Gerechtigkeit und Frieden aus der Sicht des Islam

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I.                          Einleitung

A.  Der Begriff Gerechtigkeit

 

1.      Gerechtigkeit im engeren Sinn

 

Wörtlich bedeutet Gerechtigkeit soviel wie Gleichheit bzw. verschiedene Dinge gleich zu gestalten bzw. gleich zu behandeln. Allgemein versteht man unter Gerechtigkeit, dass die Rechte der anderen einzuhalten und zu respektieren sind. In diesem Sinn findet der Begriff Gerechtigkeit als Gegensatz zur Ungerechtigkeit (die Rechte der anderen zu überschreiten) Verwendung. Aus diesem Grund definiert man Gerechtigkeit so: Jedem Inhaber von Recht, sein Recht zu gewähren.[1]

 

Hier finden sich also drei Komponenten:

  1. der Gegenstand, auf dem sich das Recht bezieht
  2. derjenige, der das Recht beanspruchen kann (der Inhaber von Recht)
  3. derjenige, bei dem das Recht beansprucht wird (derjenige, der das Recht zu gewähren hat)

 

Wir müssen also erst einmal eine Person, die Inhaber eines Rechts ist, in Betracht ziehen und dann eine Person, welche dieses Recht gewähren muss. Erst danach lässt sich der Begriff Gerechtigkeit ableiten. Denn wenn das Recht jener Person, der es zusteht, gewährt wird, dann sprechen wir von Gerechtigkeit und wenn es ihr vorenthalten wird, dann sprechen wir von Ungerechtigkeit.

Gerechtigkeit im engeren Sinn hat also mit den Rechten und deren Gewähr, d.h. den Pflichten, die sich aus dem jeweiligen Recht ableiten. Denn jedes Recht geht mit einer dementsprechenden Pflicht, dieses zu gewähren einher.

 

2.      Gerechtigkeit im weiteren Sinn

Manchmal wird der Begriff Gerechtigkeit auch weitläufiger verwendet, wobei er dann so definiert wird:

Jedes Ding an seinen ihm eigenen Platz zu geben bzw. es dort zu verwenden, wo es angebracht ist oder auch jede Handlung in der ihr würdigen Form zu vollbringen.[2] Gemäß dieser Definition kann man Gerechtigkeit mit Weisheit gleichsetzen, und eine gerechte Handlung mit einer weisen Handlung.

Gerechtigkeit in diesem Sinn bezeichnet also eine moralische Tugend, durch die der Mensch weise Handlungen setzt.

Hier gibt es natürlich viele Punkte die man besprechen könnte. Z.B. wie das Recht einer Person oder der Platz, der den Dingen eigen, ist bestimmt werden kann. Es ist uns aber sicherlich nicht möglich in dieser kurzen Abhandlung auf all diese Fragen einzugehen.

Gerechtigkeit hat also zwei verschiedene Bedeutungen, eine engere und eine umfassendere. Dabei ist zu beachten, dass die engere Bedeutung innerhalb des Rahmens der umfassenderen Bedeutung steht. Denn weise zu handeln bedeutet gleichzeitig auch, die Rechte der anderen einzuhalten.

 

3.      Das allgemeine Verständnis von Gerechtigkeit

Ganz allgemein kann man feststellen, dass jeder vernünftig denkende Mensch ein gewisses Verständnis von Gerechtigkeit hat. Wenn z.B. irgend jemand, ohne einen Grund zu haben, einem Waisenkind ein Stück Brot entwendet oder einen unschuldigen Menschen tötet, dann erkennt jeder vernünftig denkende Mensch, dass es sich um Unrecht, also eine negative Handlung handelt. Umgekehrt versteht jeder vernünftig denkende Mensch, dass, wenn jemand ein gestohlenes Stück Brot dem Dieb wegnimmt und es seinem rechtmäßigen Besitzer, z.B. einem Waisenkind, zurückbringt oder einen Mörder seiner Strafe zuführt, dass es sich hier um eine gerechte, also eine positive Handlung handelt. Diese Einschätzung ist nicht an irgendein Gesetz oder die göttlichen Vorschriften gebunden. Ja sogar Personen, welche die Existenz Gottes verleugnen, beurteilen die o. g. Handlungen als gerecht bzw. ungerecht. Gerechtigkeit ist also etwas, das alle Menschen, gleich welche Ideologie sie besitzen, in einer gewissen Weise erkennen und als positiv einschätzen.

Demgemäß erkennt jede logisch denkende Person, dass z.B. ein gerechter Lehrer nicht jemand ist, der alle Schüler, egal ob fleißig oder nicht, gleich lobt und jedem die gleiche Note gibt. Und auch ein gerechter Richter ist nicht jemand, der in Streitfragen das von beiden Parteien beanspruchte Vermögen in gleichen Teilen zwischen ihnen aufteilt. Jeder logisch denkende Mensch erkennt, dass es die Gerechtigkeit erfordert, dass der Lehrer das Lob und die Benotung gemessen an den Leistungen und dem Erfolg der Schüler vornimmt. In gleichem Maße erkennt man auch, dass es die Gerechtigkeit beim Richter erfordert, dass das er das von beiden Parteien beanspruchte Vermögen seinem rechtmäßigen Besitzer zuspricht.

 

II.                      Die göttliche Gerechtigkeit

 

Wenn wir sagen, dass Gott gerecht ist, dann erfordert das nicht, dass alle Wesen gleich geschaffen werden. Wäre dies der Fall, dann müssten entweder die Menschen Hörner wie die Kühe haben oder umgekehrt, die Kühe Hände und Füße wie die Menschen. Die Gerechtigkeit Gottes erfordert es, dass Gott die Welt auf eine Art schafft, welche das Zustandekommen der größtmöglichen Vollkommenheit, d. h. das Zustandekommen so viel Gutem wie nur möglich, gewährleistet. Dies ist gleichzeitig auch das, was der göttlichen Weisheit entspricht. Aus diesem Grund ist es notwendig, dass es verschiedenartige Geschöpfe gibt, welche die zusammenhängenden Glieder dieser Welt sind. All diese Geschöpfe müssen so eingerichtet sein, dass dieses Ziel, d. h. die Gewährleistung der größtmöglichen Vollkommenheit, erreicht werden kann.

 

A.          Wie und woher leitet sich die göttliche Gerechtigkeit ab?

 

Wie oben angeführt, hat der Begriff Gerechtigkeit zwei Bedeutungen, eine engere und eine weitere. Übertragen wir beide Bedeutungen auf die Gerechtigkeit Gottes, dann bedeutet dies, dass Gott entweder weise Handlungen setzt oder jedem Ding sein Recht zugesteht.

Es stellt sich nun die Frage, warum Gott gerecht sein soll, wo er doch allmächtig ist und tun und lassen kann was er will?

Als Antwort darauf ist zu sagen, dass es zwar richtig ist, dass Gott die höchste Stufe von Kraft und Willensfreiheit besitzt. Er kann alles, was in irgendeiner Form im Bereich des möglichen liegt, tun und lassen ohne Rechenschaft abzulegen[3] oder von jemand beeinflusst bzw. gezwungen zu werden.[4] Auf der anderen Seite ist Gott aber auch gleichzeitig die unendliche Vollkommenheit an sich. Aus diesem Grund macht er nicht alles, wozu er imstande ist, sondern er macht nur Handlungen, die seiner Vollkommenheit entsprechen.[5] 

Es kann nun sein, dass Handlungen mit seiner Vollkommenheit in Einklang stehen, dann wird er, wenn er will, diese Handlungen in die Tat umsetzen. Auf der anderen Seite kann es aber auch sein, dass verschiedene Handlungen nicht mit seiner Vollkommenheit in Einklang stehen. Diese Handlungen wird er niemals wollen und deshalb auch niemals in die Tat umsetzen.[6]

 

B.                Die Gerechtigkeit Gottes in der Schöpfung

 

Wie wir oben angeführt haben, ist der Wille Gottes nicht willkürlich, sondern ein gerechter Wille. Ein gerechter Wille, der weise Handlungen zur Folge hat. Diese Gerechtigkeit und Weisheit spiegelt sich auch in der Schöpfung wider.

