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Bismillah
Die Gottesliebe
und ihre Kennzeichen
Imam Al Ghazzali -
aus:
"SOME MORAL and RELIGIOUS TEACHINGS of AL - GHAZZALI"
by SYED NAWAB ALI
Published by:
SH. MUHAMMAD
ASHRAF, Pakistan
Übersetzer:
Muhammad M. HANEL
Die Gottesliebe ist der
erhabenste Zustand in der Entwicklung unserer Seele und ihr summum bonum. Reue, Geduld,
Frömmigkeit und andere Tugenden sind dafür bedingende Vorstufen. Diese
Eigenschaften werden, wenn auch selten, doch bei wahrhaft Ergebenen gefunden und die Allgemeinheit, welche dieser
Eigenschaften zwar ermangelt, anerkennt sie als solche jedenfalls dennoch.
Die Gottesliebe ist nicht nur äußerst selten, sondern deren Möglichkeit wird
sogar selbst von Ulema bezweifelt,
welche sie einfach als (Gottes)Dienst bezeichnen. Deshalb, weil Liebe - ihrer
Meinung nach - zwischen Geschöpfen der gleichen Art besteht und da Gott über
unser aller Art und Weltlichkeit erhaben ist, ist Seine Liebe eine
Unmöglichkeit. Aus diesem Grund wären die oft besprochenen ekstatischen
Zustände der „wahrhaft Geliebten Gottes“ reine Einbildung. Weil
nun dies von der Wahrheit weit entfernt ist und durch die Verbreitung
falscher Ansichten der Fortschritt der seelischen Entwicklung gehemmt wird,
werden wir dieses Thema kurz besprechen.
Als erstes zitieren wir
Abschnitte aus dem Qur’an und den Ahadith, welche die Gottesliebe
bezeugen.
O ihr, die ihr glaubt, wer sich von euch
von seinem Glauben abkehrt, wisset, Allah wird bald ein anderes Volk bringen,
das Er liebt und das Ihn liebt, (das) demütig gegen die Gläubigen und hart
gegen die Ungläubigen (ist); sie werden auf Allahs Weg kämpfen und werden den
Vorwurf des Tadelnden nicht fürchten. Das ist Allahs Huld; Er gewährt sie,
wem Er will; denn Allah ist Allumfassend, Allwissend. [5:54]
Und es gibt unter den Menschen einige,
die sich außer Allah Seinesgleichen (zum Anbeten) nehmen und lieben, wie man
(nur) Allah lieben soll. Die aber, die glauben, lieben Allah noch mehr. Und
wenn (doch nur) diejenigen, die Unrecht tun, angesichts der Strafe sehen
könnten, dass die Macht gänzlich bei Allah ist und dass Allah streng in der
Bestrafung ist! [2:165]
Diese Abschnitte bezeugen
nicht nur die Gottesliebe, sondern weisen auch auf die Unterschiedlichkeit
ihrer graduellen Ausprägung hin. Der Prophet (as) hat uns darüber belehrt,
dass die Gottesliebe eine der wesentlichen Glaubensbedingungen ist.
„Keiner von euch ist
ein wahrhaft Gläubiger, solange er nicht Allah und Seinen Gesandten mehr
liebt, als irgendetwas anderes.“
Wahrhaftig, wie der
Qur’an sagt:
Sprich: "Wenn eure Väter und eure
Söhne und eure Brüder und eure Frauen und eure Verwandten und das Vermögen,
das ihr euch erworben habt, und der Handel, dessen Niedergang ihr fürchtet,
und die Wohnstätten, die ihr liebt, euch lieber sind als Allah und Sein
Gesandter und das Kämpfen für Seine Sache, dann wartet, bis Allah mit Seiner
Entscheidung kommt; und Allah weist den Ungehorsamen nicht den Weg." [9:24]
Ein Mann kam zum Gesandten
(as) und sagte: „Ich liebe Euch, O Gesandter Gottes.“ „So
sei bereit für die Armut“, erwiderte der Prophet, „und ich
liebe Allah.“ sprach der Mann weiter. „So sei bereit
Heimsuchungen zu begegnen“, entgegnete ihm der Prophet.
