Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich
Islamische Religionsgemeinde Wien
für Wien, Niederösterreich und Burgenland
1070 Wien, Bernardgasse 5, Tel: 526 31 22

Wien, am 24. Jänner 2003


Schächten in Österreich

Legitimität steht für Juden und Muslime verfassungsrechtlich außer Frage

Kaum ist eine populistische FPÖ Kampagne gegen die Schächtpraxis der Juden
und Muslime in Oberösterreich sang- und klanglos in der Versenkung
verschwunden, macht ein Wiener Mitglied der FPÖ einen neuen Anlauf in
dieser Richtung.

Der Verweis auf eine religiöse Quelle aus dem Ausland verzerrt dabei nicht
nur vom Inhaltlichen her den Sachverhalt. Inakzeptabel die Ignoranz mit der
die nationale Eigenständigkeit der Muslime in Österreich seit dem
Anerkennungsgesetz des Islam übergangen wird. Muslime können ihre eigene
österreichische Institution für ihre Angelegenheiten anrufen. Damit ist die
Unabhängigkeit vom islamischen Ausland gewährleistet. Ein ägyptischer
Gelehrter in allen Ehren - bei uns gilt selbstverständlich nicht das Wort
des Mufti von Ägypten, sondern das des Mufti von Österreich, von Imam
Ramadan Yilmaz. Die Einzelmeinung relativiert sich noch dazu, wenn man in
Betracht zieht, dass die Schächtung die einzige Schlachtmethode in Ägypten
darstellt. Eine praktische Grundlage ist für diese reine Theorie also nicht
gegeben.

Zudem liegt in bezug auf das Schächten längst eine Rechtserkenntnis vor.
Der Verfassungsgerichtshof stellte im Dezember 1998 fest, dass ein
Schächtungsverbot einen Eingriff  in die verfassungsrechtlich
gewährleisteten Rechte gesetzlich anerkannter Religionsgemeinschaften
darstellt. Damals war das Vorarlberger Tierschutzgesetz Gegenstand der
Beschäftigung des Gerichts, wobei man eindeutig feststellte, dass hier eine
"denkunmögliche Annahme eines Verbots der rituellen Schächtung" bestehe.
Zudem sei eine Vereinbarkeit des Schächtens nach islamischem Ritus mit der
öffentlichen Ordnung und den guten Sitten gegeben.

Die Gerichte haben sich wiederholt mit der Frage der  Betäubung beschäftigt
und inwieweit diese auch im islamischen Ritus möglich sei. Doch auch hier
trifft  der VfGH eine klare Erkenntnis: "Es kann für den Schutz einer der
Religionsausübung dienenden Handlung nicht darauf ankommen, ob innerhalb
einer gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft einheitliche
Auffassungen über deren Modalitäten bestehen."

Die Frage: "Können Muslime Fleisch essen, das aus einer Schlachtung mit
vorhergehender Betäubung stammt?", stellt sich von Kontext zu Kontext
verschieden. Es ist etwas anderes, ob man beleuchtet, inwieweit Fleisch aus
der Produktion anderer Religionsgemeinschaften genossen werden darf und
welchen Umständen dies unterliegt oder überhaupt das Recht auf freie
Religionsausübung punktuell außer Kraft zu setzen sucht. Hier läge für uns
ein schwerwiegender Eingriff in unsere religiöse Autonomie vor. Die
gleichen Gelehrten, die für die Muslime in Europa die Frage nach der Möglichkeit des
Verzehrs von Fleisch außerhalb des muslimischen Kreises in toleranter Weise
behandeln, würden wohl energisch protestieren, wenn ihre liberale Haltung
in einer anderen Frage als Vorwand missbraucht würde, den islamischen
Schächtritus wie er übereinstimmend mit allen islamischen Rechtsschulen in
der gesamten islamischen Welt geübt wird, umzuinterpretieren oder gar zu
verbieten.

Einer fachlichen Erörterung aller mit der Schlachtung von Tieren
zusammenhängenden Fragen stehen wir offen gegenüber, möchten aber
gleichzeitig darauf verweisen, dass hier schon umfangreiche Studien
vorliegen, deren Ergebnisse beispielsweise auf EU ? Ebene Berücksichtigung
fanden. Es besteht die  klare Richtlinie an die Mitgliedsstaaten, das
Schächten als Schlachtmethode in der nationalen Gesetzgebung zu verankern.

In der Diskussion ist es uns grundsätzlich wichtig, den Blick nicht darauf
zu verengen,  ob nach Betäubung geschlachtetes Fleisch für Muslime "halal",
also "erlaubt", sei oder nicht. Die langen Erfahrungswerte in der
islamischen Welt beweisen, dass ein fachgerecht ausgeführter rascher
Schächtstreich im Vergleich zu anderen gängigen Vorgangsweisen als adäquate
Methode mit nichts zurücksteht. Vor der Schächtung ist für Stressfreiheit
der Tiere und optimale Pflege zu sorgen. Der Schnitt führt zu einer
unmittelbaren Betäubung. Statt ein Tier mit einer schmerzhaften
Betäubungsprozedur zu belasten, ehe womöglich erst viel später geschlachtet
wird, bilden Betäubung und Schlachtung im Islam eine Einheit. Eine
Terminologie, die von der islamischen Schlachtung als "grausam" spricht,
weil die "Tiere langsam verendeten" entspricht nicht den Tatsachen.

Welche Bedeutung die rituelle Reinheit ihrer Nahrung für die Muslime in
Österreich hat, davon zeugen nicht nur die zahlreichen "Halal"-
Fleischgeschäfte. Eine große österreichische Geflügelfirma hat dies erkannt
und lässt ihre Produkte mit einem entsprechenden Siegel zertifizieren. Auch
die wirtschaftliche Bedeutung ist groß, zieht man den Exportmarkt in
Betracht. Statt Tiere endlosen Transporten auszusetzen, kann in Österreich
direkt produziert werden.

Parteien vertreten Meinungen. Am Grundsatz der Trennung von Religion und
Staat soll aber nicht gerüttelt werden. Es geht nicht an, Aussagen zur
Religion nach eigenem Belieben so zu verdrehen, dass Manipulationen zu
Religionsinhalten entstehen, noch dazu, wenn die dazu bemühten Meinungen
aus dem Ausland herrühren.

Prof. Anas Schakfeh
Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft