MUSLIMISCHE
JUGEND
IM
WESTEN
Aufbruch
zu einer neuen Erziehungsstrategie
Khurram Murad
MUSLIM
YOUTH IN THE WEST
Towards a
New Education Strategy
The Islamic Foundation
ISBN 0-86037-174-3
Welche Zukunft
erwartet die muslimische Jugend Großbritanniens oder einer ähnlichen, von
Nicht-Muslimen dominierten säkularen Gesellschaft? Diese Frage bewegt eines jedes empfindsamen
und betroffenen Muslims Geist. Verzweifelt bemühen wir uns um eine Antwort,
nach einer angemessenen, praktikablen Strategie, einer Erziehungsstrategie, wie
wir sie bezeichnen wollen, welche garantiert, dass unsere Kinder aufwachsen und
Muslime bleiben. Dies ist ein Erfordernis höchster Dringlichkeit und Bedeutung.
Steht doch die Zukunft der muslimischen Jugend für nichts anderes als für die
Zukunft der Ummah, unserer Familien, Traditionen und Einrichtungen, den vielen
Moschee welche heutzutage das Landschaftsbild akzentuieren und teilweise unter
hohen Kosten errichtet wurden.
Zukunftsgestaltung
Lassen Sie uns zu
Beginn gleich einmal das Wort „abwarten“ verabschieden. Es schmeckt nach Passivität und
Fatalismus. Der Islam hat keinen Platz für tatenlose Empfänger einer Zukunft,
von einem Schicksal an uns verteilt, welches keine Rücksicht darauf nimmt, was
wir dazu beigetragen hätten: Gott ändert jene nicht, welche sich nicht selbst
ändern. Auch gibt der Islam einer Zukunftsentfaltung keinen Platz, welche
angetrieben wäre durch bloße blinde, materielle Kräfte.
Gott der Allmächtige und Allweise ist der Herr über Tag
und Nacht, der Geschichtsentfaltung, wie der Herr aller Welten. Jeder bekommt woran er glaubt und sich
darum bemüht. Dieses Gesetz wird ausdrücklich von Ihm wiederholt
festgestellt: dass man erntet, was man sät und weder löscht Gott die
Zukunft irgendeines Volkes aus, noch
hellt Er sie auf, außer wegen dessen, was es sich selbst tun.
Es ist erstaunlich wie wir doch geneigt sind, diese
einfache Botschaft mit so weit reichenden Implikationen zu vergessen.
Vielleicht, weil wir diese Implikationen nicht mögen? Weil wir unser bequemes
und ruhiges Leben nicht aufzugeben wünschen und keine Verantwortung dafür
übernehmen wollen?
Wir sollten uns darüber nichts vormachen. Es liegt immer
an uns zu wählen, wie wir unser „Morgen“ zu sein wünschen. Doch bemühen müssen wir uns darum und dafür anstrengen. Allerdings sollten
wir uns immer selbstverständlich unserer völligen Abhängigkeit von Jenem
bewusst sein, dessen Erlass über Raum und Zeit erhaben, Gültigkeit behält. Auch dürfen wir nicht vergessen, wenn wir
unser „Morgen“ planen: „so Gott will.“
Also erwartet niemanden die Zukunft; vielmehr ist die
Zukunft unser – so Gott will – von der wir träumen und uns dann bemühen, sie
wirklich werden zu lassen.
Erziehungsprobleme
Der Schlüssel in die
Zukunft ist Erziehung.
Nicht gemäß enger Definition, doch Erziehung
in dem Sinne, als sie Herzen, Gedanken, Vorstellungen und Leben ändert, indem
sie Ideale und Normen einprägt, welche das Streben und die Bemühungen der
Menschen lenkt und bündelt. Eigentlich sollten Muslime keine Belehrung über
die Wichtigkeit der Erziehung und dessen weitem Konzept als Schlüssel zu ihrer
Zukunft benötigen. In erster Linie liegt für sie die Bedeutung der Erziehung in
der zentralen Stellung, welche ihr der Islam im Rahmen der prophetischen
Gesandtschaft zuweist. Der Prophet, Segen und Friede sei auf ihm, „… ist es, der
euch läutert und euch das Buch und die Weisheit lehrt und euch lehrt, was ihr
nicht wusstet.“ [2:151]
Das Herz islamischer
Lehre und Weisheit bilden die Begriffe LESEN (iqra), SCHREIBEN (qalam),
LEHREN (’allama und ta’lim), WISSEN (’ilm) und das BUCH (al-kitab).