Gott hat diese Welt auf eine Art geschaffen, welche die größtmögliche Vollkommenheit seiner Geschöpfe gewährleistet. Dies erfordert jedoch, dass er Menschen mit einem freien Willen schafft, die durch und mit diesem freien Willen zu ihrer eigenen Vollkommenheit beitragen. Denn die freie Vervollkommnung ist die höchste Stufe von Vollkommenheit. Der freie Wille aber erfordert es, dass dem Menschen nicht nur der Weg zur Vollkommenheit, sondern auch der entgegengesetzte Weg, nämlich der Weg zur Unvollkommenheit bzw. zum Niedergang, offen steht. Denn wäre dies nicht der Fall, könnte man von keiner Freiheit sprechen.

Es ist ohne Zweifel eine existentielle Vollkommenheiten des Menschen, die Kraft zu haben, freie Handlungen zu setzen. Er kann sich also zwischen gut und schlecht entscheiden. Doch das, was Gott in erster Linie will, ist dass sich der Mensch zum Guten entscheidet. Das, was Gott in erster Linie will, ist also die Vollkommenheit des Menschen. Diese ist dem Menschen nicht angeboren, sondern er muss sie sich im Laufe seines Lebens durch das setzten bestimmter freier Handlungen aneignen. Weil nun Gott will, dass der Mensch seine Vollkommenheit erlangt, hat er dem Menschen Handlungen, die ihn in Richtung seiner Vollkommenheit führen, vorgeschrieben und Handlungen, die ihn von seiner Vollkommenheit abhalten, verboten. Dabei erfordert es die göttliche Weisheit bzw. Gerechtigkeit, dass die von Gott vorgeschriebenen Pflichten auf die Menschen bzw. deren Interessen und Leistungsvermögen abgestimmt sind. Denn stünde die Pflicht außerhalb der Interessen oder des Leistungsvermögens des Menschen, wäre sie sinnlos, also nicht weise und gleichzeitig ungerecht. Außerdem stünde sie mit dem eigentlichen Ziel der Schöpfung des Menschen nicht in Einklang.

 

وَ لا تَقْرَبُوا مالَ الْيَتِيمِ إِلاَّ بِالَّتِي هِيَ أَحْسَنُ حَتَّى يَبْلُغَ أَشُدَّهُ وَ أَوْفُوا الْكَيْلَ وَ الْمِيزانَ بِالْقِسْطِ لا نُكَلِّفُ نَفْساً إِلاَّ وُسْعَها وَ إِذا قُلْتُمْ فَاعْدِلُوا وَ لَوْ كانَ ذا قُرْبى وَ بِعَهْدِ اللَّهِ أَوْفُوا ذلِكُمْ وَصَّاكُمْ بِهِ لَعَلَّكُمْ تَذَكَّرُونَ

Und nähert euch nicht dem Vermögen des Waisenkindes, außer auf die (denkbar) beste Art, bis es die Reife erreicht (volljährig ist [also seine eigenen Interessen erkennen uns wahren kann])! Und gebt in Gerechtigkeit volles Maß und Gewicht! Wir verlangen von niemand mehr als er zu leisten vermag. Und wenn ihr eine Aussage macht, dann seid gerecht, auch wenn es sich um einen Angehörigen handelt. Und erfüllt die Verpflichtung gegen Gott. Dies hat er euch verordnet, vielleicht würdet ihr euch besinnen (mahnen lassen).[7]

 

In diesem Vers sind einige Anweisungen, die dem gerechten Handeln entsprechen, enthalten. Darüber hinaus besagt der Vers, dass das, was Gott dem Menschen als Verpflichtung auferlegt hat, sein Leistungsvermögen nicht übersteigt: Wir verlangen von niemand mehr als er zu leisten vermag.“

Die Möglichkeit des Niedergangs des Menschen ist also eine Notwendigkeit der freien Vervollkommnung, welche zugleich die höchste Stufe von Vollkommenheit und damit das Ziel der Schöpfung Gottes ist. Denn wäre dies nicht möglich, wäre auch die freie Vervollkommnung nicht möglich. Gott will deshalb in erster Linie die Vollkommenheit des Menschen. Weil aber dessen Vervollkommnung eine freie ist, verlangt der Wille Gottes in zweiter Linie auch die Möglichkeit des Niedergangs bzw. des ewigen Unglücks des Menschen.

 

C.                      Die Gerechtigkeit am Jüngsten Tag

 

Die Gerechtigkeit Gottes am Jüngsten Tag ist genau genommen eine weitere Notwendigkeit der Gerechtigkeit Gottes. Denn, wie oben genannt, entspricht es der Gerechtigkeit bzw. der Weisheit Gottes, die Menschen zu ihrer höchst möglichen Vollkommenheit zu führen. Wie erwähnt, ist die größtmögliche Vollkommenheit die Vervollkommnung des Menschen durch seine freien Handlungen. Würde nun Gott die Menschen am Jüngsten Tag willkürlich, d. h. ungerechter Weise belohnen oder bestrafen,[8] dann hätte er gegen sein eigentliches Ziel gehandelt. Denn die Vollkommenheit der Menschen wäre dann nicht eine freie, sondern eine erzwungene. Am Jüngsten Tag ist es also notwendig, ein gerechtes Gericht zwischen den Menschen zu halten, damit das Ausmaß ihrer Berechtigung auf Vollkommenheit (Belohnung) oder Unvollkommenheit (Bestrafung) zutage treten.

Aus demselben Grund ist es auch notwendig, dass Gott die Menschen, nachdem er über sie gerichtet hat, gerecht belohnt oder bestraft.

 

وَ نَضَعُ الْمَوازِينَ الْقِسْطَ لِيَوْمِ الْقِيامَةِ فَلا تُظْلَمُ نَفْسٌ شَيْئاً وَ إِنْ كانَ مِثْقالَ حَبَّةٍ مِنْ خَرْدَلٍ أَتَيْنا بِها وَ كَفى بِنا حاسِبِينَ

Und wir stellen die gerechten Waagen (das gerechte Maß) für den Jüngsten Tag auf. So wird niemand unrecht getan. Und wenn es (das Maß einer Handlung) im Ausmaß eines Senfkorns ist, so bringen wir es herbei. Wir sind zur Abrechnung Genüge.[9]

 

Der Vers weist deutlich auf die Gerechtigkeit Gottes am Jüngsten Tag hin. Er erklärt darüber hinaus, dass alle Handlungen des Menschen, und wenn sie noch so unwesentlich sind, zur Abrechnung herangezogen werden, sodass niemandem Unrecht geschieht.

Die Gerechtigkeit Gottes bedeutet also, dass die Attribute seines Wesens dazu führen, dass er weise und gerecht handelt und dass keines seiner Attribute Anlass zu Ungerechtigkeit oder sinnlosem Handeln geben.

 

 

III.                  Die menschliche Gerechtigkeit

 

Wie wir angeführt haben, wird der Begriff Gerechtigkeit in zwei verschiedenen Bedeutungen, der Gerechtigkeit im engeren Sinn und der Gerechtigkeit im weiteren Sinn, verwendet, wobei wie gesagt, die Gerechtigkeit im weiteren Sinn eine Tugend ist und die Gerechtigkeit im engeren Sinn sich von den Rechten der Personen ableitet.

A.    Gerechtigkeit als menschliche Tugend

 

Gerechtigkeit im weiteren Sinn kann man also als moralische Tugend bezeichnen. D.h. sie bezeichnet jene Handlungen, die, wie genannt, als weise gelten. Wie wir gesehen haben, sind diese Handlungen jene, die Gott uns in Form der göttlichen Gebote und Verbote offenbart hat. Denn Gott hat dem Menschen diese Bestimmungen übermittelt, damit er die höchste Form seiner Vollkommenheit erreicht. Es ist also weise, diesen Bestimmungen zu folgen, damit man das höchste Ziel im Leben erreichen kann. Jedes andere Ziel zu verfolgen wäre demgemäß unklug und mit der Weisheit nicht zu vereinbaren.

Vielleicht kann man diese Art der Gerechtigkeit aus den folgenden Versen ableiten. Denn hier wird einfach allgemein zu gerechtem Handeln aufgefordert.

