VERANTWORTUNG FÜR DIE SCHÖPFUNG
I
Um über Verantwortung für
die Schöpfung sprechen zu können halte ich es für notwendig, einen Blick auf
das islamische Weltbild, auf das Bild von Gott und dem Menschen zu werfen.
Aus muslimischer Sicht ist
die Welt nicht umsonst erschaffen. Gottes Schöpfung ist mit einem bestimmten
Sinn versehen. Zu allererst ist sie Zeichen der Herrlichkeit und Allmacht des
Schöpfers.
Die gesamte Schöpfung ist
ein in sich geschlossenes System, das von Gott, dem Herrn der Welten, erhalten
wird und von Ihm abhängig ist. Alles, was in den Himmeln und auf der Erde ist,
gehört Allah, kann man dem Koran entnehmen (Sura
42:4). Er ist der Herr, der Schöpfer, der Herrscher, der Erhalter, der Richter,
der Schützer, der Erbarmer, usw. Insg. wird Allah mit
99 solcher Namen bezeichnet, die Seine Eigenschaften ausdrücken. Er hat Macht
über Leben und Tod, ist ewig und allein
und über alle Dinge erhaben. Alles außer
Ihm gehört zu Seiner Schöpfung, so auch der Mensch. Hinsichtlich seiner Geschöpflichkeit unterscheidet sich der Mensch nicht von
den Tieren. Die besondere Auszeichnung des Menschen ist - neben seiner
Fähigkeit zur Unterscheidung und Gewissensbildung - dass er von Gott
angesprochen wurde durch Seine Offenbarungen. Der Mensch ist jedoch nicht Herr
und Eigentümer der Welt, sondern er h a
t einen Herrn, nämlich den Herrn der
Welten. Im Koran wird der Mensch als „khalifa“
bezeichnet, das heißt er ist derjenige, der in der Nachfolge Gottes handelt.
Man sagt auch, er ist ein Stellvertreter oder Statthalter. Aus dieser Stellung
ergibt sich Verantwortlichkeit.
Die Schöpfung ist dem
Menschen nur anvertraut, damit er daraus Nutzen ziehen kann, dies aber
nicht ohne Bedingungen oder gar zur grenzenlosen Ausbeutung.
Im Koran steht:
(31:20) "Hast du nicht gesehen, dass Gott alles, was
auf der Erde ist, in euren Dienst
gestellt hat ... oder in
(45:13) "Und (Er) hat euch zu Nutzen
gegeben, was in den Himmeln und was auf der Erde ist, alles insgesamt von Ihm.Hierin sind bestimmt Zeichen für Leute, die
nachdenken."
Jeder Einzelne steht in seiner Verantwortlichkeit in einer
Prüfungssituation, in der er sich bewähren kann, aber auch fehlgehen und sich
die falschen Ziele setzen kann. Und jeder Mensch ist für sein eigenes Tun verantwortlich. Es gibt dabei keine Vorbelastung durch den
Ungehorsam Adams. Aus islamischer Sicht hat Gott Adam vergeben und leitet die
Menschen seit der Verweisung aus dem Paradies durch Propheten und Gesandte, von
Noah über Abraham und Moses über David und Salomo bis hin zu Jesus, der im
Islam der letzte Prophet vor Muhammad (s.s.) war.
Die Bewährung des Einzelnen
wird im Koran öfter angesprochen. Zwei Beispiele:
(67:1,2) "Segenreich ist Er, in
dessen Hand die Herrschaft ist, und Er ist zu allem imstande.
Derjenige der das Sterben und das Leben
geschaffen hat, damit Er euch prüft, welcher von
euch am besten ist im Tun, und Er ist der
Mächtige, der Verzeihende."
Und in Sura
18:7:
"Wir haben ja, was auf der Erde ist,
als Schmuck für sie gemacht, damit Wir sie (die Menschen) prüfen,
welcher von ihnen am besten handelt."
Gott der Herr, dem die
Schöpfung gehört, hat also diese dem Menschen anvertraut und der Mensch ist Ihm
gegenüber für den Umgang mit der Schöpfung verantwortlich und schuldet Seinem
Herrn Rechenschaft.
