HEILIGE SCHRIFTEN und ihre AUSLEGUNG
Im Namen Allahs, des Erbarmers,
des Barmherzigen
„Sprich: O Ihr Besitzer des Buches, kommt
herbei zu einem Wort, das uns und euch gemeinsam ist: dass wir niemandem dienen
außer Gott, und dass wir neben Ihm keine Götzen anbeten, und dass nicht die
einen von uns sich die anderen zu Herren nehmen anstelle von Gott. Doch wenn
sie sich abwenden, dann sprecht: Bezeugt, dass wir Ihm ergeben sind.“
(Sure 3,
Vers 64)
Mit diesem Vers verkündet der Kuran einen Aufruf zum Dialog. Einen Dialog, der nicht erst
seit dem 11. September 2001 geführt wird, sondern schon zur Zeit des Propheten
Mohammad s.s. (Gottes Frieden und Segen seien mit
ihm) stattfand und nun seit mehr als 1370 Jahren mit unterschiedlicher
Intensität fortgeführt wird. Eine der jüngsten Begegnungen zwischen den
Religionen ist jene, die vergangene Woche im Kleinen Redoutensaal
der Wiener Hofburg mit dem iranischen Staatspräsidenten KHATAMI stattfand.
Es zeigte sich schon vor dem 11. September,
dass der Dialog noch in den Kinderschuhen steckt, zumal sehr viele Menschen
wenig über die Inhalte der jeweils anderen Religionen wissen.
„Aus der Krise eine Chance“ haben sich sehr
viele Institutionen und Privatpersonen gesagt, denn mit den furchtbaren
Weltereignissen seit jenem Septembertag,
wurden zahllose Dialog-initiativen gestartet; unter anderem auch diese, die uns
heute zusammenbringt. Deshalb möchte ich meinen Dank an die Organisatoren und
speziell an den Leiter des evangelischen Bildungswerks, Mag. Ritter-Werneck, zum Ausdruck bringen. Möge Gott uns allen den
rechten Weg weisen und uns zu einem besseren fruchtbringenden Miteinander
verhelfen.
Bevor ich zur Frage gelange, welche Bedeutung
der Koran als Glaubensgrundlage für die Muslime hat, einleitend Einiges über
die Themen Offenbarungszeit,
Authentizität des Kuran, Geschichte des
Offenbarungsbeginns und die „ijaz“, die muslimische
Sicht der Unübertrefflichkeit des Kuran.
Offenbarungszeit:
Die Kuran-Offenbarung wurde dem Propheten Mohammad (s.s.) vom Erzengel Gabriel zwischen dem Jahr 610 und 632 in
arabischer Sprache übermittelt. Es handelt sich dabei um ungefähr 12 mekkanische und 10 medinensische
Jahre.
Authentizität:
Der Koran unterscheidet sich von anderen
Texten, indem er zu Lebzeiten des Propheten Mohammad (s.s.)
bereits fixiert war. Dies geschah gleichzeitig mit der Offenbarung, indem der
Prophet (s.s.) die Gläubigen bat, die Kurantexte auswendig zu lernen und zu rezitieren durch Texterhalter „Huffaz“, und sie
überdies auch durch die „Kuttabul’Wahi“- die
Offenbarungsschreiber - schriftlich festzulegen. Somit besitzt der Koran zwei
Elemente der Authentizität: Schriftliche und mündliche Überlieferung.
Unmittelbar nach dem Tod des Propheten (s.s.) bat der
erste Khalif Abu Bakr den ehemaligen ersten
Offenbarungsschreiber Zaid ibn Thabit, eine Zusammenstellung vorzubereiten. Zaid ibn Thabit trug dann - auf die
Empfehlung des späteren zweiten Khalifen Omar - alle
vorhandenen Dokumentationen zusammen. Dies waren:
Die Zeugnisse der Huffaz,
Schriftstücke (wie z.B. Pergamente), Leder, kleine Holztafeln usw. Derart
erhielt man eine buchstabentreue Zusammenstellung des Buches. Omar in seiner
Zeit als Khalif ab dem Jahr 634, hat einen einzigen
Band anfertigen lassen, der bei seiner Tochter, der Witwe des Propheten (s.s), aufbewahrt wurde.