 

إِنَّ اللَّهَ يَأْمُرُ بِالْعَدْلِ وَ الْإِحْسانِ وَ إِيتاءِ ذِي الْقُرْبى وَ يَنْهى عَنِ الْفَحْشاءِ وَ الْمُنْكَرِ وَ الْبَغْيِ يَعِظُكُمْ لَعَلَّكُمْ تَذَكَّرُونَ

Gott ordnet zu Gerechtigkeit und wohltätigem Verhalten sowie der Gabe den Verwandten gegenüber. Und er verbietet Verdorbenheit (verwerfliches Handeln), das Schlechte und Ungerechtigkeit. Er mahnt euch, vielleicht würdet ihr euch besinnen.[10]

قُلْ أَمَرَ رَبِّي بِالْقِسْطِ وَ أَقِيمُوا وُجُوهَكُمْ عِنْدَ كُلِّ مَسْجِدٍ وَ ادْعُوهُ مُخْلِصِينَ لَهُ الدِّينَ كَما بَدَأَكُمْ تَعُودُونَ

Sag: „mein Herr hat Gerechtigkeit befohlen und richtet euer Antlitz an jeder Gebetsstätte (Moschee) (auf ihn) und ruft ihn, während ihr die Religion ganz auf ihn ausrichtet. So wie er euch erschaffen hat, werdet ihr (dereinst) zurück­kehren.[11]

 

B. Gerechtigkeit als Einhaltung der Rechte

 

Wie erwähnt bedeutet Gerechtigkeit im engeren Sinn, die Einhaltung der Rechte jener, die im Besitze eines solchen sind. Hier ist zu erwähnen, dass jedes Recht immer mit einer Pflicht einhergeht. Wenn jemand ein Recht hat, so ist es die Pflicht der anderen, ihm dieses Recht zu gewähren.

Hier ergibt sich nun die Frage, wie diese Rechte entstehen bzw. woher sie sich ableiten. Dazu ist zu sagen, dass wir als die Geschöpfe Gottes, die wir all unsere Existenz von ihm haben, vor unserer Schöpfung keine Rechte hatten, da wir nicht existent waren. Nachdem wir Existenz erlangt haben, ist schwer vorzustellen, dass wir gegenüber Gott, demjenigen, dem wir all unsere Existenz verdanken, gewisse Grundrechte besitzen, außer jenen Rechten, die er uns zuspricht. Auch die Entstehung der Rechte der Menschen untereinander ist auf diese Weise zu erklären. Es ist also Gott, der den Menschen gewisse Rechte und Pflichten überträgt. Der eigentliche Ausgangspunkt aller Rechte und Pflichten ist also Gott. Er ist somit derjenige, der die Grundrechte der Menschen sowie alle anderen Rechte und Pflichten bestimmt.

Nun kann man Rechte und Pflichten auf verschiedene Art und Weise unterteilen. Ganz einfach betrachtet, können wir hier von drei Bereichen sprechen.

 

  1. Der Bereich zwischen Mensch und Gott
  2. Der Bereich zwischen den Menschen untereinander (der zwischenmenschliche Bereich)
  3. Der Bereich der eigenen Person (persönliche Bereich)

 

Der Mensch hat also in verschiedenen Bereichen Pflichten und Rechte. Aus all diesen Bereichen ergeben sich verschiedene Bereiche der Gerechtigkeit, nämlich dann, wenn der Mensch seine Pflichten erfüllt (die Rechte der anderen gewährt) als auch seine Rechte in Anspruch nehmen kann.

Wir sprechen deshalb von Gerechtigkeit in der Beziehung zwischen Mensch und Gott. Wir sprechen von Gerechtigkeit in der Beziehung der Menschen untereinander (gesellschaftliche Gerechtigkeit, juristische Gerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit, internationale Gerechtigkeit, erzieherische Gerechtigkeit, familiäre Gerechtigkeit usw.). Und wir sprechen auch von Gerechtigkeit im individuellen Bereich. D. h. der Mensch hat sich selbst gegenüber auch gewisse Rechte und Pflichten.

 

وَ مَنْ يَعْمَلْ سُوءاً أَوْ يَظْلِمْ نَفْسَهُ ثُمَّ يَسْتَغْفِرِ اللَّهَ يَجِدِ اللَّهَ غَفُوراً رَحِيماً

Wenn einer Schlechtes tut oder sich selbst Unrecht antut, danach Gott um Vergebung bittet, der wird Gott als Vergebenden und Barmherzigen finden.[12]

 

Aus diesem Vers geht hervor, dass verschiedene Personen sich selbst Unrecht angetan haben. Das bedeutet, dass der zu sich selbst gerecht aber auch ungerecht sein kann.

All diese Rechte sind in den göttlichen Gesetzen, d.h. der Schari’ah, dargelegt. Diese regelt die gesamten Bereiche des menschlichen Lebens und legt die Rechte und Pflichten der Menschen in diesen Bereichen dar. Damit legt sie auch den Rahmen der jeweiligen Arten von Gerechtigkeit dar.

Wie wir sehen ist also Gerechtigkeit nicht etwas, das nur bestimmte Bereiche, wie z.B. den juristischen Bereich, umfasst. Gerechtigkeit umfasst somit alle Bereiche des menschlichen Lebens und Zusammenlebens. Sie ist nicht nur eine Tugend, sondern gewährleistet dem Menschen die höchstmögliche menschliche Vollkommenheit.[13]

 

الَّذِينَ آمَنُوا وَ لَمْ يَلْبِسُوا إِيمانَهُمْ بِظُلْمٍ أُولئِكَ لَهُمُ الْأَمْنُ وَ هُمْ مُهْتَدُونَ

Diejenigen, die Glauben und ihren Glauben nicht mit Ungerechtigkeit vermengen, die haben Sicherheit und sie sind rechtgeleitet[14].

 

Der letzte Vers könnte als Hinweis darauf gelten, dass Gerechtigkeit in allen Bereichen zu beachten ist. Denn in ihm ist die Aufforderung enthalten, den Glauben in keiner weise mit Ungerechtigkeit zu vermengen, ohne hierbei gewisse Bereiche anzusprechen.

IV.                  Zusammenfassung

Gerechtigkeit ist sowohl auf Gott als auch die Menschen anzuwenden. Bei Gott bedeutet Gerechtigkeit, weise Handlungen zu setzen, die mit seiner unendlichen Vollkommenheit zu vereinbaren sind und jene Rechte, die er seinen Geschöpfen zugesteht, einzuhalten. In der Tat bedeutet das, dass er die Schöpfung auf eine Art schafft, welche das Erlangen der größtmöglichen Vollkommenheit gewährleistet. Dazu ist es notwendig, dass Gott den Menschen ihren Weg der wahren Vollkommenheit bekannt gibt, ihnen diesen Weg vorschreibt, zwischen den Menschen Abrechnung hält und sie gemäß ihrem Einsatz belohnt oder bestraft.

Für die Menschen besteht die tugendhafte Gerechtigkeit darin, die höchste Stufe von Menschlichkeit anzustreben. Diese wird dem Menschen von Gott erteilt. Aus diesem Grund besteht die tugendhafte Gerechtigkeit des Menschen in der Befolgung der göttlichen Anordnungen. Denn nur dadurch ist es dem Menschen möglich, die höchste Stufe seines Daseins zu erreichen.

Die Gerechtigkeit des Menschen in Form der Einhaltung der Rechte, besteht in allen Bereichen des menschlichen Lebens in der Befolgung der göttlichen Gesetze und Vorschriften.

Aus diesem Grund ist die Gerechtigkeit eine Notwendigkeit der Schöpfung und des menschlichen Lebens. Sie ist nicht nur auf einen Bereich beschränkt sonder allumfassend. Deshalb kann man die verschiedenen Aspekte bzw. Bereiche der Gerechtigkeit nicht von einander trennen. Darüber hinaus kann man auch sagen, dass die Gerechtigkeit eine Garantie und Sicherheit dafür ist, dass die Schöpfung ihrem eigentlichen Ziel (dem Zustandekommen der größtmöglichen Vollkommenheit) treu bleibt.

