Der DIALOG mit Vertretern des CHRISTENTUMS
FRAGEN BEANTWORTUNG Hanel, Linz am 30.4.2002
- Bedeutung des ISLAM als Religion im
arabischen, türkischen und persischen Bereich
Der ISLAM begreift sich ursprünglich nicht nur als Religion, als
Gegensatz zum Säkularismus oder Atheismus, sondern als ganzheitliche,
für den Menschen adäquate Lebensweise und berücksichtigt gleicherweise
sakrale wie säkulare, diesseitige wie jenseitige Aspekte menschlichen
Lebens. Dies spiegelt sich in unterschiedlich ausgeprägter Weise in den
oben angeführten Regionen sowohl in Politik, Kultur, Ökonomie, bzw. der
gesamten Staatsführung. Allgemein kann gesagt werden, dass diese
grundsätzliche Umsetzung des „DIN ISLAMI“ (arabisch: islamische Sicht
und Haltung zu Diesseits und
Jenseits) in der modernen Zeit aus verschiedensten politischen, sozialen
und psychologischen Gründen seine ursprüngliche Reinheit verloren hat und
sich mehr und mehr den im Westen gebräuchlichen bipolaren Konzepten,
d.h. der "diabolischen" Trennung dessen, was eigentlich im
Ganzen verbunden ist. Dies führt zur Spaltung nicht nur innerislamischer
gesellschaftlicher Kräfte, wobei die einen einerseits den ursprünglichen
Zustand in einer Utopie wiederherzustellen versuchen, bzw. einen
bestimmten, grundsätzlichen politischen, sozialen Status quo zu bewahren
wünschen und anderen, welche aus den historischen Erfahrungen
menschlicher Geschichte den Ausweg in der Übernahme des Konzeptes der Trennung
von Religiösem und Weltlichen suchen.
- Abgrenzung zum Christentum –
wesentliche Unterschiede
Der wesentlichste Unterschied besteht darin, dass im ISLAM der absolute
- im Gegensatz zum relativen - Monotheismus im Christentum - erhalten
blieb. Das bedeutet, dass Gott, der in der arabischen Sprache,
übrigens auch von arabisch sprechenden Christen, ALLAH genannt wird, als
absolut, ganz, unteilbar, unvergleichbar und einzigartig gilt. „Er zeugt nicht und wird nicht gezeugt. Nichts
ist IHM gleich oder auch nur ähnlich“. Es kann daher weder einen „Sohn
Gottes“, noch eine „Mutter Gottes“ nach islamischem
Verständnis geben. Gleichwohl steht JESUS für die Muslime im gleichen
Rang wie alle anderen Propheten.
(Sprecht: "Wir glauben an Allah
und an das, was uns herabgesandt worden ist,
und was Abraham, Ismael, Isaak, Jakob und den Stämmen (Israels) herabgesandt wurde, und was Moses und Jesus gegeben
wurde, und was den Propheten von ihrem Herrn gegeben worden ist. Wir
machen zwischen ihnen keinen Unterschied, und Ihm sind wir
ergeben."[2:136] )
Allerdings ist für die Muslime die gebenedeite Maria, die Mutter
Jesu vor allen anderen Frauen dieser Welt, die am höchsten geehrte und
die Muslime lieben ihren Sohn Jesus als Messias, als Geist Gottes und
Wort von Gott.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht darin, dass der ISLAM zwar
den Sündenfall, ähnlich wie die christliche Tradition kennt, das Konzept
der Erbsünde und die alleinige Schuldzuweisung an Eva jedoch nicht. Das
heißt, dass Gott ADAM und EVA zwar aus dem Paradies verwiesen hat, doch
später beider Reue ob ihrer Sündhaftigkeit angenommen hat. Daher besteht
keine Veranlassung für das Erscheinen eines Erlösers oder „Lamm
Gottes, welches hinweg nimmt die Sünden der Welt“.
Doch Satan ließ sie dort straucheln und
brachte sie aus dem Zustand heraus, in dem sie waren. Da sprachen Wir:
"Geht (vom Paradies) hinunter! Der eine von euch sei des anderen Feind. Und ihr sollt auf der Erde
Wohnstätten und Versorgung auf beschränkte Dauer haben."[2:36] Daraufhin empfing Adam von seinem Herrn Worte,
worauf Er ihm verzieh; wahrlich, Er ist der Allverzeihende,
der Barmherzige.[2:37]
- Buchreligionen: weshalb,
geschichtlicher Hintergrund
Unter Buchreligionen versteht
der Islam jene monotheistischen Religionen, welche auf eine Gottesoffenbarung
des EINEN GOTT verweisen können, welche ursprünglich den Menschen in
Schriftform vorlag. Im Allgemeinen versteht man darunter das Judentum
durch die TORAH und das Christentum durch das EVANGELIUM. Muslimen ist
es allerdings nicht möglich die Inhalte jener heute vorliegender Bücher
gänzlich vorbehaltlos zu akzeptieren, da diese nicht mehr in ihrer
authentischen, ursprünglich offenbarten Form vorliegen. In der
Offenbarung des Qur’ans erkennen sie die
Barmherzigkeit Gottes, welcher der Menschheit, trotz ihres nach- und
fahrlässigen Umgangs mit den vorher genannten Offenbarungsschriften,
erneut eine Schrift zu ihrer Rechtleitung überlässt.
