Vollständige Übersetzung der Rede von Imam Khamene'i vom 26.9.2001

(Teil 1:)

Im Namen G.ttes, des Gnädigen, des Allbarmherzigen

(1)   . . .  Während der letzten zwei drei Wochen, und seitdem die
Explosionen in den USA zu weltweiten und internationalen Angelegenheiten
geworden sind, haben die Politiker unseres Landes einige gute Standpunkte
eingenommen und einige gute Punkte angeführt. Zugleich möchte auch ich
einige Punkte erwähnen, um unsere gute Nation davon zu unterrichten, die
sich -G.tt sei gepriesen- in hoher Bereitschaft befindet.

Der erste Punkt ist, dass das Verhalten und die Äußerungen der US-Regierung
und ihrer Politiker in Bezug auf diese Vorfälle äußerst arrogant und
hochmütig ist, (pretentious) und dies hält an. Ihre Äußerungen lassen sich
nicht mit irgend einer Art Logik messen. Natürlich ist ihr Stolz in
schwerer Weise verletzt worden, ihr Sicherheitssystem wurde stark
ramponiert - aber das sind keine angemessenen Gründe dafür, sich in ihr
arrogantes Image zu flüchten, als bloßer Ausgleich für die erlittene
Erniedrigung.

Sie setzen ein sehr erzürntes Gesicht auf, um den Menschen der Welt zu
sagen: "Ihr Völker der Welt: Wir sind sauer. Und ihr wagt es besser nicht,
etwas zu sagen, was dem widerspricht, was wir sagen. Niemand darf es auch
nur wagen, etwas zu sagen, was von dem abweicht, was wir sagen." Sie
glauben wirklich, dass sie mit diesen Methoden die unabhängigen Völker,
Nationen und Regierungen beiseite drängen können.

Ein Beispiel für das was sie sagen ist, wer immer nicht für uns ist, ist
mit den Terroristen. Das ist komplett falsch. Nein, das ist ganz und gar
nicht der Fall! Viele stehen auf der Seite der USA und sind dabei noch
gefährlicher als die meisten Terroristen der Welt. Heutzutage beherbergt
die Regierung Israels die aller gefährlichsten Terroristen. Jene, die diese
Regierung anführen, haben persönlich die tragischsten terroristischen
Attentate befehligt, und daran teilgenommen. Gerade jetzt verüben sie
Terroranschläge, und sie stehen auch an der Seite der USA.

Es stimmt nicht, dass diejenigen an Eurer Seite stehen, nicht zu den
Terroristen gehören! Oh nein, das ist nicht der Fall. Die aller
widerspenstigsten und schlimmsten Terroristen stehen genau jetzt an Eurer
Seite. Das selbe gilt auch auf der anderen Seite. ,Ein jeder, der nicht mit
uns (USA) ist, steht auf der Seite der Terroristen.' Nein, auch das ist
nicht richtig. Wir sind nicht auf Eurer Seite, und wir sind auch nicht auf
der Seite der Terroristen. (Rufe im Volk: All.hu Akbar, Khamenei ist der
Imam, Tod den USA, Tod Israel, ...).

(Kritik an der Behandlung der Muslime durch die USA)

Der zweite Punkt ist, dass sie die allgemeine Stimmung in ihrem Land, von
den Momenten gleich nach den Ereignissen an, anti-islamisch angefacht
haben. Wie habt Ihr denn in jenen ersten Stunden gleich festgestellt, dass
Muslime diese Tat verübt haben. Wenn Euer Nachrichten-Apparatismus schon so
mächtig ist, dass sich Radio und Fernsehen in den USA gleich in jenen
ersten Stunden so geäußert haben, dass alle überzeugt waren, dies war die
Tat von Muslimen, wenn Ihr schon so mächtig in der Beschaffung von
Nachrichten seid, warum ward Ihr dann nicht in der Lage, eine derart weit
angelegte Operation aufzudecken - die sicherlich Monate, manche sagen
Jahre, der Planung benötigt hat? Wie habt Ihr herausgefunden, dass dies
Muslime waren?

Sie haben die allgemeine Stimmung derart geschürt, dass die Menschen in den
USA Moscheen angegriffen haben, und Muslime, die ein islamisches
Erscheinungsbild hatten, angegriffen, erschossen und erstochen haben. Sie
waren es, die in den USA und in manchen islamischen Ländern die Stimmung
anti-islamisch angeschürt haben.

Der US-Präsident sagte in seiner ersten Rede, dass dies ein ,Kreuzzug' sei.
Kreuzzüge waren die Kriege, die die Europäer entfacht haben, um
Beit-ul-Moqaddas (Jerusalem) zu erobern. Diese Kriege dauerten um die 200
Jahre an. Am Ende wurden schließlich Christen und Muslime von siegreichen
Muslimen geschlagen, die sie aus der Region hinausgedrängt hatten.
,Kreuzzug' bedeutet Krieg zwischen Islam und Christentum!

Aus welchem Grund sollte sich ein älterer Politiker derart rücksichtslos
und ungehemmt in seiner Rede ausdrücken, wenn er keinerlei schlechte
Absichten hegte? Warum haben sie die Muslime der Welt angeklagt, eine
terroristische und katastrophale Tat begangen zu haben? Zuerst bringen sie
die öffentliche Meinung gegen den Islam auf und dann, von offizieller
Seite, erzählen sie dem Volk, man solle die Muslime nicht angreifen. Wie
kann so etwas angehen?

Sie haben eine Atmosphäre erzeugt, in der die Muslime und Araber verdammt
werden. Sie veröffentlichen arabische und islamische Namen, und Bilder von
Leuten mit arabischem Auftreten in ihren Zeitungen. Meinen sie denn, es
wäre kein US-Amerikaner oder aus dem Westen, oder niemand mit westlichen
Namen unter denen, die das verbrochen haben? Warum haben sie nicht solche
Namen veröffentlicht? Zuerst schaffen sie eine solche Stimmung, dann weisen
sie die Leute an, die Muslime nicht anzugreifen, und dann sagen sie auch
noch, die Muslime seien gut. Kann das denn möglich sein? Dies ist ein sehr
schlechter und hässlicher Zug mit lang anhaltenden Rückwirkungen, der nicht
leicht und nicht so schnell wieder gerade gerückt werden könnte.

Der dritte Punkt ist, dass sie in ihren Ausgaben sehr verlangend gewesen
sind.
Nun, wo sie angegriffen worden sind, verlangen die US-Amerikaner von der
ganzen Welt, mit ihnen zusammen zu arbeiten. Warum? Weil ihre Interessen
einen Schlag erfahren haben. Na, das ist ja eine Forderung!

Habt Ihr denn jemals die Interessen anderer respektiert? Dass Ihr nun
erwartet, alle müssten Eure (Interessen) berücksichtigen? Ist denn in der
heutigen Welt so, dass der Besitz von Kanonen, Gewehren und Raketen die
Erlaubnis einer Regierung darstellen, zu sagen: "Was ich sage passiert -
und sonst nichts"? Doch genau das ist es, was die USA verabscheuungswürdig
gemacht hat!

Schaut euch um und seht, in welchen Ländern die Menschen heute die US-Fahne
verbrennen. Es ist nicht überall Iran. Die Konferenz, die jüngst in
Südafrika abgehalten wurde (die Konferenz in Durban) hat die Gefühle der
Menschen der Welt, der Organisationen und der unterschiedlichsten
Regierungen zum Ausdruck gebracht. Mit seinen tyrannischen und
weitreichenden Forderungen hat die USA sich selbst isoliert.

Wenn US-Interessen im Persischen Golf bedroht zu sein scheinen, muss jeder
mitmachen. Aber wenn die Interessen der Länder des Persischen Golfes
bedroht sind, dann tut das nichts zur Sache.

Viele Male haben sie auf den Interessen der verschiedensten Länder,
einschließlich des unseren, herumgetrampelt - nun sagen sie, dass die ganze
Welt mit ihnen mitmachen muss, weil ihre Interessen angegriffen sind. Eine
große Forderung!

(Über israelische terroristische Akte)

Der nächste Punkt ist, dass in den Köpfen der US-Politiker die Bedeutung
des Wortes ,Terrorismus' verdreht ist. Sie definieren ,Terrorismus' falsch.
Sie definieren ,Terrorismus' in einer solchen Weise, dass das Massaker an
den Menschen in Sabra und Schattila - zwei palästinensische
Flüchtlingslager im Libanon, in denen Männer, Frauen und Kinder in einer
einzigen Nacht massakriert worden sind, und zwar auf den Befehl einer
Person, die heute an der Spitze des unterdrückerischen Zionistenregimes
steht (Anm.: Ariel Scharon) - kein Terrorismus war. So etwas wird sehen sie
nicht als Terrorismus angesehen.

Viele Male haben die Israelis Menschen im Libanon entführt bzw. getötet.
Das wird nicht als Terrorismus angesehen. Vor ein paar Monaten legte das
Unterdrückerregime fest, dass gewisse Palästinenser meuchlings ermordet
werden sollten. Sie haben sogar den Begriff ,ermorden' gebraucht. Sie
sagten, diese müssten ermordet werden. Dann haben sie ihre Autos gesprengt
und mehrere Menschen getötet. All das bezeichnet man jedoch nicht als
Terrorismus.

(Kritik an den USA)

Aber die Menschen in Palästina, die mit der Verteidigung ihres Landes und
der Einforderung ihrer gebrochenen Rechte groß geworden sind, die schreien,
mit Steinen in den Händen, die keine Waffen haben, die bezeichnen man als
Terroristen. Das ist die Logik der USA. Nun, das ist eine falsche Logik.
Die Welt wird eine solche Logik nicht akzeptieren.

Der nächste Punkt ist, dass die US-Amerikaner sagen: Es gibt keine guten
und schlechten Terroristen, alle Terroristen sind schlecht. Aber in
Wirklichkeit teilen gerade sie den Terrorismus in gut und schlecht. Am
Himmel über dem Persischen Golf schossen sie ein iranisches Flugzeug mit
Hunderten Passagieren ab, ohne Grund und ohne Entschuldigung. Sie
zersprengten es, zerfetzten die Körper der Menschen und ließen sie ins Meer
stürzen: Ein klarer Fall von Terrorismus. Und dann verliehen sie dem
Kommandeur des Kriegsschiffes einen Orden.

Wohin kann sich die Menschheit mit ihren Beschwerden wenden? Nicht nur dass
man sie nicht vor Gericht bringt, nicht nur, dass man sie nicht zur Ordnung
ruft, nicht nur, dass sie sich nicht beim Iran entschuldigen: Sie geben dem
Kommandeur des Kriegsschiffes auch noch einen Orden. Das ist wahrer
Terrorismus. (Wiederholte Rufe im Volk: All.hu Akbar, Khamenei ist der
Imam, Tod den USA, Tod Israel, ... ).

Ihre Logik ist falsch. Ihr Inhalt ist falsch, aber sie erwarten von der
ganzen Welt, dass sie sich hinter ihnen vereine, zum Wohle dieser falschen
Inhalte. Mehr noch, sie erwarten vom ganzen Rest der Welt, ihnen zu helfen.
Das heißt, sie erwarten nicht nur, dass die Welt nicht gegen sie
protestiert, wollen auch noch von allen Hilfe haben!
 

(Über US-Vorhaben in Zentralasien)

Insgesamt zeigen die Ereignisse, dass etwas anderes hinter dem derzeitigen
Thema ,Bühne Afghanistan' steckt. Sie und ihr ganzer Hass richten sich auf
das unglückliche Afghanistan, das keine Unterstützer hat, nur weil ein
Mann, oder 10, 100 oder auch 1000 Leute in diesem Land angeklagt sind,
hinter den Explosionen in New York und anderswo zu stecken. Aber hinter
dieser Bühne, steckt etwas anderes.

Zuerst einmal zeigen die Ereignisse, dass die US-Regierung genau das in
Zentralasien wiederholen will, was sie am Persischen Golf angestellt hat:
Sie wollen kommen und sich in dieser Region festsetzen unter dem Vorwand
von mangelnder Sicherheit hier. Die Ereignisse zeigen, dass sie genau das
in Pakistan, dem indischen Subkontinent, Zentralasien und in Afghanistan
tun wollen, an den östlichen Grenzen unseres Landes.
 

Zum zweiten wollen sie mit jedem abrechnen, der das unterdrückte Volk
Palästinas verteidigt. Das ist es, was sie im Wesentlichen vorhaben. Alles
andere sind oberflächliche Angelegenheiten.
 

(Keine Hilfe für die USA über Afghanistan)

Der nächste Punkt betrifft ihre Aussagen, in denen sie gefordert haben,
dass Iran ihnen helfen soll. Sie haben nach verschiedentlicher
Unterstützung gefragt, einschließlich nachrichtendienstlicher und anderer
Formen. Ich bin überrascht, wie sie die Unverschämtheit haben können, die
Regierung der Islamischen Republik Iran und das iranische Volk zu fragen,
ihnen zu helfen!

Die vergangenen 23 Jahre hindurch habt ihr aber auch alles in Eurer Macht
Stehende getan, dieser Nation und diesem Land Schläge zu versetzen. Und nun
erwartet Ihr, dass wir Euch helfen? Was für eine Hilfe? Auch wenn die
afghanische Nation nicht muslimisch, aber doch unterdrückt wäre, und auch
wenn sie nicht unsere Nachbarn wären, so wäre Eure Bitte an die falsche
Adresse gerichtet. Allein die Tatsache, dass das Volk von Afghanistan
unterdrückt und entrechtet ist. Man muss wirklich Mitleid mit dem
afghanischen Volk haben.

Ihr, die US-Regierung erwartet Unterstützung von der Islamischen Republik?
Nein, wir werden der USA und ihren Verbündeten keinerlei Unterstützung in
ihrem Angriff auf Afghanistan anbieten. (Rufe im Volk: All.hu Akbar,
Khamenei ist der Imam, Tod den USA, Tod Israel, ...).

(Zweifel an der Aufrichtigkeit der USA)

In einer abschließenden Analyse wollen wir (unseren) Zweifel an der
Aufrichtigkeit der US-Regierung bei ihrem Kampf gegen den Terrorismus
darlegen. Sie ist unaufrichtig und erzählt nicht die Wahrheit. Sie hat
andere Ziele.

Wir denken nicht, dass die USA qualifiziert ist, eine internationale
Bewegung gegen den Terrorismus anzuführen. Die Hände der USA sind behaftet
mit jeglichen Verbrechen, die das Zionistenregime in den vergangenen Jahren
verübt hat, und die es gerade jetzt mit äußerster Ruchlosigkeit und Härte
fortsetzt. Es zerstört die Häuser von Menschen mit Panzern. Unterstützt von
der USA.

Einer solchen Regierung fehlt es an der notwendigen Qualifikation, eine
internationale Bewegung gegen den Terrorismus anzuführen. Jeder sollte das
wissen, und unsere Politiker haben dies in auch in persönlichen Sitzungen
und Treffen bestätigt. Auch ich möchte dies zum Wohle unserer
Öffentlichkeit und der Welt wiederholen. Ein jeder soll wissen, dass Iran,
der Islamische Iran, an absolut keiner Bewegung teilnehmen wird, die von
den USA geführt wird. (Rufe im Volk: All.hu Akbar, Khamenei ist unser Imam,
Tod den USA, Tod Israel, ...).

(Der Kampf gegen den Terrorismus ist Djihad)

Natürlich ist der Kampf gegen den Terrorismus und der Kampf gegen
diejenigen, die die Sicherheit des Volkes untergraben, ein wesentlicher
Kampf. Es ist eine Pflicht. Es ist Djihad. Jeder, der an diesem Kampf
teilnehmen kann, muss das tun. Aber dies ist ein globaler Kampf, und er
sollte daher einen moralischen Führer haben.

Während der vergangenen Tage haben unsere Politiker erklärt, dass wir
bereit wären zu helfen und dieser Bewegung unter der Führung der UNO
beitreten würden. Ja, lasst mich sagen, dass die UNO gut ist. Aber es gibt
eine Bedingung. Und das ist, dass die UNO nicht von der USA oder anderen
Großmächten beeinflusst werden darf. Andernfalls, wenn die UNO und ihr
Sicherheitsrat oder andere von ihr beeinflusste Gremien von der
US-Regierung oder von anderen Großmächten beeinflusst werden, dann kann man
der UNO auch nicht mehr trauen. In der Vergangenheit haben wir keine guten
Erfahrungen bei derlei Angelegenheiten machen können.

An dieser Stelle ruht auf den Schultern der islamischen Regierungen eine
schwere Last der Verantwortung. Sie müssen die Weltbühne als globale
Bewegung gegen den Terrorismus betreten, gegen die Verletzung des
menschlichen Lebens und gegen Gewalt, welche das alltägliche Leben der
Menschen zerstört. Sie müssen die Weltbühne als mächtige humanitäre
Bewegung betreten. Das ist eine große Verpflichtung und die Organisation
der Islamischen Konferenz (OIC) steht in dieser Hinsicht in der Pflicht.
Wir, als Mitglied der Organisation der Islamischen Konferenz, glauben dass
es eine der wesentlichen Pflichten dieser Organisation ist, so die
Weltbühne zu beschreiten, dies muss sein. Sie (die OIC) muss aber in jedem
Fall unabhängig auftreten. Sie darf nicht ein Untergebener dieser oder
jener Macht sein.

Auf der anderen Seite steht die Sache des Volkes von Afghanistan heute an.
Das Volk Afghanistan ist ein muslimisches Volk. Es ist ein Teil der
islamischen Ummah.



Die Antwort? Weder Hass noch Rache Von Helmut Schmidt

Nur mit kühler Vernunft kann das Antiterror-Bündnis den "Kampf der
Kulturen" und die Weltwirtschaftskrise vermeiden
 

Beten und Hoffen, Trauer und Furcht: Amerikanische Studenten und ein
afghanischer Flüchtling
Fotos: Morry Gash/AP, Montage DZ; Jerome Delay/AP

Wer sein Bekenntnis zu Menschenrechten, Nächstenliebe und
Mitmenschlichkeit ernst meint, empfindet tiefes Mitleiden und
ungeteilte Solidarität mit der amerikanischen Nation. Das monströse
Verbrechen gegen das Leben von Zehntausenden hat mit vollem Recht zu
der Entschließung des UN-Sicherheitsrates geführt, die alle Staaten
auffordert zur Zusammenarbeit in der "Antwort auf das Verbrechen" und
im Kampf gegen "alle Formen von Terrorismus". Dabei waren die Stimmen
Russlands und Chinas von weltpolitischer Bedeutung. Gerechtfertigt war
auch der Beschluss des Nato-Rates, wonach der Bündnisfall eintritt,
wenn festgestellt wird, dass der Anschlag gegen die USA aus dem
Ausland kam. Gleiches gilt für die Beschlüsse von Bundesregierung und
Bundestag zur uneingeschränkten Unterstützung der USA. Dies alles war
moralisch geboten und zugleich vernünftig. Denn der globale
Terrorismus bedroht sehr viele Staaten; wir Deutschen und unsere
Nachbarn wissen das spätestens seit 1977.

Abschreckung von Folgetätern

Was muss jetzt geschehen? Kann "Antwort" nur Vergeltung bedeuten? Denn
es stellt sich alsgleich die Frage: Gegen wen und wo? Vergeltung würde
die Angreifer vom 11. September nicht abschrecken, denn ihr Angriff
ist bereits vollendet. Wohl aber ist eine Abschreckung von Folgetätern
und Unterstützern denkbar. Dann ist immer noch zu fragen: Mit welchen
Mitteln?

Wegen der denkbaren Vielfalt der Antworten haben sich auch bei uns in
den letzten 14 Tagen Sorgen und Angst entwickelt. Sie gelten auch der
Wirtschaft, die in diesem Jahr ohnehin einer weltweiten Rezession
entgegenging und jetzt in zusätzliche Turbulenzen gerät. Aber in den
USA sind die Ängste kleiner als der psychisch-politische Druck auf
Washington, machtvolle, im Fernsehen sichtbare Schritte zu ergreifen.

Bis zur Stunde hat Washington trotz extremer Nervosität keinen
wesentlichen Fehler begangen. Dies gilt auch für die kraftvolle
Kongress-Rede des Präsidenten. Sie brachte weltpolitische Vernunft ins
Gleichgewicht mit Handlungswillen und militärischer
Einsatzbereitschaft.

Präsident Bush hat als Ergebnis bisheriger Aufklärung Al-Qaida, ein
Netz von Terrororganisationen, als Täter bezeichnet und von
Afghanistan die Auslieferung ihrer Führer verlangt. An der Spitze bin
Laden. Das 1998 durch bin Laden erklärte Ziel ist ein starkes Indiz
für seine Urheberschaft: "Tötung von Amerikanern und ihren
Verbündeten, Zivilisten und Militärs, in jedem Land, in dem es möglich
ist". Die Tatsache, dass die Schura (geistlicher Rat) in Kandahar bin
Laden aufgefordert hat, das Land zu verlassen, impliziert die
bisherige "Gastfreundschaft" durch die Taliban. Deren Ablehnung der
ultimativen Auslieferungsforderung mag für Washington zur
Rechtfertigung eines militärischen Eingreifens in Afghanistan
ausreichen.

Afghanistan ist beinahe doppelt so groß wie Deutschland; es umfasst
jedoch nur etwa 25 Millionen Einwohner. Mindestens seit drei
Jahrzehnten werden diese Menschen von blutigen Unruhen und wechselnden
Gewaltherrschern gequält. Die Sowjetunion hat ein Jahrzehnt lang
versucht, das Land militärisch zu unterwerfen. Jedoch hat die
Hochgebirgslandschaft den technisch überlegenen Sowjets einen Erfolg
genauso unmöglich gemacht wie im 19. Jahrhundert den Engländern.
Sowohl ein Kommandounternehmen als auch breit angelegte
Bodenintervention sind im Hindukusch nach aller Erfahrung mit enormen
Risiken verbunden.

Denkbar bleibt der Angriff aus der Luft. Ob er das Qaida-Netz oder
wenigstens ihre Führung vernichten kann, darf bezweifelt werden. Vor
allem aber bestehen schwerste moralische Bedenken gegen die nahezu
unvermeidliche Tötung weiterer unschuldiger Menschen. Schon die Bomben
auf den Irak haben das für den perfiden Angriff auf Kuwait
verantwortliche Regime Saddam Husseins nicht getroffen. Zur Vergeltung
für Kriegsverbrechen durch deutsche Bomben auf Coventry und London
sind Hunderttausende unschuldige Bürger in Dresden, Hamburg und
anderswo ums Leben gekommen.

Dergleichen Vergeltung überschritte die Grenzen der in Jahrhunderten
gewachsenen europäischen Ethik. Allerdings sind diese Grenzen in
Jahrhunderten ungezählte Male massiv verletzt worden - durch die
Kreuzzüge, die gewaltsame Kolonisation und die innereuropäischen
Kriege. Es erscheint nahezu zwangsläufig, dass im Kampf gegen den
Terrorismus unbeteiligte, harmlose Menschen zu Tode kommen werden. Die
Terroristen haben mit ihren Anschlägen die Spirale begonnen - so mit
dem Mord an bisher ungezählten Menschen in New York und Washington, so
an vielen Orten der Welt, so schon vor einem Vierteljahrhundert die
deutsche RAF.

Es wird eine überragende Maxime der angegriffenen USA sein müssen, die
Zahl weiterer Menschenopfer so klein wie nur möglich zu halten. In
jedem Fall werden die Regierungen der USA und jedes anderen
Rechtsstaates im Antiterrorkampf ihre eigene nationale Verfassung und
die UN-Charta zu wahren haben.

