Ayatollah Montazeri:
Menschenrechte und Demokratie
im islamischen Recht verankert!
Hamid Beheschti
Ayatollah Montazeri,
der im ersten Jahrzhent der Islamischen Republik als
Nachfolger Khomeinis galt und wegen seiner Äußerungen gegen die massenhafte
Hinrichtung von politischen Gefangenen arrestiert
wurde, ist seit Januar 2002 unter Aufsicht frei und kann wieder seine
religiösen Seminare abhalten. In seiner kürzlich erschienenen Rechtsauslegung
zum Thema Menschenrechte und politische Rechtsordnung vertritt er die
Auffassung, dass die Menschenrechte Grundlage jeder Rechtsordnung sind und die
Regierenden vom Volk gewählt und stets von der freien Presse kritisch
beobachtet werden müssen. Im folgenden eine Zusammenfassung des Buches: “Risala al Hoghoogh”
1. Menschenrechte
Die fundamentalen Grundrechte der Menschen sind
nicht von besonderen sozialen Notwendigkeiten und Bedingungen abhängig. Diese
Rechte sind nicht an zeitliche und örtliche Bedingungen gebunden.
Diese Rechte sind z.B:
das Selbstbestimmungsrecht,
das Recht auf Leben,
das Recht auf Lebensunterhalt und Gesundheit,
das Recht auf Gedanken- und Redefreiheit,
und das Recht auf individuelle und soziale
Sicherheit.
Diese sind Rechte, die sich aus der menschlichen
Natur ableiten. Deshalb sind sie ihrem Wesen nach unveränderbar,
unveräußerlich. Alle Menschen müssen aufgrund des Menschseins und ihrem
Anspruch auf Menschenwürde in den Genuß dieser Rechte
kommen.
Diese Rechte haben ihre Wurzeln nicht in der
Legislative oder exekutiver Gewalt, sondern sind in der menschlichen Natur
verwurzelt. Sie gehören zu den Grundprämissen der praktischen Vernunft. Dieser
Rechte finden als „Belehrung“ ihren Platz in religiöser Gesetzgebung (Sharia).
…
In der objektiven Welt gibt es „Gutes“ und
„Böses“, die nicht durch religiöse Gesetzgebung, Verträge oder Einschränkungen
angetastet werden können. Damit ist das RECHT als eine objektive Gegebenheit
gemeint, welches sich jeglicher Form der religiösen Festlegung, Gesetzgebung
und Einschränkungen entzieht.
2. Die Gerechtigkeit
Das Gerechtigkeitsprinzip ist in der religiösen
Gesetzgebung Maßstab für „Gutes“ und „Böses“. Die Missachtung der
Unterscheidung zwischen „Gute“ und „Böse“ in der religiösen Gesetzgebung kommt
in jedem Fall aus göttlicher Sicht der Ungerechtigkeit gleich und widerspricht
seiner unantastbaren Heiligkeit. Deshalb sind die Anhänger des
„Gerechtigkeitsprinzips“ der Auffassung: Göttliche Gesetzgebung und
Gerechtigkeitsprinzip sind identisch.
3. Die Menschenwürde
Das Recht auf Menschenwürde gehört gegenüber
anderen menschlichen Rechten zu den fundamentalen Grundrechten.
Im Koran und der Überlieferungen ist von
„Menschenwürde“ die Rede. Dieser Begriff kann nicht ohne Anerkennung von
wesensbedingten menschlichen Grundrechten (ungeachtet der Glaubensvorstellungen
einzelner Menschen) vorgestellt werden. Wenn man dem Menschen eine Würde
zuschreibt, dann hat man diese Würde aufgrund von MENSCHSEIN den Menschen
zuerkannt. Dies impliziert, daß der Mensch Rechte
besitzt, die aus seinem Menschsein, seiner Natur und dessen sozialen Wesen
abgeleitet werden. Dazu gehören:
Das Recht auf Leben,
das Recht auf Glaubens- und Meinungsfreiheit, u.ä.
Deshalb kann man einen besonderen menschlichen
Glauben (auch wenn dieser der richtige Glaube ist) nicht zum Maßstab für
Privilegien bei der Verleihung von sozialen und bürgerlichen Rechten erheben.
4. Freiheit der Religionswahl
Der vor Gott am meisten Geehrte von euch ist der
Gottesfürchtigste von euch (,der sich am besten
beherrscht). (Der Koran:49-13)
Diese von Wertigkeit bedingte Würde vor Gott, hat
aber keinen Einfluß auf soziale Rechte. Alle Menschen
können (ohne Rücksicht auf den Grad ihres Glaubens und ihrer Frömmigkeit) in
den Genuß von sozialen Rechten kommen.
...........