An vielen Stellen des Koran wird der Mensch im Hinblick auf diese Rechenschaft
gewarnt. Er wird Gutes oder Schlechtes, das er getan hat - und sei es nur "im Gewicht eines Stäubchens" (Sura 99:7,8) - so die koranische
Diktion, dereinst sehen.
In Sure 7:56 wird der
Mensch gewarnt, Unheil auf Erden anzurichten, nachdem Gott dort alles - wie es
heißt -
„bestens geordnet“ hat.
"... und stiftet kein Unheil auf der
Erde, nachdem dort alles bestens geordnet ist."
Diese Ordnung zu bewahren,
wird dem Menschen damit aufgetragen. Auf die Erde bezogen und im zeitgenössischen
Sprachgebrauch ist diese „beste Ordnung“ das "ökologische
Gleichgewicht", das das Leben
überhaupt erst ermöglicht. Der Auftrag des Menschen ist also, nicht Unheil auf
der Erde anzurichten, sondern im Gegenteil,
Heil durch Frieden zu machen, Gleichgewicht zu bewahren. Dieser Sinn
liegt schon im Wort "Islam"
selbst, dessen Ursprung mit dem Wort "Salam" = Frieden zusammenhängt.
Die tiefere Bedeutung ist also das Friedenmachen mit Gott, dadurch
mit den Mitmenschen, mit
sich selbst und der Schöpfung als Ganzes.
Was verstehen Muslime unter
diesem „Friedenmachen“?
Es ist für sie der
verantwortungsvolle Umgang mit Gottes Schöpfung entsprechend den Anweisungen
und der Rechtleitung durch Gottes Offenbarungen, die durch den Propheten
Muhammad (s.s.) auf vorbildliche Weiseumgesetzt
worden sind. Deshalb sind die Muslime aufgefordert, diesem beispielhaften
Verhalten nachzueifern.
II
Wenn man von Verantwortung
für die Schöpfung spricht, denkt man natürlich an die Umwelt.
Die moderne
besorgniserregende Umweltproblematik beschäftigt zahllose kritisch denkende
Menschen und es wird vielerorts über Lösungsansätze und Alternativen sowie über Möglichkeiten nachgedacht, diesen
"Krieg gegen die Schöpfung", wie der ehemalige deutsche Außenminister
Dietrich Genscher es einmal ausdrückte, einzudämmen.
Auch Muslime, allen voran
der Deutsche Ahmad von Denffer, haben sich eingehend
mit dieser Problematik beschäftigt, indem die islamischen Quellen - Koran und Sunna - auf themenrelevante Stellen gesichtet und
untersucht wurden.
Die Kernpunkte dieser
Überlegungen und Nachforschungen versuche ich im Folgenden zusammenzufassen:
Der Koran fließt von
Naturschilderungen geradezu über, deren Ziel es ist, dem Menschen Ehrfurcht vor
Gottes Schöpfung - die er als einen Gottesbeweis versteht - einzuflößen. Rein
äußerlich kommt dies dadurch zum Ausdruck, dass zahlreiche Suren nach Tieren
oder Naturerscheinungen benannt sind, z.B. die Kuh, das Vieh, die Bienen, die
Ameisen, der Elefant, der Donner, das Licht, der Berg, der Mond, die Morgenröte
usw.
Auch inhaltlich werden im
Koran immer wieder Phänomene in der Natur angesprochen, beispielsweise die
besondere Bedeutung des Wassers, das in Sure (21:30) als der Ursprung allen
Lebens bezeichnet wird. Es wird dem Menschen klar und deutlich vor Augen
geführt, dass er ohne Wasser nicht leben kann, die Erde ohne Wasser keine Frucht
trägt, und weder Mensch noch Tier sich ernähren könnten. Die Erde mit dem
Wasser vom Himmel ist unersetzlich für die Ernährung und Wasser ist eine Gnadengabe des Schöpfers, mit der der
Mensch richtig umgehen muss, um in ihren Genuss zu gelangen. Es gibt
aber keine Gewähr dafür.
Im Koran steht:
(67:30) "Sag: Wenn ihr eines Morgens seht, dass all euer Wasser
versiegt ist, wer gibt euch dann Wasserquellen?"
In diesem Vers wird nicht
nur ein Nachdenken über die Gnade Gottes
angeregt, mit der Er die Menschen mit Wasser versorgt, sondern auch die ganz
aktuelle Problematik des sinkenden Grundwasserspiegels angesprochen.
