Erklärung der
Deutschen Bischofskonferenz zum Irak-Konflikt
Ein Präventivkrieg wäre sittlich unerlaubt
WÜRZBURG, 22. Januar 2003 (ZENIT.org-dbk.de
).-
Wir veröffentlichen die Erklärung der
Deutschen Bischofskonferenz zum Irak-Konflikt.
Das Ringen um Krieg und Frieden im Mittleren Osten geht weiter. Steht die Welt
am Vorabend einer neuerlichen bewaffneten Auseinandersetzung oder werden doch
noch Wege zu politischen Lösungen beschritten, um ein Blutvergießen zu
vermeiden? Die politische Lage verändert sich von Tag zu Tag. In dieser
Situation ist es wichtig, erneut ethische Prinzipien und christliche Optionen
in Erinnerung zu rufen, wie wir sie in unserem Wort ‚Gerechter Friede'
dargelegt haben.
Wir wissen uns dabei in vollständiger Übereinstimmung mit dem Papst und mit der
Kirche weltweit, deren Stimme in diesen Monaten der sich ständig weiter
zuspitzenden Krise unüberhörbar ist. Dankbar stellen wir auch die Gemeinsamkeit
mit den evangelischen Christen fest.
Erstens: Ein Staat, der mehrfach den Frieden mit den Nachbarländern gebrochen
und dessen Regierung den brutalen Gewalteinsatz gegen die eigene Bevölkerung
nicht gescheut hat, stellt ein Risiko für die internationale Ordnung dar, das
die Weltgemeinschaft nicht ignorieren darf. Das gilt zumal, wenn das Regime
erkennbar danach strebt, in den Besitz von Massenvernichtungswaffen zu
gelangen.
Wir bejahen deshalb das Bemühen der Vereinten Nationen, Druck auf den Irak
auszuüben, um eine Produktion atomarer, biologischer und chemischer Waffen zu
verhindern und die irakische Angriffsfähigkeit so weit wie möglich zu
schwächen. Insoweit eine politische Strategie letztlich auf die Vermeidung
eines Krieges zielen muss, kann dabei unter Umständen das Mittel der Drohung
sittlich erlaubt sein; keinesfalls jedoch darf diese Politik in eine
Eskalationslogik geraten, die einen Krieg am Ende unvermeidlich macht.
Zweitens: Krieg ist immer ein schwerwiegendes Übel. Er darf darum überhaupt nur
im Falle eines Angriffs oder zur Abwehr schlimmster Menschheitsverbrechen, wie
eines Völkermords, in Erwägung gezogen werden. Daher erfüllt es uns mit größter
Sorge, dass das völkerrechtlich verankerte Verbot des Präventivkrieges in den
letzten Monaten zunehmend in Frage gestellt wird. Es geht nicht um einen
Präventivkrieg, sondern um Kriegsprävention!
Eine Sicherheitsstrategie, die sich zum vorbeugenden Krieg bekennt, steht im
Widerspruch zur katholischen Lehre und zum Völkerrecht. Darauf hat vor wenigen
Tagen der Hl. Vater selbst mit allem Nachdruck hingewiesen: "Wie uns die
Charta der Vereinten Nationen und das internationale Recht erinnern, kann man
nur dann auf einen Krieg zurückgreifen, wenn es sich um das allerletzte Mittel
handelt". Ein präventiver Krieg ist eine Aggression, und er kann nicht als
gerechter Krieg zur Selbstverteidigung definiert werden. Denn das Recht auf
Selbstverteidigung setzt einen tatsächlichen oder einen unmittelbar
bevorstehenden Angriff voraus, jedoch nicht nur die Möglichkeit eines Angriffs.
Der Krieg zur Gefahrenvorbeugung würde das völkerrechtliche Gewaltverbot
aushöhlen, politische Instabilität fördern und letztlich das ganze
internationale System der Staatengemeinschaft in seinen Grundfesten
erschüttern.
Drittens: Bei der Entscheidung über einen Einsatz militärischer Mittel müssen
die absehbaren Folgen stets in Betracht gezogen werden. Kann man daran
zweifeln, dass ein Krieg gegen den Irak aller Wahrscheinlichkeit nach eine
Unzahl von Toten und Verwundeten, von Flüchtlingen und um ihre Existenz
Gebrachten mit sich bringen würde? Auch drohen dann schwerste politische
Verwerfungen im gesamten Nahen und Mittleren Osten, die die Erfolge der
internationalen Allianz gegen den Terror gefährden. Fanatische islamische
Fundamentalisten würden bei einem Krieg gegen den Irak möglicherweise überall
in der Region an Einfluss gewinnen, und die jetzt schon starken Vorbehalte in
der arabischen und muslimischen Welt gegen den Westen drohen sich weiter zu
vertiefen. Werden nach einem Krieg die Aussichten auf Frieden, Stabilität und
den Schutz der Menschenrechte in der Region verbessert?
Daher fordern wir alle Verantwortlichen auf, das in ihrer Macht Stehende zu
tun, einen Krieg im Irak zu verhindern und - mit den Worten von Papst Johannes
Paul II. - "das unheilvolle Flackern eines Konflikts, der mit dem Einsatz
aller vermeidbar ist, auszulöschen". Niemandem sind in dieser Stunde
Resignation oder ein taktierender Opportunismus erlaubt, der sich mit dem
scheinbar unaufhaltsamen Lauf der Dinge arrangiert.
Ausdrücklich weisen wir darauf hin, dass die Weltgemeinschaft sich keineswegs
zur Tatenlosigkeit verurteilt, indem sie die Option des Krieges zurückweist.
Der Druck auf das Regime des Diktators Saddam Hussein und eine Politik der
strikten Eindämmung seiner militärischen Handlungsfreiheit sind weiterhin erforderlich.
Wir rufen alle Gläubigen auf, in diesen Tagen und Wochen im Gebet für den
Frieden nicht nachzulassen. Im Gebet wenden wir uns an Christus, der die
Friedensstifter selig gepriesen hat.
Würzburg, den 20.01.2003