- Strukturierung bzw. Hierarchie im
ISLAM im Vergleich zum CHRISTENTUM
Die ISLAM beschränkt sich nicht mehr ausschließlich auf einen
Gottesdienst, sondern wendet sich direkt an die mündig gewordene
Menschheit, die ihre individuelle Eigenverantwortlichkeit gegenüber
Gott, ohne zwischengeschaltete Priesterschaft wahrnehmen soll.
Der Prophet Muhammad (Friede mit ihm) pflegte zu sagen: „Die besten
von euch sind diejenigen, die den besten Charakter haben.“ Und auch:
„Der beste unter euch ist jener, welcher die aufrichtigste Frömmigkeit
pflegt.“ Und auch: „Die besten unter euch sind jene, die ihre
Frauen am besten behandeln.“
Da zu einem edlen Charakter auch das Üben der Gerechtigkeit gehört
und diese ohne Kenntnis und Wissen über die religiösen und weltlichen
Dinge nicht möglich ist, wird dem Gelehrten der Vorzug gegenüber dem
Ungebildeten gegeben.
- „Heiliger Krieg“. Wo im Islam kommt
dieser vor
Der Islam kennt das Konzept eines heiligen
Krieges nicht. Kein Krieg ist heilig. Dieser Begriff wurde von
christlicher Seite geprägt und durch die Kreuzfahrer nach Palästina und
in die Welt exportiert und später dem arabischen Wort „Dschihad“ übergestülpt.
Gleichwohl in der christlichen Liturgie auch gesagt wird: „Heilig,
heilig, heilig – heilig ist nur ER …“
'Abdullah Ibn 'Umar, Allahs
Wohlgefallen auf beiden, berichtete: "Ein Mann kam zum Propheten,
Allahs Segen und Friede auf ihm, und bat ihn um Erlaubnis dafür, den
Dschihad unternehmen zu dürfen. Der Prophet fragte ihn: »Sind deine
Eltern am Leben?« Der Mann sagte: »Ja« und der
Prophet entgegnete: »Dann unternehme den Dschihad bei ihnen!«"* {*d.h.: setze dich zu ihrem Wohlsein ein)
[BU:733]
Nachtrag:
"Dschihad ist persönlicher
oder kollektiver Widerstand gegen die eigenen Instinkte oder gegen die
mögliche Aggression anderer Menschen und MUSS im Streben nach FRIEDEN
bestehen, und NIEMALS im Streben nach Spannung, Konflikt oder Krieg.“
Tariq Ramadan in Radikale Reform.
- Strömungen im ISLAM – kurzer
Überblick
Der ISLAM bezeugt die Unteilbarkeit der Ein- und Ganzheit Gottes, ALLAHS
– und sollte daher in seiner sozialen Ausformungen ebenfalls eine
gesellschaftliche Einheit darstellen. Doch der „Mensch ist schwach
erschaffen“ und so blieb auch den Muslimen eine Spaltung in Gruppen
und „Strömungen“ nicht erspart, ein trauriger Umstand, welcher vom
Prophet Muhammad (Friede Gottes au ihm) allerdings vorausgesagt worden
war.
Das erste Schisma traf die Muslime durch die Spaltung des ISLAMS in so
genannte Sunniten und Schiiten. Die entzweiende Frage
betraf weniger theologische
Fragen, sondern die Legitimität der Nachfolge des Propheten als
„Befehlshaber der Gläubigen – Amir al Muminin“
durch eine bestimmte Person als Kalif.
Die Unterschiede in der äußeren Ausübung der Religion und der inneren
Überzeugung beider Gruppen sind von keiner wesentlichen Bedeutung.
Sowohl im schiitischen (7er und 12er Schia, Zaiiditen,
usw.) wie im sunnitischen Bereich erfolgten im Laufe der Geschichte
weitere Auffächerungen in bestimmte Gruppierungen und/oder Rechtsschulen
(Hanafiten, Hanbaliten,
Malikiten, Schafiiten, etc.)
In beiden islamischen „exoterischen“ Hauptströmungen entwickelten sich
parallel auch so genannte „esoterische“ oder mystische Bewegungen deren
Vertreter u.a. als Sufis und Derwische bekannt sind.
