Bismillah
Die
Sieben Täler
Imam Al Ghazzali -
aus:
"SOME MORAL and RELIGIOUS TEACHINGS of AL - GHAZZALI"
by SYED NAWAB ALI
Published by:
SH. MUHAMMAD
ASHRAF, Pakistan
Übersetzer:
Muhammad M. HANEL
Wisset meine Brüder, dass
der Gottesdienst ein Ergebnis von Wissen, der Gewinn des Lebens und das
Kapital der Rechtschaffenen ist. Er ist das Ziel von Menschen mit hoher
Gesinnung, solchen mit tiefer Einsicht. Er ist ihr summum bonum und ihr ewiges Paradies. „Ich bin euer Schöpfer“,
sagt Gott im Qur’an, „so betet Mich an. Ihr werdet euren Lohn haben und eure
Bemühungen werden vergolten.“
Der Gottesdienst ist also
etwas Wesentliches für den Menschen, doch ist er an Schwierigkeiten und
Hindernisse gebunden. Stolpersteine und Fallgruben weist dieser verschlungene
Pfad auf, Halsabschneider und andere üble Geister belagern ihn, wohingegen
Helfer rar und Freunde selten sind. Doch gefährlich muss dieser Pfad des
Gottesdienstes sein, sagt der Prophet doch: „Von
Leid und Mühsal ist das Paradies umgeben, wohingegen die Hölle bequem zu
erreichen ist und freies Ausleben aller Leidenschaften offen zu ihr einlädt.“
Armer Mensch – schwach ist er erschaffen und schwierig seine
Verpflichtungen; die Zeiten sind hart und das Leben kurz. Doch seine Reise
vom Diesseits zum Jenseits ist unvermeidlich und wer es verabsäumt die
nötigen Vorkehrungen zu treffen, wird unvermeidlich untergehen. Denkt nach
über den Ernst der Situation und unsere Lage. Bei Allah – unsere Lage
ist tatsächlich erbärmlich –viele sind doch aufgerufen, doch wenige sind
auserwählt.
Als ich die Schwierigkeit
und Gefährlichkeit des Pfades des Gottesdienstes entdeckte, schrieb ich
einige Werke, besonders „Ihya ulum ud Din“ („Wiederbelebung
der Religionswissenschaft“) in welchen ich beschrieb, wie man diese
Schwierigkeiten bewältigen könne, habe den Schwierigkeiten kühn ins Gesicht
gesehen und den Pfad mit Erfolg beschritten. Doch bestimmte Personen, welche
ihr Augenmerk auf die äußerlichen Kennzeichen meiner Arbeit richten,
verstehen weder ihre Bedeutung noch Absicht und lehnen dieses Buch nicht nur
ab, sondern verfahren in einer Art mit ihm, wie es sich für einen Muslim
nicht ziemt. Dennoch war ich deswegen nicht entmutigt, waren diese
Personen doch solche, welche den Qur’an als „Geschichten der
Alten“ verunglimpften. Auch war nicht ich gekränkt, ich hatte doch
Mitleid mit ihnen, da sie nicht wussten, was sie sich selbst angetan hatten.
Ich hasse das aktuelle Streitgespräch, habe aber dennoch die Pflicht, etwas
für sie tun. So bete ich aus Mitleid für meine Brüder zu Gott, mich zum Thema
auf neue Art und weise zu erleuchten.
So wisset denn, dass das
erste Mittel, um den Menschen aus seiner Lethargie zu wecken, ihn wieder auf
den Weg zu setzen, die Barmherzigkeit Gottes ist, welche veranlasst über
folgendes nachzudenken:
Ich bin Empfänger von so
vielen Gaben – Leben, Kraft, Verstand, Sprache – und ich finde
mich auf geheimnisvolle Weise vor so vielem Übel und Unglück beschützt.
Wer ist mein Wohltäter?
Wer ist mein Beschützer?
Ich muss ihm geziemend
dankbar sein, sonst werden diese Gaben von mir genommen und ich habe dann
bestimmt etwas verabsäumt. Diese Gaben offenbaren ihren Zweck, gerade so wie
Werkzeuge in Händen des Handwerkers – und die Welt erscheint mir wie
ein wunderschönes Bild, welches mich an den Künstler denken lässt.
Tal des
Wissens
Dieses Selbstgespräch führt
ihn in das Tal des Wissens, in welchem das stillschweigende Vertrauen in den
göttlichen Gesandten die Richtung weist und ihn führt:
Der Wohltäter ist jenes Einzigartige
Wesen, welches kein Gleiches neben Sich hat. Er ist dein Schöpfer - und
obgleich Er mit dem Auge nicht erfasst wird, ist Er doch Allgegenwärtig -
dessen Vorschreibungen erfüllt werden müssen – im Außen wie im Innen.
Er hat bestimmt, dass das Gute belohnt und das Böse bestraft wird. Die Wahl
liegt nun an dir, denn du wirst für deine Handlungen verantwortlich gemacht.
Erwirb dein Wissen unter den frommen, gottesfürchtigen Ulema mit einer Überzeugung, welche kein Schwanken kennt.
Wenn das Tal des Wissens
durchquert ist, bereitet sich der Mensch für den Gottesdienst vor, allerdings
wir ihm sein Schuldbewusstsein vorwerfen: „Kannst du an der Tür des
Allerheiligsten anklopfen? Weg mit dir und deinen schmutzigen
Abscheulichkeiten!“
Tal der
Reue
So fällt der arme Sünder
nieder im Tal der Reue und wenn eine Stimme ertönt: „Bereue, bereue!
