http://www.juergen-elsaesser.de/de/artikel/home/0112bue.html
"Was wußten die Insider?"
Was weiß die CIA über den 11. September? Daß selbst der frühere
Bundesminister Andreas von Bülow über diese Frage nicht im "Spiegel"
oder
"Stern" nachdenken darf, sondern bei KONKRET ein Refugium findet,
spricht
Bände über die Lage der Nation. Mit ihm sprach Jürgen Elsässer
konkret: Beim Terroranschlag auf das World Trade Center ist noch vieles
nicht aufgeklärt. So gab es vor dem 11. September Warnungen sowohl des
französischen Geheimdienstes als auch des Mossad. Trotzdem reagierten die
US-amerikanischen Behörden völlig unvorbereitet: keine erhöhte
Sicherheitsstufe auf den Flughäfen, eine völlig verschlafene und
unprofessionelle Reaktion der Luftraumüberwachung und der Flugabwehr.
von Bülow: Das merkwürdige ist, daß die Amerikaner bis zur Tat völlig
ahnungslos waren, und hinterher keine 48 Stunden brauchten, um der
Weltöffenlichkeit den Täter zu präsentieren: Bin Laden und sein
sagenumwobenes Terrornetz Al Qaida. Was die Warnungen etwa des Mossad
anging, würde man schon gerne wissen, was die gewußt haben und was sie
weitergegeben haben. Das muß nicht immer dasselbe sein. Zum Beispiel beim
Selbstmordattentat islamistischer Täter auf eine US-Kaserne in Beirut
Anfang der achtziger Jahre: Der Mossad wußte im voraus den genauen LKW-Typ
samt Farbe, den die Täter später benutzten. An die CIA weitergegeben haben
sie aber nur die Warnung im allgemeinen, ohne diese Details.
Warum?
Begründet wird diese Zurückhaltung bei Geheimdiensten mit dem
Quellenschutz: Gibt man die Details preis, sind Rückschlüsse auf den oder
die Informanten möglich. Daneben spielen die Geheimdienste, auch die
westlichen, natürlich oft gegeneinander, ein bisweilen bizzarres
Machtspiel.
Also wußte die CIA vielleicht auch diesmal gar nicht soviel?
Das will ich damit nicht gesagt haben. Denken Sie etwa zurück an den ersten
Anschlag auf das World Trade Center im Jahre 1993. Damals wurde ja die
ganze islamistische Bande geschnappt, die die Akion durchgeführt hatte.
Inzwischen hat sich herausgestellt, daß die Kameraden schon lange vorher
von CIA und FBI unterwandert waren. Der Bombenbastler war ein Agent
Provocateur des FBI, dessen Führungsoffizier versprochen hatte, die zur
Explosion notwendigen Chemikalien rechtzeitig gegen harmlose auszutauschen,
so daß die Täter zwar hätten in die Falle gelockt werden können, Schaden
jedoch vermieden worden wäre. Doch das Versprechen wurde seitens des FBI
nicht eingehalten. 1000 Verletzte und einige Tote waren die Folge. Noch
eine Seltsamkeit: Die Mitglieder der Terrorgruppe hatten eigentlich
Einreiseverbot in die USA gehabt, standen auf einer Liste des FBI und des
State Department. Doch die CIA sorgte dafür, daß dieses Verbot umgangen
wurde.
Das Grauen des 11. September ist ein GAU der amerikanischen Dienste.
Insgesamt gibt es 26 an der Zahl, und sie stehen in Konkurrenz zueinander.
Man kann sich schon vorstellen, daß Nicht-Zyniker an diesem Wirrwarr und
Chaos verzweifeln. Wer seinem Staat Terroranschläge vermeiden helfen will,
findet sich in einem Sumpf sondersgleichen wieder.
Also jeder gegen jeden, und die Terroristen profitieren davon?
Die entscheidende Frage ist doch: Wer sind die Terroristen? Der frühere
Chef einer strategischen Einheit zur Bekämpfung der obersten Ebene des
internationalen Drogenhandels sagte in einer Congress-Anhörung, er sei in
seiner 30 jährigen Tätigkeit für die Drug enforcement Agency auf keinen
größeren Fall erlebt, bei dem ihm nicht die CIA die Zügel aus der Hand
genommen hätte.
Aber am 11. September ging es nicht um ein Drogendelikt.
Bin Laden ist ein Produkt der CIA, geschaffen zunächst im Kampf gegen die
Sowjetunion. Es ging dabei nicht nur um die Abwehr der sowjetischen
Intervention in Afghanistan. Es ging um die Destabilisierung der UdSSR über
ihre Teilstaaten mit muslimischer Bevölkerung. Noch bevor die Kommunisten
1978 in Afghanistan an die Macht kamen, hatte die CIA Unruhen in
Afghanistan unterstützt. Die Zentralregierung wurde nicht Herr der Lage.
Die Kommunisten kamen ans Ruder, scheiterten ebenfalls und holten die
sowjetischen Truppen ins Land. Damit waren sie in die Falle gelaufen, die
der damalige US-Sicherheitsberater Brzezinski sich ausgedacht hatte und mit
deren Hilfe er ihnen ein russisches Vietnam bereiten wollte. Nun wurden in
einer Aktion, die die CIA zusammen mit den saudischen und pakistanischen
Geheimdiensten ins Werk setzte und bei der die Finanzierung durch den
Drogenhandel eine große Rolle spielte, rund Hundertausend Freiheitskämpfer
aus den muslimischen Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens als Söldner
zum Kampf gegen die gottlosen Sowjets angeworben. Freiheitskämpfer in
Anführungszeichen. In Wirklichkeit handelt es sich um die Taugenichtse und
Raufbolde der gesamten islamischen Welt. Wo immer ein schwarzes Schaf der
Familie oder des Dorfes nicht gut tat, lockte der Ruf der Mudjahedin an den
Hindukusch - wo man sich gegen Öl- und Drogengeld nützlich machen konnte.
Die Taliban selbst wurden aus den koranstrengen Waisenhäusern Pakistans
angeheuert. Osama bin Laden war einer der Organisatoren des
fundamentalistischen Werbefeldzuges, wobei ihm durchaus gestattet war,
seine rund 10.000 Söldner aus militant antiwestlichen, anti-amerikanischen
Kreisen anzulocken. Teile dieser Truppe wurde eigens in CIA Lagern für
spezielle Aufgaben trainiert. Es handelt sich folglich eher um Desparados
als um hochreligiösen Leute. So wie wenn wir die Radaubrüder unserer
Fußballstadien zum heiligen Kampf gegen den Islam heranziehen würden. Doch
für die Hirnwäsche des westlichen Publikums mit dem Ziel, den neuen Feind
Islamismus im Sinne des "Clash of Civilisations" einzuhämmern, sind
sie
bestens geeignet.
Sie waren beim Einmarsch der Sowjets in Afghanistan Mitglied der
Bundesregierung. Wie hat das Kabinett Schmidt über die Sache diskutiert?
