STUTTGARTER NACHRICHTEN, Samstag, 1 Juni 2002

 

 

Haus Abraham: Traum von drei Religionen unter einem Dach
 
Junge Christen, Muslime und Juden planen eine gemeinsame Begegnungsstätte in Filderstadt
 
Filderstadt - Ein Traum nimmt langsam Gestalt an: Am Sonntag kürt eine Jury den Sieger eines Architektenwettbewerbs, der Pläne für eine gemeinsame Begegnungsstätte der drei monotheistischen Weltreligionen liefern soll. Der Bau dieses Hauses wäre einmalig in Deutschland.

VON GERHARD SCHERTLER

Seit 1998 engagieren sich junge Christen und Muslime in der Region Stuttgart gemeinsam für Frieden und Begegnung. Seit 1999 arbeitet die Gruppe auch eng mit jüdischen Freunden zusammen. Das immer noch außergewöhnliche religiöse Bündnis überlebte seither nicht nur alle Unwägbarkeiten und die vielen politisch-religiös motivierten Konflikte, sondern ersann immer wieder neue Ideen, um seine Botschaft publik zu machen.

Aus dem Bemühen um Frieden und Begegnung entstand zunächst das Abrahamfest und später die Idee des Abraham-Hauses. "Besser als kluge Ratschläge in alle Welt zu verteilen, wäre es, wenn wir selbst in Deutschland mit Frieden und Respekt anfangen würden", sagen die beiden Vorsitzenden der Christlich-Islamischen Gesellschaft, Michael Blume und Murat Aslanoglu zu ihrem Projekt. In einer solchen Begegnungsstätte könnten Mittel und Wege aufgezeigt und eingeübt werden, wie Menschen verschiedener Religionen friedlich zusammenleben können.

Der Weg dahin ist allerdings auch für die engagierte Gruppe noch weit. Bis jetzt gelang es Blume - dem jüngsten Mitglied des Filderstadter Gemeinderats - und seinen Mitstreitern immerhin, die Stadtverwaltung, zahlreiche Politiker, geistliche Würdenträger der drei Religionen und nicht zuletzt zahlreiche Diplomanden der Uni Stuttgart für das Haus Abraham zu begeistern.

OB Peter Bümlein erklärte sich damit einverstanden, dass die angehenden Architekten ein städtisches Grundstück als Grundlage für ihre Planungen benützen. Eine Jury nimmt an diesem Wochenende die besten Entwürfe unter die Lupe, und am Sonntag, 2. Juni, 16 Uhr, küren Staatsminister Christoph Palmer und Barbara Traub, die Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, den Sieger während einer öffentlichen Veranstaltung in der Filharmonie.

Ob das Haus Abraham je gebaut wird, hängt nicht zuletzt vom Interesse der Öffentlichkeit ab, denn das Projekt muss in erster Linie über Spenden finanziert werden.

 

STUTTGARTER ZEITUNG, Montag, 3. Juni 2002

 

 

"Haus Abraham" steht bereits im Modell
 
Prämierung der besten Entwürfe in der Filharmonie - Dialog der Religionen und Kulturen
 
FILDERSTADT. Gestern sind in Filderstadt die Modelle zum "Haus Abraham" der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Das Haus soll eine Begegnungsstätte der Religionen werden und einen Beitrag leisten zum Dialog zwischen den Kulturen.

Von Wolfgang Berger

Die besten zwölf Entwürfe sind in der Filharmonie im Stadtteil Bernhausen von einer Jury prämiert worden, der Vertreter der drei Religionen Judentum, Islam und Christentum angehören. Insgesamt waren 39 Entwürfe eingegangen, die von Architektur-Diplomanden der Fachhochschule Stuttgart stammen. Die besten drei Arbeiten sind gestern von Staatsminister Christoph Palmer und Barbara Traub, der Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, ausgezeichnet worden.

Den ersten Platz belegte Zeljko Katavic vor Mark Seyfang. Auf den dritten Platz kam Nilüfer Sen, den Publikumspreis sicherte sich Ralf Pimiskern. Schech Bashir A. Dultz, Vorsitzender der Christlich-Islamischen Gesellschaft in Köln, zufolge hatte die Jury "große Schwierigkeiten, die Preisgewinner festzustellen". Die qualitativen Unterschiede zwischen den besten zwölf Entwürfen seien minimal gewesen. Die Jury sei "sehr beeindruckt vom Können und Fleiß" der Teilnehmer.