V.                      Der Frieden aus der Sicht des Islam

 

Da ich meine, dass der Begriff Frieden ziemlich deutlich ist, nehme ist von einer genaueren Bestimmung des Begriffs Abstand. Der Begriff findet nicht nur für den Zustand nach der Beendigung kriegerischer Auseinandersetzungen, sondern auch für einen ausgeglichenen inneren Zustand des Menschen Verwendung. Im gesellschaftlichen sowie internationalen Bereich scheint der Frieden jedoch einen inner- oder zwischenstaatlichen Zustand zu bezeichnen, in dem es keine kriegerischen Auseinandersetzungen gibt. Aus diesem Grund geht der Bergriff Frieden als Gegensatz von Krieg meist mit diesem einher. Deshalb ist es ziemlich schwierig sich Krieg oder Frieden getrennt von einander vorzustellen. Wahrscheinlich ist es genauso schwierig und sogar falsch, beide Themen getrennt von einander zu behandeln. Ich werde deshalb versuchen, auf beide Themen, im Rahmen dieser Abhandlung, einzugehen.

 

A.    Kriegerische Auseinandersetzungen - eine vermeidbare Notwendigkeit

 

Wie wir in den vergangenen Abschnitten erwähnt haben, ist das Ziel der Schöpfung die freie Vervollkommnung des Menschen. Dies setzt voraus, dass sich der Mensch zwischen Vollkommenheit und Unvollkommenheit (Niedergang) entscheiden kann. Er kann sich deshalb gerecht oder auch ungerecht verhalten. Dies hat im Laufe der Geschichte der Menschheit zu Auseinandersetzungen teils kriegerischer Art geführt.

Auf der einen Seite ist dies sicherlich ein Übel, so wie das auch von den Engeln betont wurde:

 

وَ إِذْ قالَ رَبُّكَ لِلْمَلائِكَةِ إِنِّي جاعِلٌ فِي الْأَرْضِ خَلِيفَةً قالُوا أَ تَجْعَلُ فِيها مَنْ يُفْسِدُ فِيها وَ يَسْفِكُ الدِّماءَ وَ نَحْنُ نُسَبِّحُ بِحَمْدِكَ وَ نُقَدِّسُ لَكَ قالَ إِنِّي أَعْلَمُ ما لا تَعْلَمُونَ

Und damals als dein Herr zu den Engeln sprach: „ich werde auf der Erde einen Statthalter einsetzen“, sagten sie: „Willst du auf ihr jemand einsetzen (schaffen) der Verderben in ihr (der Erde) anrichtet und Blut vergießt, wo wir dich lobpreisen und heiligen?“ Er (Gott) sprach: „Ich weiß, was ihr nicht wisst.“[15]

 

In diesem Vers findet sich das wieder, was man beim ersten Anblick der Geschehnisse in dieser Welt meinen möchte, nämlich, dass die Menschen Kriege machen und in der Welt Verderben und Unheil anrichten. Wenn man die Sache aber genauer betrachtet, dann sieht man, dass Kriege nicht nur negative Auswirkungen auf die Menschen haben,[16] sondern auch positive Auswirkungen haben. Denn wenn eine Gesellschaft von einem feindlichen Heer angegriffen wird, können die Gläubigen ihren Glauben unter Beweis stellen und dadurch die höchsten Stufen an Vollkommenheit erreichen.

 

وَ لَنَبْلُوَنَّكُمْ بِشَيْ‏ءٍ مِنَ الْخَوْفِ وَ الْجُوعِ وَ نَقْصٍ مِنَ الْأَمْوالِ وَ الْأَنْفُسِ وَ الثَّمَراتِ وَ بَشِّرِ الصَّابِرِينَ

Und wir werden euch gewiss mit Angst, Hunger und dem Einbußen an Vermögen, Personen sowie Früchten einer Prüfung aussetzen. Und bringe denen, die geduldig sind frohe Botschaft.[17]

وَ لَنَبْلُوَنَّكُمْ حَتَّى نَعْلَمَ الْمُجاهِدِينَ مِنْكُمْ وَ الصَّابِرِينَ وَ نَبْلُوَا أَخْبارَكُمْ

Und wir werden euch gewiss prüfen, um diejenigen unter euch, die sich abmühen und diejenigen, die geduldig sind, in Erfahrung zubringen und um eure Nachrichten zu prüfen (ausfindig zu machen, wie es mit euch steht).[18]

 

Kriegerische Auseinandersetzungen, so tragisch sie sein mögen, führen also dazu, dass freiheits- und gerechtigkeitsliebende Personen ein hohes Maß an Menschlichkeit erreichen, das sie unter normalen Umständen nicht erreichen würden.

Wir haben zwar gesagt, dass Kriege eine Notwendigkeit der Schöpfung sind, doch das bedeutet nicht, dass sie deterministisch dem Menschen aufgezwungen sind, sondern sie entstehen aus der Willensfreiheit der Menschen. Sie sind daher durchaus vermeidbare Erscheinungen dieser Welt.

 

B.    Sind Krieg und Frieden positiv oder negativ zu bewerten?

 

Nun kann der Eindruck entstehen, dass Kriege im Islam positiv und ein Friedensschluss vielleicht negativ zu bewerten sind. Doch dem ist nicht so, denn der Islam bewertet den Krieg an sich weder als positiv noch als negativ. Der Wert von kriegerischen Auseinandersetzungen bzw. Friedensschlüssen hängt von deren Ziel ab. Wenn z.B. ein Krieg die gebietsmäßige Erweiterung oder die Ausbeutung bzw. Unterdrückung eines Volkes zum Ziel hat, dann ist er negativ zu bewerten. Hat ein Krieg aber die rechtmäßige Verteidigung eines Landes oder Volkes vor einer drohenden Unterdrückung zum Ziel, dann ist er positiv zu bewerten.

 

الَّذِينَ آمَنُوا يُقاتِلُونَ فِي سَبِيلِ اللَّهِ وَ الَّذِينَ كَفَرُوا يُقاتِلُونَ فِي سَبِيلِ الطَّاغُوتِ فَقاتِلُوا أَوْلِياءَ الشَّيْطانِ إِنَّ كَيْدَ الشَّيْطانِ كانَ ضَعِيفاً

Diejenigen, die gläubig sind, kämpfen im Wege Gottes und diejenigen, die ungläubig sind, kämpfen im Wege des Taghut (d.h. den überschwänglichen, diktatorischen Regierungen und den Götzen). So bekämpft die Freunde des Satans. Wahrlich die List des Satans ist schwach.[19]

 

Aus diesem Vers geht hervor, dass kriegerische Auseinandersetzungen zwei verschiedene Ziele haben können. Das eine Ziel ist Gott bzw. die Gerechtigkeit und das andere Ziel ist der Satan bzw. die Ungerechtigkeit. Der Kampf für Gott und die Gerechtigkeit ist positiv, aber der Kampf auf dem Wege des Satans bzw. der Ungerechtigkeit ist negativ.

Mit dem Frieden ist es genauso. Führt ein Friedensabschluss dazu, dass ein Volk entrechtet wird, dann ist er negativ zu beurteilen. Führt der Frieden aber dazu, dass ein Volk zu seinem Recht kommt, dann ist dieser Frieden positiv zu bewerten.

Hier ist zu bemerken, dass Kriege im Islam nur unter dem Aspekt der Verteidigung geführt werden dürfen. Dies geht auch aus dem folgenden Vers hervor, der jener Gruppe das Recht zum Krieg gibt, welcher Unrecht widerfahren und die angegriffen worden ist.

أُذِنَ لِلَّذِينَ يُقاتَلُونَ بِأَنَّهُمْ ظُلِمُوا وَ إِنَّ اللَّهَ عَلى نَصْرِهِمْ لَقَدِيرٌ

Denjenigen, die unrechter Weise bekämpft werden, ist die Erlaubnis (zum Kampf) gegeben, weil ihnen Unrecht widerfahren ist. Und wahrlich, Gott ist imstande ihnen Hilfe zu leisten.[20]

 

Eroberungszüge, Kriege zur Unterdrückung anderer Völker oder Kriege zur gewaltsamen Verbreitung der Religion sind aus diesem Grund als negativ und unislamisch zu bezeichnen. Wenn es auch im Laufe der Geschichte Fälle gegeben hat, in denen solche Kriege geführt wurden, dann ist das auf die Muslime und nicht auf den Islam zurückzuführen. D. h. wenn solche Kriege von Muslimen geführt wurden, dann sind sie nicht mit den Prinzipien des Islam zu vereinbaren.