Denn dein Herr ist Allvergebend“, da schöpft er neue Kraft und erhebt
sich mit freudigem Herzen und eilt weiter.
Tal der
Hindernisse
Nun erreicht er ein Tal,
voll mit Stolpersteinen von hauptsächlich viererlei Art.
Die Welt der Versuchung;
die, der Aufsehen
erregenden Menschen;
die, des alten Feind Satans
und
die, des zügellosen Selbst.
Lass ihn nun auf vier
Gegenkräfte zurückgreifen, um diese Hindernisse zu überwinden.
Versuche ein
zurückgezogenes Leben zu wählen,
vermeide die vermischende
Zusammenkunft mit Menschen der verschiedensten Art,
wirf den alten Feind hinaus
und
beherrsche dich mit dem
Zügel der Frömmigkeit.
Behalte in Erinnerung, dass
diese vier Gegenkräfte mit vier weiteren psychologischen Schwierigkeiten
fertig zu werden haben.
Sorge bezüglich des
täglichen Broterwerbs aufgrund des zurückgezogenen Lebens;
Zweifel und Befürchtungen
in Bezug auf die Privatsphäre, welche die Zufriedenheit stören; Sorgen,
Schwierigkeiten und Demütigungen wegen sozialer Verpflichtungen. Denn wenn
ein Mensch Gott zu dienen wünscht, greift ihn Satan offen und im Geheimen von
allen Seiten an; unangenehme Vorkommnisse und unerwartete Schwierigkeiten als
Ergebnis der Aufarbeitung seines Schicksals.
Tal der
Trübsal
Diese psychologischen
Schwierigkeiten werfen den armen Diener in das Tal der Trübsal. In dieser
Plage nehme der Mensch Zuflucht bei:
1. Gottvertrauen in
Angelegenheiten seines Lebensunterhaltes.
2. Der Anrufung Gottes um
Hilfe, wenn er sich hilflos fühlt.
3. Geduld im Leiden.
4. Freudige Ergebung in
Seinen Willen.
Tal der
Unwetter
Während er dieses
fürchterliche Tal der Trübsal durchschreitet glaubt er, diese Reise wäre höchst
schwierig. Doch zu seiner Überraschung findet er den Gottesdienst
uninteressant, die Gebete erfolgen mechanisch und die Versenkung birgt kein
Vergnügen. Er ist träge, melancholisch und blöde.
Verwirrt betritt er nun das
Tal der Unwetter. Die hellen Blitze der Hoffnung blenden seine Sicht und
zitternd fällt er nieder, wenn er den ohrenbetäubenden Donner der Angst
vernimmt. Seine tränenden Augen gleichen den Wolken und seine klaren Gedanken
leuchten mit den Blitzen. In einem einzigen Augenblick wird nun das Geheimnis
menschlicher Verantwortung, mit seiner Belohnung für gute und der Bestrafung
für schlechte Taten, enthüllt. Von diesem Augenblick an wird sein
Gottesdienst kein Lippenbekenntnis, seine täglichen Verpflichtungen keine
Schufterei mehr sein. Erhaben und beschwingt wird er nun mit den Flügeln der
Hoffnung und Furcht umzugehen wissen.
Tal der
Bodenlosigkeit
Mit leichtem Herzen, in
guter Stimmung schreitet er nun voran – und plötzlich eröffnet das schaurige
Tal der Bodenlosigkeit sich seinem Blick. Nach einem tiefen Blick in die
Natur seiner Taten erkennt er, dass seine guten Taten entweder vollbracht
wurden, weil er die Anerkennung seiner Mitmenschen erringen wollte oder das
Ergebnis reiner Ruhmsucht waren. Auf der einen Seite erblickt er das
hydraköpfige Ungeheuer der Heuchelei und auf der
anderen die bezaubernde Pandora des Eigendünkels mit ihrer weit geöffneter Büchse. In
Verzweiflung wird er inne halten,
nicht wissend wie weiter - doch siehe – der Engel der Aufrichtigkeit
wird aus den Tiefen seines Herzens aufsteigen, ihn bei der Hand nehmen und
ihn aus diesem Tal herausführen. In Dankbarkeit für die göttliche Gnade wird
er weiter schreiten und der Gedanke an die vielfältigen Gnaden an sein
unwürdiges Selbst und an seine Unfähigkeit, diesen Geschenken in seiner
Danksagung jemals gerecht werden zu können, überwältigen ihn schließlich.
Tal der
Lobpreisung
Jetzt angelangt im Tal der
Lobpreisung, sterblich wie er nun mal ist, singt er so gut er nur vermag sein
Loblied an das Ewige Wesen. Die unsichtbare Hand göttlicher Barmherzigkeit
öffnet dann den Garten der Liebe für ihn, in welchen er eingelassen wird mit Körper
und Seele, denn beide hatten direkt und indirekt ihre Rolle (bei dieser
Reise) zu spielen gehabt und hier endet seine Reise. Der Gottesdiener lebt
nun unter Seinesgleichen wie ein Reisender, doch sein Herz lebt in Ihm,
darauf wartend die letzte Vorschreibung zu erfüllen:
O
du ruhige Seele! Kehre
zurück zu deinem Herrn wohlzufrieden und mit (Allahs) Wohlwollen. So schließ' dich dem Kreis Meiner Diener
an. Und tritt ein in Mein Paradies. [89:27-30]
Hanel,
Schweiz 2005
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