Der dritte Khalif
Othman beauftragte eine Kommission mit der großen Rezension, die seinen Namen
trägt. Sie überprüfte die Authentizität des unter Abu Bakr erstellten Dokuments und erfragte abermals
die Huffaz. Der Text wurde äußerst streng geprüft.
Durch Konkordanz aller Zeugnisse wurde die Übereinstimmung der Verse, selbst
der kleinsten, festgestellt. Durch diese Vorgangsweise erhielt man ein Kuran-Exemplar, das in seinem Wortlaut und seiner Anordnung
den Offenbarungen und Anweisungen zu Lebzeiten des Propheten Mohammad (s.s.) entsprach. Der Khalif Uthman verschickte genaue Abschriften dieses Exemplars in
alle Zentren des damaligen islamischen Imperiums; diese Ausgaben findet man
heute in Taschkent und Istanbul.
(Sure 56, Vers 77-80)
„Es ist eine vortreffliche Lektüre; in einer wohlverwahrten Schrift; die
nur von Gereinigten berührt wird; eine Offenbarung vom
Herren der Welten“
(Sure 98, Vers 2-3)
„Ein Gesandter von Allah, der ihnen reine (unverfälschte) Schriftblätter
vortrug;
Darin
sind Vorschriften von ewiggültiger Wahrhaftigkeit und Klarheit“
Offenbarungsbeginn:
In den letzten Tagen des Monats Ramadan des
Jahres 13 vor der Hijdra nach der islamischen
Zeitrechnung und im Alter von 40 Mondjahren des Propheten ereignete sich die
erste Übermittelung der Kuranoffenbarung in der
Berghöhle von „HIRA“ bei Mekka. Diese Ereignisse wurden durch den Propheten (s.s.) beschrieben und in einer Überlieferung – einem sogen. „Hadith“ – durch einen
Gefährten geschildert:
„Der Erzengel Gabriel erschien und sagte: ‚O
Mohammad ich bin Gabriel und du der Gesandte Gottes!’. Und dann sagte er:
‚Lies!’ Der Prophet (s.s.) sagte: ‚Was soll ich
lesen?’ oder ‚Ich bin des Lesens nicht kundig.’ Dann hielt er ihn dreimal
hintereinander so fest, dass es wehtat und offenbarte ihm folgende Verse der
Sure 96:
(Sure 96, Vers 1-5)
„Lies in Namen deines Herren, der erschaffen hat;
Erschaffen
hat den Menschen aus geronnenem Blut,
Lies!
Und dein Herr ist der Allgütige;
Der
gelehrt hat durch die Feder;
Den
Menschen gelehrt hat was er nicht wusste; ..“
„i’jaz“
Unübertrefflichkeit des Kuran:
(Sure10, Vers 38)
„Und
doch behaupten sie: „Er hat ihn erdichtet!“ Sprich: „So bringt eine einzige
Sure gleicher Art hervor und ruft dazu, wen ihr nur könnt, außer Allah, wenn
ihr wahrhaft seid“ .
Damit fordert der Kuran
jene Menschen zum Nachdenken auf, die nicht an ihn glauben. Diese
Herausforderung hinsichtlich der Unübertrefflichkeit ist nach muslimischem
Verständnis in dreierlei Hinsicht zu verstehen:
-
In der
Sprache: Dies ist für Menschen mit einer anderen Muttersprache als Arabisch
kaum erkennbar. Wichtig ist aber zu erwähnen, dass sehr viele namhafte
arabische Poeten nach dem Lesen einiger weniger Verse des Kuran
zu erkennen glaubten, dass es sich dabei nicht um Dichtung handle, sondern
diese Worte anderen als menschlichen Ursprung haben müssen.