Kaum. Ich erinnere mich nur, daß Washington mächtig Druck auf uns ausübte,
wegen Afghanistan die Olympischen Spiele in Moskau zu boykottieren. Wie
stark der Druck war, zeigt auch eine andere Episode: Anfang der achtziger
Jahre drückte der amerikanische Viersterne-General und
Nato-Oberbefehlshaber Haig mit aller Macht darauf, jedes noch so kleine
nationale Manöver als Teil seiner großen Nato-Herbst-Manöver deklarieren zu
können. So kam es, daß an einem Wochenende alles in allem von Norwegen bis
zur Türkei rund eine satte Million Nato-Soldaten von West Richtung Ost in
Bewegung war. Als Staatssekretär erlaubte ich mir anzumerken, dass ich dies
für problematisch hielte, zumal westlicherseits alle Warnlampen angingen,
sollte der Warschauer Pakt uns ost-west-laufend ein ähnliches Szenario
bieten. Die kleine Kritik fand ein weltweites Echo, in den USA und bis nach
Hawaii. Als ich kurz darauf dem Weißen Haus einen Besuch abzustatten hatte,
lief mir scheinbar zufällig Brzezinski über den Weg mit der Frage: "Are
You
the guy talking about manouvres in Europe?" Aus heutiger Sicht zündelte
der
Mann schon damals von der europäische wie der asiatischen Seite. Das
geopolitische Spiel findet derzeit seine Fortsetzung in der
Nato-Erweiterung bei gleichzeitigem Aufbau von militärischen Positionen in
den selbständigen asiatischen Nachfolgestaaten der Sowjetunion.
Ich entsinne mich im Übrigen, dass anlässlich der Kontakte zwischen SPD und
KPdSU die Sowjets mehrfach deutlich machten, daß sie lieber heute als
morgen aus Afghanistan abziehen würden, jedoch das zu erwartenden
Sicherheitschaos der sich bekämpfenden afghanischen und pakistanischen War-
und Drogenlords fürchteten. Sie versuchten, die USA zu einem gemeinsamen
Vorgehen zu gewinnen. Doch Washington blieb taub auf diesem Ohr.
Hatte nicht auch der BND seinen Anteil an der Afghanistan-Operation der
CIA?
Höchstens als Sekundant. Die Deutschen entwickeln zuweilen sentimentale
Bindungen zu den leidgeprüften Völkerschaften der Region. Bei Jürgen
Todenhöfer, dem inoffiziellen Afghanistan-Emissär der CDU, kann ich mir
durchaus vorstellen, daß er gemeinsam mit den Mudjahedin am Lagerfeuer saß
und Freiheitslieder sang. Die verdeckten Operateure der CIA verfolgen
knallhart ihre verdeckten, demokratisch nicht legitimierten Ziele ihres
Landes. Als die CIA einst den 30.000 kurdischen Kämpfern gegen Saddam
Hussein nach ahrzehntelanger verdeckter Nutzung im Interesse des
Schah-regierten Iran den Geld- bzw. Drogenhahn zudrehte und Führer und
Mannschaften der Vernichtung durch den Diktator preisgab, meinte Henry
Kissinger, der Vorgänger Brzezinskis, man solle doch bitte verdeckte
Operationen nicht mit Missionsarbeit verwechseln.
Zurück zum 11.9. Mir scheint bemerkenswert, daß Präsident Bush am Tattag
nicht nach New York kommen wollte - aus Angst, auch auf ihn bzw. die
Airforce One sei ein Attentat geplant. William Safire ist in der "New York
Times" vom 15. September der Sache nachgegangen und hat von Informationen
berichtet, wonach die Terroristen die Geheimcodes der US-Regierung geknackt
hatten und deswegen die Drohung glaubhaft schien. Safire schlußfolgert, daß
"die Terroristen einen Maulwurf im Weißen Haus haben könnten - oder
Informanten im Geheimdienst, in FBI, FAA (Flugüberwachung) oder der CIA".
Das ist durchaus möglich. Noch interessanter scheint mir die Interpretation
eines britischen Flugingenieurs zu sein, der behauptet, die Linienmaschinen
seien am 11. September nicht gekidnappt, sondern über eine Hintertüre in
den Bordcomputern unter Ausschaltung der Piloten vom Boden aus in die Ziele
gesteuert worden.
Das Gegenteil ließe sich leicht beweisen, wenn die Ermittlungsbehörden die
Auswertung der Flugschreiber und Voice-Recorder der Flugzeuge drei und vier
- die eine ist ins Pentagon gesteuert worden, die andere abgestürzt -
veröffentlichen würde. Aber das passiert nicht.
Es gibt eine Reihe ungeklärter Abstürze an der amerikanische Ostküste, etwa
die
Swissair-Maschine oder die Egypt Air. Für die Version des britischen
Flugingenieurs könnte auch sprechen, daß die angeblichen Flugzeugentführer
offensichtlich gar nicht in der Lage waren, eine Maschine zu steuern.
Zeitungen aus Florida berichten, daß die Flugausbildung dieser Leute
vollkommen gescheitert sei. Über einen der Verdächtigten sagte die
Flugschule, nach 600 Flugstunden hätte man ihm noch nicht einmal eine
Cessna anvertrauen können. Über einen anderen hieß es, er sei so dumm, dass
Zweifel aufgekommen seien, ob er überhaupt ein Auto zu steuern in der Lage
sei.
Dabei muß man bedenken, daß zumindest Maschine Nummer drei ein
außerordentlich
kompliziertes Flugmanöver durchgeführt hat.
Sie steuerte zunächst das Weiße Haus in Washington an und änderte dann mit
einem 270-Grad-Looping kurz über die Telegrafenleitungen hinweg ihren Kurs
aufs Pentagon. Das erfordert Können und viel Flugerfahrung. Im übrigen
mache ich mir die Theorie des britischen Flugingenieurs ja nicht zu eigen.
Ich behaupte nur, daß die Zweifel und Fragen, die er und andere
formulieren, öffentlich debattiert und fachmännisch untersucht werden
müssen.
Auch bei den Insidergeschäften werden keine Fragen mehr gestellt.
In der Tat. In der Woche vor dem Anschlag stieg der Umsatz mit Aktien, die
später infolge der Ereignisse im Kurs drastisch abstürzen sollten, um 1200
Prozent. Die Aktien wurden zum Kurs vor dem Ereignis teuer verkauft,
sollten jedoch einige Zeit danach erst übereignet werden. Man konnte sich
so als Verkäufer nachträglich zum Crash-kurs eindecken und die Differenz
als Gewinn
einstreichen. Es handelte sich um Aktien der beiden Fluggesellschaften aber
auch der im World Trade Center mit je 22 Stockwerken beherbergten
Finanzinstitute wie Morgan Stanley und Merryll-Lynch. Außerdem kauften
diese Insider amerikanische Staatsanleihen im Wert von 5 Milliarden Dollar
in der Erwartung, daß auf Grund der nationalen Katastrophe der Wert steil
ansteigen werde. Wer waren die Insider und über welche Kanäle gelangten sie
zu ihrer Kenntnis? Und wo sind die Erkenntnisse der amerikanischen
Finanzfahnder, die routinemäßig auffällige Spekulationen auf künftige
Terrorereignisse zur Gewinnung von Hinweisen auf Attentate erfasst?
