht,
denn Gott hat gehört die Stimme des Knaben, der dort liegt.
Steh auf, nimm den Knaben und führe ihn an deiner Hand;
denn ich will ihn zum großen Volk machen.
Und Gott tat ihr die Augen auf, dass sie einen Wasserbrunnen sah.
Da ging sie hin und füllte den Schlauch mit Wasser und tränkte den Knaben.
Und Gott war mit dem Knaben.
Der wuchs heran und wohnte in der Wüste und wurde ein guter Schütze.
Und er wohnte in der Wüste Paran,
und seine Mutter nahm ihm eine Frau aus Ägyptenland.”
Hatice: Wartet mal! Im Quran gibt es einen Vers,
den Abraham als Gebet sprach, nachdem er Hagar und Ismael
an der Stelle der heutigen Stadt Mekka zurück lies.
Das Gebet ist in der Sure 14, Verse 37 bis 40 zu finden und lautet:
“Unser Herr, ich habe einen Teil meiner Nachkommenschaft
in einem unfruchtbaren Tal nahe bei Deinem heiligen Haus angesiedelt.
Unser Herr, mögen sie das Gebet verrichten.
So lasse die Herzen der Menschen sie lieb gewinnen
und versorge sie mit Früchten, damit sie dankbar sein mögen.”
Nachdem Abraham seine Frau
und seinen Sohn im trockenen Tal verlassen hatte,
suchte Hagar lange Zeit vergeblich nach Wasser.
Der Engel Gabriel kam zu ihnen und zeigte ihr die
Stelle der Quelle Zamzam.
Dieses Ereignis, das auch in der Bibel berichtet wird,
prägte
den islamischen Glauben in Form der Pilgerfahrt nach Mekka, der Hadsch.
Wir gehen sieben Mal
zwischen den Hügeln wie Hagar es tat
und wir finden die Quelle Zamzam, die bis heute
sprudelt.
Wir glauben, dass Abraham seinen Sohn Ismael später
noch einmal besuchte
und dass sie gemeinsam die Kaaba aufrichteten –
den Ort, zu dem sich alle Muslime beim Gebet richten.
Mirjam: “Eure” Pilgerfahrt in “unserer” Bibel! Das ist ja mal ein Ding!
Max: Siehst du, Rudi – es scheint sich bei denen tatsächlich um Einen zu handeln!
Rudi: Aber regt es dich denn gar nicht auf, dass Gott euren Ismael
im wahrsten Sinne des Wortes “in die Wüste geschickt” hat!?
Hatice: Ich glaube nicht, dass jemand von uns Gottes Willen durchschauen kann.
Für uns war auch diese Vertreibung eine Prüfung –
Abraham wurde geprüft, ob er bereit war,
sich von seinem geliebten Sohn zu trennen...
David: Moment – dieses Motiv kommt mir aber sehr
bekannt vor!
Mirjam: Ja, genau – eine Prüfung ! Wie bei Isaak...
Hatice: So glauben wir, dass auch diese Prüfung
einen Sinn hatte!
Ismael sollte die Ankunft des Propheten vorbereiten.
Zum Beispiel eine Stadt gründen
und eben lebensnotwendige Bedingungen schaffen.
Also von uns her keine Rede von Bitterkeit.
Der Streit darüber, wer nun der besondere,
der erwählte Sohn sei, besteht aber bis heute noch.
Rudi: Aber wenn ihr doch an einen Gott glaubt,
welchen Sinn sollte es haben, dass er solchen Streit zwischen euch legt?
Ich meine, hätte er nicht alles ein wenig einfacher machen können!?
David: Vielleicht ist es das Wesen einer ernsten Prüfung,
dass sie eben nicht einfach zu bestehen ist, sondern uns alle fordert.
Rudi: Fordert in was? In heiligen Kriegen?
Hatice: Nun, die größte Anstrengung, die ein Mensch für den Frieden erbringen kann,
ist die Anstrengung gegen das Böse in sich selbst, im eigenen Inneren.
Mirjam: Moment mal - mir fällt gerade ein, dass es einen solchen Rangstreit
sogar schon zwischen den ersten Jüngern Jesu gab!
Sie fragen ihn, wer der Erste unter ihnen sein wird!
Rudi: Und – was antwortet er?
Mirjam: Ich weiß es nicht mehr ganz genau... Irgendwas mit Kindern...