Der Koran spricht auch
zahlreiche alarmierende Schilderungen dessen an, was sich derzeit auf dem
Umweltsektor abspielt. Neben dem Absinken des Grundwasserspiegels ein anderes
Beispiel dafür ist die Erwähnung des Phänomens des sauren Regens in der 56.
Sure, Vers 68-70:
"Habt ihr das Wasser betrachtet, das
ihr trinkt? Seid ihr es, die es aus den Wolken niedersendet,
oder sind nicht Wir es, die es niedersenden? Wollten
Wir, so könnten Wir es sauer machen. Warum also dankt ihr Mir nicht?"
In diesem Zusammenhang ist
interessant, dass im Koran gleich nach dieser Stelle die Bäume (also der Wald)
genannt wird!
Neben der Aufforderung zur
Dankbarkeit werden die Gläubigen von Gott wiederholt und eindringlich
aufgefordert, in allen Dingen Maß zuhalten und auf keinen Fall mit Ressourcen
verschwenderisch umzugehen.
Ein Beispiel von vielen aus
dem Koran:
"Und Er ist es, der wachsen lässt
Gärten mit Rebspalieren und ohne Rebspaliere und die Palmen und das Korn,....
dessen Speise verschieden ist, und die Oliven und die Granatäpfel, einander
gleich und ungleich: Esst von ihrer Frucht, so sie Frucht tragen und gebt die
Gebühr davon am Tag der Ernte, und seid nicht verschwenderisch, siehe Er
(Allah) liebt nicht die Verschwender." (6:141)
Ganz in diesem Sinne ist
den Gläubigen auch geboten, jeden Prunk und Luxus zu meiden. Beispielsweise
sind Essgeschirr aus Gold oder Silber untersagt.
Daraus leiten sich einige
wichtige wirtschaftliche Grundsätze ab, die ich an dieser Stelle erwähnen
möchte. Sie zielen nicht nur auf ein verantwortliches, umsichtiges Maßhalten
beim Wirtschaften ab, sondern sollen auch ungerechtfertigter Bereicherung, die
nicht auf dem Prinzip "Ertrag durch Leistung" beruht, entgegenwirken.
So wird das Horten von
Gütern, um die Preise hochzuhalten, abgelehnt;
dasselbe gilt für die Vernichtung von Lebensmitteln. Es besteht ein
allgemeines Zinsverbot, da Menschen in einer Notlage nicht noch zusätzlich belastet
werden sollen. Transaktionen, bei denen Unsicherheitsfaktoren auftreten, bzw.
bei denen etwas verkauft wird, was man selbst gar nicht besitzt, werden
ebenfalls abgelehnt.
Die konsequente Anwendung
solcher Grundsätze könnte einen erheblichen Beitrag zur Lösung etlicher
Umweltfragen bedeuten. In Wirklichkeit ist die grenzenlose Förderung des
Konsums ja nichts anderes als eine rücksichtslose Verschwendung, und diese ist
für unser heutiges Weltwirtschaftssystem typisch.
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Von fundamentaler Bedeutung
im Umweltzusammenhang ist auch der bekannte Ausspruch des Propheten Muhammad (s.s.) "Reinheit
ist der halbe Glaube." Reinheit ist für den einzelnen Muslim für die
Vollziehung seiner religiösen Pflichten wichtig, weil er seine fünf täglichen
Gebete nicht nur im Zustand der inneren, sondern auch der äußeren, körperlichen
Reinheit und an einem reinen Ort, verrichten muss. Er wird dementsprechend
alles meiden oder verhindern, das Verunreinigung und
Verschmutzung verursacht. Vor allem die Reinheit des Wassers muss er bewahren,
weil es für seine tägliche religiöse Praxis von primärer Bedeutung ist. Nur
Wasser von hoher Qualität kann den reinigenden Zweck erfüllen. Der Muslim ist
also eigentlich allein aus diesem Grund zum Umweltschützer prädestiniert, weil
nur eine intakte Umwelt die Voraussetzungen bietet, die er für die Erfüllung
seiner rituell-religiösen Pflichten benötigt. Hier, wie in anderen Dingen
beschränkt sich der Islam nicht nur auf große Lösungen. Das Verhalten jedes
Einzelnen soll erzieherisch beeinflusst und optimiert werden.
