DAS GOTTESBILD IM ISLAM

Prof. Anas Schakfeh

 

Das islamische Gottesbild ist im Grunde ein biblisches Gottesbild, denn der Islam verkündet und verehrt den Gott der Bibel. Diese Feststellung ist aus islamischer Sicht voll richtig, wenn wir zwei Einschränkungen noch berücksichtigen.

 

Die erste Einschränkung betrifft die kollektive Auserwählung. Der Islam bestreitet sie. Die entsprechende Koranstelle darüber lautet:

 

„Und als Abraham von seinem Herrn durch Worte auf die Probe gestellt wurde und er sie erfüllte. Er sprach „Ich mache dich zum Vorbild für die Menschen.“ Er sagte „Und auch welche von meiner Nachkommenschaft.“ Er sprach „Mein Bund erstreckt sich aber nicht auf die, die Unrecht tun.“ (2/124)

 

Die 2. grundsätzliche Einschränkung betrifft die Inkarnation der Gottheit. Diese wird auch von dem herrschenden islamischen Dogma bestritten. Der Islam lehrt nämlich, dass Gott nicht nur Einer, Einziger, sondern auch Einzigartiger sei. Das grundislamische Dogma über Gott sagt, dass es zwei Bereiche gibt: Gott und die Schöpfung. Alles außer Gott ist Schöpfung. Die Schöpfung ist zwar von Gott hervorgegangen, aber sie ist von Ihm grundverschieden. Er aber herrscht über Seine Schöpfung und lenkt sie auch. Diese Lehre über Gott wird am besten in der 112. Sure des Korans dargelegt:

 

 

 

„Sprich, Er ist Allah, der Einzige,

Allah, der Beständige (Ewige, in sich Seiende, Immerwährende, Anbetungswürdige),

Er zeugt nicht und ward nicht gezeugt

und keiner ist Ihm gleicht.“ (Sure 112)

 

Und wie der Islamkenner Frithjof Schuon in seinem Buch „Den Islam verstehen“ es formuliert: „Der Islam ist die Verbindung zwischen Gott als solchem und dem Menschen als solchem. Gott als solcher, dass heißt, nicht insofern betrachtet, als er sich zu einer bestimmten Zeit auf eine bestimmte Weise manifestiert hat, sondern ganz unabhängig von der Geschichte – insofern, als Er ist, was Er ist, also insofern, als Er kraft Seines Wesens schöpft und offenbart.“

 

Dass es sich doch um den nämlichen biblischen Gott handelt, dafür zeugen unzählige koranische Stellen, wie z.B:

„Sprecht: Wir glauben an Gott und was zu uns herabgesandt worden, und was herabgesandt ward, Abraham und Ismael und Isaak und Jakob und seinen Kindern, und was gegeben ward allen andren Propheten von ihrem Herrn. Wir machen keine  Unterschied zwischen Ihnen; und Ihm ergeben wir uns.“

(2/ 137)

 

oder folgende Stelle:

„Nicht darin besteht die Tugendhaftigkeit, dass ihr euer Antlitz gen Osten oder gen Westen kehret, sondern wahrhaft gerecht ist der, welcher an Gott glaubt und an den Jüngsten Tag und an die Engel und an das Buch und an die Propheten und aus Liebe zu Ihm sein Geld ausgibt für die Angehörigen und für die Waisen und Bedürftigen und für den Wanderer und die, die um eine milde Gabe bitten, und für den Loskauf der Gefangenen, und der dass Gebet verrichtet und die Zakat entrichtet; sowie jene, die ihr Versprechen halten, wenn sie eins gegeben haben, und die in Armut und Krankheit und in Kriegszeit standhaft sind; sie sind es, die sich als redlich bewährt haben, und sie sind die Gottesfürchtigen.“ (2/ 178)

 

Der Islam verbietet jegliche bildhafte Darstellung Gottes, weil er Ihm Attribute der Vollkommenheit zuschreibt. Und zu diesen Attributen zählt, dass Gott über jede menschliche Vorstellung erhaben ist. Aber trotzdem, der Koran ist voll von Versen, welche versuchen, eben diese Vollkommenheit Gottes in menschlicher Sprache den Menschen beizubringen

„Gott, es gibt keinen Gott außer Ihm, dem Lebendigen, dem Ewigen, Ihn überkommt weder Ermüdung noch Schlaf; Sein ist alles, was da ist in den Himmeln und auf Erden. Wer könnte bei Ihm Fürsprache einlegen, es sei denn mit Seiner Erlaubnis? Er weiß, was vor ihnen liegt und was hinter ihnen, sie aber begreifen nichts von Seinem Wissen, außer was Ihm gefällt. Sein Thron umfaßt Himmel und Erde – und es ist Ihm ein leichtes, sie zu bewahren. er ist der Erhabene, der Allmächtige.“ (2/ 255)

 

„Gott ist das Licht der Himmel und der Erde; Sein Licht gleicht einer Nische mit einer Lampe darin. Die Lampe ist von Glas umgeben wie von einem funkelnden Stern. Entzündet vom Segensbaume, einem Ölbaum, der weder östlich noch westlich ist, fest leuchtet sein Öl, wie wohl es kein Feuer berührt: Licht über Licht! Gott leitet zu seinem Licht, wen er will. Und Gott prägt den Menschen die Gleichnisse, denn Gott ist jedes Dinges bewußt.“ (24/ 35)

 

Und doch Gott läßt uns Menschen die Wahl, zu glauben oder eben nicht zu glauben:

„Kein Zwang sei im Glauben. Das Rechte ist nun deutlich vom Irrtum geschieden. Wer die Götzen verwirft und allein an Gott glaubt, der hat den festen Halt, welcher niemals zerbricht. Gott ist Allhörend, Allwissend. Gott ist der Beschützer der Gläubigen, die Er aus den Finsternissen heraus führt in das Licht.“ (2/ 56 – 57)

 

Trotz der unbestechlichen Klarheit des koranischen Wortes insbesondere wenn es um Gott, Sein Wesen und Seine Attribute der Vollkommenheit handelt, hat es in der islamischen Geschichte unzählige Diskussionen und in der Folge divergierende Thesen über Gott und Sein göttliches Wesen gegeben. Diese alle in dieser Eile darzulegen ist mir kaum möglich. Ich will mich hier mit zwei Beispielen begnügen.

 

Das erste müßige Beispiel ist die von den Mutaziliten (die sogenannten Rationalisten des islamischen Mittelalters) entworfene Lehrmeinung über Gott: „Allah ist Einer und es gibt nichts Ihm gleiches. Er ist der Hörende und Sehende; Er ist weder ein Körper noch ein Umriß, noch ein Inhalt, noch eine Gestalt, weder Fleisch noch Blut, weder eine Person noch eine Substanz, noch ein Gegenstand, besitzt weder Farbe noch Geschmack, noch Geruch, noch Fühlbarkeit, weder Hitze noch Kälte, weder Feuchtigkeit noch Trockenheit, weder Länge noch Breite, noch Tiefe, ist weder zusammengesetzt noch getrennt, ist weder in Bewegung noch in Ruhe, noch teilbar. Er besitzt weder Stücke noch Teile, weder Körperteile noch Glieder, weder verschiedene Richtungen noch rechts und links, vorne und hinten, oben und unten; Ihn umfaßt kein Ort, über Ihm vergeht keine Zeit...“

 

das andere Beispiel stammt aus der Feder des großen Gelehrten des 10.Jahrhunderts Al-Maturidi: Er beschreibt in diesem Text die Welt, um sie von Gott grundsätzlich zu unterscheiden. Er sagt: „Die Welt ist erschaffen, weil sie aus Substantiellem und aus Akzidenzien besteht. Akzidenzien sind aber etwas Erschaffenes, denn es ist dies die Bezeichnung für etwas, das zunächst nicht war, dann aber entstanden ist. So nennen wir die Wolke etwas zufälliges. Substanzen hinwieder sind niemals frei von Akzidenzien, sie sind also wegen dieser gemeinsamen Existenz mit erschaffenen Dingen ebenfalls erschaffen. Wenn es feststeht, dass die Welt etwas erschaffenes ist, dann steht auch fest, dass sie durch die Tat eines anderen hervorgerufen wurde als sie selbst. Und wenn es feststeht, dass sie einen Urheber hat, dann ist ihr Urheber ewig; denn wäre er nicht ewig, so müßte er ebenso erschaffen sein. Was erschaffen ist, muß notwendigerweise einen Schöpfer haben, und so weiter zur zweiten und dritten Ursache in rückläufiger Ursachenreihe, eine Kausalfolge kann aber nicht unendlich sein.“

 

Der Islam kennt, wie allgemein bekannt ist, 99 Eigenschaften Gottes, die heißen eigentlich arabisch „asma“, d.h. Namen Gottes. Die am häufigsten erwähnte Eigenschaft Gottes im Koran ist die Gnade, denn alle 114 Suren des Koran, mit einer einzigen Ausnahme, werden mit dem Vers „Im Namen Allahs, des Gnädigen, des sich Erbarmenden“ eingeleitet. Zu den sehr häufig erwähnten Eigenschaften Gottes im koranischen Text zählt auch „der Friede“. Die letzten drei Verse der Sure 59 (Die Versammlung) lautet:

 

„Er ist Gott, außer dem es keinen Gott gibt, der über das Unsichtbare und das Offenbare Bescheid weiß. Er ist der Erbarmer, der Barmherzige. Er ist Gott, außer dem es keinen Gott gibt, der König, der Heilige, der Inbegriff des Frieden, der Stifter der Sicherheit, der alles fest in der Hand hat, der Mächtige, der Gewaltige, der Stolze. Preis sei Gott über das, was sie Ihm beigesellen. Er ist Gott, der Schöpfer, der Erschaffer, der Bildner. Sein sind die schönsten Namen. Ihn preist, was in den Himmeln und was auf der erde ist. Und er ist der Allmächtige, der Weise.“

 

Der Begriff Frieden, in allen seinen Varianten, der gottgegebene Friede, der Friede zwischen den Menschen und der innere Friede des einzelnen Menschen kommt nach meiner Zählung 40 Mal im koranischen Text vor. Der Stellenwert des Friedens im Islam aber wird am besten dokumentiert dadurch, dass Gott das Paradies

„daru as – salam“ „Haus des Friedens“ nennt.

 

„Bestimmt ist für sie bei ihrem Herrn die Wohnstätte des Friedens. Er ist ihr Freund wegen dessen, was sie zu tun pflegten.“ (6/ 127)

 

„Gott ruft zum Haus des Friedens, und Er leitet wen Er will zu einem geraden Weg.“ (10/ 25)

 

Gott ruft in einer anderen koranischen Stelle alle Menschen zum Frieden und sagt:

 

„Oh ihr, die ihr glaubt, tretet allesamt in den Frieden und folgt nicht den Fußstapfen Satans. Er ist euch ein offenkundiger Feind.“ (2/ 208)

 

„So ist Gott euer Herr. Es gibt keinen Gott außer Ihm, dem Schöpfer aller Dinge. Verehret Ihn, denn Er ist auch der Hüter aller Dinge. Die Augen erreichen ihn nicht, aber Er erreicht  die Augen. Er vermag alles, Ihm ist alles kund.“ (6/ 102 –103)