Und ich erinnere mich noch an den einen Satz von ihm:
“Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein.”
Max: Ha! Dabei will im echten Leben doch eh jeder nur der Chef sein!
Rudi: Eben. Darum geht’s doch! Zwischen euch gibt’s nur Streit –
seit damals und bis heute! Ihr redet gern von Toleranz und Demut –
aber selbst bei euren Urahnen hat das nie funktioniert!
David: Das stimmt nicht ganz, Rudi. Hier:
“Und es begruben ihn seine Söhne Isaak und Ismael
in der Höhle von Machpela...
Da ist Abraham begraben mit Sara, seiner Frau.”
Rudi, spöttisch:
Sie begraben ihn also gemeinsam.
Ein schönes Bild. Isaak und Ismael,
wie sie gemeinsam ihren Vater betrauern!
Aber, Leute, das Grab Abrahams,
ist das nicht heute Hebron, wo soviel Blut fließt?
Hatice: Leider. Wir nennen die Stadt, in der
Abrahams Grabstätte ist,
nicht Hebron, sondern “Al-Halil”. Das bedeutet “Der
Freund”.
Für uns ist Abraham “Halilullah” – der “Freund
Gottes”.
Wir nutzen dort verschiedene Gebetsstätten,
sogar verschiedene Eingänge zum Grab.
Das alles ist das Gegenteil des Respekts,
der wohl einmal zwischen Isaak und Ismael geherrscht hat.
Das Gegenteil des Friedens, von dem wir alle träumen.
Rudi: Vielleicht reicht halt Träumen einfach nicht aus.
Vielleicht solltet ihr auch mal was füreinander TUN!
Dann wärt ihr – alle miteinander – auch für mich wieder
wenigstens ein Stück GLAUB-WÜRDIG!
Hatice: Tun wir hier etwa nichts? Ich finde, wir lernen viel voneinander!
Rudi: Aber das hätte doch viel früher anfangen müssen –
und viel mehr Menschen sollten sich daran beteiligen!
David: Es hat dieses Gespräch zwischen den Religionen immer gegeben, Rudi.
Aber, ja, es waren zu wenige, auf allen Seiten. Und die die Macht hatten,
wollten von den Ansichten und Rechten der anderen meist nichts mehr wissen.
Von Ausnahmen abgesehen.
Hatice: Und wo ist das heute anders? Wo werden Minderheiten wirklich geachtet?
Und wo setzen die mächtigen Religionen sich wirklich für die anderen ein?
Mirjam: Aber liegt das nicht auch an uns?
Könnten wir nicht versuchen, besser füreinander einzustehen?
Ist es vielleicht das, was von uns verlangt wird?
Kurzes, nachdenkliches Schweigen.
Max: Freunde, fällt es euch eigentlich auch auf?
Wir diskutieren hier über Jahrtausende alte Texte
und kommen doch immer wieder in der Gegenwart an!
Wir haben jetzt schon soviel Material zusammen,
wir brauchen es nur noch zusammenfügen – und fertig!
Mirjam: Dabei haben wir doch ganz viel noch gar nicht verwendet...
Mamre und Melchisedek...
David: ...die Opferung Isaaks, Abrahams Begegnungen mit Pharao und Abimelech...
Hatice: ...die entsprechenden Quellen des Islam,
die Tradition, vor allem aber natürlich einige Verse des Quran...
Rudi: Bitte entschuldigt, aber mir brummt jetzt schon der Kopf!
Könnten wir nicht eine Pause machen,
und danach erst einmal zu einem Ende kommen!
Wir können doch ein paar Themen auch für andere zum Forschen lassen!
Für “Abraham heute” haben wir doch wirklich genug!
Was haltet ihr von einer Pause!?
Mirjam: Eine gute Idee! Wer möchte was trinken?
Max: Ich, bitte.
Hatice: Und ich auch.
David: Rudi, soll ich dir was mitbringen?
Rudi: Ja, bitte. Sei so lieb!
3. Akt
Rudi, allein:
Mir schwirrt der Kopf vom vielen Denken!
Tausend Geschichten, Jahrtausende alt –
und da soll man den Durchblick behalten.
Interessant ist es ja schon, aber so furchtbar verwirrend.