-
In der
Wissenschaft:
o
Der Kuran steht im Einklang mit geschichtlichen Ereignissen
(siehe dazu die Koran-Erzählungen über Noah,
Moses, ...)
o
Er
widerspricht nicht heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern
beschreibt vielmehr biologische und andere Phänomene sehr detailliert, zu einer
Zeit, in der die Menschen über derlei
Vorgänge noch keine Kenntnis besaßen. Ein Beispiel:
(Sure 23, Vers 13-14)
„Dann
setzten wir ihn als Samentropfen an eine geschützten
Stätte; dann erschufen wir aus dem Samentropfen ein Anhängsel und erschufen aus
dem Anhängsel ein kleines Gebilde und hernach formten Wir in dem kleinen
Gebilde Knochen und bekleideten die Knochen mit Fleisch. Dann ließen wir daraus ein anderes Geschöpf entstehen.
Gepriesen sei Allah, der vortreffliche Schöpfer“.
Hier werden die Entwicklungsphasen des
Embryos im Uterus beschrieben. Damals
nicht bekannt, ist erst Jahrhunderte danach wissenschaftlich belegt worden,
dass diese Beschreibung den embryonalen Entwicklungsstufen entspricht.
(Sure 57,
Vers 25)
„...Und
Wir sandten das Eisen, das viel Gewalt in sich birgt, in dem aber auch Nutzen
liegt für die Menschheit..“
Der zeitgenössische Gelehrte,
Universitätsdirektor und Professor für Kuran-Wissenschaften,
Dr. Zandani, hat eine Reihe verschiedene
Wissenschaften übergreifende Studien gemacht, bei denen Naturwissenschaften den
kuranischen Texten kritisch gegenübergestellt wurden.
So warf er zum Beispiel zum genannten Vers aus der Sure 57 („Das Eisen“) und
konkret zur Formulierung „Wir sandten das Eisen“ die Frage auf, warum Gott
hier das Verb „senden“ und nicht „erschaffen“ verwendet hat. Er befragte den Astronauten Neil
Armstrong persönlich zu dieser
Angelegenheit. Dieser versicherte ihm, dass alle Kräfte auf unserem
Sonnensystem nicht ausreichen würden, um das Eisen-Atom zu formieren, deshalb ist man sich in Kreisen
der Wissenschaftler einig darüber, dass das Eisen nicht von der Erde stammte.
Durch diese Erklärung war für Dr. Zandani der
gesuchte Erklärungsansatz zur spezifischen Wortwahl des Kuran
gefunden und gleichzeitig wissenschaftlich belegt.
-
in der Gesetzgebung „Jurisprudenz“:
Aus einem kleinen Reservoir von 200 Versen
schöpft der Kuran seine normative Kraft wie z.B. zur
Konstituierung des islamischen Erbschaftssystems, (siehe dazu Sure 4, Verse 7, 11, 12, 19, 32, 33) oder das
islamische Vertragssystem mit einem einzigen Vers (Sure 2, Vers 282).
Trotzdem enthält der Kuran
nur eine kleine Zahl eindeutig normativer Regeln und erhebt sich als eine
Verfassung gebende Grundlage.
Was bedeutet
nun der Kuran als Grundlage für den Islam?
Leopold Weiss alias
Mohammad Asad, der in Österreich geborene Jude und spätere Islam-
Konvertit, hat seiner Kuran-Exegese die Widmung gegeben „An Leute, die
verstehen“.
Um den Kuran zu
verstehen ist es notwendig, die thematischen Schwerpunkte des Kuran herauszuarbeiten und seine Intentionen zu
hinterfragen. Wie kann man sich dem Kuran also
annähern? Und welche „Werkzeuge“ sollte man hier anwenden?
