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Bismillah

„Riza“ oder die freudvolle Unterwerfung unter Seinen Willen [1]
Imam Al Ghazzali -

aus:
"SOME MORAL and RELIGIOUS TEACHINGS of AL - GHAZZALI"

by SYED NAWAB ALI
Published by:
SH. MUHAMMAD ASHRAF, Pakistan

Übersetzer: Muhammad Michael HANEL

 

 

 

RIZA ist die Quintessenz der Liebe und eine der höchsten Stufen unter den wenigen der bevorzugten. Doch einige zweifeln an ihrer Existenz indem sie sagen: „Wie kann ein Mensch sich an etwas erfreuen, was gegen seinen Willen ist? Er mag sich zwar dem Willen Gottes unterwerfen, aber daraus folgt nicht, dass er damit das Gefühl der Freude verbindet.“

Wir werden die Natur von Riza untersuchen und ihre Existenz beweisen.

 

Wenden wir uns zuerst Qur’an und Hadith zu.

 

Allah hat den gläubigen Männern und den gläubigen Frauen verheißen, immerdar in Gärten zu verweilen, die von Bächen durchflossen werden, und (Er hat ihnen) herrliche Wohnstätten in den Gärten von Eden (verheißen). Allahs Wohlgefallen aber ist noch größer. Das ist der gewaltige Gewinn. [9:72]

 

In diesem Abschnitt wird das Wohlgefallen Gottes (Kizwan) als die allergrößte Segnung und der gewaltigste Gewinn beschrieben. In einem weiteren Abschnitt wird dieser Segen auch jenen verheißen, die sich freiwillig Seinem Willen ergeben.

 

Allah ist mit ihnen wohlzufrieden und sie sind wohlzufrieden mit Ihm. Dies ist für den, der seinen Herrn fürchtet. [98:8]

 

„Wer Ehrfurcht vor dem Gütigen Gott im Geheimen hegt und ein bußfertiges Herz an den Tag legt, wird es (das Paradies) betreten – dies ist der Tag des ewigen Verweilens. Darin werden sie haben, was sie sich wünschen und mit Uns ist noch mehr.“ Einige Kommentatoren des kursiv Geschriebenen sagen, dass drei Geschenke im Paradies gemacht werden.

 

a.)    ein seltenes, verborgenes Geschenk, von welchem „keine weltliche Seele“ auch nur die geringste Ahnung hat, und welches ihre Augen erfrischen wird. „Doch niemand weiß, welche Augenweide für sie als Lohn für ihre Taten verborgen ist.“ [32:17]

b.)    Ein Gruß, wie er im Qur’an erwähnt ist. "Frieden!" - (dies ist) eine Botschaft von einem Sich Erbarmenden Herrn. [36:58]

c.)    Seine Göttliche Güte und Wohlgefallen, wie dies erwähnt ist: „wa Rizwanum minallahi akbar“ („… und besser als alles ist das Göttliche Wohlgefallen Allahs“)

 

Einmal fragte der Prophet einige seiner Gefährten nach den Zeichen des Glaubens, welchen sie bekundeten. „O Gesandter Gottes“, sagten die Gefährten, „wir sind geduldig im Leid, dankbar im Glück und zufrieden mit unserem Schicksal.“ „Wahrlich, ihr seid Muslime“, sagte der Prophet. Auch sagte der Prophet: „O ihr, die ihr arm seid, seid zufrieden mit dem, was Gott für euch bereitet hat, dann werdet ihr euren Lohn erhalten.

 

Wollen wir uns jetzt die Natur von Riza näher ansehen. Jene die behaupten Riza gäbe es gar nicht, da der Mensch zwar geduldig im Leid sein könne, aber die freudige Ergebung in Seinen Willen unmöglich wäre, leugnen die Existenz der Liebe und ihre verzehrende Natur. Ein Liebender liebt immer die Handlungen seines Geliebten. Diese Liebe der Handlungen ist von zweierlei Art:

 

1. Die Erlösung von Erfahrung des Leids welches durch physischen oder psychischen Schmerz verursacht wird.

Die Erfahrung zeigt, dass viele Krieger in ihrer Raserei den Schmerz ihrer Wunden gar nicht fühlen und sie die Verletzung erst bemerken, wenn sie das Blut daraus hervorquellen sehen. Auch wenn der Mensch ganz intensiv mit etwas beschäftigt ist, was seine ganze Aufmerk­samkeit beansprucht, wird er den Schmerz eines ihn stechenden Dorns gar nicht bemerken. Wenn in solchen Fällen, und solche gibt es eine Menge, Schmerz nicht empfunden wird, ist es dann nicht möglich, dass ein Ihm Ergebener den Schmerz nicht fühlt, welcher ihm von Seinem Geliebten in seinem Glauben zugefügt wird?