Ruft: Hey, lieber Gott, wenn es dich gibt und du mich hörst,
warum hast du es uns so furchtbar kompliziert gemacht!?
Ein Moment Warten.
Worauf warte ich eigentlich?
Dass da jetzt eine Stimme aus dem Himmel dröhnt und mir sagt:
“Rudi, das verhält sich so und so.”???
Tritt an den Tisch, überfliegt die Unterlagen.
Viel Kram, der hier liegt. Verwirrend viel. Was ist denn das?
Nimmt ein Blatt.
“Warum Abraham seine Heimat verließ.”
Na, DAS ist doch mal etwas Wichtiges!
Warum ist der überhaupt losgezogen!? Von wem ist denn das?
Von David oder von Hatice? Naja, schauen wir es uns mal an...
Sich setzend, Umblende Küche.
Max, David, Mirjam, Hatice, Mutter.
Max, trinkend:
Oh, das tut gut! Ich bin fix und fertig!
Mutter: War es denn so anstrengend?
Hatice: Das kann man wohl sagen, Frau Schreiber!
Und dabei haben wir noch nicht einmal
ein Zehntel unseres Materials ausgewertet.
Mirjam: Aber ich habe ein gutes Gefühl dabei.
Ich habe eine Menge gelernt über euren Glauben,
aber eigentlich auch über meinen eigenen!
Mein Vorschlag: das nächste Mal über Jesus!
Hatice, lacht:
Dann aber das übernächste Mal über den Propheten Muhammed!
David, fröhlich:
Moment, liebe Schwestern –
ihr vergesst, dass Moses lange vor Jesus und Mohammed war!
Mutter: Und wenn ihr dazu kommt, könntet ihr vielleicht
auch einmal einige weibliche Beiträge in den Blick nehmen.
Bei allem Respekt –
es gibt keinen Mangel an starken Frauen in den Religionen!
Mirjam, lacht:
Na, ich sehe schon, der Gesprächsstoff geht uns allen nicht aus!
Max, kritisch:
Stellt sich nur die Frage, ob bei all dem was rauskommt!?
Alle schauen ihn an.
Max: Naja, bewegen wir was mit diesen Gesprächen?
Bei uns selbst, bei anderen?
David: Vielleicht kannst du das doch auch selbst beantworten, Max.
Sag doch mal ehrlich, meinst du, es hat dir was gebracht?
Dir, persönlich?
Max: MIR?! Was soll MIR so was bringen?!
Eine gute Note vielleicht, aber sonst...
Nun... es war ein wenig fremdartig.
Irgendwie ein ganz neues Thema und eine neue Art, damit umzugehen.
Geld verdient man mit so was wahrscheinlich nicht so einfach...
Aber andererseits hat es mir vielleicht auch geholfen,
ein paar Dinge zu verstehen, nachzuvollziehen.
Und ein paar andere überhaupt zu sehen,
die mir vorher unbekannt waren.
Doch, zugegeben, ich kann euch nicht genau sagen, warum,
aber ich fand es irgendwie... belebend.
David: Was meint ihr, ob es Rudi wohl auch gefallen hat?
Hatice: Nun, zumindest war er am Schluss deutlich gemäßigter, oder!?
Mirjam: Ich würde sagen, er hat die richtigen Fragen gestellt,
auch wenn es manchmal hart war.
Max: Das stimmt – er macht es einem nicht einfach!
Mutter: Das klingt aber nicht, als hätte er etwas Produktives beigetragen, oder?
Rudi ruft aus dem Garten:
Hey, Leute, kommt ihr endlich, ich hab es!
Alle schauen sich überrascht an.
Mutter: Geht nur, ich räum die Gläser schon weg!
Mirjam, Hatice, Max, David eilen zurück in den Garten.
Rudi aufgeregt.
Mirjam: Was hast du, Rudi?
Rudi: Die Antwort, den Sinn dahinter!
David: Na, da sind wir aber gespannt, wie du in der Fünf-Minuten-Pause
mal eben die Gelehrsamkeit von ein paar Jahrtausenden aufgerollt hast!
Rudi: Hab ich gar nicht! Nur eine Antwort für mich gefunden!
Abraham – das ist der Urtyp des Rebellen!
Hatice, lacht:
Mensch, Rudi – jetzt hat es dich aber voll erwischt!
Rudi: Jetzt hört mir doch bitte erst mal zu!