All dies erweckt
Verantwortung und erzeugt das Bedürfnis zu lernen - als Muslime zu leben.
Doch heute existieren vielmehr die Besorgnis und Angst der Muslime darüber, was säkulare
Erziehung ihren Kindern antun könnte. Zurzeit beschreibt dies im Grunde fast
die gesamte Skala jener Problematik, die sie ihrer Auffassung nach mit der
Erziehungsfrage haben.
Der erste und
wesentlichste Punkt ist der bestehende Widerspruch zwischen dem schulischen
Umfeld und den islamischen Auffassungen und Werten. Dieser ist der Grund der
Entfremdung unserer Kinder vom Glauben an Gott, an den Propheten als Vorbild und
an die Ordnung des Lebens, besonders jener, welche mit Geschlecht und Familie
zu tun hat. Die Lehrer, der Lehrplan, die Schulbücher und Beamten, alle tragen
sie dazu bei.
Zweitens ist es den Kindern nicht gestattet oder sie bekommen
unzureichend Möglichkeit dazu, die
islamischen Lehren im täglichen Leben zu befolgen – wie Essensregeln,
Bekleidungsvorschriften, das Gebet, Fasten und Miterziehung. Drittens erhalten
sie keinen Islam Unterricht. Damit meinen wir nicht unbedingt islamischen
Unterricht in seiner realen, übergreifenden und umfassenden Form, sondern, dass
sie nichts über den Islam lernen und auch nicht einmal den Qur’an zu lesen.
Wir sprechen oft über islamische
Ausbildung. An dieser Stelle ist es wichtig, sie vom Islam Unterricht zu
unterscheiden, denn diese beiden verwechseln wir oft miteinander. Vollständiges
Wissen in Personen die sich um ihre Hingabe an Gott bemühen, innerhalb eines
islamischen Rahmenwerks zur Reife zu entwickeln, ist weit umfassender als bloße
religiöse Unterweisungen in theoretischen und praktischen Belangen des Islams.
Worum sich Moscheen in England bemühen ist, einige
Einweisungen in den Islam anzubieten. Das gleiche gilt für das
Ausbildungssystem in der muslimischen Welt, selbst an Universitäten und
Hochschulen, wenn auch auf höherem Niveau.
So wie Ausbildung
und Erziehung der Schlüssel in unsere Zukunft sind, ist die Zukunft untrennbar
damit verbunden, was wir für uns selbst erträumen; sie wird geradezu durch
diese, unsere Träume definiert. Das mag etwas sehr poetisch klingen; und doch haben nur
helle Träume die Kraft fruchttragende Langzeitstrategien zu entwickeln.
Das Höchste was wir zurzeit zu erreichen suchen ist, dass
unsere Jugend in den staatlichen Schulen wenigstens nicht ent-islamisiert wird
oder gänzlich unvertraut mit dem Islam aufwächst. Dies versuchen wir, obgleich
wir durch die herrschenden Verhältnisse in genau entgegen gesetzte Richtung
gedrängt werden. Denn die säkulare,
nicht-islamische Gesellschaft, in welcher wir uns finden, kann nicht einfach
weg gewünscht werden, auch nicht ihre Schulen, welche die muslimischen
Kinder, in Abwesenheit brauchbarer Alternativen, zu besuchen haben.
Ist eine solche Strategie überhaupt möglich, machbar? Ich
meinte ja – und sogar darüber hinaus.
Allerdings nur, wenn wir bereit sind,
weit über diese eng gesetzten, defensiven Ziele hinaus zu sehen und unser
Augenmerk auf die Erfüllung jener Träume legen, die wir als Muslime zu träumen
hätten. Also wenn wir über Lösungen nachdenken, welche über die gängigen
institutionellen Übereinkünfte und Gewohnheiten hinausgehen und auf welche
unser Denken, so sieht es unglücklicherweise aus, festgefahren ist.
Ziel und Strategie
Also, wovon sollten wir träumen? Offensichtlich sind wir nicht willens assimiliert zu werden oder
überhaupt „verloren“ zu gehen. Sonst wollten wir nicht nach einer Erziehungs-
und Ausbildungsstrategie Ausschau halten. Sollten wir dann als widerwillig
akzeptierte sub-kulturelle Minderheit leben, ständig „belagert“ und ständig
darum kämpfend, die kleine Nische zu erhalten, welche man erlaubt hatte für uns
zu schaffen? Vielleicht ist dies das Schicksal, mit welchem die meisten von uns
sich bereits abgefunden haben.