 

2. Auch wenn der Schmerz empfunden wird, wird dennoch nach diesem verlangt, geradeso wie ein zu operierender Patient nach dem Skalpell verlangt, auch wenn er das Schneiden des Chirurgen nicht wirklich liebt. Gleiches trifft auf jenen zu, der fest glaubt, dass die von Gott zugefügte Leiden, gleichsam von Gott geschickte Heilmittel sind, und daher über diese erfreut und Gott dafür dankbar ist.

 

Jeder, der über die oben erwähnten Arten der Natur der Liebe nachdenkt, und dann in diesem Lichte die Erzählungen und Geschichten der Gottesliebenden liest, wird, so glaube ich, von der Existenz von Riza überzeugt sein.

 

Der geheiligte Basher, Sohn des Harith erzählte folgende Geschichte: „In der Shakira Strasse in Bagdad sah ich einen Mann, wie er 1000 Peitschenhiebe empfing, doch schrie er nicht ein bisschen in seiner Qual. Als er dann ins Gefängnis verbracht wurde folgte ich ihm. „Warum wurdest du so umbarmherzig bestraft?“ fragte ich ihn. „Weil sie das Geheimnis meiner Liebe entdeckt haben“, war seine Antwort. „Warum warst du aber dann so unheimlich still, als du so streng bestrafst wurdest?“ fragte ich verwundert. „Weil“, so antwortete der arme Kerl mit einem Seufzen, „sie vom Balkon auf mich herabsah.“ „O, mögest du nur den wahren Geliebten erblicken“, murmelte ich. Als er dies hörte, verließ die Farbe sein Gesicht und mit einem lauten Schrei fiel er tot zu Boden.“

 

Er erzählte auch noch eine andere Geschichte: „Als ich Student des Sufitums war, begab ich mich zu Jazirai Abbadan, [2] bei dem ich einen blinden, epileptischen Leprakranken am Boden liegen sah, an dessen Fleisch sich Würmer weideten. Ich setzte mich zu ihm, nahm seinen Kopf in meinen Schoß und richtete sanftes Wort an ihn. Als er zu sich kam, sagte er: „Wer ist dieser Fremde, der sich zwischen mich und meinen Herrn drängt? Selbst wenn ich jeden einzelnen meiner Körperteile verliere, werde ich Ihn lieben.“ Dieses Bild von Riza, sagte der geheiligte Mann, werde ich niemals vergessen; und es bleibt eine lebenslange Lektion für mich.“

 

Es wird berichtet, dass Jesus Christus einmal ein blinden Aussätzigen sah, der folgendes Gebet sprach: „Geheiligt bist Du, O Herr – der mich vor solchem Übel bewahrt hat, welches so viele von uns befallen hat.“ „Bist du nicht selbst gar übel dran?“ fragte Jesus. „Sag, von welchem Übel sprichst du, welches euch befallen hat.“ „Gott sei’s gedankt“, rief der Aussätzige „ich bin nicht einer von denen, die Gott nicht kennen“ rief der Aussätzige. „Du hast recht“ sprach der Christus, „gib mir deine Hand.“ Und der Atem Christi heilte den Leprakranken auf der Stelle, der von da an einer seiner Jünger wurde.

 

Saad bin Wakas [3] einer der Gefährten des Propheten wurde im Alter blind, gab seine Stellung auf und kehrte nach Mekka zurück. Die Leute umringten ihn und baten um seinen Segen, denn er war bekannt dafür, dass seine Gebete stets erhört wurden. Abdullah bin Saad berichtet: „Damals war ich ein kleiner Junge und ich ging auch zu ihm, um ihn respektvoll zu begrüßen. Er war freundlich zu mir und segnete mich. Darauf sagte ich: „Onkel Saad [4], wie kommt es, dass du für jeden betest, aber nicht darum, dein eigenes Augenlicht zurück zu bekommen?“ „Mein Sohn“, erwiderte Saad lächelnd, „mit Seinem Willen überein zu stimmen und eins zu sein, ist süßer als das Augenlicht.“

 