Die Bezeichnung „Volksislam“ bezeichnet die jeweils unterschiedlichen
regionalen Entwicklungen in den islamischen Gesellschaften, welche eine
bunte Mischung aus sunnitischer oder schiitischer „Orthodoxie“, Mystik,
Tradition und Folklore und mitunter auch Aberglaube darstellen.
- Ist der ISLAM eine gewalttätige
Religion? Lässt sich Gewalt durch den Koran oder andere Quellen
begründen?
Der Islam ist die
Religion des Friedens, der ständigen Bereitschaft zum Frieden, des
Friedensstiftens mit aller Kraft.
Allerdings kennt der
Islam das Konzept des Pazifismus nicht, wie auch im Übrigen auch keine
Verfassung irgendeiner Nation dieser Erde oder auch das gelebte
Christentum, lässt man, wie dies auch korrekt ist, dem Alten Testament
seinen Stellenwert. Ganz zu schweigen davon, dass die budgetären
Ausgaben der modernen Zivilisationen, ob sie sich nun religiös oder
säkular definieren, ihre Maxima bei Rüstungsausgaben erreichen. Der Qur’an ruft die Menschen dazu auf, Unrecht, gleich
wem dieses zugefügt wird, zu beseitigen. Manchmal sind dafür allerdings
gewaltige Anstrengungen nötig, um dies tatsächlich zu erreichen. Der
Islam ist die Religion des Friedens. Es wird jedes Unrecht abgelehnt:
Unterdrückung, Ungerechtigkeit, Provokation, Verletzung der Ehre,
Leben, und Gut bis hin zu jeder Art von Kriminalität. Unrecht wird durch
- nur juristisch - vermittelte Maßnahmen entgegengewirkt; die Vergebung
durch das Opfer ist jedoch die höhere Tugend als Vergeltung. Die
Justiz muss unparteiisch - unabh. von Rasse,
ethnische Hintergründe, Religion u.a. - entscheiden.
- Womit rechtfertigen
fundamentalistische Moslems Gewalttaten (Attentate,
Selbstmordattentate)?
Weder
kennt der Islam solcherart westlich definierten Fundamentalismus, noch
sind die erwähnten Gewalttaten aus religiöser, islamischer Sicht zu
rechtfertigen.
- Die Anwendung der Scharia
(Afghanistan, Nigeria u.a.) ruft weltweit Menschenrechtsproteste hervor.
Spielt die Scharia im heutigen Islam noch eine wesentliche Rolle?
Die Scharia ist die vollständige
Umsetzung der aus den ursprünglichen reinen Quellen bezogenen
islamischen Rechtsprechung. Was in der heutigen Welt als Scharia angesehen
oder bezeichnet wird, sind beliebig gewählte Elemente daraus und haben
aus islamischer Sicht nur teilweises Recht als Scharia bezeichnet zu
werden. Dennoch - die Scharia
spielt auch im heutigen Islam eine sehr wesentliche Rolle. Sie ist jener
Rechtszustand, welchen es gemäß Qur’an und Sunnah anzustreben und zu leben gilt. Die Scharia
kann jedoch nicht losgelöst von den allgemeinen Lebensumständen der
Muslime betrachtet, verstanden oder gar implementiert werden. Es könnte
also auch gesagt werden, dass die Scharia im heutigen Islam gar keine
reale Rolle, sondern nur eine subjektiv zugeordnete spielt, da die
allgemeinen Lebensumstände, unter welchen die Muslime heutzutage zu
leben haben, die legale Einsetzung der Scharia nicht ermöglichen und
nicht erlauben, da die für die korrekte, legale Einsetzung der Scharia
nötigen Voraussetzungen nicht gegeben sind.
Die Behauptung, dass in einem Land die Scharia herrsche, zeugt von
Halbwissen oder Verdrehung der Tatsachen: es sind nur
stellenweise der Geist oder Texte der Scharia in den Gesetztext
integriert worden, die teilweise
sogar wider genuin "heilsame" islamische Gesetzgebung
angewendet werden; diese als Anwendung der Scharia zu bezeichnen oder
sich darauf zu berufen, kommt einer Verabsolutierung subjektiv, im Eigennutz
begründeter Interpretation der Quelltexte nahe und dient zumeist
absolutistischer Befriedigung menschlicher Machtgelüste. Im Übrigen sind
alle in Frage kommenden Länder unter Kolonialherrschaft gewesen und
haben grundsätzlich die Gesetzgebungen der Kolonialherrschaften mit
"einrosinierten" Schariaanteilen
zu ihrer Gesetzgebung gemacht. Die Scharia bedingt die Sicherstellung
für ein ehrenvolles Leben aller im Bereich des Gesetzes lebenden
MENSCHEN- nicht nur Muslime, männlich oder weiblich - sondern MENSCHEN,
weiter ausgeholt: eines jeden Lebewesens, denn die Scharia umfasst auch
Aspekte wie Tierschutz, Umweltschutz u.a. Ehrenvolles Leben heißt ein
Leben in Freiheit und Sicherheit. Mit Ehre, Leben und Gut als absolut
geschützte „Güter“ - unabh. von Rasse,
ethnischer Herkunft etc.- keine Arbeitslosigkeit - künstlich
geschaffener oder durch best. noch unverstandene Mechanismen
entstandener, kein Mensch oder Tier soll hungrig in den Schlaf sinken,
Bildungspflicht, politische Freiheit in Richtung einer direkten,
relativen Demokratie, wo ein jeder - unabh.