Folgende Überlieferung wird
von Kalif Omar erzählt:
Eines Tages sah der Prophet
Musab, den Sohn Umairs mit einem Schaffell um die Hüften auf sich zukommen.
„Seht“, sagte der Prophet zu seinen Gefährten, „wie Gott
sein Herz erleuchtet hat, Ich sah ihn in ohne Sorgen in wohlhabenden
Verhältnissen mit seinen Eltern leben, doch nun hat seine Liebe zu Allah und
seinem Gesandten diese Änderung an ihm bewirkt.“
Der Prophet pflegte wie
folgt zu beten:
„Mein Gott – gib
mir Deine Liebe und die Liebe dessen, der Dich liebt und die Liebe zu jenen
Taten, welche mich Deiner Liebe näher bringen und mach mir Deine Liebe süßer,
als kaltes Wasser dem Dürstenden.“
„Wahrlich, Allah
liebt jene welche bereuen und die sich reinigen.“ [2:222]
„Sprich: "Wenn ihr Allah
liebt, so folgt mir. Lieben wird euch Allah und euch eure Sünden vergeben;
denn Allah ist Allvergebend, Barmherzig." [3:31]
Zuvor haben wir gesagt, dass
Liebe bedeutet, sich nach dem Objekt der Liebe zu sehnen und dass Wohltaten
und Schönheit, ob nun empfunden oder gegeben, unsere Herzen erfreuen. Doch
wenn das Wort Liebe in Bezug auf Gott verwendet wird, trifft diese Definition
nicht zu, denn in ihr liegt Begrenztheit und Unvollkommenheit.
Die Liebe Gottes zu den
Menschen ist Seine Liebe zu Seinem eigenen Geschöpf.
Jemand las oben zitierten
Vers aus dem Qur’an in Gegenwart von Scheich Abu Said von Mohanna, der
in wie folgt interpretierte:
„Er liebt Sich
Selbst, denn Er alleine existiert. Gewiss ist die Liebe von jemandem der sich
selbst liebt, auf sich selbst beschränkt. Die Liebe Gottes bedeutet, dass
Gott den Schleier vor Seines Dieners Herzen lüftet, sodass dieser einen Blick
auf Ihn werfen möge. Es bedeutet auch, diesen näher an Ihn heranzubringen.
Lasst mich das an einem Beispiel veranschaulichen.
Ein König gestattet einigen
seiner Sklaven in seiner Gegenwart zu erscheinen. Nicht, weil er ihrer
bedürfte, sondern weil diese Sklaven Eigenschaften aufweisen, welche würdig
sind, in Gegenwart seiner Majestät in Erscheinung zu treten. Dieses Privileg,
dieses Heben des Schleiers bringt uns der Empfindung der Liebe Gottes näher.
Doch sollte dabei beachtet werden, dass das Erleben göttlicher Präsenz
gänzlich ohne räumliche Vorstellung zu verstehen ist, denn das setzte eine
Änderung Seiner (unveränderlichen, von Örtlichkeit unabhängiger Omnipräsenz,
Anm. d. Übers.) voraus, welches gänzlich absurd ist.
Göttliche Nähe bedeutet den
Anteil an göttlicher Tugenden durch den Abstand von fleischlicher Versuchung
und meint daher die Annäherung vom Blickwinkel der Eigenschaften und nicht
von dem der Räumlichkeit. Zum Beispiel, zwei Personen treffen einander, indem
beide aufeinander zugehen oder einer der beiden steht und der andere bewegt
sich auf ihn zu. Oder, ein Student bemüht sich den Wissensstand,
„level“ seines Professors zu erreichen, der sich gleichsam auf
einer höheren Ebene befindet. Des Studenten nach oben gerichteter Reise in
Richtung Wissen lässt ihn ruhelos immer weiter nach oben klettern, bis er den
Glanz erblickt, welchen das Antlitz seines Meisters umgibt.
Die Natur göttlicher Nähe
ähnelt der innerlichen Reise unseres Studenten; das bedeutet, je mehr ein
Mensch Einsicht in die innere Natur der Dinge erlangt – und die
Beherrschung seiner eigenen Leidenschaften führt zu einem Leben in
Rechtmäßigkeit – umso näher kommt er seinem Herrn.