Also: dieser Abraham wächst in festen, wohlhabenden Verhältnissen auf.
Aber er gibt sich nicht zufrieden damit, er bohrt nach, hinterfragt,
und sieht die Ungerechtigkeit seiner Gesellschaft.
David: Des Königs Nimrod, ja.
Rudi: Nicht nur des Königs.
Auch sein Volk trottet ja nur so vor sich hin
und betet alle möglichen Götzen an.
Max: Rudi, was hast du denn gegen Götzen?
War dir nicht eine Religion gleichgültig wie die andere?
Rudi: Was sind Götzen, Max?
Leblose Dinge, von denen sich die Menschen Glück versprechen
und für die sie daher alles geben würden –
ihr Geld, ihre Nachbarn, ihre Familie, ihre Kinder!
Ausbeutung, Nationalismus, Imperialismus,
diese sinnlose Gier nach mehr Macht, nach mehr Geld,
diese Vergeudung von Leben!
Abraham hat es erkannt, diese Sinnlosigkeit –
und er spricht sie gnadenlos an und entlarvt sie, all die falschen Götter.
Ihre Statuen zerstört er sogar:
ZACK – das war der Nationalismus,
KRACH – der Rassismus ging gerade kaputt,
ZACK – weg mit dem Irrsinn, Geld allein mache glücklich und
RUMMS – hinüber mit sinnlosen, ungerechten Erstarrungen!
Versteht ihr nicht?
Abraham hört die Stimme und er hat den Mut, ihr zu folgen!
Er wird verfolgt und geht lieber ins Exil,
statt sich der Sinnlosigkeit zu beugen!
Hatice: Aber wie kannst du ihn “Rebell” nennen?
Er hat nie eine Rebellion geführt!
Rudi: Oh doch, bei sich selber, dort ist sie geglückt,
und in seiner Heimatstadt, doch dort ist sie – zunächst – gescheitert!
Er ist aufgestanden gegen die Sinnlosigkeit
und gegen verkrustete Strukturen und Traditionen!
Und genau das ist der Grund,
warum ihn keiner in die Tasche stecken kann – keiner!
Der passt einfach in keine Schublade,
weil er der Stimme in seinem Herzen folgt!
David: Der Stimme Gottes!
Rudi: Auf jeden Fall der Stimme, die ihn in die Freiheit führt.
Abraham war bereit, alles zu riskieren, weil er daran geglaubt hat!
Und genau SO ist er zum Vater eurer Völker geworden
und hat Geschichte gemacht!
David: Lasst uns das diskutieren, Freunde!
Gruppe diskutierend, Licht aus, Blende Küche.
Mutter, Vater eintretend.
Vater: Hallo, meine Liebe! Sind die immer noch alle da?!
Mutter: Ja, sie arbeiten draußen im Garten.
Vater: In UNSEREM Garten!
Mutter: Na und? Er ist doch wohl wirklich groß genug für alle!
Vater: Ja, schon.
Aber ich hab kein gutes Gefühl, wenn die alle hier rumspringen.
Früher war alles übersichtlicher!
Mutter: Also, ich weiß nicht –
aber das, was ich mitgekriegt habe, klang wirklich interessant.
Vater: Haben wir nicht mal vereinbart,
dass für uns das Thema “Religion” erledigt ist?
Mutter: Stillschweigend haben wir es vereinbart.
Stillschweigend und eigentlich gar nicht.
Vielleicht wäre ja jetzt der Moment, es wieder einmal anzusprechen!?
Vater: Wir beide? Also, bitte –
ich komme von der Arbeit und DARAUF habe ich nun wirklich keine Lust!
Mutter, leise:
Du hast es nie ganz überwunden, oder!?
Vater: Dass deine Mutter gegen unsere Hochzeit war,
weil du katholisch warst und ich evangelisch?
Nein, das habe ich nicht vergessen!
Religion übersetze ich mit “Heuchelei und Fanatismus”,
mit “Intoleranz und Rechthaberei”!
Mutter: Die Kinder da draußen entdecken sie gerade anders...
Vater: Die stehen ja auch erst am Anfang!
Wart nur ein paar Jahre,
dann haben auch sie ihre hohen Ziele vergessen –
und werden wie alle anderen!
Mutter: Wie wir?
Wir hatten “am Anfang” auch noch anderes vor, weißt du noch?