von Geschlecht- wählen soll, Religionsfreiheit, auch Kriegsgefangene und
zur Zeit der Sklavenhaltung hatten selbst Sklaven ihre Rechte!
Zivilrechtliche Regelungen wie Eherecht, jeweils durch einen unabh. Ehevertrag zwischen den Ehepartnern,
Erbrecht, Gütertrennung, Regelung für Waisenbetreuung, Witwenbetreuung
und manches mehr ist in einer viel zivilisierteren Art festgeschrieben,
als wie es heute auch nur ansatzweise praktiziert, gefordert bzw.
gelehrt wird! Die Strafen - auf die hier angespielt wird - sind erst
dann berechtigt, wenn der Staat alle Bemühungen vollbracht hat, dass
keinem Unrecht geschieht. Erst dann, wenn trotzdem Straftaten begangen
werden, kommen die gesetzlich vorgesehenen Strafregelungen zum Zug.
(näheres siehe: Tariq Ramadan, „Islam im Westen“.)
- Manche behaupten, die Attentate moslemischer Extremisten sei in Wahrheit
der Kampf gegen das Christentum, also ein Kulturkampf.
Wenn damit gemeint ist
"islamische
Extremisten", können jene, welche solches behaupten können durchaus
als Kriegstreiber bezeichnet werden. Islam und Christentum haben in
ihrer jeweiligen Lebensführung, Moral und Einstellung zum Jenseits
keinerlei Grund gegeneinander loszugehen.
Die Gewalttaten welche von so
genannten moslemischen Extremisten ausgehen, werden zwar von ihnen
selbst, wie auch von ihren Feinden religiös begründet, haben aber ihre
tatsächliche Ursache in den menschenverachtenden Zuständen, welchen sich
die Menschen aus Unvernunft, Rücksichtslosigkeit und Egoismus
gegenseitig ausliefern. Auch aus christlicher Sicht kann man sagen, die
Verführung der Kinder Adams durch den Teufel und seine menschlichen
Satane ist eine ganz perfide, durchtriebene, aber erfolgreiche (Markt)strategie.
Als Muslim antwortend kann ich nur sagen, dem Muslim ist der Umgang mit
allen Menschen und besonders mit den Leuten der Schrift - also
Offenbarungsempfängern - Juden und Christen - auf das gemeinsame Bemühen
und Einsetzen für das Gute und gegen Unrecht vorgeschrieben.
- Wie empfinden Sie das Verhältnis
Islam – Christentum? Gibt es gravierende Barrieren, die einem
Zusammenleben entgegenstehen, bzw. das Zusammenleben erschweren?
Das Verhältnis sollte
nach qur’anischer Auffassung durch den
gemeinsamen Wettkampf oder eben
Wettlauf zum Guten und dem
Wunsche, Gottes Wohlgefallen zu erringen geprägt sein. Das Verhältnis ist allerdings, bedingt aus
Unkenntnis der jeweils eigenen, wie auch der anderen Religion und der
Abneigung des Einzelnen weiter als bis zur Nasenspitze zu denken,
gestört. Die gröbsten Barrieren sind die Vermischung von Kultur,
Tradition und Religion und das selbstherrliche Auftreten von so
genannten Führern und Experten. Der Glaube an EINEN, transzendenten und
gleichzeitig immanenten, liebenden und barmherzigen Gott, die Lehre
Jesus - Gottes Friede sei auf ihm - und die Ehre die seiner Mutter
gebührt sind verbindende Faktoren, wie auch die 10 Gebote - also
grundsätzlich Frieden gebieten und Gutes tun. Warum sollte es
diesbezüglich Barrieren geben? Unsicherheit - BEIDERSEITS- entsteht
durch Unwissen und dies führt wiederum zu Angst. Diese können durch
Gespräch, Gespräch und wiederum Gespräch, Einsicht, Respekt und
letztlich gemeinsame Taten überwunden und zum Heil dieser, unser aller
Welt aufgelöst werden – so Gott – und der Mensch es wirklich – will.
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