Kein Glaube rechtfertigt Terror

Gesetzt den optimalen Fall, Schläge aus der Luft oder
Kommandounternehmen führten zur Ausschaltung bin Ladens und seiner
Führungsstruktur, wäre damit der internationale Terrorismus keineswegs
erledigt. Er ist eine Hydra mit vielen Köpfen. In sehr vielen Staaten,
auch in Amerika und Deutschland, leben, verborgen und getarnt, weitere
Terroristen. Weder im Juden- noch im Christentum, weder im Islam noch
im Buddhismus gibt es eine Rechtfertigung für den Terrorismus. Jedoch
verstoßen immer wieder religiös verzückte, messianisch besessene
Eiferer gegen das grundlegende Friedensgebot ihrer eigenen Religion.
Armut und Elend in den hoffnungslos übervölkerten Teilen der
Erdoberfläche, dazu die durch willkürliche koloniale Grenzziehungen in
den heutigen Staaten zusammengepferchten verschiedenen Stämme,
Religionen und Kulturen bleiben ein fruchtbarer Nährboden für
chiliastische Verführung und für die Fixierung auf einen einzigen
großen Feind, der angeblich für alles Elend verantwortlich ist - seien
es die Amerikaner oder die Juden, der Kapitalismus oder die
Globalisierung.

Der Abwehrkampf gegen den Terrorismus wird viele Jahre dauern. Wir
wissen das aus der Geschichte der Eta in Spanien, der IRA in England
und Irland oder der RAF in Deutschland. In den letzten Jahrzehnten hat
es weltweit viele Hunderte Flugzeugentführungen und Geiselnahmen,
Tausende Bombenanschläge, Dutzende von Selbstmordattentaten gegeben.
Viele europäische Regierungen haben lange schon gelernt, dass dagegen
weder Rache noch Hass helfen, sondern nur Vorbeugung, Aufspüren und
Ausschaltung. Wir haben gelernt, dass man die eigenen Emotionen zügeln
und mit kühler, pragmatischer Zweckmäßigkeit vorgehen muss. Dazu
braucht man gespannte, angestrengte Geduld. Und man muss die eigene
öffentliche Meinung vor Hysterie bewahren.

Weil offenbar eine multinationale islamistische Organisation hinter
den Terroranschlägen in Amerika steckt, ist es dringend geboten,
jedwedem Hass gegen die Weltreligion des Islam entgegenzutreten.
Deshalb war Präsident Bushs demonstrativer Moschee-Besuch notwendig.
In allen Religionen ist Mord verboten. Verteidigung und Notwehr gegen
Mörder sind jedoch überall zulässig. Es ist ein Gebot der Vernunft wie
der Moral, zu verhindern, dass aus dem Mammutverbrechen ein Konflikt
zwischen Westen und Islam entsteht. Möglicherweise ist der globale
clash of civilizations geradezu das Ziel und die Hoffnung der
Attentäter vom 11. September.

Unsere Priester und Pastoren, Mullahs und Rabbiner haben allzu lange
versäumt, jeglicher Feindschaft zwischen den Religionen
entgegenzutreten. Wir sollten keine neuen Kandidaten für
Selbstmordattentate, keine Nachahmer, keine Trittbrettfahrer des
Terrors produzieren. Es liegt gleichermaßen im Interesse Amerikas wie
der Europäer, Russen und Chinesen, unseren Respekt gegenüber dem Islam
nicht beschädigen zu lassen. Es ist dies auch ein Gebot der
mitmenschlichen Moral.

Die Terror-Organisationen und ihre Führer sind dem Argument und der
Vernunft nicht zugänglich. Umso wichtiger ist die weit gespannte
Kooperation von geistigen Kräften und Staaten. Sie sollte vor allem
auch die islamischen Staaten umfassen - von den ehemals sowjetischen
Republiken in Zentralasien bis nach Ägypten, von Iran bis nach
Indonesien. Die meisten dieser Staaten, autoritär regiert, haben es
mit ungelösten sozialen und wirtschaftlichen Problemen zu tun. Manche
sind durch Extremisten gefährdet. Die Handlungsfreiheit vieler ist
beschränkt.

Iran, Pakistan, Usbekistan und Tadschikistan, die Nachbarn von
Afghanistan, werden von einem militärischen Konflikt unmittelbar
berührt; sie sind überdies in der jüngsten Geschichte in die
gewalttätigen afghanischen Kämpfe verwickelt gewesen. Aber auch
Saudi-Arabien und Israel, Irak und Iran, die Golfstaaten, Indien,
China und Russland - sie alle haben kein Interesse an einem
ausgreifenden Krieg.

Viele der Staaten des Mittleren Ostens und Zentralasiens verfügen über
Öl und Gas - die wichtigsten Quellen der globalen Energieversorgung.
Die geostrategische Gemengelage in dieser Region stellt die USA und
die Nato vor schwierigste diplomatische und zugleich - im Blick auf
die leicht erregbare öffentliche Meinung in den muslimischen Staaten -
vor komplizierte psychologische Aufgaben. Die Meisterung der
kubanischen Raketenkrise 1962 durch Kennedy war trotz ihrer atomaren
Aufladung eine vergleichsweise klar strukturierte Aufgabe, zumal der
damals einzige Gegenspieler der Vernunft zugänglich gewesen ist.

Wirtschaftskrise unwahrscheinlich

Der antiamerikanische Terrorismus hat sich der Globalisierung moderner
Technologie und der Finanzmärkte bedient, speziell des Luftverkehrs
und der Telekommunikation. Dem ging die unselige Globalisierung des
Waffenhandels voraus: Keine Regierung, die gestern Waffen geliefert
hat, konnte voraussehen, gegen wen die Waffen übermorgen eingesetzt
würden. Je offener eine Gesellschaft, desto leichter fällt dem
Terrorismus der Angriff. Deshalb werden einige der bisher allzu
sorglosen Freiheiten eingeschränkt werden müssen: beim Grenzübertritt,
Bankgeheimnis, Datenschutz. Finanzoasen müssten ebenso kontrolliert
werden wie das Internet als Mittel verbrecherischer Planung. Wer die
Grundfreiheiten bewahren und sie nicht durch den Terrorismus
unterhöhlen lassen will, muss solcherart Vorsorge willentlich in Kauf
nehmen.

Heute grassiert - vor allem an den Wertpapierbörsen - der Pessimismus.
Dieselben Leute, die noch vor kurzem die Aktienkurse nach oben
getrieben haben, betreiben heute ihre Hysterien in umgekehrter
Richtung. Sie richten Schaden an, denn sie verängstigen das Publikum
und auch die Manager. Gleichwohl muss man keinen fundamentalen,
weltweiten Börsencrash befürchten. Die Zentralbanksysteme in
Washington und in Frankfurt werden dergleichen durch zusätzliche
Liquidität in Grenzen halten. Gegenwärtig liegt in der schon seit
Anfang dieses Jahres sichtbaren globalen Wirtschaftsflaute, vor allem
in der Zurückhaltung der Konsumenten in den USA, in Euroland und in
Japan eine Gefährdung für viele Unternehmen und Arbeitsplätze.
Vornehmlich in den Branchen Tourismus, Zivilluftfahrt,
Flugzeugbau-Industrie sowie Bank- und Versicherungswesen haben die
terroristischen Attentate zusätzlich zu Einbrüchen geführt. Wie lange
diese anhalten und wieweit sie allgemeine ökonomische Konsequenzen
nach sich ziehen werden, ist noch kaum vorherzusehen.

Gleichwohl spricht sehr wenig für die Möglichkeit einer globalen
Depression. Dagegen steht einerseits die unerhörte Vitalität der
amerikanischen Nation und zum anderen die Depressionserfahrung der
Regierungen in Amerika und Europa. Sie wissen seit den dreißiger
Jahren, was in solcher Gefährdung zu tun wäre. Vor allem aber haben
sie schon lange gelernt, sich wirtschaftlich und finanzpolitisch zu
koordinieren. Wenn der Internationale Währungsfonds (IWF), die
Weltbank und die Welthandelsorganisation (WTO) möglichst schnell zu
ihren normalen Verfahren zurückkehren, umso besser. Schon
mittelfristig, im Laufe des nächsten Jahres, wird sich wohl
herausstellen, dass Alan Greenspan mit seiner beruhigenden Voraussage
Recht hat.

Eine Einschränkung allerdings ist nötig: Sofern ein Krieg die globale
Ölversorgung aus dem Mittleren Osten beeinträchtigt, könnte eine
Ölkrise die Weltwirtschaft in ernstere Turbulenzen bringen. Diese
Erwägung führt noch einmal zur Grundregel zurück: kühle, praktische
Vernunft.

Diese Regel gilt auch für alle Bürger in Deutschland. Unsere Regierung
- ebenso die der anderen EU-Staaten - und der Bundestag sind auf dem
richtigen Wege. Sie kooperieren in der Aufspürung terroristischer
Zellen, sie sind bereit und willens zum gemeinsamen Kampf gegen den
Terror. Sie beugen neuen Anschlägen vor. Sie handeln solidarisch mit
den USA. Die Deutschen dürfen sich darauf verlassen: Unser Grundgesetz
wird dabei nicht verletzt werden. Die Grund- und Menschenrechte werden
auch zukünftig für uns gelten.

Die amerikanische Regierung und der Kongress können auf den
solidarischen Willen Europas und Deutschlands bauen. Er könnte nur
dann beeinträchtigt werden, wenn Washington es an Information und
Konsultation fehlen lassen oder unangemessen reagieren sollte. Deshalb
bleibt für Washington auch in Zukunft abwägende Vernunft geboten.

DIE ZEIT 40/2001



Eine US-amerikanische Intervention ist zum Scheitern verurteilt

RFI-Interview mit Gulbuddin Hekmatyar, dem ehemaligen afghanischen
Kriegschef zur Zeit der sowjetischen Intervention

Der Korrespondent von Radio France Internationale (RFI) Siavosh
Ghazi sprach gestern mit dem seit Mitte der 90er Jahre im Iran
lebenden ex-Kriegschef, der erklärte, gegen seine ehemaligen
amerikanischen Alliierten zu kämpfen, wenn dies nötig würde.

Gulbuddin Hekmatyar gehörte zu den Mudjaheddin der ersten Stunde.
Er hat die Sowjets seit der Machtergreifung der afghanischen
Kommunisten bekämpft. Nach dem Abzug der Sowjets wurde er
Premierminister. Von diesem Posten entfernten ihn die Taliban. Der
islamische Fundamentalist Hekmatyar ist lange von der CIA
unterstützt worden. Seine Verbindungen zu Osama bin Laden hat er nie
unterbrochen. Von der Macht vertrieben, hat er sich Mitte der 90er
Jahre im Iran angesiedelt. Aber entgegen den afghanischen
Oppositionskräften, die einen amerikanischen Angriff gegen die
Taliban unterstützen, will er die Amerikaner bekämpfen. Ohne Zweifel
erklärt seine Pashtunen-Abstammung, die er mit den Taliban gemein
hat, seine Position.

 RFI: Demnächst sollen die Kampfhandlungen gegen Afghanistan
beginnen. Was meinen Sie, suchen die Amerikaner?

 Gulbuddin Hekmatyar: Tatsächlich scheinen die Amerikaner
entschlossen, Afghanistan anzugreifen. Sie haben nicht verborgen,
daß sie nicht nur für die Attentate von New York und Washington
Vergeltung üben wollen. Sie haben einen viel weitergehenden Plan.
Washington will die Macht der Taliban ersetzen, und sie haben nicht
verheimlicht, daß sie den ehemaligen König Zaher Shah wieder an die
Macht bringen wollen. Für die Amerikaner befindet sich Afghanistan
in einer strategischen Lage, insbesondere wegen der Erdöl- und
Erdgasvorkommen in Zentralasien. Es gibt zwei Optionen. Entweder
attackieren sie Afghanistan mit Bomben und Raketen - eine solche
Operation würde ihre Ziele nicht erreichen -, oder sie entsenden
Bodentruppen, um mehrere bedeutende Städte wie Kabul, Kandahar und
Jalalabad zu kontrollieren und Zaher Shah nach Afghanistan zurück zu
bringen. In diesem Fall werden die amerikanischen Streitkräfte lange
im Lande bleiben müssen. Aber eine solche Besatzung ist zum
Scheitern verurteilt. Die Amerikaner haben den Sowjets da nichts
voraus, und wir raten ihnen, nicht diesem Irrtum zu verfallen, da
Afghanistan dann für die USA ein zweites Vietnam wird.