Bush senior arbeitet über die Carlyle Group, eine internationale
Anlagefirma, für die Bin Laden-Familie in Saudi Arabien. "Die Vorstellung,
daß der Vater des Präsident, auch er ein ehemaliger Präsident, Geschäfte
mit einer Firma macht, die vom FBI wegen der Terroranschläge am 11.
Sepember untersucht wird, ist schrecklich", schrieb die die
US-amerikanische Anti-Korruptions NGO "Judicial Watch".
Bush senior ist ein alter CIA-Mann. Er war Direktor der Agency 1976/77.
Bekannt sind seine Verbindungen zum panamesischen Präsidenten Noriega, der
auf seinem Staatsgebiet den Drogenhandel nach Amerika und die Landung von
Flugzeugen voller Drogengeld zum Zwecke der internationalen Geldwäsche
erlaubte. Seine jährlichen 200.000 Extra- Dollars aus CIA-Quellen
überstiegen eine Zeitlang das Gehalt selbst des US-Präsidenten.
Es gibt Berichte, daß der Krieg gegen Afghanistan keine Reaktion der USA
auf den Terror vom 11.9. ist, sondern bereits vorher geplant war. "Evidence
suggests, that Washingon had planned to move against Bin Laden in the
summer", schrieb der britische "Guardian".
Eine amerikanische Öl- und Gasgesellschaft will seit Jahren Öl aus dem
Kaspischen Becken über eine milliardenschwere Pipeline durch Afghanistan
zum indischen Ozean transportieren. Die CIA hoffte die Taliban zum Schutz
der Investition nutzen zu können und zugleich die Trasse über das
Territorium des "Rüpelstaates" Iran verhindern zu können.
Möglicherweise
führt ja der Krieg jetzt zu einer neuen Regierung in Kabul, die dem
Vorhaben aufgeschlossen gegenübersteht. Alles in Allem kann man davon
ausgehen, daß die strategischen Köpfe der CIA in aller Regel den
geopolitischen Vorstellungen folgen, die der bereits erwähnte Brzezinski in
"Die einzige Weltmacht" niedergeschrieben hat. Dieses Buch ist
zusammen mit
Huntingtons "Clash of Civilisations" die Blaupause für die verdeckte,
letztlich maßgebende US-Außenpolitik der nächsten Jahre und Jahrzehnte:
Brzezinski überprüft die wichtigsten Staaten der Reihe nach, wer sich zum
Gegner der US-Dominanz aufwerfen könnte. Es werden Ansätze gesucht, wie
diese potentiellen Gegner geschwächt werden können - er sieht das Ganze als
Schachspiel, in dem die Hauptfiguren als Staaten gegeneinander gesetzt
werden, und innerhalb der Staaten oft ethnische Minderheiten als Bauern
Verwendung finden. Man fördert die Scharfmacher unter den Führern von
Minderheiten, desavouiert die Friedfertigen, schürt die Leidenschaften,
vermittelt Waffen, finanziert über Drogen. Sollte die jeweilige
Zentralregierung sich dann gezwungen sehen zur Erhaltung des Landfriedens
etwas robuster vorzugehen, folgt die öffentliche Anklage wegen Verletzung
der Menschenrechte. Brzezinski ist wie besessen von der Frage nach der
Beherrschung des eurasischen Raums zwischen Atlantik und Pazifik, für ihn
der Schlüssel zur globalen Dominanz. Und da der Mensch, fehlbar wie er nun
einmal ist, hassen will und muß, bietet der Harvard-Professor Huntington
den Islam als neuen Gegner des Westens, dem er das orthodoxe Christentum
Osteuropas gleich zuordnet.
Welche Kontakte zwischen Bin Laden und der CIA gibt es aus der jüngeren
Vergangenheit?
"Le Figaro" meint, Bin Laden habe sich noch im Juli diesen Jahres
mit dem
CIA-Chef in Dubai getroffen. Der CIA-Mann habe sich in seinem
Bekanntenkreise dieses Treffens berühmt.
Wenn Sie auf die Rolle der CIA und anderer westlicher Dienste in den 11.
September hinweisen, werden Sie sicherlich mit dem Vorwurf konfrontiert,
Verschörungstheorien anzuhängen.
Nicht ich bin derjenige, der eine Verschwörungstheorie vertritt. Vielmehr
müssen diejenigen sich den Vorwurf gefallen lassen, die ohne stichhaltige
Beweise - jedenfalls wurden bisher keine vorgelegt - eine Bin
Laden-Verschwörung am Werke sehen. Dabei werden wieder die Medien zur
Desinformation genutzt. Zum Beispiel las man in der "New York Times",
Bin
Laden habe in einer Erklärung die Attentate begrüßt, die Täter als
"Helden"
gelobt. Die Äußerung wurde von einem in Afghanistan lebenden Palästinenser
übermittelt, der weitergab, was ein Freund aus der Umgebung Bin Ladens über
dessen Reaktion gehört haben wollte. Zur gleichen Zeit übersetzte der
"Bonner Generalanzeiger" die von BBC übermittelte Erklärung Bin
Ladens, in
der er den Tod Unschuldiger am 11.9. bedauerte. Wieso wählt die New York
Times die mit hoher Wahrscheinlichkeit verfälschte Nachricht?
Ich behaupte jedenfalls nicht, daß ich Antworten hätte auf Fragen, die in
den Medien nicht gestellt werden mit der Folge daß die Verantwortlichen
sich zu überzeugenden Antworten nicht veranlasst sehen. Stattdessen werden
Bilder vermittelt, die den im Sandsturm reitenden Bin Laden zeigen, den
apokalyptischen Reiter, den unberechenbaren, hinterhältigen, grausamen
neuen Feind!
Warum reagieren die Medien, auch in Deutschland, wie gleichgeschaltet?
Lediglich Frankreich scheint einigermaßen dem Hysterismus und der
uneingeschränkten Gefolgschaft zu trotzen. In der Politik wie in den
Medien. Die Wellen der Gleichschaltung habe ich nun schon mehrfach erlebt.
Bei der Neutronenwaffe hatte es noch nicht geklappt. Doch anlässlich der
Nachrüstung von 100 Mittelstreckenraketen wurde die Gleichschaltung
handgreiflich. Dann bei der Unterdrückung jeder Wortmeldung über den
angeblich schnellen Weg zu den blühenden Landschaften. Mit am schlimmsten
habe ich die Manipulation aus Anlaß des Golfkrieges empfunden, wo Sadam
Hussein nach massiver Aufrüstung durch den Westen u.a. in die Falle der
amerikanischen Botschafterin lief, die ihm zugesichert hatte, dass
Grenzstreitigkeiten mit Kuweit die USA nicht kümmerten. Beim Krieg der
Sterne unter Reagan und jetzt wieder Bush zeichnet sich dieselbe Tendenz
auch in unserer Presselandschaft ab.