Der positive Aspekt, der in Kriegen zu finden ist, betrifft also die Verteidigung. Zu einem Verteidigungskrieg kann es aber nur dann kommen, wenn ein Angriff stattfindet oder droht. Somit kann geht also die Entstehung von Kriegen immer mit Unrecht einher. Der Krieg kann unter Beachtung dieses Aspekts also als negative Erscheinungen des menschlichen Lebens eingestuft werden, die es gilt zu verhindern. Zu diesem Zweck ist es aber oft notwendig einen Verteidigungskrieg zu führen, der wiederum, weil er zur Verhinderung von Unrecht führt, positiv zu bewerten ist.

 

C.    Gerechtigkeit ist die oberste Richtlinie für Krieg und Frieden

 

Wie wir bereits mehrmals gesagt haben, ist die Gerechtigkeit nicht nur auf einige Bereiche des individuellen oder gesellschaftlichen Lebens anzuwenden, sondern sie umfasst alle Bereiche des menschlichen Lebens und somit auch Krieg und Frieden. Beide müssen den Gesetzen der göttlichen Schari’ah, d. h. den göttlichen Bestimmungen entsprechen also innerhalb des Zieles der Schöpfung stehen. Krieg und Frieden müssen so ausgerichtet sein, dass sie dem Menschen die größtmögliche Vollkommenheit, d. h. die wahre Menschlichkeit gewährleisten.

 

إِنَّ اللَّهَ يَأْمُرُ بِالْعَدْلِ وَ الْإِحْسانِ وَ إِيتاءِ ذِي الْقُرْبى وَ يَنْهى عَنِ الْفَحْشاءِ وَ الْمُنْكَرِ وَ الْبَغْيِ يَعِظُكُمْ لَعَلَّكُمْ تَذَكَّرُونَ

Gott ordnet zu Gerechtigkeit und wohltätigem Verhalten sowie der Gabe den Verwandten gegenüber. Und er verbietet Verdorbenheit (verwerfliches Handeln), das Schlechte und Ungerechtigkeit. Er mahnt euch, vielleicht würdet ihr euch besinnen.[21]

 

In diesem Vers ist ein deutlicher Hinweis gegeben, dass die Gerechtigkeit ein allgemeines Anliegen ist, die keine Ausnahme kennt.

Das bedeutet sicherlich nicht, dass die Menschen unter dem Deckmantel der Gerechtigkeit willkürlich Kriege vom Zaun brechen können, sondern das bedeutet, dass Kriege nur unter dem Aspekt der Verteidigung geführt werden dürfen. Dabei ist zu beachten, dass aus religiöser Sicht nicht nur der Beginn eines Krieges, sondern auch die Art, wie ein Krieg geführt wird, zu beachten ist. Auch bei der Kriegsführung sind die Richtlinien der Gerechtigkeit anzuwenden. Der Grundsatz: „der Zweck heiligt die Mittel“ ist aus diesem Grund nicht mit dem Islam zu vereinbaren.

 

D.    Gerechtigkeit ist die Garantie für den Frieden

 

Betrachten wir die Gerechtigkeit im Bezug auf Krieg und Frieden, dann erkennt man, dass es gerade die Gerechtigkeit ist, welche die Entstehung von Kriegen verhindert. Denn die Gerechtigkeit schreibt den Menschen vor, anderen Personen und Völkern, kein Unrecht anzutun. Wenn es also irgendwo zur Entstehung eines Krieges kommt, dann deshalb, weil Unrecht und Unterdrückung herrscht.

Die Gerechtigkeit kann demgemäß als die beste Garantie für ein friedliches Zusammenleben innerhalb eines oder mehrerer Völker bezeichnet werden.

 

وَ اعْتَصِمُوا بِحَبْلِ اللَّهِ جَمِيعاً وَ لا تَفَرَّقُوا وَ اذْكُرُوا نِعْمَتَ اللَّهِ عَلَيْكُمْ إِذْ كُنْتُمْ أَعْداءً فَأَلَّفَ بَيْنَ قُلُوبِكُمْ فَأَصْبَحْتُمْ بِنِعْمَتِهِ إِخْواناً وَ كُنْتُمْ عَلى شَفا حُفْرَةٍ مِنَ النَّارِ فَأَنْقَذَكُمْ مِنْها كَذلِكَ يُبَيِّنُ اللَّهُ لَكُمْ آياتِهِ لَعَلَّكُمْ تَهْتَدُونَ

Haltet allesamt am Seile Gottes fest und teilt euch nicht (bewahrt die Einheit). Und gedenket der Gnade Gottes, die er euch erwiesen hat, als ihr Feinde wahrt. So führte er eure Herzen zusammen, wodurch ihr durch seine Gnade Brüder wurdet. Ihr habt euch am Rande des Abgrundes zu einem Feuer befunden, doch Gott errettete euch vor ihm. So legt Gott euch seine Zeichen dar. Vielleicht würdet ihr Rechtleitung erlangen.[22]

 

Aus diesem Vers geht jener Zustand, in dem sich die Bewohner der Arabischen Halbinsel vor dem Islam befanden, hervor. Vor dem Islam herrschte Uneinigkeit und Feindschaft und kriegerische Auseinandersetzungen standen an der Tagesordnung. Doch mit dem Erscheinen des Islam wird die vorherrschende Stammesordnung, die mit einem Nationalismus der Araber den Nichtarabern gegenüber und auch innerhalb der arabischen Stämme verbunden ist, durch gesellschaftliche Gerechtigkeit abgelöst. Anstelle von Feindschaft tritt Brüderlichkeit und Frieden.

 

يا أَيُّهَا النَّاسُ إِنَّا خَلَقْناكُمْ مِنْ ذَكَرٍ وَ أُنْثى وَ جَعَلْناكُمْ شُعُوباً وَ قَبائِلَ لِتَعارَفُوا إِنَّ أَكْرَمَكُمْ عِنْدَ اللَّهِ أَتْقاكُمْ إِنَّ اللَّهَ عَلِيمٌ خَبِيرٌ

Ihr Menschen! Wir haben euch von einem Mann und einer Frau erschaffen und euch zu Sippen und Stämmen gemacht, damit ihr euch gegenseitig kennt. Als der Vornehmste von euch gilt bei Gott der Gottesfürchtigste von euch. Gott ist wohl wissend und (über alles) unterrichtet.

 

Dieser Vers besagt deutlich, dass kein Stamm und kein Volk aufgrund seiner Abstammung besser als andere Stämme oder Völker sind. Die Auszeichnung eines Menschen basiert nicht auf seiner Abstammung, sondern auf der Gottesfurcht. Diese spiegelt sich im gottesfürchtigen Handeln, d. h. der Einhaltung des von Gott vorgeschriebenen Gesetzes nieder. Die Einhaltung dieses Gesetzes aber ist, wie gesagt, das gerechte Handeln. Daraus ergibt sich, dass sich die Auszeichnung der Völker und Personen in der Gerechtigkeit widerspiegelt. Durch das Instandsetzen der gesellschaftlichen Gerechtigkeit sind also sehr wohl Kriege verhindert worden.

Gerechtigkeit setzt in diesem Sinne den Frieden als Basiszustand der menschlichen Zivilisation voraus und ist unter diesem Aspekt die erste Garantie dafür, dass ein friedliches Zusammenleben gewährleistet wird. Denn wenn es keinen Angriff und keine Unterdrückung gibt, kann es aufgrund der Gerechtigkeit zu keinem Krieg kommen.

 

E.     Gerechtigkeit ist das beste Mittel zu Wiederherstellung des Friedens

 

Nehmen wir an, es kommt durch Ungerechtigkeit zu einem Krieg, dann ist es sicherlich nicht möglich, durch eine weitere Ungerechtigkeit zu einem Frieden zu gelangen. Ein Friedensschluss muss ohne Zweifel auf Gerechtigkeit basieren, damit er dauerhaft und wahrhaft ist. Aus diesem Grund ist die Gerechtigkeit auch das beste Mittel, zwischen zwei kriegsführenden Parteien einen Frieden zu stiften.

Das bedeutet z. B. dass, wenn eine Partei der anderen Unrecht angetan hat, dieses Unrecht gerechter Weise wieder gutmachen muss. Wenn die eine Partei Gebiete der anderen besetzt hat und Menschen aus ihrer Heimat vertrieben hat, dann muss sie dieses Unrecht wieder gutmachen, indem sie das besetzte Gebiet zurückgibt und den vertriebenen Menschen die Möglichkeit gibt, wieder in ihre Heimat zurückzukehren.