 RFI: Wenn die Angriffe beginnen, werden Sie nach Afghanistan
zurückkehren?

 G.H.: Selbstverständlich. Unser Land muß verteidigt werden. Es
handelt sich nicht darum, mit den Taliban zu kollaborieren, aber wir
werden unser Land verteidigen. Wir raten den Amerikanern, einen
neuen Krieg zu vermeiden. Wenn die Amerikaner wollen, daß
Afghanistan kein Krisen- und Spannungsherd bleibt, müssen die
ausländischen Interventionen in Afghanistan verhindert werden. Sie
müßten die anderen Staaten, vor allem Pakistan, Rußland und den
Iran, daran hindern, Waffen nach Afghanistan zu schicken. Sie werden
dann binnen kurzem sehen, daß die Afghanen eine politische Lösung
zur Beendigung des Krieges erreichen werden.

 RFI: Können die Taliban einem amerikanischen Angriff standhalten?
Über welche Waffen verfügen sie?

 G.H.: Es ist nicht die militärische Macht der Taliban entscheidend.
Die Afghanen haben niemals ausländische Interventionen akzeptiert.
Es reicht dazu ein Blick auf die Geschichte. Das Geheimnis des
Sieges der Afghanen sind nicht die modernen Waffen. Es sind die
Kalaschnikow und leichte Waffen. Im übrigen haben die Taliban in den
letzten Tagen 300 000 Waffen verteilt. Die Afghanen kämpfen nicht in
den Städten, sondern in den Bergen. Die Amerikaner müssen die
Erfahrungen der Sowjets genauestens betrachten.

 RFI: Aber warum würden sie dafür kämpfen, das Regime der Taliban zu
verteidigen, die selbst von Pakistan, einem ausländischen Staat,
unterstützt werden? Seit dem Machtantritt der Taliban hat sich die
Lage der Bevölkerung verschlechtert. Deshalb sind viele Afghanen aus
dem Land geflüchtet ...

 G.H.: Auf alle Fälle sind die Afghanen gegen jede ausländische
Intervention. Sie werden sich also gegen eine ausländische
Intervention wenden ...

 RFI: Es geht das Gerücht, daß mehr als 10 000 Araber an der Seite
der Taliban und bin Ladens kämpfen ...

 G.H.: Das ist übertrieben. Es gibt Araber, die gekommen sind, gegen
die Sowjets zu kämpfen. Sie konnten nicht zurück zu sich nach Hause
und sind also in Afghanistan geblieben.

 RFI: Sie sind dafür bekannt, ein Mann der Amerikaner gewesen zu
sein. Warum wenden Sie sich heute gegen die Politik Washingtons?

 G.H.: Das ist nicht wahr. Die Amerikaner haben uns niemals
unterstützt. Sie haben sogar andere afghanische Parteien gegen uns
geschaffen. Die Taliban selbst sind von den Amerikanern gegen uns
unterstützt worden, und als die Taliban Kabul einnahmen, haben die
Amerikaner ihre Genugtuung zum Ausdruck gebracht.

 RFI: Glauben Sie, daß der Iran einer Zusammenarbeit mit den
Amerikanern zustimmen wird?

 G.H.: Das glaube ich nicht. Die Iraner dürften wissen, daß die
Amerikaner in die Region kommen, um zu bleiben. Sie wollen den
ehemaligen König wieder an die Macht bringen. Wenn sie damit Erfolg
hätten, könnten sie die gleiche Idee für den Iran haben. Deshalb
müssen die Iraner vermeiden, mit den Amerikanern zu kollaborieren.

 RFI: Die Streitkräfte der Opposition haben bekräftigt, daß sie mit
den Amerikanern kollaborieren werden. Was halten Sie davon?

 G.H.: Das ist ein politischer Fehler. Die Afghanen werden nicht
akzeptieren, an der Seite von amerikanischen Soldaten zu kämpfen. Es
sind vielleicht die Russen, die den Oppositionskräften empfohlen
haben, gemeinsam mit den Amerikanern zu kämpfen. Die Unterstützung
Pakistans an die Taliban ist kein Grund, die Hilfe der Russen oder
der Amerikaner zu suchen. Die Taliban haben uns besiegt, aber heute
werden wir alle Differenzen, die wir mit ihnen haben, beiseite
legen, und wir werden den gemeinsamen Feind bekämpfen.

        Übersetzerin: Dr. Gudrun Eussner
        Quelle: © "Une intervention américaine est vouée à l'échec"        =

Text auf http://www.radiofranceinternationale.fr, vom 27.9.2001

Im Namen des Erhabenen

Sehr geehrter Bruder im Islam Muhammad Michael Hanel,
as-salamu-alaikum

Der Muslim-Markt fand folgende Nachricht in den deutschen Medien oder
die Nachricht wurde uns von fleißigen Lesern zugesandt.
Vorsichtshalber weist der Muslim-Markt darauf hin, daß es uns nicht
möglich ist, den Wahrheitsgehalt dieser Nachricht zu überprüfen, und
es ist grundsätzlich Zweifel bei derartigen Meldungen bezüglich
Richtigkeit und Vollständigkeit angebracht. Daher leitet der
Muslim-Markt nur in den Fällen derartige Meldungen weiter, in
denen es angebracht scheint, dass die Muslime über die Verbreitung
einer derartigen Meldung informiert werden.
 
 
*************Beginn des weitergeleiteten Textes************************

DER STANDARD
Donnerstag, 11. Oktober 2001, Seite 5
                                                                           =
            "Bin Laden ist nur ein Vorwand"

            Gulbuddin Hekmatyar, Muslimfundamentalist und einer der
wichtigsten Mudjahedinführer Afghanistans im
            Kampf gegen die Sowjets, der bis zur Machtübernahme
durch die Taliban im Jahre 1996 afghanischer
           Premierminister war, gab dem Standard in einer Villa im
Norden Teherans eines seiner raren Interviews.
 

            STANDARD-Korrespondent Amir Loghmany aus Teheran
 

       Standard: Wie wird der Krieg in Afghanistan ausgehen?
       Hekmatyar: Der Krieg bringt keine Lösung. Sie (die
Anti-Taliban-Kräfte - Anm.) werden von Usbekistan aus
       mithilfe von General Dostum in Afghanistan einmarschieren.
Sie wollen Mazar-e Sharif erobern und dort eine
       provisorische Regierung bilden.

       STANDARD: Wo stehen Sie?
       Hekmatyar: Wir stehen an der Seite des afghanischen Volkes
und werden gegen ausländische Einmischung
       kämpfen.

       STANDARD: Also doch Taliban?
       Hekmatyar: Eine Vereinbarung mit den Taliban über eine
provisorische Regierung ist zurzeit indiskutabel. Jetzt
       geht es um die Interessen Afghanistans und nicht um die
Interessen einer Gruppe.

       STANDARD: Welche Rolle wird Exkönig Zahir Shah für die
Zukunft Afghanistans spielen?
       Hekmatyar: Die Zeit für Zahir Shah und seine Clique ist
abgelaufen.

       STANDARD: Aber bei den Gesprächen in Rom hat sich gezeigt,
dass eine große Mehrheit hinter ihm steht.
       Hekmatyar: Wer sagt, dass sie die Mehrheit des afghanischen
Volkes repräsentieren? Wer hat sie gewählt?
       Leute, die mit amerikanischen Panzern in Kabul einziehen
wollen, haben keine Legitimität. Wo war Zahir Shah,
       als wir gegen die Russen kämpften? Woher nimmt er die
Legitimität, im Namen des afghanischen Volkes zu
       sprechen?

       STANDARD: Gibt es Alternativen?
       Hekmatyar: Freie Wahlen in Afghanistan.

       STANDARD: Aber in Afghanistan sind doch zurzeit Wahlen
unmöglich!
       Hekmatyar: Wieso ist ein Krieg möglich, aber eine Wahl
unmöglich? Wenn die Amerikaner ein Hundertstel von
       dem, was sie in den Krieg investieren, in den Frieden
investiert hätten, dann hätten wir jetzt Frieden. Dass wir zu
       Wahlen fähig sind, haben wir vor dreißig Jahren gezeigt.

       STANDARD: So wird es doch nie in Afghanistan Frieden geben.
       Hekmatyar: Das Problem Afghanistan wird durch Krieg nicht
gelöst. Das haben die Russen auch probiert. Jetzt
       gibt es eine Vereinbarung zwischen Russen und Amerikanern.
Sie wollen in der Region Fuß fassen. Afghanistan ist
       nur ein Vorwand. Es geht um die Einkreisung Irans.

       STANDARD: Die Voraussetzung für Wahlen ist doch Frieden.
       Hekmatyar: Wenn die ausländische Einmischung in Afghanistan
aufhört, kehrt auch der Friede nach
       Afghanistan zurück. Damals (nach dem Sturz des KP-Regimes
1992) war man auch mit Wahlen einverstanden,
       aber Russen und Amerikaner wussten, dass die Mudjahedin die
Wahl gewinnen würden und haben das verhindert.
       Die CIA hat mithilfe der Pakistani neue Gruppen ins Leben
gerufen.

       STANDARD: Die Taliban?
       Hekmatyar: Ja, die Taliban sind mithilfe der Amerikaner
organisiert worden, um uns zu vernichten.

       STANDARD: Aber Sie haben doch mit den Taliban sympathisiert?
       Hekmatyar: Diese Vermutung ist falsch. Als wir in Kabul waren
und die Regierung bildeten (1992), haben die
       Pakistani die Taliban aktiviert, um uns zu bekämpfen. Sie
marschierten über Kandahar in Afghanistan ein. Ein
       Jahr lang war ich der Einzige, der gegen sie gekämpft und
ihren Vormarsch aufgehalten hat. Sogar (Präsident)
       Rabbani, der damals in Kabul war, hat sie unterstützt. Als
meine Männer im Osten gegen die Taliban kämpften,
       bekämpfte uns Rabbani von Kabul aus.

       STANDARD: Sie waren damals Ministerpräsident in Kabul. Sie
haben doch Kabul den Taliban ausgeliefert?
       Hekmatyar: Ich war nur drei Monate in Kabul und als Kabul
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    fiel, haben die Amerikaner offiziell mitgeteilt, dass
       "wir einer Regierung, deren Ministerpräsident Hekmatyar ist,
keiner Träne nachweinen".

       STANDARD: Wie stark sind die Taliban?
       Hekmatyar: Ihre Stärke ist nicht maßgebend. Die Amerikaner
kämpfen jetzt gegen das afghanische Volk. Alle,
       die gegen die Russen gekämpft haben, werden jetzt gegen die
Amerikaner kämpfen.

       STANDARD: Wird es zur Teilung Afghanistans kommen?
       Hekmatyar: Alles spricht dagegen. Alle Gebiete sind von
gemischtrassigen Gruppen bewohnt. Wenn das möglich
       wäre, wäre es schon früher geschehen.

       STANDARD: Kennen Sie Osama Bin Laden? Haben Sie mit ihm
gesprochen?
       Hekmatyar: Ja, öfters. Als wir gegen die Russen kämpften, war
er als junger Mann neben uns. Ich habe sehr oft mit
       ihm gesprochen.

       STANDARD: Was ist er für ein Mensch?
       Hekmatyar: Er ist ein gutmütiger, ehrlicher Mann. Übrigens,
als er nach Afghanistan kam, hat er keine Probleme
       mit Amerika gehabt. Die weitere Geschichte kennen Sie ja.

       STANDARD: Hält sich Bin Laden gegenwärtig noch in Afghanistan
auf?
       Hekmatyar: Ja.

       STANDARD: Die Amerikaner wollen ihn haben. Sie sagen, er ist
an den Terroranschlägen in den Vereinigten
       Staaten beteiligt.
       Hekmatyar: Bin Laden ist nur ein Vorwand. Auch wenn man ihn
tötet, wird es keinen Frieden geben. Es gibt
       Tausende wie Bin Laden in Afghanistan, in den USA und auf der
ganzen Welt. Amerika hat andere Probleme. Sie
       haben in der ganzen Welt eine Situation geschaffen, in der
Leute wie Bin Laden heranwachsen.

       STANDARD: Steckt er hinter den Terroranschlägen in den USA?
       Hekmatyar: Er hat das verneint und für mich gibt es keinen
Grund, ihm nicht zu glauben. Er ist doch in
       Afghanistan isoliert. Und außerdem ehrlich und mutig genug,
um es, wenn er es war, auch zuzugeben.

       STANDARD: Alle sprechen aber von Bin Laden.
       Hekmatyar: Warum setzen die Amerikaner kein neutrales Komitee
ein? Haben die Amerikaner etwas zu
       verstecken? Sie wollen Krieg gegen die Muslime führen und
sprechen von einem Kreuzzug. Das hat Bush auch
       gesagt.

       STANDARD: Er hat sich später korrigiert.
       Hekmatyar: Ja, aber Bush und Berlusconi haben nur das gesagt,
was sie privat denken.

       STANDARD: Was ist mit Al-Qa'ida (Bin Ladens Terrornetz)?
       Hekmatyar: Die Gruppe Al-Qa'ida gibt es nicht. Es gibt
Freiwillige, die in Afghanistan kämpfen. Sie werden nur
       so genannt.
 
 
 



die taz hat eine Broschüre mit dem Titel "Politik im Namen Allahs"
herausgebracht. Untertitel: "Der Islamismus - eine Herausforderung für
Europa". Die Autoren sind Eberhard Seidel (taz), Claudia Dantschke
(Aypa-TV) und Ali Yildirim (Aypa-TV).

Wie der Titel schon andeutet wird die Gefahr des "politischen Islams"
beschworen. Fundamentalistische Tendenzen unter'm Deckmäntelchen der
Religion, das Übliche halt. Inhaltlicher Schwerpunkt ist hier der
"türkische Islam" in Deutschland: Milli Görus, "Köln-Kalifat", Aleviten,
DITIB, VIKZ, Nakshibandiye etc. pp.

Die ca. hundertseitige Broschüre kann unter folgender URL
heruntergeladen werden (ca. 306kb).
http://www.taz.de/taz/gifs/Politik-im-Namen-Allahs.pdf



DER STANDARD Arne A. Ambros*

Dienstag, 25. September 2001, Seite 43 Kommentar der anderen

War Jesus ein Kriegstreiber?
Vom Sachverstand jener, die den Islam als Hassreligion kritisieren
 

Die Muslime vereint der Glaube, dass der Koran göttliche Offenbarung an den
Propheten Mohammed ist. Wer nicht Muslim ist, sieht im Koran die Aufzeichnung
von Predigten dieses Mohammed (ca. 570-632) an seine Zeitgenossen und lässt
die Frage nach dem letzten Ursprung ihrer Inspiration, als objektiver
Erörterung unzugänglich, auf sich beruhen. Faktum, für Muslim und Nichtmuslim
gleichermaßen, bleibt, dass die Korantexte (die so genannten Suren) zunächst und
primär an die Umgebung Mohammeds adressiert waren und unter sehr stark
wechselnden Begleitumständen vorgetragen und aufgenommen wurden. Gerade die späteren
Suren (aus den Jahren 622-632) sind konkrete und spezielle Botschaften an die
Muslime zur Zeit der Formung ihres politisch, sozial, wirtschaftlich und
militärisch solidarischen Gemeinwesens und ihres erbitterten und verlustreichen
Kampfes gegen Mekka, die Vaterstadt Mohammeds, aus welcher er, nach
jahrelangen Anfeindungen und Nachstellungen, im Jahre 622 nach Medina hatte auswandern
müssen.

Das wechselnde Kriegsglück im langen Kampf gegen Mekka, das erst 630 die
Waffen strecken musste, aber auch manch innere Zwistigkeiten im Lager der
Muslime und mancher Wechsel in der Haltung gegenüber Andersgläubigen haben im Koran
nun sehr deutliche Spuren hinter- lassen. So kommt es, dass der Text nicht
streng konsistent ist, sondern einige Aussagen enthält, die ihrem Wortlaut
nach zueinander im Widerspruch stehen. Das hat nichts mit "Irrationalität" zu
tun, sondern ist schlicht Auswirkung veränderter Gegebenheiten bei den
Empfängern der Botschaft.

Die muslimische Gelehrsamkeit war sich dieses Problems der Inkonsistenzen im
Koran von früher Zeit an durchaus bewusst. Sie hat daher Methoden
entwickelt, die endgültigen von den zeitbedingten und nicht mehr gültigen Stellen zu
unterscheiden.
 

Komplexes Gebäude

Während langer Jahrhunderte haben muslimische Gelehrte die Interpretation
des Korans vorangetrieben. Nicht überall wurde Konsens erzielt, und die
Deutungsarbeit kann auch im Grunde nie abgeschlossen sein. Aber eine Behauptung, es
stehe "einem Kalifen, einem Mufti oder einem einfachen Richter zu, eine
Fatwa, einen Spruch zu erlassen, der die authentische Bedeutung einer Sentenz aus
dem Koran feststellt", ist vom Boden der Tatsachen weit entfernt. Denn einen
Kalifen als höchste und aktiv eingreifende Lehrautorität gab es nur in der
islamischen Frühzeit (bis ins 9. Jahrhundert); ein Mufti ist ein obrigkeitlich
ernannter Gutachter, bestellt, um im Rahmen der Gesetze die Legalität
bestimmter allgemeiner Sachverhalte in einer so genannten Fatwa zu beurteilen (und
keinesfalls ein Koranausleger!); einem "einfachen Richter" steht überhaupt
nicht mehr zu, als in Einzelfällen zu Klagen und Anklagen nach den Bestimmungen
des gültigen Rechts zu urteilen.

Der Islam hat gewiss den Koran als seinen Grundtext. Er hat auf diesem
jedoch in nahezu 14 Jahrhunderten ein hochkomplexes Gebäude von Glaubensinhalten,
Normen und Institutionen geschaffen - und nur dieses, nicht aus dem
Zusammenhang gerissene einzelne Koranverse, darf zu einer Einschätzung des Islam in
der Gegenwart betrachtet werden.

Eine Stelle wie Sure 9, Vers 5 erweist sich, in ihrem Zusammenhang, nicht
als blutrünstiger Aufruf zu "Hass und Mord" (als etwa dem Islam schlechthin
eigentümlich), sondern als eine Ermutigung der Muslime und Abschreckung der
Feinde in einem bestimmten historischen Kampf auf Leben und Tod.

Man ist auch gut beraten, die Eingangsworte dieses Verses nicht unter den
Tisch zu kehren: "Wenn die heiligen Monate vorüber sind". Dieses sind nicht
etwa heilige Monate des Islam, sondern Tabumonate des vorislamischen Arabien;
auch hier setzt sich der Islam also über allgemeine Normen der Menschlichkeit
keineswegs einfach hinweg.

Mohammed als Hassprediger und den Islam als Terrorreligion hinzustellen und
sich dabei auf ein paar Koranstellen (ohne deren Bedeutung im Zusammenhang
und deren Bewertung durch den historischen Islam zu überprüfen) zu berufen
zeigt so viel Sachverständnis, als wolle man Jesus wegen Worten wie "Ich bin
nicht gekommen, um Frieden zu bringen, sondern das ,Schwert'" (Matthäus 10,34)
oder "Wer sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert,
wird es ,retten'" (Markus 8,35) als Möchtegernkriegsstifter und Aufrufer zu
Selbstmordattacken hinstellen und das Christentum danach richten.

*Der Autor ist Professor für Islamwissenschaft an der Universität Wien.

DER STANDARD - Vincenz Liechtenstein,
VP-Bundesrat der steirischen Delegation in Wien

Dienstag, 25. September 2001, Seite 43 Kommentar der anderen
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Wie militant ist der Koran?

Oder so gefragt: Ist der Islam tatsächlich, wie Bischof Kapellari jüngst
meinte, eine "radikale Religion" mit "begrenzter Toleranz"? Leserbriefe und
-fragen ähnlichen Inhalts erreichen uns in diesen Tagen häufig. Stellvertretend
dafür: der folgende Beitrag von Vincenz Liechtenstein - sachkundig gedeutet
von Islam-Experten.

Nach den Untaten von New York und Washinton werden die Hüter der Lehre nicht
müde - unter Hinweis auf zahlreiche Stellen aus dem Koran -, die
Friedfertigkeit und Menschenliebe des Islam zu bekunden.
Mindestens ebenso viele Passagen im Koran jedoch rufen zu Hass und Mord auf
und erlegen es den "Gläubigen" auf, die "Ungläubigen" oder "Götzendiener" zu
bekämpfen. Wobei der Begriff des Kampfes wörtlich zu nehmen ist: Diese
Götzendiener nämlich, so befiehlt etwa die 9. Sure des Korans in ihrem 5. Vers,
müsse man töten, wo immer man sie finde, und ihnen nachstellen "aus jedem
Hinterhalt". Dieser Zusatz hat nach dem heimtückischen Gemetzel von New York und
Washington eine bedrückende Aktualität erlangt. Nur: So wenig sich der böse,
hasserfüllte Osama Bin Laden je zu einer seiner Mordtaten öffentlich bekannt
hat, so wenig werden Mohammedaner eingestehen, dass diese jedenfalls teilweise
ihre Wurzeln in der Lehre des Propheten finden.

"Islam light"?

In dieser Streitfrage hat es wenig Sinn, Koranzitate einander
gegenüberzustellen - wir wissen, dass sich für alle denkbaren Lesarten genügend Belege
finden lassen. Denn "das Buch" ist in sich widersprüchlich bis zur
Irrationalität. Da die Mohammedaner diesen Mangel schon früh selbst empfunden haben, wurde
für Streitfragen die Möglichkeit einer verbindlichen Auslegung geschaffen.
Danach steht es einem Kalifen, einem Mufti oder einem einfachen Richter zu,
eine "Fatwa", einen Spruch zu erlassen, der die authentische Bedeutung einer
Sentenz aus dem Koran feststellt.

Damit ist eine Praktikabilität über den religiösen Bereich hinaus
geschaffen. Ein Beispiel: Zweifellos verbietet der Koran den Selbstmord, was seine
Vertreter anführen, um Selbstmordattentate als gegen den Glauben gerichtet zu
entlarven. Man sagt aber nicht dazu, dass es eine ganze Reihe gleich lautender
Fatwas gibt, die das Verbot des Selbstmordes im Rahmen des "Heiligen Krieges"
aufheben. Auch der Islam kennt so etwas wie einen übergesetzlichen Notstand,
was der praktischen Anwendungsmöglichkeit der Lehre sehr entgegenkommt.
Dies ist insofern auch dringend geboten, als sich die Lehre des Propheten
nicht wie das Christentum als eine Religion versteht, deren Erfüllung
metaphysischer Art ist, sondern einen "allumfassenden Lebensweg" und ein
"vollständiges Rechtssystem" darstellen will. Der Islam hat also eine starke politische
Dimension, deren radikalste Ausprägung in Theokratien wie jener der Taliban
manifest wird.

Mitteleuropa leitet sein Recht vom Souverän und der Verfassung ab, der Islam
aus dem Wort des Propheten - eine Konvergenz zwischen beiden ist nicht
vorstellbar. Diese offene Frage ist es letztlich, die europäische Mohammedaner
dazu veranlasst, gegebenenfalls und nach außen hin auf Distanz zu ihren
Glaubensbrüdern in islamischen Ländern zu gehen und hierzulande eine Art von "Islam
light" anzubieten, die das Unüberbrückbare überbrücken soll.
Dies geschieht mit dem Vorbehalt des Vorläufigen. Denn der Islam hat -
ebenso wie der Marxismus - ein dynamisches Geschichtsbild, das eine Prädestination
des Weltgeschehens zugrunde legt. Danach ist es Naturgesetz - mehr noch:
göttlicher Wille, dass die Historie so verlaufe, dass der Islam die anderen
Religionen und Kulturen überlagere, besiege und endlich auslösche. Wenn aber das
der Sinn der Geschichte ist, so sind alle Mittel, die dem dienen, ethisch
gerechtfertigt, auch diejenigen, die unser Grauen erregen.