Doch es muss in Erinnerung
behalten werden, dass ein Schüler seinen Meister erreichen, ja ihn sogar
übertreffen, ihn überholen kann, doch was die göttliche Nähe betrifft, ist
solch eine Ebenbürtigkeit ausgeschlossen.
Die Liebe Gottes bezeichnet
jenes, welches das Herz Seines Dieners in solcher Weise reinigt, dass er
würdig ist, in die Seine heilige Gegenwart verbracht zu werden.
Man mag vielleicht fragen:
„Wie können wir wissen, dass Gott eine bestimmte Person liebt?“
Meine Antwort darauf ist, dass es bestimmte Zeichen gibt, welche Zeugnis
dafür ablegen.
Der Prophet (as) sagt:
„Wenn Gott Seinen
Diener liebt, dann sucht er ihn heim in Trübsal und wenn Er ihn noch mehr
liebt, dann trennt er dessen Beziehung zu allem.“ Jemand sagte zu Jesus
(as): „Warum kaufst du dir keinen Esel für dich selbst?“ Jesus
antwortete: „Mein Gott erlaubt es nicht, dass meine Aufmerksamkeit
durch einen Esel gefesselt wird.“ Eine andere Überlieferung von
Muhammad (as) berichtet wie folgt: „Wenn Gott einen Seiner Diener
liebt, schickt Er ihm Mühsal. Wenn der Diener diese geduldig erträgt, erlangt
er seines Herrn Gefallen und wenn er ihnen freudig entgegensieht, wird er
unter die Erwählten Gottes gezählt. Wahrlich ist diese freudige geistige
Haltung gegenüber den Schicksalsschlägen – guten oder schlechten
– das größte Zeichen der Liebe. Solche Geister befinden sich in
umfassender Obhut, was ihre Gedanken, Handlungen und ihren Umgang mit den
Menschen betrifft. Der Schleier ist gelüftet und sie befinden sich im Zustand
verhüllter Verbindung.
Was die Zeichen der
menschlichen Liebe zu Gott betrifft, so sei gewiss, dass jedermann
beansprucht Ihn zu lieben, doch nur wenige lieben Ihn wirklich. Hüte dich vor
Selbstbetrug: verifiziere deine Behauptungen durch Einsicht in dein Inneres.
Die Liebe ist wie ein tief verwurzelter Baum, dessen Äste in den höchsten
Himmel reichen; seine Früchte findest du im Herzen, der Zunge und den
Gliedern des Liebenden – in Wirklichkeit ist sein ganzes Selbst Zeuge
der Liebe, so wie Rauch das sichere Zeichen für Feuer ist.
Lasst uns also die Zeichen
aufspüren, die im wahrhaft Liebenden gefunden werden.
Der Tod ist ihm eine
Freude, denn er entfernt das Hindernis der Körperlichkeit und lässt die
fluttering Seele frei im Haus des Geliebten jauchzen und singen. Sufyan
Thauri pflegte zu sagen: „Der Zweifler verabscheut den Tod, denn ein
Freund würde niemals ablehnen, den Freund zu treffen.“
Ein Sufi fragte einen
Einsiedler, ob er sich den Tod ersehnte, doch der gab ihm keine Antwort. Da
sagte der Sufi zu ihm: „Wärst du ein wahrer Einsiedler, liebtest du den
Tod.“ Der Qur’an sagt:
Sprich: "Wenn die Wohnstätte des
Jenseits bei Allah nur euch gehört, unter Ausschluß anderer Menschen, dann
wünscht euch den Tod, wenn ihr wahrhaftig seid!" Doch nie werden sie ihn
herbeiwünschen wegen dessen, was ihre Hände vorausgeschickt haben, und Allah kennt
die Ungerechten.[2:94-95]
Der Einsiedler erwiderte:
„Doch der Prophet sagt: „Wünscht euch nicht den Tod.“
„Dann wirst du leiden“, sagte der Sufi, „denn die
Zufriedenheit mit dem göttlichen Beschluss ist besser, denn ihm zu
entfliehen.“
An dieser Stelle mag man
fragen: Kann einer ein Liebender Gottes sein, und den Tod nicht lieben? Lasst
uns zuerst die Natur seiner Abneigung betrachten. Besteht sie wegen seiner
Verbindung zu weltlichen Dingen, wie Frau, Kinder usw.? So ist es dennoch
möglich, dass mit dieser Anhaftung, die zweifellos seiner Liebe zu Gott in
die Quere kommt, ein bestimmtes Maß an Hinwendung zu Seiner Liebe bestehen
kann, denn es gibt verschiedene Grade der Gottesliebe. Es mag aber auch sein,
dass seine Abneigung aufgrund der nicht vorhandenen Bereitschaft für den Weg
der Liebe besteht. Vielleicht wünschte er mehr zu lieben, um sich mehr
reinigen zu können, geradeso wie ein Liebender vor der Ankunft des Geliebten,
gerne noch mehr Zeit hätte, einen geziemenden Empfang vorzubereiten. Aus
diesen Gründen kann ein Verehrer, auch wenn er den Tod nicht schätzt, immer
noch Sein Liebender sein, allerdings von geringerer Art.