Einige Leute gingen Shibli im Narrenhaus besuchen, in welches man ihn eingesperrt hatte. „Wer seid ihr?“ fragte der Geheiligte. „Freunde“, antworteten sie wie mit einer Stimme. Als Shibli dies hörte, nahm er ein paar Steinchen und begann seine Besucher damit zu bewerfen, worauf sie alle davon liefen, nicht ohne ihn als „Verrückten“ zu beschimpfen. „Was soll das?“ rief Shibli, „ihr nennt euch meine Freunde, doch wenn ihr es aufrichtig meint, dann ertragt in Geduld, was ihr von mir bekommt.“ Dann begann er folgendes zu singen: „Seine Liebe hat den Verstand mir ganz vertauscht, habt ihr jemals einen Liebenden erblickt, der nicht von seiner Liebe war berauscht, der vom Rausch der Liebe, nicht völlig ward erdrückt?“

 

Diese Erzählungen deuten darauf hin, dass Riza oder freudige Unterwerfung unter Gottes Willen möglich ist und eine der höchsten Stufen darstellt, welche die Seele des wahren Bewerbers anstreben kann. Die Menschen glauben an die Verrücktheiten der Verehrer Amors, doch achten die Ekstasen der wahren Gottesliebenden nicht ein bisschen. Vielleicht haben sie keine Augen für die Manifestationen Seiner Schönheit, kein Ohr, die schönen Harmonien Seiner Liebe zu vernehmen, kein Herz, Seine süße Gegenwart zu verspüren und zu genießen. Vielleicht sind sie stolz auf ihre Gelehrsamkeit und denken zuviel an ihre guten Werke und haben keine Ahnung von demütigen und gebrochenen Herzen.

 

Ein gut aussehender und angesehener Adeliger aus Bustam pflegte den Predigten des geheiligten Bayazid [5] zu lauschen. Eines Tages sagte er zu dem geheiligten Mann: „Dreißig Jahre lang habe ich das Fasten eingehalten, habe ganze Nächte im Gebet verbracht und doch kann ich in mir diese belebende Kraft nicht entdecken, von der du lehrst, auch wenn ich an sie glaube und Liebe für dich hege.“ „Dreißig Jahre“, rief der heilige Mann, „und wenn du für dreihundert Jahre so weitermachst wie bisher, wirst du keine Spur von ihr entdecken.“ „Wie das?“ fragte der Adelige verblüfft. „Weil“, so antwortete Shibli, „der Schleier deiner Ichsucht schwer über dein spirituelles Auge gefallen ist.“ Der Adelige fragte Shibli nach einem Heilmittel dagegen, doch der geheiligte Mann lehnte ab es ihm mitzuteilen, weil dieser es doch nicht zu sich nehmen würde. „Aber verrate es mir doch wenigstens“, bestand der Adelige auf einer Antwort, „und ich werde mein Bestes geben, deinem freundlichen Ratschlag zu folgen.“ „So gib gut acht“, erwiderte der heilige Mann sanft, „geh sofort zum Barbier und lass dir Haupt- und Barthaar schneiden, lege deine noble Tracht ab, gürte deinen Lenden mit einem Tuch, versammle Kinder um dich und sag ihnen, dass jeder von ihnen, der dir einen Schlag versetzt eine Walnuss bekommt und anschließend laufe durch die Engen des Bazars, gefolgt von diesen Kindern und gleich danach zeige dich deinen engsten Freunden.“

 

„Subhan Allah – alles Lob gebührt Gott!“ rief der noble Herr. „Das wagst du mir zu sagen?“ „Hüte deine Zunge“, antwortete der Heilige, dein „Subhan Allah“ ist Blasphemie!“ „Wie kann das sein?“ fragte der Adelige. „Weil du dieses „Subhan Allah“ nicht aus Respekt für das Heilige Wesen gerufen hast, sondern in Hinblick auf dein eigenes, stolzes Selbst.“ „Nun gut“, gab der Oberboss zurück, „verrate mir noch ein anderes Heilmittel, bitte.“ „Versuche dieses zuerst“, bestand der heilige Mann. „Das kann ich nicht tun“, wandte der adelige Herr ein. „Da hast du’s“, sprach Shibli sanft, „habe ich dir nicht gesagt, du würdest dieses Heilmittel nicht annehmen?“

 

Unsere egoistischen Veranlagungen hindern den Fortschritt unserer Seelen zu höheren Tugenden und deshalb gehen einige unter uns so weit, die Möglichkeit der Existenz dieser gänzlich zu leugnen. Lasset das Leben der wahren Liebenden Gottes unsere Führung sein!

 

     Hanel, Schweiz 2005

 

 

 



[1] Ihya ulum du Din IV.6.

[2] In Tgris

[3] Er eroberte Persien unter dem Kalif Omar

[4] So sprechen die Araber die Älteren an

[5]