Vater, lacht bitter:
Ja, du wolltest mir damals unbedingt einmal Rom zeigen.
Dieser... Streit zwischen unseren ach so “christlichen Familien”
hat dir leid getan, das weiß ich noch...
Mutter: Ich wollte dir nicht nur Rom zeigen;
ich wollte auch einmal euer Wittenberg sehen...
Vater: ...und gemeinsam wollten wir einmal nach Jerusalem!
Das waren noch Pläne, muss eine Ewigkeit her sein!
Himmel, was waren wir für Schwärmer!
Mutter: Aber wir könnten sie uns doch erfüllen, oder?
Jetzt haben wir doch die Mittel dazu
und nach Wittenberg kann man auch wieder reisen.
Vater: Um alte Wunden aufzureißen?
Mutter: Um alte Wunden zu heilen...
Vater: Warum sollten wir?
Schau mal, jetzt haben wir doch alles erreicht,
ein Haus, zwei Autos,
einigermaßen Frieden in der Familie...
Warum irgendwas aufrühren oder verändern!?
Mutter: Vielleicht gerade deswegen.
Wir haben doch so ziemlich alles erreicht – äußerlich.
Aber das kann doch nicht alles gewesen sein, oder!?
Da war doch noch mehr –
und vielleicht wäre jetzt die Zeit,
sich wieder auf die Suche zu machen...
Was meinst du?
Vater: Ich meine... Also, irgendwie...
Da kommen die in unser Haus –
und krempeln uns unser Leben um! (lacht)
Mutter: Naja, sie werden bald fertig sein!
Vater: Wie, fertig? Bleiben sie denn nicht zum Abendessen?
Mutter: Mirjam hat nichts davon gesagt.
Vater überlegt einen Moment.
Vater: Einen Moment, meine Liebe.
Geht in den Garten, alle begrüßen ihn höflich.
Vater: Ich höre, ihr seid bald fertig.
Mirjam, vorsichtig:
Ja, Papa. wir sind schon so gut wie weg.
Vater: Soso. Schade eigentlich.
Ich wollte eigentlich nur sagen...
Also, das Haus ist groß genug und der Garten erst Recht...
Wenn ihr euch irgendwie treffen wollt, warum nicht auch hier?
Unsere Tür steht euch auf jeden Fall offen –
das wollte ich nur sagen!
Also, bis dann!
Dreht sich um und geht.
Alle schauen sich an.
Rudi: Was war denn das?
Mirjam: Das war die Art meines Vaters, uns zu sagen,
dass wir hier willkommen sind.
Siehst du, Hatice, hab ich doch gesagt!
Hatice: Schön zu hören!
Und wir danken dir, Mirjam, dass du uns eingeladen hast,
und dass wir hier zusammen arbeiten konnten!
Max: Leute, ich glaube, wir haben genügend Punkte zusammen –
fürs Erste!
David, würdest du das Zitat für den Schluss noch einmal wiederholen?
David: Es ist ein Traktat der Mischna:
“Wer sich über die Menschen erbarmt, von dem ist gewiss,
und wer sich nicht über die Menschen erbarmt, von dem ist gewiss,
dass er nicht zu den Nachkommen unseres Vaters Abraham gehört.”
- Ende -
Das Projekt
“Haus Abraham”
Start & Infos ab 1.Juli 2001 unter
www.haus-abraham.de
“Ich werde dich zu einem großen Volk machen,
dich segnen und deinen Namen groß machen.
Ein Segen sollst du sein.
Ich will segnen, die dich segnen
und verfluchen, die dich verfluchen.
Zusage Gottes an Abraham im ersten Buch des Pentateuch/der Bibel, Verse 12, 2 -3
“Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm:
Zachäus, steig eilend herab, denn ich muss heute in deinem Haus einkehren.
Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden.
Als sie das sahen, murrten sie alle und sprachen:
Bei einem Sünder ist er eingekehrt.
Zachäus aber trat vor den Herrn und sprach:
Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen,
und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück.
Jesus aber sprach zu ihm:
Heute ist diesem Haus Heil widerfahren,
denn auch er ist Abrahams Sohn.”
Jesus und der Zöllner, Evangelium nach Lukas, 19, 7-9
“Wer hätte eine bessere Religion, als wer sich Gott ergibt
und dabei rechtschaffen ist und der Religion Abrahams folgt,
des Hanifen (des Rechtgläubigen)?