Zustande gekommen war der Wettbewerb auf Initiative der Christlich-Islamischen Gesellschaft (CIG) Region Stuttgart. Bereits im Oktober 2000 hatte die Gesellschaft das erste jüdisch-christlich-islamische "Abrahamsfest" gefeiert. Nach Ansicht der CIG braucht es für den Frieden das Gespräch der Religionen, gemeinsames Handeln und gegenseitige Hilfe beim Abbau von Ängsten, Vorurteilen und Extremismus.

Im "Haus Abraham" könnten Angehörige verschiedener Religionen einen respektvollen Umgang miteinander lernen und Werte wie Friedfertigkeit, Gastfreundschaft, Courage und Menschlichkeit verwirklichen. Ob das Haus gebaut wird, ist indessen offen. Bei einem entsprechenden Interesse soll laut Michael Blume, einer der Vorsitzenden der Christlich- Islamischen Gesellschaft, eine Stiftung gegründet werden, die das Geld für die Verwirklichung des Traumes sammeln soll.

Als Standort jedenfalls hätte Filderstadt sehr gute Chancen. Denn hier haben die Diplomanden von der Stadtverwaltung pro forma ein Grundstück zur Verfügung gestellt bekommen, das als Grundlage der Entwürfe gedient hat.

 

Filderzeitung, Montag, 3. Juni 2002

 

Haus Abraham nimmt Gestalt an

Jury bestimmt den Sieger eines Wettbewerbs – Verständigung der Gläubigen als Ziel

 

Bernhausen. Das Haus Abraham kann zwar noch nicht gebaut werden. Gestern bekamen jedoch alle, die sich für die Idee einer Begegnungsstätte der Religionen interessieren, einen ersten Eindruck davon, wie es einmal aussehen könnte. In der FILharmonie wurde der Sieger eines Wettbewerbs von angehenden Architekten gekürt.

 

39 Entwürfe und Modelle waren von Architektur-Diplomanden der FH Stuttgart eingereicht worden. Zwölf kamen in die engere Auswahl. Eine Jury, bestehend aus Vertretern der drei Religionen Islam, Christen- und Judentum sowie Politikern, bestimmte gestern Nachmittag den Sieger Zeljko Katavic.

 

Mit dieser Auswahl sei die Idee einer Begegnungsstätte für die Angehörigen der drei Religionen einen wichtigen Schritt weitergekommen, betonten die Vorsitzenden der Christlich-Islamischen Gesellschaft Murat Aslanoglu und Michael Blume in ihren Ansprachen. Der Verein, in dem Muslime und Christen seit vier Jahren nach Wegen der Annäherung suchen hatte die Idee /.um Haus Abraham geboren.

 

Damit war er bei Filderstadts Oberbürgermeister Peter Bümlein und dem Gemeinderat auf offene Ohren gestoßen. Sie erklärten sich damit einverstanden, dass für ein städtisches Grundstück am Bonlandener Kreisel beim Schinderbuckel eine Planung erstellt wird. Damit war allerdings keine Zusage verbunden, dass dort dann auch wirklich gebaut werden könnte. Gleichwohl bedankte sich Murat Aslanoglu beim Gemeinderat für sein Votum. Und Michael Blume, der selbst Filderstädter Stadtrat ist, gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass das Haus Abraham zumindest in Baden-Württemberg entsteht.

 

Wenn er gefragt werde, wann denn nun das Haus gebaut werde, antworte er, es hat seine Arbeit bereits aufgenommen, sagte Blume. Das Engagement der Leute vor uns beim Wettbewerb habe gezeigt, dass sich die Idee der Begegnung durchsetze.

 

Auf lokaler Ebene gehe es nicht darum, die politischen und religiösen Probleme der Welt zu lösen, erklärte Blume. „Wir sollten uns jedoch nicht gegeneinander ausspielen lassen“, sagte er. Im kleinen Rahmen sollten die Probleme angegangen werden. „Wir werden in Vielfalt zusammenleben, an uns liegt es, wie diese Vielfalt gestaltet wird.“ Um die Idee einer Begegnungsstätte für die drei Religionen weiter zu bringen soll nun eine Stiftung gegründet werden. Mit einem Förderkreis und einer Geschäftsstelle könne das Projekt vorangetrieben werden.