 

وَ إِنْ طائِفَتانِ مِنَ الْمُؤْمِنِينَ اقْتَتَلُوا فَأَصْلِحُوا بَيْنَهُما فَإِنْ بَغَتْ إِحْداهُما عَلَى الْأُخْرى فَقاتِلُوا الَّتِي تَبْغِي حَتَّى تَفِي‏ءَ إِلى أَمْرِ اللَّهِ فَإِنْ فاءَتْ فَأَصْلِحُوا بَيْنَهُما بِالْعَدْلِ وَ أَقْسِطُوا إِنَّ اللَّهَ يُحِبُّ الْمُقْسِطِينَ

Und wenn sich zwei Gruppen von den Gläubigen gegenseitig bekämpfen, dann stiftet zwischen ihnen Frieden! Wenn aber eine von ihnen (den beiden Gruppen) der anderen Unrecht antut (sie unrechter Weise bekämpft), dann bekämpft diejenige (der beiden Gruppen), die Unrecht tut, bis sie sich der Anordnung Gottes wieder fügt. Wenn sie sich nun fügt, dann stiftet zwischen den beiden Frieden in Gerechtigkeit und seid gerecht, denn gewiss, Gott liebt jene, die gerecht sind.[23]

 

In diesem Vers wird sehr deutlich darauf hingewiesen, dass kriegerische Auseinandersetzungen zu einem Frieden geführt werden sollen. Das Unrecht, das dabei einer Partei entstanden ist, muss auf gerechte Art wieder- gutgemacht werden. Ungerecht wäre es z. B., wenn der Aggressor eingenommene Gebiete besetzt halten würde und aus ihrer Heimat vertriebene Menschen nicht in ihre Heimat zurückkehren könnten.

 

VI.                  Zusammenfassung und Ergebnis

 

Gott setzt in seiner Weisheit bzw. Gerechtigkeit nur weise Handlungen. Er hat die Menschen geschaffen, damit diese die größtmögliche Vollkommenheit, welche die Vervollkommnung auf der Basis der Handlungsfreiheit ist, erlangen. Dies erfordert also eine Handlungsfreiheit der Menschen, mit der sie sich entscheiden können, ihre Vollkommenheit bzw. ihr ewiges Glück anzustreben oder ihren Niedergang bzw. ihr ewiges Unglück.

Die Gerechtigkeit Gottes erfordert es nun, dass Gott den Menschen ihren Weg, den sie zur Erreichung ihrer Vollkommenheit beschreiten müssen, zeigt bzw. darlegt und darüber hinaus die Interessen der Menschen in Betracht zieht. Aus diesem Grund hat Gott den Menschen jene Handlungen, die ihn in Richtung seiner Vollkommenheit bringen vorgeschrieben und ihm jene Handlungen, die ihn zu seinem Niedergang führen, verboten. Es obliegt nun den Menschen, dass sie sich durch ihre Handlungsfreiheit richtig entscheiden. Weil aber die Vervollkommnung der Menschen eine freie ist, steht der Weg zum Niedergang auch innerhalb des möglich Erreichbaren.

Es liegt nun bei den Menschen, dass sie Gerechtigkeit üben sowohl als Tugend als auch in Form der Einhaltung und Wahrung der Rechte. Gerechtigkeit als Tugend bedeutet, dass sie weise handeln, also ihre wirklichen Interessen wahren. Dies spiegelt sich im Streben nach der größtmöglichen Vollkommenheit wider. Denn es wäre unweise, das Beste für etwas minder Gutes oder sogar für etwas Schlechtes zu opfern. Die größtmögliche Vollkommenheit besteht, wie erwähnt, in der freien Vervollkommnung, welche uns Gott zum Ziel gesetzt hat. Er hat uns auch die Bestimmungen, wie wir diese Vervollkommnung erreichen können, in Form der Schari’ah, d. h. der göttlichen Bestimmungen übermittelt. Die Gerechtigkeit als Tugend besteht also in der Befolgung der göttlichen Vorschriften.

Darüber hinaus sind die Menschen aber auch zur Gerechtigkeit in Form der Einhaltung und Gewährung der Rechte verpflichtet. Dabei haben wir gesagt, dass alles Recht sich von Gott ableitet. Er ist der alleinige und ursprüngliche Besitzer von Recht und kann Rechte auf andere Personen oder Dinge übertragen. Gott hat nun die Rechte und Pflichten der Menschen im göttlichen Gesetz dargelegt und dieses dem Menschen zur Vorschrift gemacht. Was Recht und was Unrecht ist, kann also nicht durch die Menschen bestimmt werden. Sie können vielleicht Rechte und Pflichten, die von Gott vorgeschrieben wurden, erkennen. Sie können aber von sich aus kein Recht legitimieren. D. h. auch die Gerechtigkeit in dieser Bedeutung besteht im Befolgen der göttlichen Anordnungen. Widersetzt sich der Mensch den Vorschriften Gottes, dann verletzt er entweder die Rechte und Pflichten Gott gegenüber, die Rechte und Pflichten den anderen Menschen gegenüber oder die Rechte und Pflichten der eigenen Person gegenüber.

Die Gerechtigkeit ist also ein Prinzip, das auf alle Bereiche des menschlichen Lebens anzuwenden ist. Daraus ergibt sich, dass sie auch auf den Frieden, den zweiten Bereich unserer Diskussion, anzuwenden ist. Da Frieden und Krieg in engem Zusammenhang zu einander stehen, sind wir kurz auf beide eingegangen. Dabei haben wir festgestellt, dass die Gerechtigkeit (in beiden Bedeutungen) der beste Garant zur Vorbeugung von Krieg ist. Weiters bietet sie die beste Art, wie kriegerische Auseinandersetzungen zu einem Friedensschluss geführt werden können.

Man kann also Krieg und Frieden in positiv und negativ unterteilen. Positiv sind sie dann, wenn sie innerhalb der göttlichen Gesetze und im Wege Gottes auf gerechte Art und Weise stattfinden. Wir können deshalb auch von einem gerechten Krieg sprechen, der jedoch, wie erwähnt, nur unter dem Aspekt der Verteidigung steht. Er darf auch nicht mit allen Mitteln, sondern er muss den göttlichen Gesetzen entsprechend geführt werden[24]. Auch der Frieden ist demgemäß in gerecht und ungerecht zu unterteilen.

Wir können also den Schluss ziehen, dass die Gerechtigkeit nicht nur die beste Voraussetzung für ein gut funktionierendes gesellschaftliches und individuelles Leben ist, sondern, dass sie darüber hinaus auch die beste Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben und für die Schaffung von Frieden ist. Gerechtigkeit ist darüber hinaus nicht mehrfach zu deuten, sondern nur auf die von Gott bestimmten Gesetze (Rechte und Pflichten) und Vorschriften (Gebote und Verbote) anzuwenden.

 

VII.              Anhang

Einige Themen, die vielleicht nicht unmittelbar zum Thema gehören aber für den Leser nicht uninteressant sind möchte ich im folgenden Abschnitt anführen.

A.    Erläuterung einiger Trugschlüsse

 

1.      Wie lassen sich die Unterschiede innerhalb der Schöpfung mit der Gerechtigkeit Gottes vereinbaren?

 

Für viele Menschen stellt sich die Frage, ob jene Unterschiede, die innerhalb der Schöpfung existieren und besonders in der Schöpfung des Menschen zutage treten, mit der Gerechtigkeit Gottes zu vereinbaren sind? Warum hat jener Gott, der als weise und gerecht bezeichnet wir, nicht alle Menschen gleich geschaffen?

Dazu ist zu sagen, dass die Unterschiede der Geschöpfe eine Notwendigkeit der Ordnung der Schöpfung sind. Viele dieser Unterschiede ergeben sich aus den herrschenden Naturgesetzen bzw. den natürlichen Ursachen und Wirkungen. Die Annahme, dass alle Geschöpfe gleich wären, ist eine unausgereifte Überlegung, denn wenn wir genauer nachdenken, erkenn wir, dass, wenn alle Wesen gleich wären, die Ordnung dieser Welt zusammenbrechen würde. Wären z.B. alle Menschen nur Männer oder Frauen, dann käme es zu keiner Vermehrung der Menschen und die Menschheit würde zugrunde gehen. Und wenn alle Geschöpfe Mensch wären, dann gäbe es nichts zu essen. Auch viele andere Bedürfnisse der Menschen blieben unbefriedigt. Wenn alle Pflanzen und Tiere einer Art und einer Farbe wären und alle die gleichen Eigenschaften hätten, würden all die unzähligen Nutznießungen und diese wunderbare Schönheit, die daraus entstehen, niemals zustande kommen.

