WAS ist POLITISCHER
ISLAM?
Eine Frage von Schweizern an die Muslime. Eine Frage,
welche offenbar die Gesellschaften interessiert.
Nicht leicht zu beantworten ist sie überdies, gilt es
doch als allgemeines Wissensgut:
"Der Islam
trennt nicht Religion von Politik".
Also kann es eigentlich nur politischen Islam geben, oder
nicht?
An dieser Stelle soll nun dieser Frage aus muslimischer
Sicht, aber auch aus der Sicht jener nachgegangen werden, die als Nichtmuslime
herrlich definieren, was unter "politischem Islam" zu verstehen
sei.
Beginnen wir mit einer Recherche im Netz: http://hpd.de/node/6849
Ein Buch, ein Titel: Handlungsstrategien des politischen
Islamismus.
Der Sammelband, „Politischer Islam
im Vorderen Orient. Zwischen Sozialbewegung, Opposition und Widerstand“
enthält allgemeine Analysen und Länderstudien zur Entwicklung des Islamismus.
Ohne lange auf Einzelheiten
einzugehen, wird sofort klar und ersichtlich, WIE gedacht, WIE publiziert
wird:
Politischer Islam entwickelt den ISLAMISMUS. Man
spricht über "politischen
Islam" und meint "Islamismus". Man spricht über
Islamismus und meint Islam (politisch oder nicht – aber eigentlich schon
...).
Weiter im
Zitat:
„Islamisten
sind nicht als Akteure sui generis zu begreifen; vielmehr sind sie rationale
Akteure, die zwar ihren ideologischen Bezugspunkt in der Religion des Islam finden, unter
anderen Aspekten aber durchaus mit ideologisch anders ausgerichteten Gruppen
vergleichbar sind." "Dies gilt insbesondere für die Deutung des Islamismus als
soziale Bewegung, die sich sowohl gegen
autoritäre Herrschaft wie gesellschaftliche Probleme
richtet."
Hier bekommen wir das nächste Stichwort, "ideologisch".
Nicht finden die Islamisten ihren theologischen Bezugspunkt in der
Religion, sondern ihren ideologischen.
In Wikipedia finden wir zum
Stichwort Ideologie:
Der Ausdruck Ideologie (griechisch ἰδεολογία – Lehre von der Idee bzw. Vorstellung, von gr. ἰδέα
(idea), Erscheinung, und λόγος (logos), Lehre) hat
zwei grundsätzlich verschiedene Bedeutungen[1]:
·
Als wertfreier
Begriff ist Ideologie „die allen politischen Bewegungen, Interessengruppen,
Parteien, aber auch Konzepten immanente“ Summe der jeweiligen Zielvorstellungen
(siehe Politische
Ideologie)
·
der insbesondere
von Karl
Marx geprägte Ideologiebegriff betrachtet Ideologie als „Gebäude, das zur
Verschleierung und damit zur Rechtfertigung der eigentlichen Machtverhältnisse
dient“, ein sogenannter Überbau
Im allgemeinen Sprachgebrauch ist Ideologie ein System
von Ideen, Vorstellungen, Werturteilen und Begriffen und kann synonym zu „Weltanschauung“
Verwendung finden.
Zum
wertfreien Begriff:
Wenn eine Gruppe, welche gleiche (religiöse, moralische,
wirtschaftliche, etc.) Interessen teilt, als Interessensgruppe angesehen werden
kann – und zweifellos kann die Gemeinschaft der Muslime als solch eine
Interessensgruppe angesehen werden, auch wenn ihre Vorstellungen, WIE diese
Interessen im Speziellen ausgeprägt sein mögen (Rechtsschulen) oder WER sie
umzusetzen hätte (Schiiten/Sunniten) so KÖNNEN die Muslime von NICHTMUSLIMEN als
ideologische Gruppe in westlichem Sinne und Sprachgebrauch definiert
werden.
Somit wird der Islam STETS mit Ideologie verbunden
werden und somit zwangsläufig mit ISLAMISMUS vermengt und gedeutet werden
(müssen). Für weitere detailliertere Ausführung siehe:
ISLAM - ISLAMISMUS - FUNDAMENTALISMUS -
TERROR, eine Assoziationskette - fatal & ununterbrochen
Zum Marx'schen
Ideologie Begriff:
Da den Muslimen unterstellt wird (und teilweise glauben
tatsächlich auch bestimmte Muslime daran), dass Ihnen die Weltherrschaft zu
erringen aufgetragen ist – so wird der Islam, resp. das Betragen d(ies)er Muslime pauschal auch mit diesem Begriff assoziiert.
Dies umso mehr, als im Marx'schen Sinne die Religion
ohnehin Opium – also Rauschmittel für das Volk ist, welches ihnen von einer
machtgierigen Priesterschaft eingegeben wird, um die Gläubigen von dieser Kaste
abhängig zu machen.
An dieser Stelle muss nun die Frage erlaubt sein: Hat
sich schon mal jemand Gedanken darüber gemacht, WARUM man im Islam KEINE
Priesterschaft kennt?