Sie haben das Phänomen zutreffend beschriebend, aber noch nicht erklärt.
Von einem Informanten in den USA weiß ich, daß in den größeren Redaktionen
und Nachrichtenagenturen eine Person des Vertrauens der CIA sitzt, die in
der Lage ist, kritische Sachen im Zweifelsfall vom Transportband der
Nachrichten zu nehmen oder das Totschweigen zu veranlassen. Ob der BND
ähnliche Macht hat, weiß ich nicht. Die maßgeblichen Medienzaren der USA
sitzen in Beratungsgremien der Gehiemdienste. Die CIA hilft ausländischen
Journalisten und Nachrichtenagenturen mit Geld auf die Sprünge. Im Übrigen
stehen Journalisten oft im Klientelverhältnis zu den Diensten. Die heiße
Story wird von dort herausgereicht zur angemessenen Verbreitung. Verläßt
der Journalist den Mainstream, bleiben die Lieferungen aus. Bleibt er
jedoch auf Kurs, wird er zu Hintergrundgesprächen und Konferenzen
eingeladen, oft an den schönsten Orten der Welt, in den besten Hotels, mit
prominenten Gesprächspartnern. Wer als "Defense Intellectual" gilt,
hat ein
schönes Leben und exklusive Informationen - von Korruption will da keiner
sprechen. Aber der Unterschied zu einem Journalisten, der etwa in
Frankfurt-Bockenheim an seinem Schreibtisch sitzt und täglich auf sich
gestellt seine Informationen zusammensuchen muß, ist beträchtlich.
Ein weiteres kommt hinzu: Die wichtigste Aufgabe der Geheimdienste ist die
Täuschung der Öffentlichkeit. Der eigentlichen Kausalkette soll niemand auf
die Schliche kommen. Einen Bergstamm in Burma mit 30.000 Mann zum Kampf
gegen den Vietcong zu gewinnen, das ist nicht schwer, dazu reicht es, Geld
und Waffen bereitzustellen. Viel schwieriger ist es, das Ganze so zu
drehen, daß der Dienst nicht selbst als Verursacher und Aufraggeber in
Erscheinung tritt. Also dirigiert und finanziert die CIA über raffinierte
Umwege. Die mitttelamerikanischen Contras bekamen Waffen und Geld über
Drogenhändler, die im Gegenzug geschützt vor Strafverfolgung ihre Ware in
den USA oder Europa absetzen konnten. Die Wäsche des eingenommenen
Drogengeldes wird gedeckt, damit der geheime Kreislauf funktioniert. Alles
wird so verwickelt arrangiert, daß jeder für verrückt erklärt werden kann,
der die wirklichen Zusammenhänge erahnt oder darstellt. Umso kommoder ist
die Welt eingerichtet für Journalisten, die auf dem Schoß der
Geheimdienstleute sitzen und auf die Desinformation zum Füllen ihrer
Spalten warten.
Sie waren Staatssekretär und Minister. Wie reagieren die Sozialdemokrate
ihrer Generation - Leute wie Bahr und Schmidt - auf ihre Recherchen?
Da gibt es keine Reaktion. Wer meine Analyse für richtig hält, müsste auf
Gegenkurs gehen. Wer sie für falsch hält, müsste argumentieren können.
Aus: KONKRET 12/2001
US, UK abusing power in 'war', says Chomsky
By Nasir Malick
Giving a lecture at a
function organized jointly by Dawn Group of Newspapers and Eqbal Ahmad
Foundation at Convention Centre in the federal capital, the visiting American
scholar gave examples of Sudan, Somalia and Nicaragua where the United States
had been involved in the killing of thousands of innocent civilians.
"Terrorism is a weapon
of the weak, but mostly used by the strong", the professor told a
glittering gathering of around 1,500 politicians, government ministers,
intellectuals, scholars, academicians, serving and retired civil and military
hierarchy.
The two-hour lecture was
followed by a question-answer session during which the American scholar
answered questions relating to several current issues.
At the dais, Mr Chomsky was
flanked by the Editor of Dawn, Saleem Asmi, and chairperson of Eqbal Ahmad
Foundation, Prof Pervez Hoodbhoy. Resident Editor Dawn, Islamabad, M. Ziauddin
and Herald's correspondent Zafar Abbass acted as moderators.
The scholar said the US
government's military action in Nicaragua was more "devastating" than
the Sept 11 terrorist attacks.
This was a reference to
1982 events in Nicaragua when Contras, who were fully supported by the American
government, started promoting anti-Sandinista activities and carrying out
attacks in which 30,000 people were killed.
Prof Chomsky said Nicaragua
was in no position to attack the United States so it followed a legal course by
approaching the International Court of Justice, which held the US responsible
for the events. Nicaragua then also took its case to the United Nations.
He said instead of taking
its case against Osama or other terrorists to the international court of
justice or other similar forums, the United States attacked Afghanistan.
"The US should have
pursued the same path," Mr Chomsky said. "But the US does not want to
establish that it is subordinate to anyone (in the world)." He said
President Bush, on the recommendation of his speech writers, was speaking the
language of violence by legitimizing the acts of violence in Afghanistan and in
other parts of the world.
Agreeing with a questioner
that the US superiority had been "partly eroded" by the Sept 11
attacks, the professor said both President Bush and Osama bin Laden were almost
speaking the same language.
"While President Bush
says they (allied forces) are going to drive out the evil from the land
(world), Osama says they (Muslim militants) are going to drive out infidels
from the Muslim land," he remarked.
Mr Chomsky regretted that
humans were not only engaged in the large-scale destruction of other biological
species, but also of their own specie and referred to Sept 11 and later events
to prove his point. "This specie has surely developed the capacity to do
just that and an extra bit with the cold and calculated savagery assaults on
each other," he said. However, he asserted, that there was a need to find
out the reasons for this tragedy.
Mr Chomsky said the scale
of human catastrophe that had already taken place since Sept 11 and that might
follow could only be guessed. But he warned that the projections on which
policy decisions were being taken, and commentaries based, were enough to tell
us that the world was being directed by its leaders towards a direction that no
decent person would like to see.
"The crimes of Sept 11
are in the historic turning point, but not because of their scale, rather
because of the choice of targets," he said, adding that it was for the
first time since British bombed Washington in 1814 that the American territory
had been attacked and threatened.
During the past two
centuries, he recalled, the US had remained an invader and annihilated the
indigenous population, conquered the Mexico and intervened validly in the
surrounding regions, overpowered Philippines and killed hundreds and thousands
of Filipinos in the chase.
He said during this period
America extended its force throughout the world. "The number of victims of
US savagery are huge right upto the present moment," the visiting US
scholar said. "For the first time, almost in two centuries, the guns have
been pointed in the opposite direction. And it is a historic change."
He said the same was true
about the Europeans' past, though Europe had also suffered a murderous
destruction during the internal civil wars. "However, the Europeans
conquered most of the world, leaving a colossal trail of destruction," he
said. "The list of crimes is long and horrendous - it is a change, a
dramatic change. And it is not surprising that Europe must be shocked by these
murderous terrorist atrocities of Sept 11."