Hier gibt es natürlich viele Möglichkeiten
und Ansätze. Eine nicht so gängige, aber wohl effiziente Gangweise ist die, die
man beim Kauf jedes beliebigen Buches anwenden kann: Man schlägt im
Inhaltsverzeichnis des Buches nach, misst quantitativ, welche Gewichtung den
enthaltenen Themen beigemessen wird.
Eine derartige Thementypisierung und ihre Gewichtung geben Auskunft über die ungefähre
Ausrichtung eines Buches.
Diese Methode wurde auch von einem in Wien
lebenden jungen Gelehrten, Scheich Adnan Ibrahim, der Imam der SCHURA-Moschee im 2. Wiener Bezirk ist,
durchgeführt. Er hat die Suren des Kuran nach ihren Namen typisiert und folgendes Ergebnis
erhalten:
- 26 % behandeln materielle, natürliche und kosmische Phänome
- 24 % behandeln den Bereich des Glaubens und
seine Regelung der Beziehungen:
- des Menschen zum Schöpfer,
- des Menschen zum Menschen, d.h.
zwischenmenschlichen Beziehungen und
- des Menschen zur materiellen
Umgebung
- 22 % beschreiben den Bereich Politik und
Gesellschaftspolitik
- 14 % behandeln Geschichte und
Geschichtsphilosophie
- 3 %
Werte, Ethik und Verhaltensmuster
- 3
% Finanzen
- 1
% Gottesdienste und Riten
Um eine genauere Aussage der Ausrichtung des Kuran zu erhalten, wurde zusätzlich dieselbe Prozedur auf
die Kuran-Verse angewendet und festgestellt, dass die
aufgelisteten Prozentsätze ihre Gültigkeit auch bei den Versen haben. Damit
kann man auch Dimensionen der Lebensbereiche entnehmen.
Der Kuran ist die
Grundlage des Glaubens, die erste Quelle der islamischen Jurisprudenz und
Hauptquelle der Geschichte vergangener Völker sowie die Lektüre der
Prädestination.
Man kann schlicht und einfach sagen, dass der
Kuran für die Muslime das zum Buch gewordene Wort
Gottes - Allahs, wie er im Kuran genannt wird - ist.
Kann man den
Kuran übersetzen?
Hier unterscheidet man zwei grundsätzliche
Arten der Übersetzungen:
1. Wortgetreue Übertragung :
ist sehr problematisch, da die arabische
Sprache und ihre Wörter vieldeutig sein können. Beispiel dafür ist:
(Sure 2,Vers 228)
„Geschiedenen Frauen sollen
selbst drei Perioden abwarten.“,
das arabische Wort „Kuru’“ wurde mit Perioden
übersetzt, wobei „Kuru’“ auf arabisch
zweideutig ist und als Zeiten der Menstruation verstanden werden kann oder als
die Zeiten dazwischen.
Das arabische Wort: „al-ayat“
kann übersetzt werden mit: „Verse“, „Zeichen“, „Botschaft“, „Beweise“.
2.
Inhaltliche und kommentierte Übertragung:
Ist die beste Form um der Vieldeutigkeit der
arabischen Sprache des Kurans gerecht zu werden.
In der deutschen Sprache hat es in den
letzten 600 hundert Jahren 42 deutsche Übersetzungen gegeben. Die letzte,
meiner Meinung nach auch einer der
besten bisher, ist die vom SKD- Bavaria Verlag in 5 Bändern, die den Namen
trägt: „DIE BEDEUTUNG DES KORANS“
Welche Kurankommentar- und Exegese-Schulen gibt es?
Es kann zwischen zwei Hauptschulen
unterschieden werden:
1)
Kuran-Exegese und
Traditionswissenschaft „tafsir bil’ma’thui“:
Hier hat man sich an die Grundzüge und
Kriterien der Auslegungen gehalten, in dem man:
-
Als erstes
versucht hat den Kuran mit dem Kuran
selbst zu erklären; war dies nicht möglich so hat man
-
die Sunna –
die vorbildliche Lebensweise und Aussagen des Propheten Mohammad (s.s.) - hinzugezogen.