Gott hat sich Abraham zum Freund genommen.
Quran, Sure 4 (An-Nisa), Verse 124-125
Weltweit – und besonders zügig auch in Europa – werden die Religionen und Kulturen neu und intensiv zu Nachbarn. Auch bei uns in Deutschland werden Christen, Muslime, Juden sowie Angehörige anderer Religionen auf Dauer zusammenleben. In dieser Vielfalt liegt eine große Chance, die aber auch mit ernstzunehmenden Ängsten und Herausforderungen für uns alle verbunden ist.
Wir wollen uns mit Ihnen engagieren für ein Haus Abraham in Deutschland. Ein Haus der Begegnung und des Gespräches. Ein Ort, in dem man einander kennen lernt und ernstnimmt. Ein Symbol auch für die wichtigen Werte, die uns Abraham und seine Familie vorgelebt haben: lebendiger Glauben und Zuversicht, Gastfreundschaft, Courage und Friedfertigkeit, Menschlichkeit, auch Schwäche – und bei all dem immer wieder der Mut zur Hoffnung, zum Aufbruch, zu neuen Wegen.
Warum Abraham?
Der “Stammvater” Abraham steht am Anfang von Judentum, Christentum und Islam. Alle diese Weltreligionen berufen sich auf ihn und seine Familie. In den letzten Jahrzehnten hat sich gegen alle Widerstände in den drei monotheistischen Religionen die Zahl derer stetig erhöht, die in dieser Verwandtschaft eine Chance und eine Verpflichtung zu mehr Frieden und gegenseitigem Respekt sehen. Gerade deshalb “verwässert” das Gespräch über die gemeinsame Wurzel das Selbstverständnis und die Würde des jeweils eigenen Glaubens nicht, sondern vertieft es vielmehr. Aus dem gemeinsamen Ursprung erwachsen für alle Seiten immer wieder überraschende Entdeckungen. Wir haben miteinander schon oft erfahren, dass gerade in der Begegnung, in Gespräch und Zeugnis Muslime, Christen und Juden die Wurzeln ihres eigenen Glaubens immer wieder neu erfahren und bewahren.
Warum ein Haus?
Begegnung braucht Orte. Gerade dort, wo sich Menschen auf den Weg zueinander machen, ist es wichtig, dass diese Orte nicht schon einseitig “vorgeprägt” sind. Ein “Haus Abraham” kann in dem Sinne besonders einladend sein, dass es das Selbstverständnis der drei Religionen aufnimmt und respektiert. Zum Beispiel durch je eigene, gestaltete Gebetsräume; durch eine Küche, in der die Speisevorschriften kontrolliert eingehalten werden; durch eine gemeinsame Bibliothek, in der die Standpunkte gleichermaßen zu Wort kommen. Über seine “Funktion” als Tagungsort der Begegnung und des Gespräches hinaus kann das “Haus Abraham” aber auch ein originelles, architektonisches Symbol sein für die Werte, die unser Land und unsere Welt mehr denn je brauchen. Einen lebendigen Glauben ohne Herabsetzung des anderen, Offenheit und Toleranz ohne Preisgabe des eigenen Standpunktes, Innovation und Moderne (z.B. eine umweltfreundliche Bauweise), um damit neue Bezüge aufzuzeigen, auf denen unser Zusammenleben basiert.
Wie soll dies verwirklicht werden – und wo soll das Haus dann stehen?
Ohne jede Illusion wissen wir: es liegt ein weiter und anstrengender Weg bis zum ersten “Haus Abraham” vor uns – aber wir sind schon unterwegs und freuen uns darauf! Als ersten Schritt wollen wir die Idee bekannt machen und einen “Freundeskreis Haus Abraham” aufbauen. Eine seiner ersten Aufgaben wird darin bestehen, einen Architektenwettbewerb auszuschreiben und die Ergebnisse der Öffentlichkeit vorzustellen. Spätestens mit der Prämierung eines Entwurfes kann dann die Suche nach einer geeigneten Gemeinde beginnen, die bereit wäre, kostenlos oder vergünstigt Grund und Boden für dieses Haus zur Verfügung zu stellen. Nun gilt es “nur noch” die notwendigen Mittel zur Errichtung von Trägerstiftung und schließlich Bau zusammenzubringen...