Er sollte sowohl innerlich,
wie äußerlich das Wohlgefallen Gottes seinen eigenen Wünschen vorziehen. Denn
einer, der den Befehlen seiner eigenen Begierden gehorcht, ist kein wahrhaft
Liebender, denn des wahrhaft Liebenden Wille ist der Wunsch des Geliebten.
Doch ist des Menschen Natur nicht so gebildet und solche Selbstlosigkeit ist
sehr selten. Kranke möchten gerne geheilt werden und doch essen sie oft
Dinge, welche ihrer Gesundung abträglich sind.
Gleicherweise möchte ein
Mensch Gott lieben und folgt dennoch lieber seinen eigenen Eingebungen. Noman
war ein Sünder, der letztlich doch die Peitsche zu spüren bekam, auch wenn er
vom Propheten ständig in Schutz genommen worden war. Während er gepeitscht
wurde, beschimpfte ihn jemand wegen seiner Frevelhaftigkeit. Da sagte einer:
„Schimpfe ihn nicht, denn er hegt dennoch Hochachtung für Gott und
Seinen Gesandten.“
Die Erfahrung lehrt uns, dass
ein Liebender alles liebt, was mit dem Geliebten zu tun hat. Daher ist ein
weiteres, sicheres Zeichen für die Liebe zu Gott, die Liebe zu Seinen
Geschöpfen, die doch Er erschaffen hat und die von Ihm abhängig sind. Denn
wer einen Dichter oder Komponisten liebt, liebt er denn nicht deren Gedichte
oder Lieder?
Diese Stufe der Liebe wird
erreicht, wenn des Liebenden Herz tief in Liebe versunken ist und je tiefer
er darin versunken ist, desto mehr wird er von Gott aufgenommen und umso mehr
wird er Gottes Schöpfung lieben, so dass selbst jenes, welches ihm Schmerz
zufügt, nicht mehr von ihm ungeliebt bleibt – tatsächlich wird das
Problem des Schlechten in seine Liebe zu Gott überführt.
Es mag an dieser Stelle
eingewendet werden, dass daraus folgt, dass er Übeltäter und Sünder liebt.
Die tiefe Einsicht in die Natur solcher Liebe aber zeigt, dass er sie als
Geschöpfe Gottes liebt, doch gleichzeitig ihre Taten hasst, die im
Widerspruch zum Befehl seines Geliebten stehen. Wenn dieser Punkt aus den
Augen verloren wird, dann sind die Menschen gefährdet in ihrer Liebe und
ihrem Hass, den sie für die Geschöpfe Gottes empfinden, fehl zu gehen. Wenn
sie ihre Liebe einem Sünder gegenüber zeigen, geschehe dies aus reinem
Mitleid und ohne jeden Anflug daran, die Sünde leicht zu nehmen.
Gleichermaßen soll ihr Hass aus der Bewusstheit Seines strikten Gesetzes
entspringen und nicht rücksichtsloser Scheinheiligkeit.