Turban oder Mitra?

Als im Jahre 1453 der türkische Sultan Muhammad II. Konstantinopel belagerte
und schließlich gewann, gab es unter den orthodoxen Einwohnern der Stadt
eine fatalistische Parole: "Lieber den Turban als die Mitra", wodurch man auf
die Schrecken verwies, die man vor allem beim 4. Kreuzzug durch die "Römer",
die Westeuropäer, hatte erleben müssen. Die Ferne der Orthodoxie von Rom ist
heute noch auf weite Strecken nicht theologisch, sondern aus diesem Trauma
begründet.

Nun ist zwar zugegebenermaßen der russische Staatschef Wladimir Putin nicht
der Patriarch von Moskau, aber wenn er heute mit dem Hinweis auf den
Tschetschenienkrieg auf die gemeinsame Bedrohung durch den Islamismus hinweist, so
scheint mittlerweile nicht nur ihm die Mitra wieder näher zu sein als der
Turban. Vielleicht liegt hierin die wahrhaft welthistorische Bedeutung des
Verbrechens von New York . . .



Österreicher: Drohanrufe bei Islamischer Gemeinschaft

Nach den Terroranschlägen in den USA sind bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich mehrere Drohanrufe eingegangen. Es gibt aber auch zahlreiche Anrufe, die Unterstützung und Solidarität signalisieren.

Nach den Terror-Anschlägen in den USA sind bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich "vereinzelte" Drohanrufe eingegangen. Das teilte deren Präsident, Anas Schakfeh mit. Die Anrufer hätten Drohungen und Beschimpfungen ausgesprochen. Ebenso viele Anrufer hätten der Gemeinschaft aber auch Unterstützung und Solidarität ausgesprochen.

Besorgnis in der Gemeinde

Es gebe zwar "Besorgnis in der Gemeinde", er glaube aber nicht, dass diese begründet sei, so Schakfeh. Er sehe die Situation weiterhin "nicht so dramatisch". Polizeiliche Schritte wolle er nicht einleiten. Einige Muslime hätten zwar berichtet, "schief angeschaut" zu werden, generell glaube er aber nicht, dass Muslime in Österreich Angst haben müssten. "Die Menschen in Österreich sind nicht gewalttätig", meinte Shakfeh.

Schakfeh spricht Betroffenheit aus

Schakfeh verurteilte die Anschläge erneut und sprach den Angehörigen der Opfer die "Betroffenheit" der islamischen Gemeinschaft aus. "Ich appelliere an alle Menschen, dass sie nicht pauschal verurteilen", erklärte Schakfeh. Auch bei den Anschlägen vom Dienstag seien die Täter noch nicht bekannt. Schakfeh: "Ich hoffe, dass die Menschen rational genug sind, um zwischen Moslems und Tätern aus der islamischen Welt zu unterscheiden." Der Islam lehne jede kollektive Schuld ab und verurteile deshalb "absolut" jede kollektive Bestrafung.

Blecha verurteilt Drohanrufe gegen Moslems

Der Präsident der Gesellschaft für österreichisch-arabische Beziehungen, Karl Blecha, hat die Drohanrufe gegen islamische Mitbürger in Österreich klar verurteilt. "Das ist kindisch und absurd", so Blecha im Gespräch mit der APA. Notwendig wäre es, dass hier einerseits "sehr glaubwürdige Vertreter der Kirchen und der großen Hilfsorganisationen, aber auch der Bundeskanzler und der Innenminister" klar Stellung beziehen. Insgesamt handelt es sich für Blecha hier um "Primitivreaktionen". Hier gebe es die gemeinsame Aufgabe der politisch und gesellschaftlich Verantwortlichen, einen "gewissen Einfluss" auf die öffentliche Meinung zu nehmen.

www.orf.at

Vatikan warnt vor neuer Islam-Phobie

"Die Tatsache, dass sich Terroristen und Mörder zum Islam bekennen, sagt nichts über die muslimische Religion und die eine Milliarde Muslime aus", heißt es in einem Kommentar des vatikanischen Missionspressdienstes "Fides". Auch der deutsche Kardinal Lehmann warnt vor kollektiven Vorurteilen. Der Theologe Hans Küng wandte sich gegen eine Diabolisierung des Islam.

Der Vatikan hat entschiedene Maßnahmen gegen den Terrorismus gefordert, gleichzeitig aber vor einer "Phobie gegenüber allem Muslimischen oder Arabischen" gewarnt. Die Welt müsse den Terrorismus, seine Akteure und die sie unterstützenden Staaten energisch bekämpfen, heißt es in einem Kommentar des vatikanischen Missionspressedienstes "Fides". "Die Tatsache, dass sich Terroristen und Mörder zum Islam bekennen, sagt nichts über die muslimische Religion und die eine Milliarde Muslime aus", schreibt der israelische Franziskaner David Jäger, der selbst jüdischer Abstammung ist.

"Antisemitismus der heutigen Zeit"

Aus wirtschaftlichen Interessen habe manches westliche Land bislang ein Auge gegenüber Regimen zugedrückt, die Terroristen unterstützen. Damit müsse Schluss sein, so David Jäger in dem "Fides"-Kommentar. Gleichzeitig verwies er auf die "reelle Gefahr" einer Phobie gegen alles Muslimische und Arabische: "Daraus könnte eine Art Antisemitismus der heutigen Zeit entstehen".

Keine Ungerechtigkeit gegenüber der arabischen Welt

In Europa habe man sich noch lange nicht vom Übel des Antisemitismus frei gemacht. "Deswegen wäre es schrecklich, wenn wir erneut in eine solche Falle geraten würden", so der israelische Franziskaner. Auf der palästinensischen Seite befürchte man nun "eine Welle der Ablehnung gegenüber der arabischen Welt und dem Islam. Dies wäre eine weitere Ungerechtigkeit", so David Jäger.

Kardinal Lehmann mahnt zur Besonnenheit

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, mahnte zur Besonnenheit. Notwendig sei jetzt eine "sehr große Disziplin", damit keine kollektiven Vorurteile gegen Muslime entstünden und die Angst vor Fundamentalisten nicht instrumentalisiert werde, sagte Lehmann zur deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA.

Religion ist keine Rechtfertigung für Gewalt

Lehmann räumte ein, dass Religion immer wieder zur Rechtfertigung von Gewalt, Intoleranz und so genannten Heiligen Kriegen missbraucht werde. Wer die Bibel und die "innere Entwicklung des Alten Testaments und besonders des Neuen Testaments" beachte, finde dafür aber keine Rechtfertigung. Der Kardinal wörtlich: "Wahrscheinlich wird man in Zukunft noch viel entschiedener gegen allen Einsatz von Gewalt, besonders auch in religiösem Namen zu Felde ziehen müssen".

Theologe Küng gegen Diabolisierung des Islam

Der Tübinger Theologe Hans Küng hat vor einer pauschalen Verurteilung des Islam gewarnt. Man dürfe angesichts der Terrorwelle in den USA nicht den Teufel in der Gestalt des Islam an die Wand malen, sagte Küng zur deutschen katholischen Nachrichtenagentur KNA. Generell sei es notwendig, nicht nur die Symptome der Gewalt, sondern deren Wurzeln zu bekämpfen.

"Fanatiker gibt es auf beiden Seiten"

Der Theologe wörtlich: "Wir brauchen dringend eine Lösung des Nahostkonflikts". Dafür sei Druck der USA auf beide Seiten erforderlich. Fanatiker, so Küng, gebe es auch im Judentum oder Christentum.



http://www.zeit.de/2001/39/Politik/200139_essay.cook.html
E S S A Y

Die Propheten des Weltuntergangs

Wer den modernen Islamismus verstehen will, muss seine apokalyptischen
Wurzeln kennen

Von David Cook

Apokalypse macht mobil. Der Glaube an das unmittelbar bevorstehende Ende der
Welt verändert Menschen. Er gibt ihnen eine Kraft, die aus der absoluten
Überzeugung entspringt, dass Gott auf der Seite des Gläubigen steht. Solche
Menschen haben sehr klar umrissene Ziele. Und sie sind getrieben vom unbedingten
Willen, über sich selbst hinauszuwachsen. Diese Faktoren finden sich bei
allen wahrhaft apokalyptischen Gruppierungen. Sie schweißen diese Gruppen zu
potenziell (wenn auch nicht zwangsläufig) destruktiven Organismen zusammen, denen
die Außenwelt fremd und feindlich erscheint. Sie muss besiegt und beherrscht
werden. Das alles ist jedem bekannt und offensichtlich, der sich mit
apokalyptischen Gruppen gleich welcher Art beschäftigt. Fraglich ist hingegen, ob
der Islam selbst ein apokalyptischer Glaube ist. Und, wenn ja, was das für die
übrige Welt bedeutet.

Wer die apokalyptischen Muslime der Moderne verstehen will, der braucht eine
klare Vorstellung von ihrer Geschichte. Denn die Vergangenheit ist für sie
höchst lebendig. Viele Theorien sind entwickelt worden, um zu erklären, wie
den Muslimen innerhalb eines einzigen Jahrhunderts die Eroberung der gesamten
Welt des Altertums gelingen konnte - von Tours in Frankreich bis an die
zentralasiatischen Grenzen Chinas. Manche Wissenschaftler verwerfen den Gedanken,
dass religiöser Glaube bei diesen Eroberungen eine wichtige Rolle spielte.
Doch solche Voreingenommenheit schadet unserem Verständnis des heutigen Islam -
und sei es nur deshalb, weil zeitgenössische Muslime selbst davon überzeugt
sind, dass der absolute Glaube an Allah und die einigende Macht des Islam die
wichtigsten Ursachen jener Erfolge waren. Doch absoluter Glaube und Einigkeit
genügten nicht, um den Dschihad auszulösen. Eine dritte Komponente musste
hinzukommen: die Überzeugung von der Notwendigkeit, die Welt noch rechtzeitig
vor dem bevorstehenden Tag des Jüngsten Gerichts zu erobern. Um genau diese
Komponente geht es hier.

Vielleicht ist gar nicht so wichtig, was den Eroberungszug eigentlich
veranlasste. Verstehen müssen wir vielmehr, wie moderne Muslime ihre Geschichte
lesen. Diese Eroberung, Dschihad genannt, steht den historischen Quellen zufolge
in engem Zusammenhang mit apokalyptischen Vorstellungen. Eine entsprechende
Überlieferung lautet: "Siehe! Ich wurde mit dem Schwert geschickt (von Gott),
bis die Stunde (des Jüngsten Gerichts) eintritt, und mein täglich Auskommen
wurde gestellt unter den Schatten meines Schwertes. Erniedrigung und
Demütigung sei denen, die gegen meine Sache stehen."

So verstanden, versuchten die Muslime nicht deshalb, die Welt zu erobern,
weil sie sie beherrschen wollten. Sie taten, was sie taten, weil Gott es ihnen
unmittelbar vor dem Weltuntergang aufgegeben hatte. Der Islam liefert das
erste Beispiel dafür, was eine apokalyptische Gruppe zustande zu bringen vermag,
wenn sie in kürzester Zeit einen unmöglichen Auftrag zu erledigen hat: nicht
viel weniger als Weltherrschaft. Denn fast hätte sie ihr Ziel erreicht. Die
revolutionärste Idee des fundamentalistischen Islam besteht deshalb in der
Vorstellung, moderne Muslime könnten die Taten aus der Zeit des Propheten
Mohammed im 7. Jahrhundert wiederholen. Dem gesamten Rest der Welt, einschließlich
der so genannten muslimischen Länder, kommt dabei aus ihrer Sicht die Rolle
der Ungläubigen zu. Es ist dieser gedankliche Hintergrund, vor dem sich die
Überzeugung breit macht, ein apokalyptischer Dschihad sei nötig, um die
bestehenden Missstände zu beseitigen.