Woher soll das notwendige Geld kommen?
Bei allem Idealismus ist es uns klar, dass es große Ausdauer und einige Jahre brauchen wird, bis das “Haus Abraham” Realität werden kann. Auch weil in der aktuellen Situation keine der drei Religionsgemeinschaften über große finanzielle Spielräume verfügt. Die Kirchen werden durch sinkende Steuereinnahmen insgesamt zu Sparmaßnahmen gezwungen. Die jüdischen Gemeinden sind mit Aufnahme und Integration vieler Juden, insbesondere aus den Staaten der GUS, personell und auch finanziell stark gefordert. Dem Islam in Deutschland fehlen bis heute repräsentative Strukturen. Wir können hoffen, dass wir von der Politik Unterstützung erhalten, aber wissen können wir das nicht. Deshalb sollten wir dieses Projekt auch nicht davon abhängig machen. Uns trägt aber unser Glaube, dass Gott diesem gemeinsamen Ziel seinen Segen gibt. Und die Hoffnung, dass sich überall Menschen finden werden, die bereit sind, am Aufbau des ersten “Haus Abraham” in Deutschland mitzuarbeiten.
Neben Einzelspenden und der Bereitschaft, z.B. im Freundeskreis des Hauses Mitglied zu werden, gibt es hierzu unzählige weitere Möglichkeiten, beispielsweise:
- “Abrahamsfeste” – wie wir ein erstes bereits in Filderstadt veranstaltet haben, sprich: Tage der Begegnung, des Gespräches und des zwanglosen Kennenlernens der drei Religionen. Nicht zuletzt können wir unsere gemeinsame Freude an diesem Tag teilen.
- Benefiz-Konzerte und -Aufführungen, von denen ein Teil des Erlöses dem Projekt zufließt. Hierfür bieten wir auch gerne das von uns anlässlich des ersten Abrahamsfestes im Oktober 2000 entwickelte Theaterstück “Abraham heute” zur freien Aufführung an.
- Kunstwerke und Musikstücke, Filmprojekte, Gedichte, Artikel und Schriften, Vorträge, Predigten, Filmprojekte, Diskussionen und Ausstellungen, u. v. m.
All diese Aktivitäten lassen sich frei und basisnah “vor Ort”, in Ihrer Gemeinde, Schule oder Gemeinschaft organisieren. Auf www.haus-abraham.de wollen wir alle Termine immer wieder sammeln und bekannt geben.
Und schon hieran wird auch deutlich, dass – ganz “abrahamisch” – die Reise bereits Teil des Zieles ist. Schon durch die Veröffentlichung der Idee und mit dem gemeinsamen Engagement für das Projekt wird das Nachdenken, das Gespräch und auch der künstlerische Austausch über Glauben und Frieden, über Abraham und seine Familie und damit letztlich über unser Zusammenleben als Juden, Christen und Muslime heute, neu belebt.
Hören auch Sie den Ruf, machen Sie sich mit auf den Weg zu einem gemeinsamen Ziel, von dem zu träumen sich lohnt. Bauen wir gemeinsam ein Haus der Begegnung und des Friedens, ein Bekenntnis zu Respekt und Vielfalt in unserem Land –
Das erste “Haus Abraham” !
Christlich-Islamische
Gesellschaft (CIG) –
Region Stuttgart e.V.
Brühlstraße 6, 70794
Filderstadt
e-mail: info@cig-stuttgart.de
www.cig-stuttgart.de
Spendenkonto: 218 11 47 bei
der LBBW, BLZ 600 501 01
Stichwort: Haus Abraham
(Spende ist beim Finanzamt
abzugsfähig)
“Selbst Menschen mit großen
Vorzügen lernen ihr eigenes Wesen
erst in der Begegnung mit
anderen kennen,
wie ja auch die Augen sich
selbst nur im Spiegel wahrnehmen können.”
“Abrahams Haus stand allen Menschenkindern offen,
den Vorbeiziehenden und Heimkehrenden,
und Tag für Tag kamen welche, um bei Abraham zu essen und zu trinken.
Wer hungrig war, dem gab er Brot.
Wer nackend in sein Haus kam, den hüllte er in Kleider
und ließ ihn von Gott erfahren, dem Schöpfer aller Dinge.”