Und dennoch habe ich kaum einen Zweifel darüber, wie unser Traum aussehen sollte.
Der Gesellschaft, in
welcher wir leben, den Frieden (islam)
zu bringen, und Gerechtigkeit (qist),
welche unserer Meinung nach nur durch die Hingabe (Islam) an den Einen Gott und dem Folgen Seiner Propheten zu
erreichen ist.
Es gibt keinen Grund
sich dafür zu rechtfertigen oder deswegen furchtsam zu sein. Genau sowenig
bedeutet dies zu einem Missionierungsfeldzug aufzubrechen oder in den Krieg zu
ziehen.
Sondern es bedeutet vielmehr,
als Vollmitglieder einer Gesellschaft, welche von sich demokratisch zu sein
beansprucht und in dessen Zukunft wir gleichen Anteil haben, die Pflicht zu
erfüllen, welche wir unseren Mitbürgern, uns selbst und unserem Schöpfer
gegenüber haben. Und es ist auch ihr Recht, welches sie uns gegenüber zu
beanspruchen haben.
Mit unseren Nachbarn, mit unserer Gesellschaft müssen wir den reichen Schatz
der uns gegebenen göttlichen Rechtleitung teilen, über unsere guten Taten und
guten Werke, durch Überzeugung und Selbstgewissheit, doch in bescheidener
Zurückhaltung und Anteilnahme.
Unsere Strategie für die Erziehung unserer Jugend sollte daher auf die Erfüllung
unseres Traums gerichtet sein. Einfach gesagt: Wenn sie den Islam kennt, weiß sie auch die Welt in seinem Lichte zu
verstehen und ist derart in Lage, ihre Mitmenschen einzuladen, in Hingabe an
ihren Schöpfer zu leben.
Nur dann werden unsere Kinder - und nicht nur unsere
Kinder in Sicherheit sein. Als Muslime haben wir keine andere Wahl, außer
diesen Weg zu gehen.
Erstens ist es ein integraler Bestanteil dieses Prozesses
andere einzuladen, sich dem Schöpfer zu ergeben und auch Aufgabe, selbst ein
guter Muslim zu sein. Und ist es nicht
das, was wir für unsere Kinder wünschen – gute Muslime zu sein? Daher
müssen sie lernen, dass sie dies nicht werden können, solange sie nicht andere
zu sich einladen, mit ihnen zu sein.
Zweitens, solange wir auf das Beste wünschen und darauf
hin arbeiten, so realisiert sich dies in diesem Maße, selbst wenn unsere
Bemühungen dies zu erreichen, so gering wie diese jetzt sind, uns zurzeit davon
entfernen mögen.
Verteidigungsstrategie
Warum? Hauptsächlich weil eine kleine kulturelle Insel,
inmitten einer weiten, fremden See, ständig durch hohe und mächtige Wellen
bedroht, kaum hoffen kann, sich
Eingriffen und Beeinträchtigungen durch eine rein defensive Haltung und
defensive Maßnahmen zu entziehen. Besonders heute sind die Unwegsamkeiten
so deutlich wie nie zu vor solchem Überleben entgegen gestellt. Durch
Institutionen wie den allmächtigen Staat, die allgegenwärtigen Medien, dem
Pflichtschulsystem, den überall eingreifenden Sozialdiensten, den Tentakeln der
vorherrschenden Kultur, welche an jeden Herd, in jedes Haus, jedes Herz und
jeden Kopf vordringen.
Defensive Ziele erzeugen darüber hinaus auch noch
ängstliche Geister – kaum imstande jene Gewalt zu überkommen, welche den
Angriff und Griff herrschender Kulturen tragen. Auch schreiben sie nur solche
Maßnahmen vor, welche in das herrschende System passen. Und wenn sie auch in
einer laufenden Auseinandersetzung wesentlich sind, ist doch ihr Nutzen
begrenzt.
Zusammenfassend sei gesagt, selbst als Muslime mit einer
„islamischen“ Identität aufzuwachsen, als Minderheit anerkannt zu sein, wäre
nicht möglich, solange wir unserer Jugend nicht das Ziel vorgäben, die
Gesellschaft Muslim zu machen.
Hauptsächlich deswegen, weil dies die Natur des Islams ist. Doch auch deswegen,
weil das Wissen über den Islam nur mitzuteilen, nicht ausreichend wäre. Wir brauchen eine starke Gegenkultur.