Denn aus der Perspektive heutiger Muslime steht die Welt Kopf. Überall hat
ihr Glaube an Boden verloren - als Folge kolonialer Eroberung und christlicher
Missionierung ebenso wie durch den Kulturimperialismus westlicher Medien.
Gott hat den Muslimen nicht nur versprochen, dass sie die Empfänger seiner
letzten dem Propheten Mohammed überbrachten Offenbarung sein würden. Vielmehr
würden sie außerdem belohnt mit Herrschaft und weltlichem Erfolg. Ein volles
Jahrtausend lang wurde dieses Versprechen erfüllt. So jedenfalls sahen es die
Muslime. Denn es waren schließlich Araber und Türken, die, wie von Gott
versprochen, zwischen 630 und 1688 die globale Szenerie beherrschten. Dagegen
bestreiten nicht einmal hartgesottene Traditionalisten, dass die islamische Welt
heute, weltweit betrachtet, bestenfalls noch die zweite, wenn nicht sogar die
dritte Geige spielt. Da Gott dafür schwerlich verantwortlich sein kann, muss
die Schuld bei den Muslimen selbst liegen. Die apokalyptische Deutung der
Situation läuft darauf hinaus, dass Gott die wenigen Auserwählten kurz vor dem
Ende der Welt auf die Probe stellt. Sie müssen ihren Glauben an Gott beweisen,
indem sie die verlorene weltliche Herrschaft und göttlich bestimmte
Überlegenheit der Muslime wiederherstellen.

Man mag einwenden, das apokalyptische Wesen des Islam sei über Jahrhunderte
verborgen gewesen. Aber wenn apokalyptische Tendenzen in einer Gruppe latent
vorhanden sind und hervorzutreten beginnen, dann beeinflussen sie nach und
nach alle Mitglieder. Bereits heute hat der apokalyptische Diskurs auch andere
Gruppen innerhalb der islamischen Welt erfasst. Selbst die religiösen Eliten,
für die apokalyptische Gruppen nur Verachtung übrig haben, können sich ihm
nicht entziehen.

Deshalb ist ein Blick auf die einzelnen apokalyptischen
Glaubensvorstellungen angebracht, die modernen Muslimen heute zugänglich sind. Die meisten
Szenarien deuten den Konflikt zwischen Israel und den arabischen Staaten als
Ausgangspunkt endzeitlicher Ereignisse. Für einige Szenarien steht der Golfkrieg
von 1990 und 1991 im Mittelpunkt. Irgendwann in der nahen Zukunft, heißt es,
wird ein dämonisches Wesen, der muslimische Antichrist mit Namen Dadschal, die
Macht über den Großteil der Welt an sich reißen. Ausgespart werden nur ein
paar muslimische Länder sein. Welche das sein werden, ist zwar umstritten. Ganz
oben auf den einschlägigen Listen stehen jedoch die virulentesten
antiwestlichen Staaten. Jenes dämonische Wesen Dadschal wird ein Jude sein, der
mithilfe einer globalen Verschwörung nach dem Muster der Protokolle der Weisen von
Zion herrschen wird. Im Übrigen sind die Apokalyptiker davon überzeugt, dass
dieses Wesen bereits heute, seiner physischen Erscheinung gleichsam
vorauseilend, den Gang der Dinge in bösartiger Weise beeinflusst. Vorausgesagt wird ein
apokalyptischer Krieg zwischen dem Dadschal, der den Westen und Israel
anführen wird, und den Muslimen.

Die Begriffe "der Westen" und Christentum bedeuten für den modernen Muslim
ein und dasselbe. Deshalb ist Widerstand gegen "den Westen" ein religiöses
Gebot: Westlichen Einfluss anzuerkennen hieße, die Überlegenheit des
Christentums anzuerkennen. Das ist selbst für Muslime undenkbar, die durchaus zwischen
einem wirtschaftlichen und kulturellen System (der Westen) und einem
religiösen System (Christentum) zu differenzieren vermögen.

Antiwestliche Einstellungen kommen üblicherweise in jenem Teil der
Apokalypse zum Ausdruck, in dem es um die moralischen Symptome der Endzeit geht. Zu
ihnen zählen Abscheulichkeiten wie Gewalt oder Sittenlosigkeit, welche es zwar
zu allen Zeiten in allen Gesellschaften gibt und gegeben hat. Der
Apokalytiker jedoch rechnet sie der Einfachheit halber westlichen Einflüssen zu.
Gleichermaßen verunglimpft er den Einfluss der westlichen Wirtschaft, weil die
Ökonomie des Westens den Kreditzins zur Grundlage hat, was der Islam streng
verbietet. So wird zum "Beweis" der Endzeitlichkeit eine Vielzahl westlicher
Traditionen herangezogen, die in jeder möglichen Weise zu bekämpfen und abzuwehren
sind.

Die Vereinigten Staaten, das versteht sich von selbst, spielen in den
meisten apokalyptischen Szenarien die negative Hauptrolle. Grundsätzlich wird
Amerika als das Große Babylon oder gar als der Antichrist höchstpersönlich
präsentiert. Jeder amerikanische Präsident der jüngeren Vergangenheit - von Carter
über Reagan und Bush bis Clinton - wurde aus diesem oder jenem Anlass als
Agent des Antichrist dargestellt und mit Bestrafung für sein Treiben bedroht. Der
Antichrist manipuliert angeblich zwar sämtliche Länder des Westens - sein
Hauptquartier aber liegt unzweifelhaft in Amerika. Die gesamte ökonomische und
kulturelle Aktivität Amerikas spiegelt vermeintlich die Pläne dieses
dämonischen Wesens wider. Dafür wird Gott das Land mit unterschiedlichsten Mitteln
bestrafen, Erdbeben etwa oder durch Atomschläge. In verschiedenen Szenarien
unterwerfen die Muslime, nachdem sie Israel erobert haben, auch Westeuropa und
die Vereinigten Staaten.

Selbstverständlich gilt die amerikanische Außenpolitik als vorrangige
Methode der globalen Machtausübung des Antichrist. Besonders unverständlich ist
Muslimen die fortgesetzte amerikanische Unterstützung für Israel. Üblicherweise
wird sie mit einer jüdischen Verschwörung erklärt. Es gibt Ägypter und
Palästinenser, die sich durch keinen noch so schlagenden Beweis des Gegenteils von
der Auffassung abbringen lassen, alle amerikanischen Präsidenten und
sämtliche Kongressabgeordnete der jüngeren Geschichte seien Juden gewesen. Auf dem
Feld der Außenpolitik wirft man den Vereinigten Staaten vor, den Irak zum
Angriff auf Kuwait gezwungen zu haben. (Freilich sind nicht alle Apokalyptiker
proirakisch eingestellt. Vor allem die ägyptischen neigen eher dazu, Saddam
selbst für einen Antichrist zu halten - nicht selten gar für einen unter
israelischer Kontrolle.) In der Vergangenheit gab es häufig Versuche, die Vereinigten
Staaten und die Sowjetunion in einen Topf zu werfen, weil beide angeblich
unter jüdischer Herrschaft ständen. So ist auf Said Ayyubs einflussreichem Buch
Der falsche Messias ein dämonisches Wesen abgebildet, das gleichzeitig mit
einer amerikanische Flagge sowie mit Hammer und Sichel ausgestattet ist und
obendrein einen Davidstern um den Hals trägt.

Israel ist den schärfsten Angriffen der modernen muslimischen Literatur zur
Apokalypse ausgesetzt. Selten nur findet man ein Buch oder ein Traktat, in
dem der jüdische Staat nicht lang und breit thematisiert wird. Das ist eine
vergleichsweise neue Entwicklung, denn in der klassischen muslimischen Lehre von
der Apokalypse spielten Juden kaum eine Rolle. Eine der klassischen
Überlieferungen jedoch erwähnt sie und wird deshalb oft zitiert: "Die Stunde (des
Jüngsten Gerichts) wird nicht eintreten, bis sie (die Muslime) die Juden
bekämpfen. Und die Muslime werden sie töten, bis dass einer von ihnen sich hinter
dem Felsen versteckt. Und dieser Fels sagt: O Muslim, ein Jude ist hinter mir -
komm und töte ihn!" Diese Quelle erweist sich als hilfreich für den Entwurf
von Szenarien, in denen die Muslime gegen Israel kämpfen und es niederwerfen.
Grundsätzlich wird angenommen, dass der Dadschal die Direktherrschaft über
den jüdischen Staat ausübt und dass Israel dessen Ziele durchsetzt.
Praktischerweise vermag dieses Szenario eine Vielzahl unangenehmer Missstände und
Ereignisse zu erklären: Mit seiner Hilfe stehen die Muslime nicht mehr einem
winzigen, verächtlichen und halbentwickelten Staat gegenüber, sondern einer
dämonischen Figur, die auf die Treue von Millionen Menschen in aller Welt zählen
kann und ungeheure satanische Macht ausübt.

Die meisten Fundamentalisten glauben, dass die moderne Welt eine
Wiederholung jener Verhältnisse zur Zeit des Propheten darstellt, als die Muslime ein
kleiner Haufen von Gläubigen waren, die sich einer Welt von Ungläubigen zu
widersetzen hatten. Deshalb erscheinen den Fundamentalisten andere Muslime, die
nicht zu ihrer Gruppe gehören, als verderbt. Tatsächlich werden sie
üblicherweise zu Ungläubigen und zu Kollaborateuren des Westens oder Israels erklärt.
Folglich müssen sie genauso hart bekämpft werden wie alle anderen auch. Das
ist der Grund, weshalb so viele muslimische Terrorgruppen gegen ihre eigenen
Regierungen vorgehen - sogar gegen solche, die dem Westen alles andere als
wohlgesonnen sind.

Besonders die Angehörigen religiöser Eliten geraten ins Fadenkreuz. Sie
unterhalten in der Regel wirtschaftliche Verbindungen zur jeweiligen Regierung
und gelten daher als Verräter, die sich des Hasses und der Kugeln der
Fundamentalisten sicher sein können. Anders als die Einstellungen gegenüber den
Vereinigten Staaten und Israel hat diese Haltung eine gewisse Tradition im
apokalyptisch-muslimischen Denken. Das hat den Vorteil, dass sich der moderne
Apokalyptiker in diesem Fall auf klassische Lehren beziehen kann, die den
Erfordernissen der modernen Welt genügen, ohne in größerem Maße der Überarbeitung zu
bedürfen.

Gern wüsste man genauer, welche Beziehung zwischen apokalyptischer Literatur
und apokalyptisch-messianischen Gruppierungen bestehen. Wenn der Markt
überschwemmt ist von Literatur über das Weltende oder den Antichrist, müssen wir
dann erwarten, dass eine Führerfigur oder eine Gruppe sich daranmacht, den
Inhalt dieser Schriften in die Tat umzusetzen? Liest der Hamas-Terrorist im
Westjordanland tatsächlich zuerst ein apokalyptisches Pamphlet, ehe er zu seiner
Bombe greift und Selbstmord begeht? Denkt er, das Ende der Welt sei so nah,
dass es keinen Sinn mehr habe, weiterzuleben? Oder dass die Apokalypse dadurch
schneller komme, dass er den Auslöser betätigt?

Unglücklicherweise sind alle diese Fragen kaum erforscht. Vermutungen müssen
genügen. Meines Erachtens ähnelt das Verhältnis zwischen apokalyptischen
Schriften und Terrorismus dem Verhältnis zwischen Pornografie und
Sexualverbrechen. Zwar lässt sich nicht sagen, dass ein direkter Weg vom obszönen Material
zur sexuellen Gewalttat führt. Aber es ist anzunehmen, dass die große
Mehrheit derjenigen, die solche Taten begehen, zuvor mit Pornografie nicht bloß ganz
am Rande zu tun hatten. Doch genau wissen wir selbst das nicht. Was die
Relation zwischen aufreizenden Materialien und handfesten Taten angeht, mögen
größere Optimisten deshalb zu anderen Schlüssen kommen.