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Jetzt will ich wieder auf
Ahmed von Denffer zurückkommen. Er zieht aus seinen
Überlegung den Schluss, dass die eigentliche Ursache der katastrophalen
Umweltbelastungen die Arroganz und die
Überheblichkeit sind, in der der moderne Mensch glaubt, unbeschränkter Herr
seiner Umwelt zu sein und seinem hedonistischen Konsumdrang alles andere
unterordnet. Der wesentliche Beitrag des Islam zur Beantwortung der
Umweltfragen, aber auch anderer Menschheitsfragen läge darin, den Menschen an
Gott und die Verantwortung, die er Ihm gegenüber hat, zu erinnern; die Menschen
dazu einzuladen, sich um ein Gott wohlgefälliges Leben zu bemühen. Die
Voraussicht und das Verantwortungsgefühl sind wesentliche Zeichen gläubiger
Menschen. Sie sind es gewohnt, stets an die Folgen ihres Tuns
zu denken. Der Islam kann hier sicher wertvolle Impulse geben.
Objektiverweise muss man an
dieser Stelle allerdings erwähnen, dass es trotz der hohen islamischen Prinzipien
in der islamischen Welt an einem ausgeprägtem
Umweltbewusstsein eher mangelt. Man darf dabei aber nicht übersehen, dass es sich bei diesen Ländern
meist um wirtschaftlich schlecht entwickelte Staaten handelt, wo die Menschen
häufig um ihr tägliches Brot kämpfen müssen. Nicht zuletzt deshalb ist die
Auffassung weit verbreitet, dass Umweltschutz bzw. eine kostspielige
Umweltschutzgesetzgebung ein unerschwinglicher Luxus sind, den man sich nur in hochindustrialisierten Ländern der sogen. "1.
Welt" leisten kann.
Ich halte es aber für
überaus bedeutsam, die Menschen dort sowie überall auf der Welt für die uns
alle betreffenden Umweltfragen zu sensibilisieren und in islamischen Ländern
mit Nachdruck auf die islamischen Vorstellungen über den Umgang mit der uns geschenkten Schöpfung
hinzuweisen. Denn gerade die islamische
Einstellung geht davon aus, dass alles - so auch und insbesondere der Schutz
und die Erhaltung unserer Umwelt - beim Verantwortungsgefühl des Einzelnen beginnt. Auch der kleine individuelle Beitrag kann- außer
dem Wohlgefallen Gottes - etwas bewirken, wenn er von vielen praktiziert wird.
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III
Der Mensch hat aber nicht
nur gegenüber seiner Umwelt Verantwortung zu tragen, sondern auch gegenüber
seinen Mitmenschen, die ja, wie er
selbst, Teil der Schöpfung sind.
Hier kann man unterscheiden
zwischen der Verantwortung für bestimmte Gruppen und der
gesamtgesellschaftlichen Verantwortung.
Bei den Gruppen stehen an
erster Stelle die Verwandten. Immer
wieder wird den Gläubigen in Koran und Sunna die
sogen. "Pflege der Verwandtschaftsbande" aufgetragen und dies in der
Überlieferung sogar als einer der Gründe für das Kommen des Propheten Muhammad
(s.s.) genannt. Den herausragenden Stellenwert unter den
Verwandten haben die Eltern. Ihnen
gegenüber ist Güte und Dankbarkeit geboten. Im Koran (Sura
17:23, 24) wird diese Forderung auf den Punkt gebracht:
"Und dein Herr hat beschlossen, dass
ihr niemandem dient außer Ihm und den Eltern Gutes zu tun. Wenn einer von
beiden oder alle beide bei dir das Alter
erreichen, so sage nicht "pfui" zu ihnen und schelte sie nicht und
sage ihnen
ein ehrendes Wort. Und senke für sie beide
den Arm der Duldsamkeit aus Barmherzigkeit und sag: 'Mein Herr, er-
barme dich ihrer beider, wie sie mich
aufgezogen haben, als ich klein war.'"