Nur aus einer inneren,
geistigen Quelle gespeist, kann die kulturelle Begegnung mit Selbstbewusstsein,
mit der Überzeugung angetreten werden, dass sie etwas zu geben und nicht bloß zu nehmen hat. Nur mit dem Geist für einen
Auftrag die Gesellschaft zu verändern, kann solch eine Gegenkultur, solch eine
alternative Gesellschaft innerhalb der existierenden Gesellschaft geschaffen
werden. Vielleicht wird es uns nicht gelingen die Gesellschaft zu ändern, auch
wenn dieses Ziel zu erreichen nicht unmöglich ist, doch in jedem Falle sollten
wir überleben. Denn, sobald wir es geschafft haben unsere Kinder mit unserer
Erziehung, dem Ideal zu tränken, wird eine dramatische Umkehr in ihrer Denken
erfolgen, vielmehr in ihrem ganzen Persönlichkeitsaufbau. Weit vom
„empfangenden“ Ende der kulturellen Weitergabe weg, wären sie an das „gebende“
Ende versetzt. Nur dies kann die momentan grauenvolle Entwicklung menschlicher
Geschichte umkehren.
Eine Gesellschaft
innerhalb einer Gesellschaft erstehen zu lassen, ein Umfeld innerhalb eines
Umfelds, muss das grundlegende, langzeitliche Element unserer Strategie sein. Dennoch ist der kurzfristig
umzusetzende Teil nicht weniger wichtig; nämlich jeden Zentimeter unseres
kulturellen Territoriums zu verteidigen und uns innerhalb des Systems so weit wie möglich vorwärts zu bewegen. Eine
Kultur wie der Islam braucht diesen doppelt geführten Vortrieb.
Kurzzeitstrategie
Beachte zuerst das letztere.
A:
Die Abend- und
Wochenendschulen, meistens in den Moscheen nahmen die Herausforderung an,
Islam Unterricht zu einer Zeit anzubieten, als die Muslime keine andere
Möglichkeit hatten diesem Problem zu begegnen. Deren enormen, immer noch
aufrecht gehaltenen Beitrag zu würdigen ist von größter Wichtigkeit. Doch mehr
noch muss getan werden.
Erstens sind kurze
und länger andauernde Kurse einzurichten, um die Weiterbildung der Lehrer
zu erreichen und neue Lehrer auszubilden. Lehrer sollten leistungsfähiger und mitfühlender
sein, ausreichend kompetent, um innerhalb der zeitgenössischen Gesellschaft zu
agieren und in der Lage sein, so zu unterrichten, dass Langzeit-Ziele
verwirklicht werden, wie oben bereits angeführt. Neue Lehrer sollten die
staatlichen Schulen absolviert haben und wer ohne Arbeit bleibt, könnte
rekrutiert werden - und sie alle brauchten eine ordentliche Motivation um
vorwärts zu gehen.
Zweitens, lasst die
Kinder den Quran verstehen, den
sie mit so großer Mühe lesen. Lasst sie auch mit der Gefolgschaft des Propheten
(Friede auf ihm) vertraut werden und mit der islamischen Geschichte. Nichts
vermag die Identität und Kultur dermaßen zu konturieren, als es Geschichte
vermag.
Drittens, bezieht
die Kinder in die Gemeinde Aktivitäten der Erwachsenen mit ein, selbst wenn
es so einfache Dinge sind, die Moschee zu reinigen, die Leute zum Gebet zu
rufen, usw.
Viertens ist ein
sorgfältig aufgebauter Lehrplan ein Muss. Gegenwärtig mag so etwas nicht
machbar sein, doch sollten die Bemühungen, solch einen fertig zustellen nicht
nachlassen.
Fünftens, mobilisiert
das Maximum an staatlichen Subventionen – Unterstützungen, Lokalitäten –
für diesen „Zusatzunterricht“.
In all dem, muss
die Aufgabe der Ausführung jenen überlassen bleiben, die bereits involviert
sind; gut meinende Außenseiter sollten bloß ihre Ideen einbringen.
B:
Bemühungen, eigene
muslimische Schulen zu errichten, sollten intensiver und systematischer
angegangen werden, besonders für Mädchen auf Kindergarten Ebene. Nehmt
pragmatisch das Erreichbare, doch fahrt unermüdlich fort, das Ideal zu
erreichen.
C:
Bemühungen, innerhalb
staatlicher Schulen und Hochschulen Raum für islamischen Unterricht zu schaffen,
müssen fortgesetzt werden. Es gibt den Rahmen, mehr Raum dafür innerhalb des
Schulbetriebs zu erreichen, wenn das vom Gesetz und der Gesellschaft
vorgesehene Potential einfallsreicher ausgeschöpft wird.