 

2.      Wie lässt es sich mit der göttlichen Weisheit vereinbaren, dass Gott die Menschen sterben lässt?

 

Auch Leben und Tod sind bestimmt von verschiedenen Ursachen und Wirkungen. Auch sie sind einen Notwendigkeit der weltlichen Ordnung. Denn wenn die Lebewesen auf der Erde nicht sterben würden, dann gäbe es keine Grundlage für die Existenz der nachkommenden Generationen. Damit würde den nachkommenden Generationen die Gabe des Lebens vorenthalten. Darüber hinaus würde es sicherlich nicht lange dauern, dass die Erde übervölkert wäre und die Menschen sich vor lauter Schwierigkeiten und Hunger den Tod wünschten.

Ein weiterer Grund für den Tod ist, dass der Mensch dazu geschaffen wurde, ewiges Glück zu erlangen. Dieses Ziel kann er aber nur in einer anderen Welt, nämlich im Jenseits, erlangen. Der Mensch muss also notwendiger Weise durch den Tod von dieser Welt abberufen werden, damit er sein ewiges Glück erreichen kann.

 

3.      Wie lassen sich Schwierigkeiten, Krankheiten, Naturkatastrophen, Kriege und Unterdrückung mit der göttlichen Gerechtigkeit vereinbaren?

 

Dazu ist zu sagen, dass die Naturereignisse die notwendige Wirkung verschiedener materieller Ursachen und Faktoren sind. Sicherlich ist im Laufe der Geschichte durch Naturkatastrophen viel Leid passiert. Wenn man aber die Sache genauer betrachtet, dann erkennt man, dass diese Katastrophen auch zu Positivem beigetragen haben. Zum Schutz vor Hochwasser hat man Dämme entwickelt und gebaut und zum Schutz vor Erdbeben wurden Gebäude sicherer gebaut. D.h. Naturkatastrophen haben einen negativen und einen positiven Aspekt. Im Großen und Ganzen überwiegen aber ihre positiven Aspekte. Weil nun die positiven Aspekte in ihnen überwiegen, stehen sie nicht im Widerspruch zur göttlichen Weisheit.

Zu den gesellschaftlichen Übel, wie Krieg und Unterdrückung ist zu sagen, dass Gott hat die Menschen so geschaffen, dass sie in ihren Handlungen frei sind. Diese Handlungsfreiheit erfordert es, dass der Mensch zu guten als auch schlechten Handlungen fähig ist und dass auch die Möglichkeit, diese Handlungen in die Tat umzusetzen vorhanden sind. Die Möglichkeit, dass solche Erscheinungen zustande kommen ist also auch eine Notwendigkeit der weltlichen Ordnung. Dass nun Krieg und Unterdrückung entstehen liegt daran, dass einige Personen, anstelle ihrer menschlichen Vollkommenheit, die Macht anstreben und dafür unschuldige Menschen töten und unterdrücken. Gesellschaftliche Übel wie Kriege und Unterdrückung sind also Phänomene, die der Menschlichen Handlungsfreiheit entspringen. Sie führen aber nicht nur zu Negativem, sondern auf der anderen Seite auch dazu, dass jene Menschen, die nach Gerechtigkeit streben, in ihren Aktivitäten standhafter werden und sich stärker einsetzen. Man sieht also, dass gesamt gesehen, auch diese gesellschaftlichen Übel zu positiven Aktivitäten führen. Man kann also auch hier feststellen, dass die positiven Aspekte dieser Übel überwiegen. Aus diesem Grund stehen sie in keinem Widerspruch zur göttlichen Gerechtigkeit.

Zu den Schwierigkeiten, mit denen der Mensch allgemein konfrontiert ist, ist zu sagen, dass sie es bewirkt haben, dass sich der Mensch angestrengt hat. Schwierigkeiten und Krankheiten haben bewirkt, dass der Mensch versucht, die Geheimnisse der Natur zu entdecken. Dies führt zu neuer Erkenntnis, zu neuen Errungenschaften und zu neuen Entwicklungen. Das hat dazu geführt, dass der Mensch seine Fähigkeiten entfaltet und in seiner Entwicklung Fortschritte gemacht hat.

Dazu kommt noch, dass wenn der Mensch die Schwierigkeiten dieser Welt unter dem richtigen Aspekt[25] erträgt, dann hat es führ den Menschen auch einen vielfachen Lohn zur Folge. Ihm werden also das Ertragen von Leid und Schwierigkeiten in bester Weise wieder gutgemacht.

 

4.      Ist es mit der Gerechtigkeit Gottes zu vereinbaren, dass man für kurzzeitige Sünden eine ewige Strafe bekommt?

Die Beziehung, die zwischen den menschlichen Handlungen und der Belohnung bzw. Bestrafung im Jenseits herrscht, ist eine Beziehung von Ursache und Wirkung. D.h. gute, gerechte und Gott wohlgefällige Handlungen bewirken eine Belohnung im Jenseits. Üble und ungerechte Handlungen aber bewirken eine Bestrafung im Jenseits. Dies hat Gott den Menschen durch zahlreiche Propheten bekannt gegeben.

Darüber hinaus ist zu sagen, dass auch einige Vergehen in dieser Welt, lebenslange Auswirkungen zur Folge haben. Wenn z.B. eine Person sich oder jemand anderen das Augenlicht nimmt, dauert dies sicherlich nicht mehr als einen Augenblick, doch die Folgen davon sind ein Leben lang zu ertragen.

Bei den Sünden verhält es sich genau so. Wenn also jemand große Sünden begeht und es versäumt, das Mittel zu deren Wiedergutmachung, die Reue und Buße aufzubringen, dann wird das für ihn schreckliche Folgen haben, die ihn bis in alle Ewigkeit belasten.

Genauso wie die lebenslangen Folgen eines kurzen Verbrechens nicht im Widerspruch zur göttlichen Gerechtigkeit stehen, genauso weinig steht es im Widerspruch zur göttlichen Gerechtigkeit, dass Menschen für ihre großen Vergehen, eine ewige Strafe zuteil wird. Denn beides ist das Ergebnis der Handlungen des Menschen.

 

B.    Die Bedingungen für eine islamische Kriegsführung

 

Es steht sicherlich außerhalb des Rahmens dieser Abhandlung, die gesamten Bestimmungen, welche die Kriegsführung betreffen anzuführen. Aus diesem Grund beschränken wir uns auf sehr kurze und stichhaltige Aussagen. Wichtig ist dabei, sich dessen im Klaren zu sein, dass vom Islam her, der Zweck die Mittel nicht heiligt, sondern dass der Islam sehr großen Wert darauf legt, dass auch die richtigen Mittel angewandt werden.

Die erste Bedingung für einen Krieg wurde bereits erwähnt, er darf nur unter dem Aspekt der Verteidigung geführt werden. Aber nun einige Punkte zur Kriegsführung selbst:

 

  1. Den Muslimen ist es untersagt, als erster anzugreifen.
  2. Die Muslime sind verpflichtet, den Feind vor Beginn des Krieges zu ermahnen um ihn zur Einsicht zu bewegen.
  3. Die Muslime dürfen keine Gemetzel veranstalten.
  4. Die Sicherheit von Frauen, Kindern und betagten Personen muss gewährleistet werden.
  5. Beim Umgang mit den Besiegten ist gutes Benehmen an den Tag zu legen.
  6. Abgesandte des feindlichen Heeres genießen Immunität.
  7. Feindlichen Soldaten, die sich ergeben, ist Sicherheit zu gewährleisten.
  8. Das Vermögen und die Besitztümer des Feindes müssen geschützt bleiben.
  9. Massenvernichtungsmittel dürfen nicht eingesetzt werden.
  10. Die toten Leichname der feindlichen Soldaten müssen respektvoll behandelt werden (keine Verstümmelung und dgl.).
  11. Verträge mit dem Feind dürfen nicht gebrochen werden.
  12. Kriegsgefangene sind respektvoll zu behandeln und es soll versucht werden auf bestmögliche Art und Weise mit ihnen zu Verfahren.