 

Ob dann die Pläne des angehenden Architekten Zeljko Katavic verwirklicht werden, ist noch offen. Die Jury überzeugte der junge Mann jedenfalls mit seinem Modell. Insbesondere das Zusammenspiel der verschiedenen Bereiche fanden sie ansprechend.

 

Im vorderen Bereich des geplanten Hauses Abraham, direkt beim Kreisel, hat Katavic den Mehrzweckraum, die Seminarräume, Platz für die Verwaltung sowie Wohnungen für Gäste vorgesehen. Im ruhigeren Bereich des Grundstücks befinden sich die drei Bet-Räume. Der Jury gefiel insbesondere deren individuelle Gestaltung. Begeistert zeigte sie sich auch von einer Mediathek, die eigentlich nicht gefordert war. In Ihr können sich die Besucher über die drei Religionen informieren.

 

Otto-H. Häusser

 

Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) – 3. Juni 2002

 

 

BAD-WÜRTT/Religionen/Architektur

Modelle für interreligiöses "Haus Abraham" ausgezeichnet

Filderstadt (KNA) Der Studenten-Wettbewerb für ein interreligiöses "Haus Abraham" in Baden-Württemberg ist zu Ende gegangen. Die Jury mit christlichen, jüdischen und muslimischen Vertretern wählte am Sonntagabend in Filderstadt aus zwölf Modellen den Entwurf von Zeljko Katavic mit einem Gemeinschaftszentrum und getrennten Gebetsräumen als beste Lösung. An dem von der Christlich-Islamischen Gesellschaft (CIG) in der Region Stuttgart veranstalteten Wettbewerb beteiligten sich 39 Architektur-Diplomanden der Fachhochschule Stuttgart und damit mehr als die Hälfte des diesjährigen Diplomkurses. Die Stadt Filderstadt stellte für den Wettbewerb ein Planungsgrundstück zur Verfügung.

Als nächsten Schritt gründet die CIG nach Angaben ihres Vorsitzenden Michael Blume eine Stiftung. Über sie soll Geld gesammelt werden, um das Haus Abraham "in vier bis fünf Jahren" zu realisieren. Mindestens eine Million Euro sind Blume zufolge nötig, um das Projekt mit Grundstückskauf und einem Architektenwettbewerb beginnen zu können. Nach den Vorstellungen der CIG soll das Haus in Filderstadt stehen. Andere Orte in Baden-Württemberg schließt die Gesellschaft aber nicht aus. Filderstadts Oberbürgermeister Peter Bümlein und der Gemeinderat signalisierten Zustimmung zu dem Projekt, sagten aber mit Hinweis auf die angespannte Haushaltslage keine finanzielle Unterstützung zu.

unz/ebl

 

 

 

 

Gotthold Ephraim Lessing: Die Ringparabel

 

(3. Akt. 7. Szene)



Vor grauen Jahren lebt' ein Mann in Osten,
Der einen Ring von unschätzbarem Wert
Aus lieber Hand besaß. Der Stein war ein
Opal, der hundert schöne Farben spielte,
Und hatte die geheime Kraft, vor Gott
Und Menschen angenehm zu machen, wer
In dieser Zuversicht ihn trug. Was Wunder,
Daß ihn der Mann in Osten darum nie
Vom Finger ließ; und die Verfügung traf,
Auf ewig ihn bei seinem Hause zu
Erhalten? Nämlich so. Er ließ den Ring
Von seinen Söhnen dem geliebtesten;
Und setzte fest, daß dieser wiederum
Den Ring von seinen Söhnen dem vermache,
Der ihm der liebste sei; und stets der liebste,
Ohn' Ansehn der Geburt, in Kraft allein
Des Rings, das Haupt, der Fürst des Hauses werde.