Gott gibt allen Menschen in dieser Welt das Recht
(ohne Rücksicht auf deren Glauben und Überzeugung), von natürlichen Gaben zu
profitieren. Aus göttlicher Sicht kann eine privilegierte Stellung von
Gläubigen bei der bevorzugten Nutzung von natürlichen irdischen Rechten
ausgeschlossen werden.
Wollten wir annehmen, daß
aus dem Glauben (besondere) Rechte für (bestimmte) Menschen resultieren, dann müßten die Rechte der Menschen mit dem Grad ihres rechten
Glaubens variieren. Diese Annahme kann gewiss nicht aufrechterhalten werden.
Vielmehr ist es so, daß die Stärke und Schwäche des
rechten Glaubens der Menschen nur ihre spirituelle Würde und Wertigkeit vor
Gott beeinflusst.
5. Recht auf Gedanken- und
Meinungsfreiheit
Vernunft und Denkvermögen gehören zum Grundwesen
der Menschen. Gedanken- und Meinungsfreiheit sind unbestreitbare Rechte aller
Menschen. Jeder Mensch kann sich zu verschiedenen Glaubensfragen und
poltisch-sozialen Problemen Gedanken bilden, und das Resultat seines Denkens
frei äußern. Man kann sagen, daß Gedanken- und
Meinungsfreiheit die wichtigsten Rechte jedes Einzelnen sind. Verstöße gegen
diese Rechte und deren Beschneidung sind eine gewaltige Ungerechtigkeit gegen
die Menschheit.
6. Freiheit der Religionswechsel
Jeder Mensch darf seine Meinung (ob sie richtig
oder falsch sei) frei äußern. Er darf aber hierbei die Gedanken, Überzeugungen
und Heiligtümer anderer nicht beleidigen, verfälscht wiedergeben, oder
verunglimpfen. Die Aufgabe einer Religion oder Gedankens oder ein Wechsel
dieser können allein keine weltlichen Strafen nach sich ziehen, wenn sie nicht aus Feindseligkeit gegen das
Recht und geltendes Strafrecht vollzogen wird.
Deshalb gehören Gedanken und
Glauben, deren Wechsel, Äußerung dieser und Gewinnung von Kenntnissen über
Gedanken und Meinungen Anderer zu den Rechten jedes Einzelnen. Diese fallen
unter keine strafrechtlichen Tatbestände, wie Apostasie, Verderbtheit,
Beleidigung, Verunglimpfung und ähnliche Tatbestände.
7. Recht auf
Bekämpfung von Rechtlosigkeit
Dieses Recht erwächst aus
dem Recht der Menschen nach Erlangung der Vollkommenheit und aus dem
menschlichen Gerechtigkeitssinn, die in der natürlichen Veranlagung der
Menschen beheimatet sind. ...
Aus diesem Recht resultieren alle Argumente gegen Hinnahme von Ungerechtigkeit,
Schweigen dagegen, und auch daraus werden alle Befehle für die Notwendigkeit
der Bekämpfung der Tyrannei und Gründe für die Verhinderung des Bösen
abgeleitet.
8. Demokratie
Es kann vorkommen, daß ein
frommer Mensch die politische Macht übernimmt, aber unbewußt, und sogar mit
gutem Willen, von dem Glanz der Macht beeinflusst wird, und in die Tyrannei
verfällt. Ali (Gottes Gnade sei mit ihm) sagte: „Herrschaft führt zur
Tyrannei“. Darum besteht der beste und effektivste Weg darin, den
Machtmissbrauch und den Wandel von Recht zum Unrecht vorzubeugen. Der zweite
Weg ist die Schaffung von gesellschaftlichen Mechanismen. Dazu gehören die
Institutionalisierung der Volkskontrolle über die Macht, Sicherung von
politischen Freiheiten und Freiheit der Meinungsbildung durch Bildung von
legalen Parteien und Organisationen, die Gewährleistung der von der politischen
Macht unabhängigen Publikationen und Medien, Gewaltentrennung und Verhinderung
der Konzentration dieser Gewalten bei einer oder mehreren bestimmten und festen
Personen. Außerdem muß die Zeitdauer der Herrschaft von Mächtigen beschränkt
sein, und diese müssen für ihre Handlungen Rechenschaft ablegen.
9. Das
Sebstbestimmungsrecht
Wenn Menschen über ihr
Eigentum frei verfügen dürfen, dann können sie erst recht auch ihr Schicksal
selbst bestimmen, denn das Selbstbestimmungsrecht ist die Quelle anderer
Rechte…
Alle Menschen dürfen zur
Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Belange jederzeit im Rahmen von
rechtlichen Bestimmungen einem Menschen zur Machtausübung ihre Stimme geben.