Eine besondere Stellung
kommt der Mutter zu. Einmal kam ein
Mann zum Propheten (s.s.) und fragte ihn: "Wer
hat am meisten Anspruch, dass ich ihm ein guter Gefährte bin?" Der Prophet
antwortete ihm: "Deine Mutter". Auf weiteres Fragen, wer danach käme,
antwortete der Prophet noch zweimal mit 'deine Mutter'. Erst beim vierten Mal
war die Antwort "Dein Vater".
Sogar nach dem Tod der
Eltern hat der Gläubige noch Pflichten ihnen gegenüber. Nämlich für sie zu
beten, Vergebung für sie zu erbitten, ihre Verbindlichkeiten, die sie
hinterlassen haben, zu erfüllen sowie die Bande der Verwandtschaft zu ihren
Angehörigen zu pflegen und ihre Freunde zu achten.
Ganz kurz möchte ich noch
weitere Gruppen erwähnen, die den Gläubigen besonders ans Herz gelegt worden
sind:
Zuerst die Waisen und die Nachbarn. Im Koran wird immer wieder zur Speisung der Waisen
sowie zu deren guter Behandlung angespornt und darauf hingewiesen, dass der
wahre Glaube sich am Verhalten den Waisen gegenüber beweist. Es wird besonders
davor gewarnt, sie ungerecht zu behandeln oder gar ihr Vermögen zu verprassen.
Auch die gute Beziehung zu
den Nachbarn ist den Gläubigen auferlegt. Wie weit die Verantwortung für
gut-nachbarschaftliche Beziehungen geht, bringt ein Ausspruch des Propheten
Muhammad (s.s.) zum Ausdruck: "Der Engel Gabriel hat mir so lange den Nachbarn ans Herz gelegt,
bis ich meinte, er würde ihn zum Erben einsetzen."
Die Gläubigen sollen ihre
Nachbarn nicht nur gut behandeln, sondern sie nicht gering achten, nicht
schlecht über sie sprechen, und sich nicht selbst satt essen, während der
Nachbar zu hungern hat. Das Verhältnis zu den Nachbarn ist Prüfstein für den
Gläubigen und soll durch gegenseitige Achtung, Rücksichtnahme und Barmherzigkeit
geprägt sein.
Eine Gruppe und die
Verantwortung ihr gegenüber möchte ich noch erwähnen, die hier von besonderem
Interesse ist:
Die christliche Minderheit in einer islamischen Gesellschaft. Ich
zitiere dazu einige wesentliche Passagen aus einem Vertrag, verfasst vom
zweiten Khalifen Omar bin Al-Chattab, dessen Amtszeit 634-644 n.Chr.
war:
"Dieser
Vertrag gilt für alle christlichen Untertanen, Priester, Mönche und Nonnen. Er
garantiert ihnen Sicherheit undSchutz, wo immer sie
sich befinden. .... Entsprechender Schutz wird ihren Kirchen, Häusern und ihren
Pilgerstätten zugesichert, ebenso denen, die diese Stätten aufsuchen:
Georgiern, Abessiniern, Jakobiten, Nestorianern und allen jene ,die
den Propheten Jesus anerkennen. Diese alle verdienen Rücksichtnahme, da sie
zuvor durch eine Urkunde seitens des Propheten Muhammad geehrt worden sind,
unter die er sein Siegel setzte und in der er uns nachdrücklich befahl gütig zu ihnen
zu sein und ihnen Schutz zu gewähren. .... Sie sind dementsprechend als Pilger in allen
muslimischen Ländern, zur See und auf dem Lande, frei von der Zahlung aller
Abgaben und Steuern ..... Wer immer diesen Vertrag
gelesen hat und zwischen heute und dem Tage des Jüngsten Gerichtes ihm zuwider handelt
oder mit ihnen im Gegensatz zu diesem Vertrag verfährt, der bricht das Bündinis mit Allah und das Seines geliebten Propheten ...
"
Ähnliche Verträge wurden
auch mit anderen Minderheiten abgeschlossen, wobei die Christen als sogen.
"Besitzer der Schrift" eine besondere Stellung einnehmen. Solche
Verträge nennt man "aqd al dhimma",
was soviel heißt, wie: "ein Vertrag, dessen Einhaltung Gewissenspflicht
der Gemeinschaft ist", für dessen Einhaltung also die gesamte Gemeinschaft
verantwortlich ist. Ziel dieser Verträge
war die Regelung der wechselseitigen Beziehungen auf der Grundlage gleicher
Rechte und Pflichten. Mit einem Wort:
die Angehörigen der Minderheiten sollen vollwertige Bürger in der
islamischen Gesellschaft sein - dies ist ein islam.
Prinzip, das fast 1400 Jahre als ist und insbesondere für die damalige Zeit
geradezu revolutionär war.
*******
Aber nun zur
gesamtgesellschaftlichen Verantwortung des Menschen aus islamischer Sicht. Der
Herstellung sozialer Gerechtigkeit soll die sogen. "Zakat" dienen, die eine der
fünf Säulen der Glaubenspraxis und
gottesdienstliche Handlung ist. Sie wird
im Koran 28 x im Zusammenhang mit dem Gebet erwähnt, was ihren Stellenwert
betont. Was ist Zakat? Am besten kann sie übersetzt
werden mit der Umschreibung "soziale Pflichtabgabe" und darunter ist
folgendes zu verstehen:
Eine Abgabe genau
festgelegter Anteile des Vermögens an Bedürftige, die von Gott Selbst im Koran
vorgeschrieben wird. Die Bedürftigen haben einen Rechtsanspruch auf diese
Abgabe, weil man davon ausgeht, dass der Mensch ein etwaiges Vermögen Gott zu
verdanken hat und kein Vermögen durch Almosen tatsächlich gemindert wird, denn
Gott vermehrt in Seiner Barmherzigkeit jede gute Tat. Der Zakat-Empfänger
und der Zakat-Pflichtige stehen nicht im Verhältnis
eines Bittstellers einerseits und eines großzügigen Spenders andererseits
zueinander, sondern sind gleichberechtigte Partner.
Für den Zakat-Pflichtigen
stellt die Abgabe ein Training im verantwortungsbewussten Umgang mit Vermögen
dar, das insbesondere darauf abzielt, den Gläubigen vor negativen
Charaktereigenschaften wie Geiz, Habgier und deren Begleiterscheinungen zu
bewahren. Auch die Zakat-Empfänger sollen vor der
Entstehung schlechter charakterlicher Eigenschaften, wie Neid, Missgunst oder
gar Hass auf die Wohlhabenden bewahrt bleiben und vor allem aus materieller
Abhängigkeit befreit werden, um sich aktiv an der Entwicklung der Gesellschaft
beteiligen zu können. Im Mittelpunkt steht das Streben nach sozialer und
ökonomischer Gerechtigkeit, ohne Einschränkung der persönlichen Freiheit
des Einzelnen, also die Förderung des sozialen Friedens.
Wofür ist Zakat zu leisten?
Im Koran steht dazu
(2:219): "Und
sie befragen dich, was sie ausgeben sollen. Sprich: Den Überschuss."
Vom Propheten M. (s.s.) ist überliefert, dass er sagte: "Die
Zakat ist nur vom Reichtum zu entrichten."
Das heißt, dass ein
bestimmtes Minimum an Vermögensmasse vorhanden sein muss, ab dem die Zakat-Pflicht beginnt. Zakat ist
von verschiedenen Vermögensarten zu leisten, nicht nur von Kapitalvermögen z.B.
auf Viehbestand, auf tierische und landwirtschaftliche Produkte, auf
Bodenschätze, auf Aktien und Wertpapiere, auf Immobilien- und Grundvermögen
usw. sowie auch auf Lohn- und Gehaltseinkommen.
Wenn von diesen Vermögenserten etwas über einen Mindestzeitraum in Besitz
ist und die Erhebungsgrenze, also das Mindestvermögen, überschritten wird, ist Zakat zu entrichten. Bei Kapitalvermögen und einigen
anderen Vermögensarten beträgt sie 2,5 % des errechneten Überschusses bzw.
Gewinnes.
*******
IV
Abschließend möchte ich
noch einige Worte zur Verantwortung des Menschen gegenüber seinen Mitbewohnern
auf der Erde, den Tieren, sagen.