He said while the Sept 11
incidents would not change the world affairs, these had raised several
questions that must be addressed very carefully, if the attacks were to be
analysed.
The question to be asked is
whether the specie of mankind was on the verge of destruction and whether their
intelligence was being tested by the biological error?
"Some of these
questions have to do with the immediate events, some with the most fundamental
issues and some are combined," he said, adding that the most important
questions were "what is terrorism and what is the war that has been
declared against it. And what are the dangers to the continuation of the human
survival in future."
Another important question,
he said, was as to what extent it was easy to proceed against the people who
were involved in terror and the war against terrorism. He said there were
natural and irrational approaches within the existing institutions and
ideological structures. The extent they do danger to all was the main question
that must be addressed.
Discussing what the world
had learnt from these events about the principles and values that guided the
most powerful forces of the world, he said even before Sept 11, most of the
Afghan population was relying on the international food aid for their survival.
That number, he said, had now risen from 0.5 million to seven million as a
direct result of the terrorist attacks in the US.
He said the international
media had also reported huge casualties in Afghanistan and the UN itself had
appealed to the US to stop bombing so that it could re-start its relief operations
inside the war-ravaged country. But, ironically, these appeals were rebuffed by
the US without any comment.
Mr Chomsky recalled that
only 10 days before the bombing, the United Nation's Food and Agriculture Organization
had warned the world that seven million people would face starvation in
Afghanistan if the military action was initiated. He said this warning was
repeated after the bombing began and the UN agencies demanded that the US must
avoid this action as these would aggravate the human catastrophes.
Citing media reports, he
said, the bombing had already destroyed the farm plantation of about 80 per
cent of the country, which meant more famine and hunger in Afghanistan next
year. He said several months had already been wasted with no food delivered to
the Afghans.
"These are the
estimates on which civilizations are relying as the coalition forces are making
plans to further destroy the hunger-stricken country," he said. "The
consequences of their crimes will never be known and they are quite confident
about that. And that is the enormous outcome of the crime of the powerful and
they don't like to see in the mirror any more than the others do. And they are
free in this obligation as a world power they have to carry."
He also referred to the new
American threats of extending its war against terrorism to other countries like
Somalia and Sudan. "They (Western media) did not mention that in the case
of Somalia the US was there not long ago and left hopeless people there by
10,000 US troops," he said. "In the case of Sudan, the US bombed it
in 1998, destroying pharmaceutical supplies that a factory produced. The death
toll during this attack was not known and nobody cared to investigate the
crime. But there had been some investigations by the German embassy in Sudan
and their estimates were that several thousand people were killed in that
attack on the factory. But we do not know the official figures of casualties.
"So it is quite
natural to pick these countries, target them in the war against terror that
arouses no comments. And without looking at the world Press you must be
confident that they will never discuss these issues in public."
Discussing the term
"terrorism", he said it appeared that the term to "wipe out evil
from the earth" used by President Bush's speech writers was borrowed from
ancient epics about the incarnation of the gods.
"The goal of the
civilized world has been clearly announced at many places that we must
eradicate the evil, suppress the terrorism," he said.
"To place the
enterprise in its right perspective it is useful to recognize that the power to
eliminate the plague (of terrorism) is not new. It started from President
(Ronald) Reagan and Secretary of State, George Shutlz. Their organizations came
into office claiming that their struggle against world terrorism would be the
core of their foreign policy and they reacted against this plague by
reorganizing campaign against the international terrorism on an unprecedented
scale."
Mr Chomsky said that the
United States had rejected all moves made by the former Soviet Union to reduce
nuclear weapons of mass destruction. Instead, he added, the United States had
started manufacturing these weapons at a large-scale.
The US scholar said that the
United States itself recognized nuclear weapons as the most important means for
mass destruction.
Mr Chomsky said that the US
claimed that its missile defence system was not offesnive. However, China,
Russia and other world powers have strong reservations about it fearing that
the US programme might start another race for achieving nuclear warfare
stretching to the boundaries of space by using satellite navigational system.
He also recalled that the
United States had opposed a UN resolution, that had defined terrorism, because
it excluded freedom-fighters from terrorism. He said since Nelson Mandela was
then a "terrorist" in the eyes of the United States, it opposed that
resolution and vetoed it.
The visiting American
scholar was given a standing ovation by the audience when he finished his
lecture.
Later, Editor of Dawn,
Saleem Asmi, presented "special issues" of Daily Dawn, which had been
brought out in the recent past on special subjects and topics.
"At Dawn, we try to do
things in our own humble way to project views of different segments of the
society," Mr Asmi said. "We often bring out publications on special
topics. I have the honour to present these reports to you. You may not have
time even to go through them but just having them received by you would be an
honour for our organization."
Anzeige in der Frankfurter Rundschau vom 14.11.2001:
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir teilen die Empörung und Trauer über die Terroranschläge vom
11.9.01. Gleichzeitig müssen wir aber darauf hinweisen, daß Rache und
Vergeltung nach dem Völkerrecht nicht erlaubt sind. Die Resolutionen des UN-
Sicherheitsrates ermächtigen einen oder mehrere Staaten nicht zu einer
militärischen Bestrafungsaktion.
Deshalb sehen wir uns gezwungen, Strafanzeige wegen des Verdachts auf
Vorbereitung eines Angriffskrieges gegen Afghanistan nach § 80 StGB und aus
allen weiteren rechtlichen Gründen zu stellen. Der Verdacht richtet sich
gegen Mitglieder der Bundesregierung, Leitende Beamte des
Bundeskanzleramtes und des
Bundesverteidigungsministeriums sowie gegen Mitglieder des Bundestages,
insbesondere des Verteidigungsausschusses.
Begründung: Wie die Medien berichten, will sich die Bundesregierung einem
Krieg gegen Afghanistan anschließen, also gegen ein Land, das selbst weder
Deutschland noch irgendein anderes Land angegriffen hat. Es liegt auch kein
Mandat der Uno für diesen Krieg vor. Von der Nato wurde zwar der
Bündnisfall ausgerufen. Die Nato wird als militärische Organisation jedoch
nicht tätig.
Im übrigen wird der Verteidigungsfall sowohl vom stellv.
Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag, Gernot Erler, als auch vom
Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, Oberst Bernhard Gertz, bestritten.
Die Begründung der bisher kriegführenden Länder für ihren Krieg ist:
Afghanistan liefere eine Person nicht an die USA aus, von der behauptet
wird, daß sie dort ein Verbrechen begangen hat. Inzwischen wird offen
gesagt, weitere Kriegsziele seien die Beseitigung einer bestimmten
Regierung und einer bestimmten Staatsordnung. Informationen in den Medien
deuten darauf hin, daß der Krieg auch zur Absicherung künftiger Ölgeschäfte
geführt wird.
