An: gerhard.schroeder@spd.de

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

Im Angesicht der entsetzlichen, Menschen verachtenden Massenmorde in den
USA, die wir ausdrücklich verurteilen, und besorgt über die sich daraus
entwickelnden gesellschaftlichen und politischen Ereignisse erlauben wir
uns, als deutsche Muslime, Ihnen knapp gefasst einige Ansichten darzulegen
in der Hoffnung auf Verständnis und die Vermeidung von noch größeren
Katastrophen für die Menschheit.

Wir bitten Sie in der gebotenen Höflichkeit aber mit allem Nachdruck:

1. Entziehen Sie der US-Regierung in ihrer Absicht, einen Vergeltungsschlag
auf unschuldige Menschen durchzuführen, jegliche deutsche Unterstützung!
Militärisch, logistisch oder ideell, bevor es zu spät ist.

Die Vernunft gebietet es, niemandem zu gehorchen, der sich selbst nicht
unter Kontrolle hat. Ein Vertragsbruch wäre vernünftiger als einen
umfassenden Krieg mit zu entfesseln, dessen Folgen selbst die Katastrophe
in den USA bei weitem übersteigen würde.

Glauben sie nicht den Ermittlungen von amerikanischen Geheimdiensten, die
vorgeben den Fall innerhalb von Stunden aufzuklären, während sie nicht in
der Lage waren scheinbar jahrelange Vorbereitungen zu verhindern. Nehmen
Sie nicht einen Platz in der Geschichte als deutscher Kanzler ein, der die
Gelegenheit hatte, einen umfassenden Krieg zu vermeiden, es aber nicht
getan hat.

Versichern Sie jedoch dem US-Volk, dass Deutschland alles tun wird, um die
Schuldigen zu finden und vor ein hartes Gericht zu bringen.

2. Hindern Sie die USA massiv daran, einen sogenannten Vergeltungsschlag
auszuführen! Nutzen Sie alle erdenklichen politischen, diplomatischen,
demokratischen Mittel.

Sie haben sicherlich die Unterstützung der Völker aller Länder der sog.
Dritten Welt, allen voran der friedliebenden Islamischen Länder.
Insbesondere das deutsche Volk, demgegenüber Sie verantwortlich sind, wird
es ihnen danken, wenn sie die Menschen vor einemKrieg schützen.

Versichern Sie den Bürgern der USA, dass wir alle ihren Schmerz teilen,
dass aber ein US-Rachefeldzug, der unschuldige Menschen tötet, die USA auf
eine Ebene mit den Terroristen oder gar darunter herabstuft und von der
Welt als Staatsterror angesehen werden wird.

Erinnern Sie die USA an ihren eigenen Wahlspruch: Law and Order. Der dort
in Zeiten entstanden ist, als Lynchmorde die Oberhand gewonnen hatten.

3. Schlagen Sie der USA eindringlich vor, eine grundlegend neue
außenpolitische Doktrin zu entwerfen: Eine, die die Selbstbestimmung der
Völker der Welt anerkennt, keine Hegemonie, eine, die von Hochachtung
voreinander ausgeht, nicht von Hochmut oder Arroganz und vor allem nicht
von Globalisierung sondern einem Globalen Gleichgewicht. 

Dies ist ein Prozess und kein Blitzschlag. Arbeiten Sie stetig an der
Umsetzung dieser Vision und bauen Sie darauf, dass viele US-Bürger, die
durch die Anschläge tief nachdenklich geworden sind, sich fragen, was sie
bzw. ihre demokratische Regierung falsch gemacht  haben könnte und die nun
nach einem Ausweg suchen. Und dass sie als christliches Volk sicher gern
bereit wären, ihrem Nächsten zu helfen, nicht zuletzt den unterdrückten
Völkern dieser Welt, die unter der bisherigen US-Außenpolitik teils schwer
gelitten haben.

Bedenken Sie dass jedes freiheitsliebende unabhängige demokratische Land
selbstbestimmt in Frieden und Freiheit leben kann, gegen die kein Volk der
Erde einen Groll hegt.

Sie regieren ein vernunftbegabtes Volk! Und Sie haben ein friedliebendes
Volk hinter sich.

Es wäre genau jetzt an der Zeit, dem US-amerikanischen Bündnispartner
selbstbewusst gegenüberzutreten und ihn auf Fehler hinzuweisen und dadurch
drohenden noch größeren Schaden von ihm und uns allen abzuwenden. Das ist
die Pflicht eines Freundes.

Deutschland hat in den vergangenen fünfzig Jahren seine Lektion im
friedlichen Umgang mit anderen Staaten gut gelernt. Deutschland hat dies
paradoxer Weise von Siegern gelernt, die sich selber nicht daran gehalten
haben. Heute ist es nun Deutschland, dass von diesem Erfahrungsschatz
abgeben kann. Seit fünfzig Jahren ist von deutschem Boden kein Krieg
ausgegangen - und so mag es bleiben. Darauf können alle Deutschen stolz und
dankbar sein. Aber wir Deutschen sollten diesen höchst zivilisierten Weg
nun unbedingt weiterempfehlen.

Wir bitten Sie um Ihr Verständnis und Ihre besonnen Entscheidungen.
Möge Gott Ihnen den Weg weisen.

Hochachtungsvoll


Muslim-Markt
Internet-Froum der Muslime in Deutschland/Österreich/Schweiz

Der Webmaster
Dr. Yavuz Özoguz


PS: Wir dürfen Sie darauf hinweisen, dass vor allem in AV-Medien zeitweise
eine überaus verlogene und heimtückische Vorverurteilung des Islam und der
Muslime erfolgt. Lassen Sie sich hiervon nicht beeinflussen und vertrauen
Sie auf das deutsche Volk, das diesen Fehler - Gott sei Dank - überwiegend
nicht macht. Die islamischen Gemeinden in Deutschland melden derzeit viel
mehr Anteilnahme von Deutschen sowie aufrichtige Unterstützung an der
Situation der Muslime, als sie Ablehnung verspüren.

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Im Namen des Erhabenen

Sehr geehrter Bruder im Islam Muhammad Michael Hanel,
as-salamu-alaikum.

Hier die Antwort aus dem Büro des Bundeskanzlers:

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From: Parteivorstand <Parteivorstand@spd.de>
To: 'Muslim-Markt' <info@muslim-markt.de>
Subject: Özoguz 010915 /  Höfliches Ersuchen
Date: Mon, 17 Sep 2001 14:11:32 +0200
X-Mailer: Internet Mail Service (5.5.2653.19)

sehr geehrter Herr Özoguz,

der Bundeskanzler kennt seine Pflichten.

Mit freundlichem Gruß

Peter Treichel
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Peter Treichel
SPD Parteivorstand
Bürgerservice
Willy-Brandt-Haus
Wilhelmstraße 141
10963 Berlin

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Mit herzlichen Grüßen von

Ihrem Muslim-Markt-Team