D:
Aufeinander abgestimmte
politische Aktionen sollten organisiert werden, um sicher zu stellen, dass den
Kindern ermöglicht wird, den islamischen Regeln zu folgen, wie das Einhalten
der Geschlechtertrennung, Ernährungsvorschriften und des Gebets. Dies erachte
ich als weit wichtiger, als ein oder zwei Stunden Islamunterricht in der Woche.
Informationen können vergessen werden, werden vergessen, doch lebendige, täglich
ausgelebte islamische Regeln werden als islamische Identität unauslöschlich ins
Bewusstsein eingeprägt. Um diese Tragweite zu verstehen, denkt an die
Demonstration in Derby, gegen das Recht den „Shalwar“ (indo-pak. Kleidung) zu tragen und in Bradford gegen Halal Nahrungsmittel.
Alle die bislang erwähnten Maßnahmen sind wesentlich. Doch
keine von diesen ist die letzte Antwort auf unsere Probleme. Keine von ihnen
wird von sich aus unsere Träume wahr machen. Jede vermag dennoch Wichtiges als
integrierter Teil zu unserer Gesamtstrategie beitragen.
Eigene Schulen für Muslims
Wollen wir uns nun etwas genauer einer der erforderlichen
Zielsetzungen unserer Strategie zuwenden: Eigene Schulen für Muslime. Unser Recht, solche zu unterhalten, kann
nicht geleugnet werden und deren Wichtig- und Dringlichkeit kann nicht
überbetont werden. Und dennoch können sie weder alle unsere erzieherischen
Probleme lösen, noch unsere Langzeit-Ideale erreichen oder Bedürfnisse
befriedigen.
Wie soll eine Schule für Muslime aussehen? Sie wird von
Muslimen verwaltet, muslimische Lehrer unterrichten (so weit möglich), doch von
der Regierung unterhalten, unterliegt es deren Regelungen. Dem staatlichen
Lehrplan ist zufolgen, auch wenn Islam unterrichtet wird und islamische
Regelungen eingehalten werden. Seine Türen haben für Kinder aller
Glaubensrichtungen offen zu sein und die vermittelte Ausbildung muss mit
höherer Ausbildung und dem Arbeitsmarkt kompatibel sein. Wollen wir nun
untersuchen, was diese Schulen leisten können und was nicht.
Erstens können die derzeitigen muslimischen Schulen nicht
mehr als staatliche Schulen plus
islamische Fächer sein, plus etwas
islamisches Benehmen innerhalb seiner vier Wände, plus muslimische Verwaltung, plus
möglicherweise einige muslimische Lehrer. Das Resultat also wird sich
vielleicht nicht signifikant von dem unterscheiden, welches in vielen
muslimischen Ländern erzielt wird. Oder, wie eine Islamische Organisation vor
kurzem über die bislang errichteten Schulen berichtete: „In vielen Fällen besteht der einzige Unterschied zwischen diesen
muslimischen und den staatlichen Schulen im Namen … einige von ihnen haben
islamische Fächer in ihre Lehrpläne aufgenommen, dennoch haben wir den
Eindruck, dass die wesentliche Eigenschaften einer muslimischen Schule vermisst
werden.“
Zweitens erhebt sich die Frage, wenn der wesentlichste
Faktor, diese wesentlichen Eigenschaften umzusetzen, der Lehrer ist, ob es genug qualifizierte Muslime gibt und sei es nur auf
Sekundarschulebene? Eine Schule für Muslime, kommt daher kaum daran vorbei,
nicht muslimische Lehrer einzustellen, den gleichen Lehrstoff wie an
staatlichen Schulen zu unterrichten, so wie dies sogar an einigen, von Moscheen
betriebenen Schulen geschieht. Und darüber hinaus unterscheiden sich viele
muslimische Lehrer von ihren nichtmuslimischen Kollegen nur dem Namen nach.
Drittens wäre zu klären, ob innerhalb des größeren
Kontexts einer säkularen Gesellschaft die Muslime wohl erfolgreicher mit ihren
Muslim Schulen wären, gute Muslime auszubilden, als wie die christlichen und
jüdischen Schulen es vermögen, gute Christen und gute Juden hervorzubringen?