Ihr kommt beim Kuran-Verständnis eine
ausschlaggebende Rolle zu, weil im Kuran selbst die
Gläubigen aufgefordert sind, dem Beispiel des Propheten (s.s.)
zu folgen. Sind dennoch Fragen offen geblieben, so hat man
-
durch
vergleichende Studien Analogieschlüsse gezogen
Es handelt
sich hierbei um die theologisch- juristische Schule.
Einige Exegeten und deren Werke:
Ø Die Auslegung, die Abdullah Ibn’Abbas zugeschrieben ist
Ø „A’ttabari“; „Jamu’ulbaian“; „Die Sammlung der Bedeutung“
Der Autor ist einer der herausragendsten
Historiker und Exegeten und lebte von 838-923
Ø „Ibn Kathir“, „Tafsir alkuran alazim“; „Auslegung
des erhabenen Kuran“
Ø „Assu’yuti“, „Addur almanthur fi attafsir
bi’ma’thur“; „die gestreuten Perlen in der Auslegung mit
der Tradition“
2)
Kuran Exegese und
islamische Dogmatik „tafsir bil’ra’i“
Hier hat man sich bemüht, neben dem
philologischen Aspekt auch die Schönheiten des Textes herauszuarbeiten. Weiters wollte man die Bedeutung der Vernunft unterstreichen - Rationalismus.
Hier einige Exegeten und deren Werke:
Ø „Azzamach’schari“; „alkaschaf“; „Der Enthüller“
Ø „Arrasi“; „Mafatihu’elgaib“ „Schlüssel des Verborgenen“
Ø „Alkurtubi“; „Aljdami’ li Ahkam’ilkuran“ „Die Sammlung der Kuran-
Gesetzgebung“
Ø „Al’alussi“; „Rouhu’lma’ani“ „Die Seele der Bedeutungen“
Daneben gibt es andere weniger bedeutende
Schulen, wie z.B. die mystische Auslegungsschule und die der Sinnbilder und der
Fantasie-Bilder etc.
Wie wirken
sich die unterschiedlichen Traditionen auf das Verhältnis der Religionen
zueinander aus?
Es ist wichtig, dass man zuerst die Frage
beantwortet, wie man den Standpunkt des Kuran
hinsichtlich des Verhältnisses zu anderen Religionen verstehen kann.
Der Standpunkt des Kuran
kann nicht auf der Basis der Ideologie festgemacht werden. Deshalb ist es
wichtig, um das Verhältnis der Religionen zueinander zu verstehen, folgende
drei Aspekte zu durchleuchten:
-
Den Aspekt
des Glaubens,
-
den der kuranischen Prädestination und
-
den der
islamischen Jurisprudenz
Der Glaube
und das Verhältnis zu anderen Religionen:
Die Muslime stehen den Propheten mit großem Respekt gegenüber.
Deshalb fügen sie bei der Nennung des Namens des Propheten Mohammad Friedens-
und Segenswünsche Gottes an. Dies ist auch bei anderen Gesandten und
Propheten wie Jesus, Abraham, Moses,
Noah, usw. - Friede sei mit ihnen allen (a.s.) – in ähnlicher Form üblich.
(Sure 3, Vers 84)
„Sprich: Wir glauben an Allah und an das, was auf uns
herabgesandt worden ist und was herabgesandt worden ist auf Abraham, Ismael und
Isaak, Jakob und die Stämme (Israels) und was gegeben worden ist Moses und
Jesus und den Propheten von ihrem Herren; wir machen keinen Unterschied
zwischen ihnen, und Ihm sind wir ergeben“.
Damit vertritt der Kuran
keinen Absolutheitsanspruch, vielmehr baut er, unter grundsätzlicher Annerkennung aller früheren Propheten, auf dem gültig
bleibenden Kern der früheren Offenbarungen auf. Paul Schwarzenau
formuliert diesen Sachverhalt folgendermaßen:
„Der Koran ist eine religionsökumenische
Offenbarung“.