Damit von Deutschland nie wieder Angriffskriege geführt werden, sind 1949
zusammen mit dem Grundgesetz die §§ 80 StGB (Vorbereitung eines
Angriffskrieges) und 81 (Aufstacheln zum Angriffskrieg) in Kraft gesetzt
worden. Wir sind der Auffassung, daß die Regierung gegen Geist und Text
dieser
Bestimmungen verstößt, und fordern Sie auf, Anklage zu erheben.
Unterschriften:
"Wir müssen aufhören zu predigen, daß unser westliches
Demokratieverständnis
für die ganze Welt gelten soll. In solchen Erklärungen steckt viel Arroganz,
vor allem
von Seiten der Deutschen."
"Arafat ist semitischer als Scharon"
Interview mit dem Orient-Experten Peter Scholl-Latour. Für KONKRET
diskutierten Hermann L. Gremliza und Jürgen Elsässer
Der Journalist Peter Scholl-Latour war nach den Anschlägen von New York und
Washington in ungezählten Talkshows der Islam- und Araber-Experte. Bei der
Verleihung des "Deutschen Fernsehpreises" durch ARD, ZDF, RTL und
SAT.1 am
ersten Tag der Bombardierung Kabuls brachte ihm das Publikum stehende
Ovationen. Warum? Jürgen Elsässer und Hermann L. Gremliza haben Scholl-
Latour besucht und aus ihm die Ansichten herausgefragt, die ihn so beliebt
gemacht haben. Ein Interview und ein Meta-Interview zugleich:
KONKRET: Herr Scholl-Latour, Sie gelten in den deutschen Medien als der
große Islam-Kenner. Haben Sie ein Ereignis wie das Attentat von New York
erwartet?
Scholl-Latour: Daß es in dieser Form kommen würde, hat auch mich völlig
überrascht. Ich habe mit Entsetzen, aber auch mit unglaublichem Staunen
gesehen, daß so etwas möglich ist. Es waren die spektakulärsten Bilder, die
ich je gesehen habe. Aber ich habe seit langem darauf hingewiesen, daß
irgendeine gewalttätige Reaktion eines Tages kommen wird. Ich hatte
gedacht, die Terroristen würden warten, bis sie Massenvernichtungswaffen
hätten ...
Sie nennen das eine "gewalttätige Reaktion". Eine Reaktion auf was?
Ich habe mich gerade beim Schreiben meines neuen Buches intensiv mit Afrika
beschäftigt. Ich war im Kongo, ich war auch in Angola, in Sierra-Leone, in
Liberia und so weiter. Wir reden immer über die Globalisierung wie über ein
Heil. In Afrika hat der Welthandel, wie Helmut Schmidt sagt, die Form des
Raubtierkapitalismus angenommen. Die ölreichen arabischen Länder können
sich wehren. Aber Afrika wird mit einer Skrupellosigkeit ausgebeutet, die
schlimmer ist als zur Kolonialzeit. Zur Kolonialzeit, zumindest in den
letzten Jahrzehnten, wurden Schulen, Hospitäler, Straßen gebaut. Die
Verwaltungsbeamten, die britischen wie die französischen, haben als Herren
gelebt, aber sie kümmerten sich um ihre Leute. Heute fallen wir zurück in
die blutige Zeit, als Leopold II. den Kongo als seinen Privatbesitz
ausplünderte.
Sie reden wie ein Antiimperialist. Gleichzeitig warnen Sie vor der
Aggressivität des Islam.
Das tue ich gar nicht. Das ist das Gerede von deutschen Orientalisten, die
ja im Grunde Agnostiker sind, um nicht zu sagen Atheisten, und mit Religion
nichts anfangen können.
Bis vor wenigen Jahren waren die Gesellschaften im Bereich des Islam auf
dem Weg der Säkularisierung. Die enge Verknüpfung von Religion und Politik
ist eine neuere Entwicklung. Wie ist es dazu gekommen?
Die Säkularisierung der islamischen Welt hat begonnen mit Napoleons Feldzug
in Ägypten. Das war der Durchbruch. Aber das westliche Modell war so
überzeugend für diese Länder nicht. Das Leitbild des Islam ist nicht die
Spaltung der Gesellschaft in politische Parteien, sondern die
Einstimmigkeit des Gottesvolks, die die Einzigkeit Gottes widerspiegelt.
Das steckt in den Leuten ganz tief drin und kommt nun wieder hoch. Die
Einflüsse von außen, durch die Engländer und die Franzosen, haben doch nur
einen kleinen Teil des Bürgertums erfaßt.
Und dann kam die Gründung Israels. Ich war im Libanon, als der Konflikte
sich zuspitzte, nach dem ersten Suez-Krieg. Wir warteten auf einen
Durchbruch des Säkularismus in der arabischen Welt. Wir haben auf die
Palästinenser gehofft und auf die Algerier und darauf, daß Israel - ein
moderner, ein säkularer Staat - ein Modell setzen würde, dem die Araber
nacheifern. Aber was entstand, war - zumindest in den Augen der Muslime -
ein jüdischer Gottesstaat.
Was die Palästinenser damals antrieb, war nicht Religion, sondern soziale
Revolution.
Die PLO ist komplizierter als man denkt. Es gab da die Fatah, die immer
muslimisch war in einem gemäßigt sunnitischen Sinne - Arafat ist immer ein
Moslem gewesen. Es gab die Volksfront von George Habasch, einem Christen.
Der erste Terror war das Werk von Christen. Diese Christen waren auch die
Träger der Säkularisierung und des arabischen Nationalismus. Sie lebten in
der Furcht, daß der Islam wieder hochkommt und sie zum Status von
Schutzbefohlenen wieder absinken würden. Sie wollten sich erst über den
Nationalismus, dann auch über den Marxismus integrieren. Beides ist
fehlgeschlagen.
Und wer hat den Sieg des Islamismus auf dem Gewissen?
Israel hat zweifellos dazu beigetragen. Nasser war ein arabischer
Nationalist. Die arabische Welt war damals im nationalistischen Rausch von
Marokko bis zum Golf. Nasser ist immer wieder von Israel besiegt worden.
Schließlich haben die Araber gesagt, die westlichen Ideale bringen uns den
Durchbruch nicht. Wer kann uns diesen Durchbruch bringen? Dann doch wohl
der Islam. Später kam Khomeini, der dem Islam zweifellos einen gewaltigen
Impuls gegeben hat. Er hat den Schah vertrieben, der eine Kreatur der
Amerikaner war.
Sie sagten: Israel, nicht USA.
Amerika wird im Orient oft mit Israel gleichgesetzt. Man ist dort
überzeugt, daß Israel ohne Amerika nicht überleben kann.
Wenn man Ihrer Argumentation folgt, hätte Israel, um den Fundamentalismus
zu verhindern, Nasser nicht besiegen dürfen.
Wenn ich beobachte, was sich abspielt, entwerfe ich keine Wunschszenarien.
Nasser war der einzig wirklich große Repräsentant des arabischen
Nationalismus. Schon Sadat war viel mehr Moslem als Nationalist.
Welche Rolle hat der Zusammenbruch der sozialistischen Staaten für die
Entwicklung des Islam gespielt?
Einerseits war der Zusammenbruch der Sowjetunion eine Katastrophe für die
arabischen Frontstaaten. Die Russen hatten ein Gegengewicht geschaffen, und
heute sieht man, daß das im Grunde ganz heilsam war. Es eskalierte nie über
ein gewisses Maß hinaus. Als z.B. Israel sich im Jom-Kippur-Krieg in einer
sehr kritischen Lage befand, wurde wohl der Einsatz von Nuklearwaffe ins
Auge gefaßt. Als Reaktion waren die Russen drauf und dran, unter eigener
Aufsicht Atomwaffen nach Ägypten zu bringen. Schließlich haben sich Russen
und Amerikaner verständigt, daß es nicht zum Äußersten kam.
Heute buhlen die neuen Weltmächte, die USA und die Europäer, die angeblich
gemeinsam den islamistischen Terror bekämpfen, um den Gottesstaat Iran, der
ein Großfinanzier dieses Terrors ist.
Das sind Märchen. Die Iraner haben in der Gaststätte "Mykonos"
hier in
Berlin ihre aufsässigen Kurdenführer zusammengeschossen. Das war eine
interne Bürgerkriegsaffäre. Die deutsche Justiz hat sich unklug benommen,
den obersten religiösen Führer Khamenei da mit hineinzuziehen. Das hätte
sie bei keinem anderen Staat gemacht.
Aber der Iran finanziert auch die Hisbollah.
Die Hisbollah ist nun einmal eine Befreiungsbewegung.
Das sind Terroristen.
Wie sollen Sie es denn sonst machen? Wie haben sich die Iren befreit? Sie
haben Bomben geworfen. Die Hisbollah hat nicht systematisch Zivilisten
getötet, sie hat vor allem israelische Armeepatrouillen beschossen.
Kann man eine Bewegung wie die Hisbollah, deren Vorstellungen ganz am Iran
orientiert sind, wirklich eine Freiheitsbewegung nennen?
Betrachten Sie den Iran als Hort der Finsternis?
Als einen unter anderen.
Dann blicken Sie mal nach Saudi-Arabien. Der Iran ist weit liberaler als
Saudi-Arabien oder Ägypten. Im Iran wird immerhin gewählt, da sitzen Frauen
im Parlament und neben drei Christen auch ein Jude. Das ist in anderen
islamischen Staaten kaum vorstellbar.
Mit Freiheit, wie wir sie verstehen, hat das iranische System nicht das
geringste zu tun.
Wir müssen aufhören zu predigen, daß unser westliches Demokratieverständnis
für die ganze Welt gelten soll. In solchen Erklärungen steckt viel
Arroganz, vor allem von Seiten der Deutschen. Wir hätten doch Adolf Hitler
behalten, wenn die Amerikaner nicht gekommen wären. Stellen wir uns also
nicht auf einen zu hohen Sockel. Heute hätten wir doch vermutlich ein Nach-
Hitler-Regime, eine gemäßigte Form des Nationalsozialismus.
Aber von deutscher Seite herrscht doch gar kein Hochmut gegenüber dem Iran,
sondern eher ein großes Entgegenkommen.
Mit gutem Grund. Warum sollen wir ausgerechnet die amerikanischen Kreuzzüge
gegen den Iran mitmachen? Wir hatten zum Iran immer gute Beziehungen, schon
das Kaiserreich. Es liegt auch manches im argen im Iran. Aber wenn Sie dort
ankommen, stellen Sie fest, daß jeder Mensch auf das eigene Regime
schimpft, und zwar ganz offen. Das finden Sie in keinem anderen
muslimischen Land. Und wenn Sie in eine Zeitungsredaktion kommen, kann es
ihnen passieren, daß der Chefredakteur eine Frau ist, die allerdings
verschleiert auftritt. Nach Saudi-Arabien hingegen, einem engen Verbündeten
der USA, dürfen Sie kein christliches Kreuz mitnehmen. Die Swiss Air hatte
Schwierigkeiten mit ihrem Kreuz auf der Heckflosse. Sie dürfen auch keine
Bibel mitnehmen, dafür finden Sie aber auf Ihrem Nachttisch die
"Protokolle
der Weisen von Zion".
Eine These: Der Anschlag auf das World Trade Center und das Pentagon war
für die arabische Welt und die islamischen Staaten ein großer politischer
Erfolg. Er hat den USA vor Augen geführt, wie verletzlich ihre Gesellschaft
trotz ihres ungeheuren militärischen Arsenals ist und daß sie im Kampf mit
dem von Deutschland geführten Europa um die Weltmacht nur mithalten können,
wenn sie sich mit dem Islam arrangieren. Der Anschlag auf New York und
Washington hat politisch vor allem Israel getroffen. Was meinen Sie?
Von wem stammt das?
Von uns.
Da sind Elemente von Wahrheit drin. Ich selber kenne ähnliche Täter ganz
gut. Ich war auch mit der Hisbollah in der vordersten Linie. Aber jetzt
haben wir es mit einer völlig neuen Kategorie von Attentätern zu tun.
Deswegen bin ich ratlos. Die ersten, die solche Attentate verübten, waren,
wie gesagt, die Christen der Volksfront für Palästina. Dann sind die
Bombenleger aus den arabischen Elendsvierteln Palästinas gekommen. Das
waren arme, verzweifelte junge Leute, die keine Zukunft mehr sahen und von
ihren Koranpredigern eingepeitscht wurden. Die haben Bomben gebastelt, die
meist schon in der Garage mit ihren hochgegangen sind. Das ist alles
furchtbar dilettantisch, bis auf den heutigen Tag.
Und jetzt auf einmal kommt da eine perfekte Organisation, entführt vier
Flugzeuge. Den Leuten, die sich dort in den Tod steuern, ist es nicht
schlecht gegangen. Es sind Leute aus vermögenden Familien. Die meisten
stammen aus den Emiraten oder aus Saudi-Arabien, haben jahrelang in der
westlichen Gesellschaft gelebt, hätten sich im Grunde doch akkulturieren
müssen - und auf einmal ... Das ist für mich ein psychologisches Rätsel.
Und dann diese Infrastruktur. Die haben sie doch nicht nur in Franfurt oder
Hamburg gehabt. Die muß vor allem in den USA aufgebaut worden sein.
Im Moment wird so viel gelogen wie seit dem Golfkrieg nicht mehr. Im
Golfkrieg haben ungeheuerliche Desinformationen stattgefunden. Sie kennen
ja die Geschichte mit den Brutkästen. Ähnliches wird uns heute doch auch
aufgetischt. Ich denke an die Anleitung Bin Ladens, auf Englisch auch noch,
wie man den Heiligen Krieg führt. Daß ausgerechnet in dem Mietauto der
Attentäter die ganzen Unterlagen gefunden wurden, stimmt doch sehr
skeptisch. Die Amerikaner haben der Öffentlichkeit noch immer keinen Beweis
vorlegen können.
Im Gegensatz zu dem, was von dem Cowboy Bush jr. erwartet worden war, hat
die US-Regierung nicht ohne Erfolg versucht, mit fast allen islamischen und
arabischen Staaten ein Bündnis gegen den Terrorismus zu schließen.