Ich kritisiere jetzt nicht die Schule als Institution an
sich, die wir unhinterfragt als geeignetes Medium ansehen, um gute Muslime
heranzubilden. Dennoch sollten wir uns daran erinnern, dass diese eine soziale
Erfindung des Westens sind, kaum 200 Jahre alt – erfunden, um dessen
Errungenschaften und Werte zu verewigen. Errichtet in Resonanz zu den komplexen
und spezialisierten zeitgenössischen, ökonomischen Rollen unterrichten sie
hauptsächlich Fertigkeiten, um den Lebensunterhalt verdienen zu können; sie
lehren nicht die Bedeutung des Lebens. Ihre Rituale, die Zeugnisse, wie
Zertifikationsurkunden erlauben gerade mal das Passieren in eine
arbeitsorientierte Welt.
Viertens kann die Effektivität der muslimischen Schulen
sehr begrenzt darin sein, Geist und Charakter zu bilden. Wie viel Zeit
verbringt ein Kind in der Schule? Sehr wenig. Nach S. Naimud-Din (monatliche
Zeitschrift Azan, Birmingham, Nov.
1983) 1.235 Stunden im Jahr (3,45 Stunden täglich) das sind 14,1% seiner
gesamten Zeit (8.700 Stunden) oder 25,2% jener Zeit, die es wach ist (wenn es
10 Stunden täglich schläft, was die wenigstens allerdings tun).
Fünftens gibt es nicht unbegründete Ängste, dass die
Absolventen solcher Schulen Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt erfahren
werden. Oder, wenn sie in solcher Abgeschlossenheit ausgebildet werden, könnten
sie nicht ausreichend vorbereitet sein, um erfolgreich Höhere Schulen zu
besuchen oder im späteren Leben ganz allgemein erfolgreich zu sein.
Aber, auch wenn wir diese weltlichen Überlegungen vorerst
durchaus mal außer Acht lassen, sollten wir 2 Aspekte nicht übersehen. Erstmals könnten die Absolventen dieser
Schulen zu wenig soziale Ausbildung erhalten um islamisch mit jenen interagieren zu können, mit denen sie arbeiten
und leben. Und zweitens könnten sie keine Gelegenheit wahrnehmen, Eindruck in
Mitschülern und Lehrern auf den staatlichen Schulen zu hinterlassen.
Diese erwähnten Befürchtungen können nicht einfach
leichtfertig zur Seite gewischt werden.
Sechstens kann in der momentan entzweiten Lage kaum
gehofft werden, dass die Muslime sich auf einen einheitlichen Lehrplan oder
eine einheitliche Verwaltung einigen könnten. Interne Zwistigkeiten könnten die
Errichtung solcher Schulen gänzlich verhindern. Man könnte durchaus das
gleichzeitige Entstehen von Barelvi Schulen, einer Deobandi Schule oder Salafi
Schule in ein und demselben Ort erleben. (Nur der Mangel an entsprechenden
Mitteln verhindert möglicherweise so eine unerfreuliche Szene.)
Siebentens und letztens, wenn auch auf vernünftige Weise
zufrieden stellende muslimische Schulen errichtet werden würden, ist deren
benötigte große Anzahl vollkommen außerhalb machbarer Reichweite. Niemand weiß
genau, wie viele muslimische Kinder die Schulen besuchen – doch 100.000 bis
200.000 im ganzen Land werden es wohl sein. Können wir alle, für diese Kinder
benötigten Schulen errichten? Sollten wir uns damit begnügen, einige wenige, an
einigen wenigen Orten auszubilden?
All dies wurde nun nicht erwähnt und gesagt, um von der
Errichtung muslimischer Schulen abzubringen. Dennoch könnte jemand fragen:
„Warum sollen wir dann unsere Energie daran verschwenden?“ Weil eine brauchbare
Strategie, wie schon erwähnt, alle Möglichkeiten
mit einzubeziehen hat, inklusive aller damit verbundenen Beschränkungen und
weil sie anstehende Probleme anzusprechen hat. Sie sollte daher eine
multi-dimensionale sein. Als Teil einer solchen Strategie, aber nicht allein,
werden muslimische Schulen eine bedeutende Rolle spielen, trotz aller mit ihnen
einhergehenden Beschränkungen und Schwierigkeiten. Mit entsprechender Sorgfalt
sollte es sogar möglich sein, einige zu bewältigen.
Diese Schulen lösten wohl einige anstehende Probleme,
besonders die mit Mädchen zu tun haben. Einmal eingerichtet, wären sie die
Grundlage auf welcher man weiter aufbauen könnte. Die Erfahrungen, welche man
mit deren Aufbau gewonnen hat, wären kostbar für jede weitere Strategie. Sie
bekämen der Kern für weitere Einrichtungen und für die Vorbereitung nötig
gebrauchter Unterrichtsmaterialien, sowohl für den schulischen wie auch den
häuslichen Gebrauch. Bemühungen eigene
Schulen einzurichten hält die Befassung mit Ausbildung und Erziehung am Leben,
richtet die Aufmerksamkeit darauf, was zu tun nötig ist, löst Interesse und
Mitarbeit aus und setzt Mittel frei, die im Moment so derart knapp sind.