Der Islam versteht sich somit als jüngste und
zugleich älteste Religion und ihre
Gültigkeit ergibt sich nicht aus der Verwerfung der beiden anderen
Buchreligionen, sondern aus dem Religionsvergleich.
Schauen wir uns das konkrete Verhältnis zum
Christentum anhand einiger Themen an:
- Unbefleckte Empfängnis der hoch geachteten
Maria, Mutter des Propheten Jesus (a.s.):
Ihr wurde eine ganze Sure im Kuran (Sure 19) gewidmet:
Hier Ausschnitte aus den Versen 16-20:
“Und
erwähne im Buch Maria. Als sie sich zurückzog .... da
sandten wir unseren Geist zu ihr und er erschien ihr in der Gestalt eines vollkommenen Menschen .... Sie
sprach:’ Wie soll mir ein Sohn werden, wo mich doch nie ein Mann berührt hat?’
“
(Sure 3, Vers 47/48)
“Er
(der Engel) sprach: Solcherart erschafft Allah, was er will; wenn Er etwas beschlossen hat, spricht Er nur
zu ihm: ‚Sei!’ und es ist. Und er wird ihn (Jesus) das Buch lehren und die Weisheit und die
Thora und das Evangelium“.
(Sure3, Vers
49)
„... und ich (Jesus) heile den Blindgeborenen und den Aussätzigen
und mache die Toten lebendig mit Allahs Ermächtigung ...“
Daher ist es ein Gebot für jeden Muslim, Jesus
(a.s.) als
nicht durch Zeugung erschaffen zu sehen, sondern aufgrund eines unmittelbaren
göttlichen Schöpfungsaktes. Er wurde von Maria als Jungfrau geborenen
und bewirkte Wunder als von Gott inspirierter Prophet in jüdischer
Tradition. Vergleiche dazu auch die
Suren: 5 Vers 110 ;
72 Vers 3; 112 Vers 3. Es kommt
Jesus (a.s.) nach dem Kuran keine Göttlichkeit zu.
Zur Trinität:
(Sure 10, Vers 68)
“Sie
sagen: Allah hat sich einen Sohn genommen. Gepriesen sei Er! Er ist der
Sich-Selbst-Genügende!“
(Sure 4, Vers 171)
“...
Und sagt nicht „drei“. Lasset ab davon, das ist besser für euch. Wahrlich, Allah ist nur ein Einziger Gott!“
Die kuranische Prädestination „alkadaria“ und das Verhältnis zu
anderen Religionen:
Der Kuran
dokumentiert nicht nur die Verschiedenheit der Menschen im Glauben durch
(Sure 2, Vers 256)
“Es
gibt keinen Zwang im Glauben“
sondern bezeichnet sogar weltanschaulich-
religiösen Pluralismus als gottgewollt:
(Sure 5, Vers 48)
“...Und
wenn Allah gewollt hätte, hätte Er euch zu einer einzigen Gemeinschaft gemacht.
Doch Er wollte euch prüfen in dem, was Er euch gegeben hat. Darum wetteifert
miteinander in guten Werken. Zu Allah werdet ihr alle zurückkehren. Dann wird
Er euch Kunde geben davon, worüber ihr zu streiten pflegtet.“
Der Kuran fordert
sogar die Haltung der Toleranz
:
(Sure18, Vers 29)
“Und
sprich: Es ist die Wahrheit von euerem Herrn, darum
lass den gläubig sein der will, und den ungläubig der will.“
(Sure10, Vers 99)
„Und
hätte dein Herr es gewollt, so hätten alle, die
insgesamt auf Erden sind, geglaubt. Willst du also die Menschen zwingen,
Gläubige zu werden?“
Aus der Prädestinationslehre kann man
deduzieren, dass es unmöglich ist eine Einheit der Religionen zu erreichen.
Die
islamische Jurisprudenz und das Verhältnis zu anderen Religionen:
Siehe dazu Murad Wilfried Hofmanns „Islam als
Alternative“.