Jedenfalls lassen sich die apokalyptischen Ursachen wichtiger Ereignisse in
der muslimischen Welt nicht bestreiten. Die Islamische Revolution im Iran
ereignete sich im letzten Jahr des 14. Jahrhunderts islamischer Zeitrechnung -
genau wie die apokalyptische Revolte in der Großen Moschee in Mekka im
November 1979. Beide Bewegungen verwendeten apokalyptische Materialien, um die
Dringlichkeit ihrer Botschaften öffentlich zu vermitteln. Bei der Hamas im
Westjordanland und im Gaza-Streifen handelt es sich eindeutig um eine apokalyptische
Gruppe, wie sich aus ihren Pamphleten und ihrer übrigen Literatur ohne
weiteres ergibt. Ihre Ideologen benutzen in ihrer Propaganda gegen die PLO
regelmäßig apokalyptische Motive. Der Beginn der Intifada 1987 stimmt überein mit
einer 80 Jahre alten Vorhersage des Weltuntergangs. Sowohl die ägyptischen wie
auch die algerischen Fundamentalisten greifen ständig in die apokalyptische
Bücherkiste. Über andere Bewegungen besitzen wir zu wenig harte Erkenntnisse.
Doch vieles deutet darauf hin, dass sich apokalyptische Elemente bei den
meisten, wenn nicht bei allen aktiven fundamentalistischen Gruppen finden lassen.

Die Kenntnis der muslimischen Lehren von der Apokalypse ist die unbedingte
Voraussetzung für das Verständnis des modernen Islam. Wer den enormen Einfluss
begreifen will, den apokalyptische Gruppen heute auf Entwicklungen in der
muslimischen Welt haben, kommt an diesen Schriften nicht vorbei. Die
betreffenden Gruppen sind oft anonym und unbekannt - bis sie mit irgendeiner
spektakulären Tat auf die Weltbühne treten. Doch aus ihren Motiven und
Glaubensbekenntnissen machen sie auch vorher schon kein Geheimnis. Ihre Broschüren, Pamphlete
und Bücher sind an jedem Zeitungskiosk zu kaufen. Und in den Moscheen gibt
es sie sogar umsonst. Viel bleibt freilich zu erforschen, bis wir die genaue
Verbindung zwischen Literatur und Tat entschlüsseln können. Mehr als alles
andere betrifft das jene rätselhaften Selbstmordattentate, die ohne tiefe
ideologische Überzeugungen kaum denkbar sind.

Aus dem Englischen von Tobias Dürr (c) DIE ZEIT   39/2001



Basler Zeitung Politik 24.9.2001 3:17

«Jeder, der diese Aggression unterstützt, ist ein Verrückter»

Mohammed Said Tantawi ist seit 1996 Grossscheich der islamischen
Universität Al-Azhar in Kairo. Sie gilt als höchste Instanz des
sunnitischen Islam. Tantawi, 1928 in Oberägypten geboren, hat in Ägypten
und Saudi-Arabien den Islam studiert. Ernannt wird der Grossscheich vom
ägyptischen Staatspräsidenten.

BaZ: Im Westen geht wieder einmal die Angst vor dem Islam um. Ist diese
Angst berechtigt?

Grossscheich Tantawi: Ich will allen Völkern sagen, dass der Islam eine
Religion des Friedens ist. Das Wort Islam kommt vom Wort Frieden. Die
Religion des Islam hat uns gesagt, dass Gott der Allmächtige alle Menschen
von einem Vater und einer Mutter geschaffen hat. Wenn das der Heilige Koran
sagt, dann will er, dass die Menschen zusammenarbeiten. Die Welt soll sich
also nicht vor den Vorschriften des Heiligen Korans fürchten.

Terroristen berufen sich aber oftmals auf den Islam.

Der Islam ist die Religion des Erbarmens und der Gerechtigkeit. Wenn aber
die Terroristen diese Lehre falsch interpretieren, dann haben sie Unrecht.

Der Prophet Mohammed hat Kriege geführt, seine Nachfolger auch. So breitete
sich der Islam einst bis nach Spanien aus. Ist dem Islam also nicht doch
Gewalt innewohnend?

Unmöglich und unmöglich und unmöglich. Eine Religion kann nicht durch Zwang
verbreitet werden. Zwang führt der Religion nur Lügner und Heuchler zu.
Alle Kriege, die geführt wurden in der Zeit des Propheten, und die Kriege
in der Epoche seiner Nachfolger, dienten dem Ziel der Verteidigung des
Landes, der Erde, der Ehre, der menschlichen Würde und der Bestrafung der
Angreifer. Kriege, die geführt werden zur Verbreitung der Religion oder um
anderen Menschen ihre Rechte zu rauben, sind verboten.

Dem Islam und seiner Geschichte wohnt also keine Gewalt inne?

Nein.

Unterstützen Sie die Aktionen der Hamas gegen unschuldige israelische
Zivilisten?

Ich unterstütze alles, was Hamas macht und was unsere Brüder, die
Palästinenser, zur Verteidigung ihrer Heimat und ihrer Würde tun. Denn
Sharon und seine Leute haben unsere Brüder, die Palästinenser, angegriffen.

Sie unterscheiden also zwischen Terror und bewaffnetem Kampf, der auch
Zivilisten trifft?

Der Unterschied ist so gross wie der zwischen Erde und Himmel. Denn wer
sein Land, seine Heiligtümer, seine menschliche Würde verteidigt, ist ein
mutiger und vernünftiger Mensch. Terrorismus dagegen repräsentiert die
schrecklichste und abstoßendste Art von Ungerechtigkeit und Verrat,
Gemeinheit und Verworfenheit. Terrorismus repräsentiert den Verlust der
menschlichen Werte.

In Ägypten empfinden viele Menschen Trauer über die Opfer in den USA.
Manche aber sagen auch, dass die «Arroganz» Amerikas mitschuldig sei.

Was geschehen ist in den USA, ist ein schreckliches Verbrechen. Amerika
soll aber darauf hinarbeiten, dass der Verstand die Oberhand gewinnt und
dass Amerika auf der Seite des Rechts und der Gerechtigkeit steht.

Es gibt aber Menschen in der arabischen Welt, die in den Attentätern Helden
sehen.

Jeder, der diese Aggression unterstützt, ist ein Verrückter. Er handelt
gegen die menschliche Würde. Die Täter sind keine Helden, sondern
Kriminelle.

Woher kommt der Hass auf Amerika in dieser Weltregion?

Bei Gott, es könnte sein, dass dieser Hass auf den doppelten Maßstab der
US-Politik zurückgeht. Einerseits hilft Amerika den Ungerechten und den
Aggressoren in Israel. Andererseits vernachlässigen die USA die
Palästinenser, deren Land geraubt wurde.

Wie können die friedlichen Muslime die Terroristen bekämpfen?

Die islamischen und arabischen Länder und alle vernünftigen Leute in der
Welt stehen gegen den Terrorismus.

Sind die Kriegspläne von Präsident Bush gerechtfertigt?

Nein, dafür gibt es keine Rechtfertigung. Denn es gibt keine Beweise, dass
Afghanistan das Land war, welches das World Trade Center zerstört hat.

Ist Osama bin Laden ein Muslim?

Bis jetzt wurde nicht bewiesen, dass er der Täter ist.

Und wenn Beweise erbracht werden?

Wenn er oder jemand anderer schuldig ist, dann soll die gerechte Justiz ihr
Wort sprechen. Ein Gericht, das nicht voreingenommen ist.

Interview Heiko Flottau


29.09.2001


14:13 MEZ

Krenn fordert schärfere Beobachtung des Islam in Österreich
"Islam ist kein religiöses, sondern ein politisches Problem" - Kärntner FPÖ: Aussagen "grundsätzlich richtig" - Schönborn geht auf Distanz

Wien - Der St. Pöltner Bischof Kurt Krenn übt in einem Interview mit "Format" scharfe Kritik am Islam. Dieser sei geprägt von "einem gewissen Fanatismus und Nationalismus" und "widerspricht den Menschenrechten". Man dürfe eine "echte Auseinandersetzung nicht scheuen." Vom Staat erwartet der Bischof eine Überwachung des Islam, da dieser ein politisches Problem sei: "Man kann nicht sagen, nur weil das eine andere Religion ist, dürfen wir sie nicht beobachten". 

In der Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit dem Islam ortet Krenn ein Fehldenken: "Wenn man über den Islam redet, meint man immer, das wäre eine ökumenische Frage. Aber das ist es nicht. Der Islam ist eine politische Religion und damit auch eine politische Frage - und der hat sich bei uns niemand recht gestellt." Die Auseinandersetzung mit dem Islam brauche das Christentum nicht zu scheuen, denn, so Krenn: "Vor allem müssen wir sagen - und das sage ich sehr überzeugt - dass wir Christen das bessere Maß der Humanität haben." 

Man müsse jedenfalls "den gedanklichen und begrifflichen Strukturen im Koran mehr Aufmerksamkeit zuwenden", erklärte der Bischof. Es sei nicht gut zu sagen: "Das sind ein paar Fanatiker und der Koran ist generell unbedenklich". Dies müsse "zuerst einmal bewiesen werden." 

Entsetzen bei der SPÖ

"Entsetzt" über die Äußerungen des St. Pöltener Diözesanbischofs Kurt Krenn im Zusammenhang mit der Rolle des Islam zeigte sich am Samstag die stellvertretende Kärntner SP-Vorsitzende und Landesfrauenchefin Melitta Trunk. Es sei "erschreckend", wie ein Kirchenmann auf das derzeit größte Problem der Welt - den Terror - reagiere, meinte sie gegenüber der APA. 

Die Worte Krenns stünden laut Trunk in krassem Widerspruch zu den jüngsten Äußerungen von Papst Johannes Paul II., der zu Frieden zwischen allen Religionen aufgerufen habe. "Ich erwarte mir, dass die Österreichische Bischofskonferenz Krenn zur Ordnung ruft", sagte die SP-Politikerin. Und an die Adresse Krenns gerichtet meinte sie: "Wer Hass sät, wird Hass ernten". 

FPÖ zeigt Verständnis

Als "grundsätzlich richtig" wertet die Kärntner FPÖ die Aussagen von Bischof Kurt Krenn zur Rolle des Islam. Angesichts der schrecklichen Terroranschläge in den USA gelte es, "die islamische Bewegung weltweit im Auge zu behalten", sagte FP-Klubobmann Martin Strutz am Samstag zur APA. 

Der Kärntner ÖVP-Obmann Landesrat Georg Wurmitzer warnte hingegen vor einem "Pauschal-Urteil" gegenüber dem Islam. Die Äußerungen Krenns seien deshalb "nicht geeignet, dem Staat und den Menschen zu dienen", sagte er gegenüber der APA. Wurmitzer: "Ich kann den politisch Verantwortlichen nur abraten, sich von pauschalen Verurteilungen leiten zu lassen". 

Strutz meinte demgegenüber, "der Schlüssel zur Verhinderung von Terror in Österreich" sei das Asylgesetz. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an die vom Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider und FP-Klubchef Peter Westenthaler vorgeschlagenen verschärften Einwanderungsbestimmungen. 

Schönborn distanziert sich

Deutliche Distanz zu den Islam-Aussagen des St. Pöltner Diözenbischofs Kurt Krenn lässt Kardinal Christoph Schönborn erkennen. Er verwies in diesem Zusammenhang laut einer Aussendung der Erzdiözese Wien auf jüngste Stellungnahmen des Papstes, wonach die katholische Kirchen hohen Respekt vor "dem authentischen Islam, der betet und mit den Armen solidarisch ist", habe. Religion dürfe niemals "Quelle des Konflikts" sein, zitiert Schönborn Johannes Paul II. (APA