Gleichzeitig vermag unser Nachdruck sie zu erreichen, die staatlichen
Autoritäten dazu veranlassen, unsere vielseitigen wichtigen Bedürfnisse
innerhalb ihres Systems zufrieden zu stellen. Und – dies bleibt zu hoffen – mag
dies alles eine Generation hervorbringen, welche dringend benötigte
Führungsqualitäten ihrer Gemeinde zu Verfügung stellen.
All die nun aufgezählten Kurzzeit-Maßnahmen, wenn auch
wichtig, stellen uns nur einen schmalen Steg über einen sich stetig
verbreiternden Abgrund zu Verfügung. Wir sollten nicht unsere ganze Hoffnung
auf sie heften, oder glauben, sie wären das Allheilmittel für all unsere Leiden
und es auch nicht erlauben, dass sie unsere Mittel in unverhältnismäßigem Maße
aufbrauchen. Und auch sollen sie uns nicht das Endziel vergessen machen oder
uns die wirkliche Natur unserer Herausforderung leugnen lassen.
Langzeit-Strategie
So wollen wir uns nun der Langzeit-Strategie zuwenden, die
eine Kultur innerhalb einer Kultur, unter der Kontrolle unserer Einrichtungen
und innerhalb der Grenzen unserer Fähigkeiten und Mittel schaffen wird. Zu den
Einrichtungen gehören: Das Zuhause,
unser Freundeskreis und die Nachbarschaftsgemeinde.
Das Zuhause
Selbst in der
heutigen Zeit spielt das Zuhause eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung
der Persönlichkeit.
Mit fünf Jahren, wenn ein Kind in die staatliche Schule eingeschrieben wird,
hat die Familie bereits eine Menge geleistet: das Kind hat schon eine Menge
gelernt, was zu lernen war; vieles der Kultur wurde bereits vermittelt. Auch
später verbringen die Kinder 86% ihrer Zeit zu Hause oder innerhalb der
Nachbarschaft.
Wenn man von einer fremden, säkularen und erdrückenden
Kultur umgeben ist, sollte das Zuhause den Angelpunkt und das Zentrum der
Strategie für die Schaffung und Aufrechterhaltung eines islamischen Lebens
darstellen. Darauf wird hingewiesen, wenn Allah den Israeliten durch Moses
mitteilt:
"Nehmt
in Ägypten einige Häuser für euer Volk und macht sie zur (Qibla) Begegnungsstätte …“ (Yunus 10:87)
Der Freundeskreis
Als nächstes sind die sozialen Kontakte zu erachten, der
so genannte Freundeskreis. Dieser genießt oft größere Einflusskraft als selbst
die Schule – auch in der Schule.
Daher sollten wir
daran denken, eine Bewegung ins Leben zu rufen, welche jedes Zuhause in eine
islamische Schule verwandelt, jeden jungen Muslim auf ein islamisch orientiertes
Zusammenleben hinführend und das Gemeinschaftsleben auf einen, auf das Tun und
Handeln ausgerichteten, erzieherischen Prozess einstellt.
Ein unmöglicher Traum? Ja, wenn wir glauben er müsse sich
in der unmittelbaren Zukunft bewahrheiten. Aber nein, wenn wir jetzt beginnen, ihn zu
verwirklichen. Was ist dafür zu tun?
Elternbeteiligung
Erstens sollten betroffene Elterngruppen, 5 – 7 Personen
stark, organisiert werden, deren einziges Anliegen die islamischen Erziehung
sein soll – nicht mehr, nicht weniger. Vereinszugehörigkeit oder politische
Differenzen sollten diesem Programm keinerlei Hindernis sein. Denn die Gruppen
sind klein genug, um nur Gleichgesinnte in einer zusammenzufassen. Sind einmal
die ersten Gruppen bebildet, wird sich die Idee weiterverbreiten.
Was hanen diese Gruppen betroffener Eltern zu tun? Sie
werden sich regelmäßig, vorzugsweise einmal die Woche treffen und nur ein Thema
zu besprechen haben; was sie in der
nächsten Woche unternehmen werden, um ihre Kinder innerhalb ihres Zuhauses
auszubilden.