Wirken sich
die unterschiedlichen Traditionen auf das Verhältnis zu anderen Religionen aus?
Da der Kuran sich
eindeutig und völlig klar artikuliert hat, wie die Beziehung zu anderen
Religionen auszusehen hat, gibt es kaum Abweichungen der Auslegungstraditionen
hinsichtlich des Verhältnisses zu den anderen Religionen.
Die Nichtmuslime „ahlu
dhimma“ unter islamischer Herrschaft waren in der
muslimischen Geschichte Schutzbefohlene; sie hatten dieselben Rechte wie die
Muslime, hatten hohe Ämter in der
Verwaltung inne und genossen als Minister ihren muslimischen Amtskollegen
gegenüber sogar gewisse Vorzüge.
Unterschiede gab es in drei Belangen:
-
Die Nichtmuslime
unterlagen keiner Wehrpflicht
-
Da sie
keinen Militärdienst leisten mussten, zahlten sie als Ausgleich
Wehrersatzsteuer. Diese war selten höher als die Zakkat
(2,5 %), welche von Nichtmuslimen auch nicht entrichtet werden musste.
-
Sie durften
alle Ämter bekleiden, bis auf das oberste Amt im Staat.
Dazu sehr vielsagend ein Ausspruch des
Propheten Mohammad (s.s.):
„Wer
einem Dhimmi (schutzbefohlener
Nichtmuslim) Unrecht tut, der tut mir Unrecht.“
Wie kann nun
ein Dialog geführt werden und worüber sollte geredet werden?
Dazu der kuran’sche
Vers 125 aus der Sure 16:
„Rufe
auf zum Pfad deines Herren mit Weisheit und schöner
Ermahnung und führe Streitgespräche auf
die beste Art und Weise.“
Die Betonung der Freundlichkeit und des
Taktgefühls stimmt völlig überein mit dem Gebrauch von Vernunft im Einklang mit
der kuranischen Forderung “Es gibt keinen Zwang im Glauben.“
(Sure 2, Vers 256).
Dabei sind die soziologischen Aspekte und
Themen der menschlichen Grundrechte entsprechend der islamischen Vorstellung
der unantastbaren menschlichen Würde unbedingt zu berücksichtigen, wie z.B.
Recht auf:
-
Leben
-
Freiheit
-
Körperliche
Unversehrtheit
-
Gleichbehandlung
von Frauen und Männer sowie Minderheiten
-
Asyl
-
Unschuldsvermutung
-
Keine Strafe
ohne Strafandrohung
Diese Belange müssen auch in einem
kulturellen wirtschaftlichen Rahmen gesehen werden, denn Gerechtigkeit kann nur
als Produkt eines stimmigen und umfassenden Gesellschaftssystems verwirklicht
werden. Hier liegen auch die Ansätze für einen wirklich wertvollen Dialog und
eine fruchtbare Zusammenarbeit: Über das Wissen voneinander zu gegenseitigem
Respekt und Akzeptanz hin zum Eintreten für jene zahlreichen gemeinsamen Werte,
die die Welt für alle lebenswerter machen.
MOUDDA KHOUJA, 2002
Literatur:
-
„Scheich Adnan Ibrahim“,
Zahlreiche Predigten und Unterrichtstunden,
-
Murad Wilfried Hofmann:
o
Der Islam als Alternative - Diederichs Verlag
o
Der Islam im 3. Jahrtausedn, eine Religion im Aufbruch – Diederichs Verlag
-
Maurice BUCAILLE, „Bibel, Koran
und Wissenschaft“ Die Heiligen Schriften im Licht moderner Erkenntnisse –SKD
Bavaria Verlag
-
„Die Bedeutung des Kurans“, –SKD Bavaria Verlag
-
Max Henning, „Der Koran arabisch-deutsch“,
-
Manna’a AL-Kattan, „Studien in den Kuran Wissenschaften“, Arisalah
Verlag