Die Tiere gehören zu der
dem Menschen anvertrauten Schöpfung. Natürlich darf der Mensch aus der
Schöpfung Nutzen ziehen, wie bereits erwähnt, und die Tiere sind ein Teil der
Schöpfung. Der Prophet selbst hat aber durch sein Wort und sein Beispiel einen
Rahmen gesetzt, innerhalb dessen das vielfältige Nutzenziehen statthaft und
außerhalb dessen es unstatthaft ist. Freundlichkeit gegenüber Tieren ist ein
Teil des guten Glaubens und der islamischen Auffassung von Barmherzigkeit.
Deswegen gibt es auch Belohnung für eine gute Tat an jedem Lebewesen.
Grausamkeit gegen Tiere wird durch Beispiele aus der Überlieferung als
hinreichender Grund angesehen, dereinst von Gott streng bestraft zu werden.
Das Töten von Tieren aus
nichtigem Grund und die Tierquälerei hat der Prophet Muhammad strengstens
untersagt.
Folgender Ausspruch des
Propheten wurde überliefert, den ich hier zitieren möchte: "Wer einen Sperling oder ein noch kleineres Tier grundlos tötet,
den wird Allah am Jüngsten Tag danach fragen." Jemand wollte wissen:
"Gesandter Allahs, was ist ein guter Grund?" Er antwortete: "Das
Tier zu töten und zu essen, aber nicht, ihm den Kopf abzuschlagen und es
wegzuwerfen."
In diesem Lichte muss auch
die Frage der Tierversuche gesehen werden. Ein rein wirtschaftlicher Aspekt ist
nach islamischen Grundsätzen kein "guter Grund", ein Tier zu töten
oder es leiden zu lassen. Wo andere Möglichkeiten offen stehen würde der Islam
jedenfalls die Alternativen vorziehen.
In diesem Zusammenhang kurz
einige Worte zum Schlachten. Die islamischen Regeln für das Schlachten bestehen
darin, dem Tier auf die schnellste und am wenigsten schmerzende Weise das Leben
zu nehmen. Das geschieht derart, dass
die Kehle durchschnitten wird, damit es ausbluten kann. Dazu muss das Messer
geschärft und das Tier beruhigt werden, um ihm unnötiges Leid so weit wie möglich
zu ersparen. Deshalb soll es vor dem Schlachten nicht das Messer zu sehen
bekommen oder ein anderes Tier vor seinen Augen geschlachtet werden. Außerdem
muss der Name Gottes bei der Schlachtung ausgesprochen werden, womit der
Vorgang rein gemacht wird. Der Mensch hat zwar die Macht das Tier zu töten,
aber Gott ist der Schöpfer, dem alles gehört. Die Tötung ist kein Akt der
Aggression oder der Willkür, sondern erfolgt allein auf Grund der göttlichen
Erlaubnis zum Verzehr. Dies wird durch die Nennung des Namens Gottes zum
Ausdruck gebracht.
*******
V
Somit bin ich am Ende
meiner Ausführungen zum Thema "Verantwortung für die Schöpfung". Ich
bin fest davon überzeugt, dass die Religionen ein unerschöpfliches Potential
haben für die Bewusstseins und Gewissensbildung der Menschen, ob gläubig oder
nicht, und dass dies für alle von größtem Nutzen ist.
Religion wird im Islam als
jener Bereich betrachtet, in dem bewusst Verantwortung angestrebt und getragen
wird. Aufrichtiger Glaube an Gott bedeutet, dass man grundsätzlich bereit ist,
sich in allen Lebensbereichen an Seine Gebote zu halten und entsprechende Taten
zu setzen. Glaube ohne Taten ist nur eine Hülse, ein Lippenbekenntnis.
Aus islamischer Sicht trägt
der Mensch Schaden davon, wenn er den göttlichen Anleitungen nicht Folge
leistet, während er nur gewinnen kann, wenn er die göttliche Rechtleitung Ernst
nimmt. Gott als Schöpfer aller Dinge weiß am besten, was für Seine Schöpfung
und Seine Geschöpfe gut ist. Er will mit Seinen Anweisungen den Menschen den Weg
zum Heil und Frieden leicht machen, wie im Koran öfters betont wird.
Ich schließe mit Worten aus
dem Koran, Surat-al-Asr
(103:1-4):
"Bei der sich neigenden Zeit: Siehe,
der Mensch geht wahrlich verloren, außer denen, die glauben und das Rechte tun
und einander zur Wahrheit auffordern und zur Geduld."