Das ist doch sehr bequem. Jeder islamische Herrscher, bis auf Khatami, ist
illegal an die Macht gekommen, stützt sich auf die Armee und die
Geheimdienste. Saudi-Arabien ist unter dem Schleier der Dynastie die große
Finanzierungsquelle des Terrors. In Algerien herrscht eine unerbittliche
Militärdiktatur. Daß die Staaten der Uno jetzt einstimmig gegen den
Terrorismus stimmen, hat den einfachen Grund, daß sie dann ungestört gegen
ihre innere Opposition vorgehen können. Plötzlich sind ja die Tschetschenen
keine Freiheitskämpfer mehr. Gerhard Schröder hat das schon relativiert.
Und ähnlich ist es überall. Mubarak ist davon abhängig, daß Amerika ihm
jedes Jahr 2 Milliarden Dollar ausschüttet. Der König von Jordanien wäre
ohne die Amerikaner längst gestürzt.
Und wenn die Amerikaner, zur Verbesserung ihres Ansehens in der islamischen
Welt, den Palästinensern zu einem eigenen Staat verhelfen?
Vorübergehend hatte Sharon freie Hand, er konnte machen, was er wollte.
Aber die Amerikaner spüren natürlich jetzt, daß das Heilige Land ein
Kernproblem ist. Sie werden versuchen, Sharon zu zügeln. Ich habe von
Anfang an nicht an den Friedensprozeß von Oslo geglaubt. Wenn Sie Israels
Sicherheit garantieren wollen, können Sie nur einen Scheinstaat der
Palästinenser zulassen, ein Homeland, ein Protektorat. Wenn ein souveräner
palästinensischer Staat gegründet wird, wäre Israel existentiell bedroht.
Und wie würden Sie das Problem lösen?
Gar nicht.
Warum?
Sie meinen auch, daß man alle Probleme lösen muß?
Wer ist der eigentliche Gegner der islamischen Welt? Ist das der Westen,
sind das die Europäer, sind das die Amerikaner? Sind es die Juden? Der
Islam hat ja eine starke antisemitische Komponente.
Falsch. Die Araber sind doch authentische Semiten, mindestens so wie die
Juden. Sie können höchstens antizionistisch sagen. Antizionistisch, das
geben sie auch zu. Antisemitisch können sie gar nicht sein. Abdallah
Franghi sieht doch semitischer aus als Ariel Sharon.
Wie geht es weiter? Wir fragen nicht, was Sie sich wünschen, sondern was
Sie erwarten.
Ich bin der einzige gewesen, und hätte beinahe deshalb meinen Job verloren,
der die Niederlage der Amerikaner in Vietnam sehr früh vorausgesagt hatte.
Damals liefen viele, die heute Minister sind, durch die Straßen und riefen
"Ami go home!" und "Ho-ho-ho-Chi-min!". Zum gleichen
Zeitpunkt war ich mit
den Marines am 17. Breitengrad, mit der "First Cav" in Zentral-Annam
und
mit den Special Forces an der kambodschanischen Grenze. Ich hab diese GIs
gemocht, das waren nette Kerle. Ich habe mich wohl gefühlt bei ihnen. Da
entsteht ein Gefühl der Solidarität. Nur, ich wußte, daß sie den Krieg
nicht gewinnen konnten.
Ich bin wirklich nicht antiamerikanisch. Ich möchte eher, daß die
Amerikaner etwas mehr imperial und etwas weniger merkantil aufträten. Ich
habe immer den Verdacht, daß hinter ihrer Politik vor allem die Interessen
riesiger Konsortien stehen. Ich wünschte mir, daß sie imperial im römischen
Sinne auftreten würden ...
Als Zivilisationsbringer?
Genau.
So funktioniert Kapitalismus nicht.
Wenn ich heute sage, daß es für die Amerikaner nicht gut steht, dann aus
folgendem Grunde: Sie drohen sich zu verzetteln. Was soll dieser riesige
Flottenaufmarsch? Afghanistan ist ohnehin ein Land, das man nicht
unterwerfen kann. Ich habe das leise Gefühl, daß dieser ganze
Flottenaufmarsch, der im Grunde für Afghanistan keinen Sinn macht, letzten
Endes dem Irak gilt, wo Familie Bush den Feldzug, den sie 1991 nicht zu
Ende führte, jetzt vollendet.
Dagegen spricht, daß so ein Feldzug die arabische und die islamische Welt
erst recht gegen die USA zusammenschweißen würde.
Nicht einmal. Die Völker hassen sich oft. Die Ägypter mögen die
Palästinenser nicht. Die Syrer mögen die Palästinenser auch nicht
besonders, Libanon und Syrien sind sowieso zerstritten, zwischen Syrien und
Irak besteht eine Erbfeindschaft, die auf das frühe Kalifat zurückgeht.
Perser und Araber sind sich spinnefeind; die Saudis betrachtet man als
arrogante Protzen. Mein Arabischlehrer, ein Sunnit, dem ich erzählte, daß
ich im Jemen gewesen war, sagte: Das sind doch Tiere da unten.
Sie halten den amerikanischen Aufmarsch für unvernünftig. Verkörpert die
Friedensbewegung, die dagegen demonstriert, die Vernunft?
Nein, das sind Spinner. Friedensbeweger sind oft Spinner.
Was macht Sie so böse auf die Achtundsechziger-Renegaten, die jetzt in
Berlin regieren. Wäre es Ihnen lieber, die wären bei ihrer alten Meinungen
geblieben?
Ein bißchen Dezenz würde ich doch von ihnen erwarten. Daß sie ihre
Jugendtorheit hatten, selbst wenn Joschka Fischer einen Molotow-Cocktail
geschmissen hätte, wäre das keine Tragödie. Aber daß diese Pazifisten sich
im Kosovo voll engagiert und dort die ganzen Lügengeschichten mitgemacht
haben, das stört. Jamie Shea, der kleine Goebbels der Nato, hat doch keine
treueren Gefolgsleute gehabt als die deutschen Journalisten. Und Rudolf
Scharping wollte von der amerikanischen Aufklärung Satellitenbilder von
Massengräbern haben, um seine Beteiligung zu rechtfertigen. Joschka Fischer
hat sogar von einem neuen Auschwitz gesprochen. Je länger die regieren, so
hab ich einmal gesagt, desto linker werde ich.
Trauern auch Sie, wie so viele Konservative, schon dem Kommunismus
hinterher, der ja zumindest ein gewisses Maß an Stabilität in der Welt
garantiert hat?
Natürlich war die Welt sehr viel stabiler. Seit der Kommunismus
verschwunden ist, meint der triumphierende Kapitalismus, er habe den
Sozialismus ein für allemal besiegt. Aber es hat schon im Altertum soziale
Revolutionen gegeben. Die christliche Religion stellte eine soziale
Umwälzung dar, und auch der Islam war für die damalige Zeit ein gewaltiger
gesellschaftlicher Umbruch. In irgendeiner Form wird der Sozialismus auch
wiederkommen.