[...] So kam nun dieser Ring, von Sohn zu Sohn,
Auf einen Vater endlich von drei Söhnen;
Die alle drei ihm gleich gehorsam waren,
Die alle drei er folglich gleich zu lieben
Sich nicht entbrechen konnte. Nur von Zeit
Zu Zeit schien ihm bald der, bald dieser, bald
Der dritte, - sowie jeder sich mit ihm
Allein befand, und sein ergießend Herz
Die andern zwei nicht teilten, - würdiger
Des Ringes; den er denn auch einem jeden
Die fromme Schwachheit hatte, zu versprechen.
Das ging nun so, solang es ging. -
Allein Es kam zum Sterben, und der gute Vater
Kömmt in Verlegenheit. Es schmerzt ihn, zwei
Von seinen Söhnen, die sich auf sein Wort
Verlassen, so zu kränken. - Was zu tun? -
Er sendet in geheim zu einem Künstler,
Bei dem er, nach dem Muster seines Ringes,
Zwei andere bestellt, und weder Kosten
Noch Mühe sparen heißt, sie jenem gleich,
Vollkommen gleich zu machen. Das gelingt
Dem Künstler. Da er ihm die Ringe bringt,
Kann selbst der Vater seinen Musterring
Nicht unterscheiden. Froh und freudig ruft
Er seine Söhne, jeden insbesondre;
Gibt jedem insbesondre seinen Segen, -
Und seinen Ring, - und stirbt. [...]

Kaum war der Vater tot, so kömmt ein jeder
Mit seinem Ring, und jeder will der Fürst
Des Hauses sein. Man untersucht, man zankt,
Man klagt. Umsonst; der rechte Ring war nicht

Erweislich; [...] Fast so unerweislich, als
Uns itzt - der rechte Glaube.
Wie gesagt: die Söhne verklagten sich;

Und jeder schwur dem Richter,
Unmittelbar aus seines Vaters Hand
Den Ring zu haben. - Wie auch wahr! -
Nachdem Er von ihm lange das Versprechen schon
Gehabt, des Ringes Vorrecht einmal zu
Genießen. - Wie nicht minder wahr! -
Der Vater, Beteurte jeder, könne gegen ihn
Nicht falsch gewesen sein; und eh' er dieses
Von ihm, von einem solchen lieben Vater,
Argwohnen lass': eh' müss' er seine Brüder,
So gern er sonst von ihnen nur das Beste
Bereit zu glauben sei, des falschen Spiels
Bezeihen; und er wolle die Verräter
Schon auszufinden wissen; sich schon rächen. [...]
Der Richter sprach: Wenn ihr mir nun den Vater
Nicht bald zur Stelle schafft, so weis ich euch
Von meinem Stuhle. Denkt ihr, daß ich Rätsel
Zu lösen da bin? Oder harret ihr,
Bis daß der rechte Ring den Mund eröffne? -
Doch halt! Ich höre ja, der rechte Ring
Besitzt die Wunderkraft beliebt zu machen;
Vor Gott und Menschen angenehm.
Das muß Entscheiden! Denn die falschen Ringe werden
Doch das nicht können! - Nun; wen lieben zwei
Von Euch am meisten? - Macht, sagt an! Ihr schweigt?
Die Ringe wirken nur zurück? und nicht
Nach außen? Jeder liebt sich selber nur
Am meisten? - Oh, so seid ihr alle drei
Betrogene Betrüger! Eure Ringe
Sind alle drei nicht echt. Der echte Ring
Vermutlich ging verloren. Den Verlust
Zu bergen, zu ersetzen, ließ der Vater
Die drei für einen machen. [...]
Und also, fuhr der Richter fort, wenn ihr
Nicht meinen Rat, statt meines Spruches, wollt:
Geht nur! - Mein Rat ist aber der: ihr nehmt
Die Sache völlig wie sie liegt.
Hat von Euch jeder seinen Ring von seinem Vater:
So glaube jeder sicher seinen Ring
Den echten. - Möglich; daß der Vater nun
Die Tyrannei des einen Rings nicht länger
In seinem Hause dulden wollen! - Und gewiß;
Daß er euch alle drei geliebt, und gleich
Geliebt: indem er zwei nicht drücken mögen,
Um einen zu begünstigen. - Wohlan!
Es eifre jeder seiner unbestochnen
Von Vorurteilen freien Liebe nach!
Es strebe von euch jeder um die Wette,
Die Kraft des Steins in seinem Ring' an Tag
Zu legen! komme dieser Kraft mit Sanftmut,
Mit herzlicher Verträglichkeit, mit Wohltun,
Mit innigster Ergebenheit in Gott Zu Hilf'!
Und wenn sich dann der Steine Kräfte
Bei euern Kindes-Kindeskindern äußern:
So lad ich über tausend tausend Jahre
Sie wiederum vor diesen Stuhl. Da wird
Ein weisrer Mann auf diesem Stuhle sitzen
Als ich; und sprechen. Geht! -
So sagte der Bescheidne Richter. [...]