Solche Vorhaben können ganz unterschiedlich aussehen;
Qur’anlesen, Hadith, Sirah, islamische Literatur, Geschichten, sich Kassetten
anhören oder ansehen, sich mit ihnen unterhalten etc. Nachdem sich dies alles
etwas etabliert hat, könnte es sein, dass sich diese Gruppen selbst mit dem
Studium dieser Dinge näher befassen wollen. Doch sollten sie nicht veranlasst
werden, dies vom Beginn weg zu tun.
Gruppen junger Muslime
Zweitens sollte
begonnen werden, Gruppen junger Muslime zu organisieren auf der einzigen
Grundlage, irgendetwas Praktisches für die muslimische Gemeinschaft und den
Islam zu tun.
Sich auch im Islam weiterzubilden soll auch ein Teil ihrer Zielsetzung sein,
allerdings nachrangig. Was sollten sie tun? Einmal sich wöchentlich treffen –
zuhause, in den Moscheen oder wo immer es geht. Doch sollte ihre Beziehung
zueinander nicht eine „einmal die
Woche“ Angelegenheit sein. Sie sollten soviel Zeit miteinander verbringen, wie
dies eben möglich ist, beim in die Moschee gehen, in den Schulen, an den
Spielplätzen etc. Und weiters sollten sie in die verschiedensten Gemeinschaftsaktivitäten so viel wie möglich mit
einbezogen werden. Und drittens sollten sie Da’wah unter ihren Nachbarn als
wichtigste Aufgabe ansehen.
Lehrmaterial
Drittens sollte mehr als nur eine nationale Organisation
die Aufgabe übernehmen, geeignetes Lehr-
und Lernmaterial für die außerschulische Ausbildung zu Verfügung zu stellen;
Bücher, Kassetten, Videos, etc.; für die täglichen/wöchentlichen Qur’an,
Hadith, Siralesungen, Geschichten, Diskussionsmaterial; Unterlagen für die
Eltern, welche diese ihren Kindern zuhause vorlesen können. Material für den
Unterricht in den Schulen ist ebenfalls wichtig. Allerdings werden Schulbücher
nur in wenigen Schulen, wenn diese überhaupt errichtet werden, Gebrauch finden,
wohingegen sie zu tausenden und abertausenden in den Familien, Gruppen,
Vereinen und der Nachbarschaft Verwendung finden.
Neues Sozialleben
Viertens sollten die
Erwachsenen und Jugendlichen gemeinsam ein alternatives soziales
Gemeinschaftsleben aufbauen, mit dem Schwerpunkt auf gemeinsame Unternehmen, wie z.B. alten, bedürftigen und
kranken Menschen zu helfen, Sammlungen für die Gemeinschaft zu veranstalten,
welche die Moscheen, Klubs, Studienkreise, Informationsbroschüren,
Hilfsvereine, Ausstellungen, Sportveranstaltungen, Ausflüge, etc. sponsern.
Ein Ausbildungsprogramm innerhalb der Gemeinschaft zu
starten, indem jedes Heim, das ganze Viertel in eine „Schule“ verwandelt wird
und eine möglichst große Zahl von Männern und Frauen als „Ausbildner“
auszuheben, ist ein grundlegender Wunsch des Islams. Die oben genannten
Maßnahmen werden eine Bewegung auslösen, die als einzige und nachhaltige Lösung
für unsere anstehenden Probleme gelten darf und uns unser Endziel erreichen
lässt.
Schluss
So lasst uns weitermachen Madrasahs einzurichten und
Schulen zu errichten, doch lasst uns nicht dabei aufhören. Wir müssen darüber
hinaus weiter blicken. Lasst uns eine Strategie verwirklichen, die uns
garantiert, dass nicht nur unsere junge Generation Muslim bleibt, sondern alle jungen Leute wie Muslime leben. Und
nicht nur die jungen, sondern wir alle von jener Bildung durchdrungen werden,
welche zu übermitteln der Auftrag des Propheten war: wir verstehen unsere Welt
im Lichte des Islam, wir leben durch den Islam, wir laden unsere Nachbarn ein,
in Hingabe an den Einen Gott zu leben. Das bedeutet, dass das ganze
Gemeinschaftsleben lebendig werden muss, sich zu einer ständigen, dynamischen
Weiterbildung entwickeln muss.
Nur dies wird eine islamische Zukunft für unsere Jugend
sichern können – dies für die muslimische Ummah in diesem Land, genauso wie
irgendwo anders.
Übersetzung:
M.M.HANEL