In einem der Hadith Qudsi sprach Gott: „Meine
Heiligen sind jene, die wie ein Kind nach meiner Liebe weinen, die Meiner gedenken
wie ein furchtloser Löwe im Antlitz von Frevel.“
Eine ehrerbietige
Geisteshaltung ist ein weiteres Zeichen der Gottesliebe. Einige halten die
Furcht der Liebe als entgegengesetzt, doch die Wahrheit ist, dass, genauso
wie das Empfinden von Schönheit, Liebe erwirkt, das Gefühl von Ehrfurcht in
uns erweckt wird, wenn wir Kenntnis von Seiner erhabenen Majestät erlangen.
Liebende begegnen einander in einer, für Außenstehende unbekannten Furcht. Das ist es die Furcht unbeachtet zu bleiben,
die Angst, dass der Schleier herabgelassen wird, die Furcht abgewiesen zu
werden. Als die Sure Hud offenbart
wurde, in welcher der Untergang von verworfenen Völkern erzählt wurde:
„Hinweg mit Samood, hinweg mit Midian“,
seufzte der Prophet und sprach: „Diese Sure
hat mich zu einem alten Mann gemacht.“ Wer Seine Nähe liebt,
wird tatsächlich Furcht verspüren, aus dieser Nähe wieder hinweggebracht zu
werden. Es gibt auch die Angst auf einer bestimmten Stufe der Nähe stehen zu
bleiben und nicht mehr näher zu kommen, denn die Stufen zu Seiner Nähe sind
unendlich. Ein wahrlich Liebender versucht immer, Ihm näher und näher zu
kommen. „Ein dünner Schleier bedeckt mein
Herz“, sagte der Prophet, „da
erbitte ich Seine Vergebung 70 mal Tag und Nacht.“ Das bedeutet, dass der Prophet
sich ständig auf Ihn zu bewegte, auf jeder Stufe um Vergebung flehte und jede
Stufe als niedriger empfunden wurde, als die nächste.
Eine weitere Furcht ist die
vor zu großer Selbstsicherheit, welche die Anstrengungen ermüden lassen und
den Fortschritt verhindern. Hoffnung und Furcht sollen die Führer der Liebe
sein. Einige Sufis behaupten, dass ohne Furcht, der Verehrer Gottes dem
Irrtum und Misserfolg verfallen ist; wer Ihn in Furcht verehrt, wird düster
und wird verworfen, doch wer Ihn liebevoll verehrt in Hoffnung und Furcht,
wird von Ihm angenommen und begnadet. Daher sollten Liebende Ihn fürchten und
wer Ihn fürchtet, sollte Ihn lieben. Selbst überschwängliche Liebe beinhaltet
eine Spur von Angst; wie Salz im Essen. Die menschliche Natur kann die weiße
Glut Seiner Liebe nicht ertragen, außer sie wird durch die Furcht vor dem
Herrn gemildert und besänftigt.
Diese Liebe geheim zu
halten und sie der Öffentlichkeit nicht preiszugeben ist ein weiteres Zeichen
Seiner Liebe. Denn die Liebe ist das Geheimnis der Liebenden. Sie sollte öffentlich
nicht gezeigt oder bekundet werden. Allerdings, wenn man von der Liebe
überwältigt wird, offenbart sich dieses Geheimnis ohne jedes Wollen oder
Heuchelei und dafür sollte man nicht verantwortlich gemacht werden. Einige
Sufis sagen: Wer häufig auf Ihn zeigt, ist fern von Ihm, denn er täuscht nur
vor und protzt mit seiner Liebe zu Ihm. Dhun Nun, der Ägypter besuchte einst einen seiner Sufi Brüder der in Not
war und gewöhnlich sehr offen über seine Liebe sprach. „Wer die Schärfe
des von Ihm verursachten Schmerzes verspürt“, sagte Dhun Nun,
„ist kein wirklich Liebender.“ „Wer keine Lust in diesem
Schmerz verspürt“, erwiderte der Sufi „ist kein Liebender.“
„Das ist wahr“, antwortete Dhun Nun „und doch sage ich dir,
wer seine Liebe zu Ihm in die Welt hinaus posaunt, ist kein Liebender.“
Der Sufi spürte die Gewalt in Dhun Nuns Worten und fiel in Anbetung vor Gott
nieder, bat um Vergebung und sprach nie wieder über seine Liebe zu Ihm.