 

Diese Punkte sind zwar in der Theorie schnell gesagt, in der Praxis aber sicherlich nicht leicht zu realisieren. Die Realisierung dieser Vorschriften erfordert sicherlich ein Maß an Bildung und innerer Stärke, Überzeugung und Größe. Aber auch das ist ein Maß von Gerechtigkeit, welches der Mensch verpflichtet ist einzuhalten. Hierzu gibt es eine sehr bezeichnende Aussage vom heiligen Propheten in der er sagt:

 

أَنَّ النَّبِيَّ ص بَعَثَ بِسَرِيَّةٍ فَلَمَّا رَجَعُوا قَالَ مَرْحَباً بِقَوْمٍ قَضَوُا الْجِهَادَ الْأَصْغَرَ وَ بَقِيَ الْجِهَادُ الْأَكْبَرُ قِيلَ يَا رَسُولَ اللَّهِ ص وَ مَا الْجِهَادُ الْأَكْبَرُ قَالَ جِهَادُ النَّفْسِ

Der heilige Prophet (s.a.s) entsandte eines Tages eine Truppe zu einer Schlacht. Als sie aus der Schlacht zurückkehrten sprach er zu ihnen: „Willkommen seien jene, die den kleinen Dschihad vollbracht haben, doch auf ihnen lastet noch der große Dschihad.“ Der heilige Prophet wurde gefragt, was denn der große Dschihad sei, worauf er antwortete: „der Dschihad mit dem inneren Ego“.[26]

 

Aus dieser Aussage geht sehr deutlich hervor, dass die Anstrengungen im Krieg als kleiner Dschihad gelten, dass die wichtigere Angelegenheit aber der Dschihad im Inneren des Menschen ist.

Möge Gott es uns allen zuteil werden lassen, im großen Dschihad erfolgreich zu sein.

 

 

C.    Quellenverzeichnis

Chosroschahi, Qodrat-ullah. (et al.). Falsafeye Huquq. 4. Auflage. Qom: Mu’asseseye Amuzeschiy wa Pejoheschiye Imam Chomeini. 2000.

Kiwatowski, Gerhard. (et al.). Meyers Kleines Lexikon Philosopie. - . Mannheim; Wien; Zürich: Bibliographisches Institut. 1987.

Makarame Schirazi, Naser. Tafsire Namune. -. Teheran: Dar-ul-Kutub-ul-Islamiyyah. 1974 – 1987.

Mesbah, Mohammad Taqi. Amuzesche Aqa’ed. 2. Auflage. Teheran: Sazmane Tablighate Eslami. 1999.

Tabataba’i, Mohammad Hussein. Al-Mizan-u fi Tafsir-i-l-Qoran. 3. Auflage. Teheran: Dar-ul-Kutub-ul-Islamiyyah. 1976.

 



[1] Als Prinzip, aus dem sich ein Maßstab zur Beurteilung sittlicher, rechtlicher, sozialer und politischer Handlungsnormen ableiten lässt (Gerechtigkeit in objektivem Sinn). [Meyers Kleines Lexikon, 1987]

[2] eine Tugend, d.h. eine ethische Haltung oder Gesinnung, aus der heraus ein Mensch zu handeln pflegt (Gerechtigkeit in subjektivem Sinn). [MEYERS KLEINES LEXIKON, 1987]

[3] لا يُسْئَلُ عَمَّا يَفْعَلُ وَ هُمْ يُسْئَلُونَ

Er (Gott) wird nicht zur Rechenschaft gezogen über das, was er tut aber sie (die Menschen) werden zur Rechenschaft gezogen. [SURAH AL-ANBIYA’, VERS 23]

[4] تِلْكَ الرُّسُلُ فَضَّلْنا بَعْضَهُمْ عَلى بَعْضٍ مِنْهُمْ مَنْ كَلَّمَ اللَّهُ وَ رَفَعَ بَعْضَهُمْ دَرَجاتٍ وَ آتَيْنا عِيسَى ابْنَ مَرْيَمَ الْبَيِّناتِ وَ أَيَّدْناهُ بِرُوحِ الْقُدُسِ وَ لَوْ شاءَ اللَّهُ مَا اقْتَتَلَ الَّذِينَ مِنْ بَعْدِهِمْ مِنْ بَعْدِ ما جاءَتْهُمُ الْبَيِّناتُ وَ لكِنِ اخْتَلَفُوا فَمِنْهُمْ مَنْ آمَنَ وَ مِنْهُمْ مَنْ كَفَرَ وَ لَوْ شاءَ اللَّهُ مَا اقْتَتَلُوا وَ لكِنَّ اللَّهَ يَفْعَلُ ما يُرِيدُ

Dies sind die Gesandten. Einige von ihnen haben wir vor den anderen ausgezeichnet. Unter ihnen gibt es welche, mit denen Gott gesprochen hat und bei anderen erhöhte er deren Rang. Dem Jesus, dem Sohn der Maria, haben wir die klaren Beweise gegeben und ihn durch den heiligen Geist gestärkt. Wenn Gott gewollt hätte, hätten sich diejenigen, die nach ihnen kamen, nicht bekämpft, nachdem sie die klaren Beweise erhalten hatten. Aber sie wurden uneins. So gab unter ihnen welche, die gläubig und welche, die ungläubig waren. Und wenn Gott gewollt hätte, hätten sie einander nicht bekämpft. Doch Gott macht, was er will. [SURAH AL-BAQARAH, VERS 253]

[5] ما يُرِيدُ اللَّهُ لِيَجْعَلَ عَلَيْكُمْ مِنْ حَرَجٍ وَ لكِنْ يُرِيدُ لِيُطَهِّرَكُمْ وَ لِيُتِمَّ نِعْمَتَهُ عَلَيْكُمْ لَعَلَّكُمْ تَشْكُرُونَ

Gott will euch keine schwere Last aufbürgen, sondern er will euch reinigen und seine (guten) Gaben an euch vollenden. Vielleicht würdet ihr dankbar sein. [SURAH AL-MA’IDAH, VERS 6]

[6] وَ تَمَّتْ كَلِمَةُ رَبِّكَ صِدْقاً وَ عَدْلاً لا مُبَدِّلَ لِكَلِماتِهِ وَ هُوَ السَّمِيعُ الْعَلِيمُ

Und das Wort deines Herrn ist in Aufrichtigkeit (Wahrhaftigkeit) und Gerechtigkeit in Erfüllung gegangen. Niemand kann seine Worte ändern. Er ist der, der hört und weiß. [SURAH AL-AN’AM, VERS 115]

[7] Surah Al-An’am, Vers 152

[8] Die Belohnung oder Bestrafung des Menschen ist gleichzusetzen mit dem Glück oder Unglück des Menschen. Die Höhe der Belohnung entspricht deshalb der jeweiligen Stufe von Vollkommenheit des Menschen und die Höhe der Bestrafung entspricht der jeweiligen Stufe von Unvollkommenheit des Menschen.

[9] Surah Al-Anbiya’, Vers 47

[10] Surah An-Nahl, Vers 90

[11] Surah Al-An’am, Vers 29

[12] Surah An-Nisa’, Vers 110

[13] der Einzug ins Paradies, ewiges Glück, die Nähe zu Gott, Vollkommenheit und Glückseeligkeit sind verschiedene Begriffe, die alle dasselbe zum Gegenstand haben.

[14] Surah Al-An’am, Vers 82

[15] Surah Al-Baqarah, Vers 30

[16] Dadurch, dass manche Personen aus Machtgier Kriege anzetteln, begeben sie sich in Richtung ihres Niedergangs, sofern sie nicht umkehren.

[17] Surah Al-Baqarah, Vers 155

[18] Surah Muhammad, Vers 31

[19] Surah An-Nisa’, Vers 76

[20] Surah Al-Hadsch, Vers 39

[21] Surah An-Nahl, Vers 90

[22] Surah Al-Imran, Vers 103

[23] Surah Al-Hudschurat, Vers 9

[24] siehe Anhang

[25] Im Streben nach Gotte Nähe und Wohlgefallen

[26] Al-Kafi, B. 5, S. 12