Es mag eingeworfen werden:
Göttliche Liebe ist die höchste Stufe, so - was ist schlechtes daran, sie
kund zu tun? Kein Zweifel, Liebe ist gut und wenn sie aus sich selbst heraus
offensichtlich wird, gibt es dagegen nichts einzuwenden. Doch jenen, welche
sich dabei anstrengen, sie publik zu machen, gilt der Vorwurf. Lasset unsere
Herzen sprechen, unsere Taten sie verkünden, doch nicht unsere Zunge. Vielmehr sollte der Liebende sie stets vor
dem Geliebten zum Ausdruck bringen. Das Neue Testament sagt: „Gebt gut
acht, eure Almosen nicht vor den Augen des Volkes zu geben, denn sonst habt
ihr keinen Lohn vom Vater, der im Himmel ist. Daher trommelt und posaunt es
nicht hinaus, wie die Heuchler es tun in den Synagogen und in den Strassen, damit
sie das Lob der Menschen ernten. Wahrlich ich sage euch, sie werden ihren
Lohn empfangen. So - wenn ihr Almosen spendet, lasset die linke Hand nicht
wissen, was die rechte tut, so dass euer Almosen verborgen bleibt und euer
Vater, welcher das Verborgene kennt, wird Selbst euch in aller Öffentlichkeit
vergelten.
Das Wesen, die Essenz der
Religion ist die Liebe und einige deren Anzeichen wurden hier nun beschrieben.
Die Gottesliebe kann von
zweierlei Art sein. Einige lieben Ihn aufgrund Seiner Wohltaten, andere
aufgrund Seiner Schönheit, ohne Rücksicht auf Seine Wohltaten. Die Liebe des
ersteren wächst durch die Vermehrung der Wohltaten, doch die Liebe des
zweiten ist das direkte Ergebnis seiner Einsicht bezüglich Seiner
vollkommenen Eigenschaften und bleibt bestehen, selbst im Leid. „Das
sind die wenigen Seiner Begnadeten“, sagte Junaid von Bagdad. Doch viele gibt es, die sich als Seine Liebenden
ausgeben, mit vielerlei Wort auf den Lippen, doch ohne die Zeichen wahrer
Liebe. Verführt von Satan, Diener ihres Gelüsts, auf der Suche nach schalem
Ruhm, unverschämte Heuchler, welche ihren Herrn den Allmächtigen Schöpfer zu
betrügen suchen. Sie alle sind Feinde Gottes, ob sie nun als Heilige oder
Sufis gelten. Sahl von Tustar, der jedermann als „Freund“
ansprach, wurde einmal nach dem Grund danach gefragt, wie denn alle Menschen
seine Freunde sein könnten. Sahl flüsterte ihm ins Ohr: „Sie sind
entweder Gläubige oder Heuchler; ist er ein Gläubiger, ist er ein Freund
Gottes; ist er ein Heuchler, ist er des Teufels Freund.“
Abu Turab Nakshabi
verfasste einige Verse, welche die Zeichen der wahren Liebe beschreiben. Ihre
Übersetzung lautet:
Zeige deine Liebe nicht und
hör auf mich
Dies sind die Zeichen
seiner Liebe – dir mache ich sie öffentlich:
Süß ist ihm die Bitterkeit
von Leid und Schmerz,
Sein Glück ist - alles
kommt von Ihm - das weiß sein Herz,
Lob und Tadel sind ihm
einerlei
Für des Geliebten Wunsch
hält er sich frei,
Sein liebend Herz glüht
heiß, selbst die Sonne erreicht dies Brennen nicht,
Sein freudig Antlitz wird
umstrahlt von sel’gem Licht.
Der Lieb’ Geheimnis
wahrt er fest mit aller Kraft
Und andere Gedanken, als
die vom Liebsten haben über ihn gar keine Macht.
Yahya bin Maaz Razi fügte einige Zeilen hinzu:
„Weitere Zeichen sind
– wie ein Taucher an des Flusses Bank gibt er stets acht
Er weint und vergießt der
Liebe willen Tränen in der Nacht in seinem dunklen Zimmer
Und es scheint als kämpfte
er um seine Liebe immer.
Sein ganzes Selbst hat an
die Liebe er verschenkt
Ruhig und gelassen, in
glücklicher Zufriedenheit lebt er in ihr versenkt.“
Hanel, Schweiz
2005
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