Und gleich eine weitere Frage:
Ist es wirklich nicht klar, dass solches
Ideologieverständnis aus westlicher, christlicher, historisch entwickelter
Denkungsart entspringt und mit islamischem Denken nicht vollumfänglich
kompatibel ist?
Und als dritte Frage:
Warum kann solch "paralleles" Denken nicht als Segen,
als komplementärer Beitrag zur Gestaltung der Einheit in der Vielfalt verstanden
werden?
Weil vielleicht das HEIL in autoritärem
Einparteiensystem (oder anders benannt, in der ONEWORLD ORDER) gefunden werden
will?
Ich will hier noch kurz erklären, dass es tatsächlich
NICHT religiöser Auftrag im Islam, d.h. für die Muslime ist, die Weltherrschaft
zu erringen, sondern in seinem Einflussgebiet soziale Ordnung, Gerechtigkeit und
Frieden zu schaffen.
Erstens
lautet die qur'anische Erklärung dazu:
Und Allah wird gewiss
dem zum Sieg verhelfen, der für Seinen Sieg eintritt. Allah
ist wahrlich Allmächtig, Erhaben. [22:40]
Die meisten Menschen, selbstverständlich auch Muslime,
haben ganz allgemein ein sehr oberflächliches Verständnis und verstehen den
obigen Vers lieber als:
Und Allah wird gewiss dem
zum Sieg verhelfen, der für seinen (des Menschen) Sieg eintritt.
Allah ist wahrlich Allmächtig, Erhaben. [22:40]
Ein nicht zu
hörender, fast nicht zu bemerkender Unterschied, aber vollständig konträr in
der Bedeutung!
Es geht nicht eben nicht darum, dass die MUSLIME (um DIE
geht es ja, als MACHTAUSÜBENDE, nicht um die RELIGION als Abstraktum!) die
Herrschaft, den SIEG erringen, sondern Gott.
Was kann dann damit gemeint sein, wenn Gott doch ohnehin
als ALLMÄCHTIG verstanden wird? Wie soll der Mensch dazu beitragen, GOTT zu
SEINEM Sieg zu verhelfen?
Natürlich nichts anderes, als dass die RELIGION Gottes,
der ISLAM als GÜLTIG, als ECHT anerkannt wird. Das ist schon alles.
Der Sieg Gottes ist dann erreicht, wenn es als
rechtmäßig gilt, an IHN glauben zu dürfen. Wenn es nicht nur als rechtmäßig
gilt, an IHN nach christlicher oder jüdischer Facon zu
glauben, sondern eben auch nach ISLAMISCHER Auffassung und islamischem
Selbstverständnis, in Ruhe, in Frieden, zum Wohle von Gottes Schöpfung.
Nicht einmal dominant muss der Islam daher als befolgte
Religion sein!
Der Islam und die Muslime müssen als zugelassene
Partner, Konkurrenten im Wettlauf um das GUTE anerkannt sein und wahrgenommen werden. Dass diese
Anerkennung in der heutigen Welt tatsächlich nicht gegeben ist, bedarf wohl
nicht näherer Erläuterung. Als kleiner Hinweis möge genügen: Im Islam sind alle
christlichen und jüdischen theologisch relevanten Persönlichkeiten als solche
theologisch anerkannt. Muhammad (Friede mit ihm) im Gegensatz dazu bestenfalls
als Feldherr, aber vielmehr als Räuber und machtbesessener Epileptiker.
Und zweitens:
Der entscheidende Vers, der von den Verfechtern der
Islam Weltherrschaftsübernahme Verschwörungstheorie zitiert wird, lautet:
"Und kämpft gegen sie, bis es keine Verwirrung (mehr) gibt und die Religion Allah gehört"
[2:193]
nach der Lesart von Muhammad ASAD und meiner
Übersetzung, kann die Bedeutung auch wie folgt wiedergegeben
werden:
Dennoch, kämpfet gegen sie, bis es keine
Unterdrückung mehr gibt und aller Gottesdienst Gott alleine gewidmet ist;[1] wenn sie allerdings davon abstehen, soll alle Feindseligkeit ruhen, außer gegen jene,
die absichtlich Unrecht
tun.
Wobei Unterdrückung einerseits die Unterdrückung der Wahrheit, die Verdrehung der Wahrheit meint, wodurch
völlige Orientierungslosigkeit, also Verwirrung entsteht, wie auch
Unterdrückung als Machtausübung gegenüber anderen Menschen, welche sich dieser
Macht durch freiwillige Anerkennung nicht beugen mögen.
Und weiters das Wort "Gott
alleine gewidmet ist", doch so zu verstehen ist, als dass
das Wort Gottes GILT, anerkannt ist, der doch sagt:
ERLAUBNIS [zu kämpfen] ist jenen gegeben,
gegen welche unrechtmäßigerweise Krieg geführt wird[2] - und, wahrlich, Gott hat wirklich die Macht
sie zu besiegen -: jenen, welche aus ihren Heimatländern
gegen jegliches Recht vertrieben wurden, aus keinem anderen Grund, als weil sie
sagen, "Unser Erhalter ist Gott!" Denn, hätte Gott die Leute nicht ermächtigt
sich gegen andere zu verteidigen,[3] wären [alle] Klöster und Kirchen und Synagogen und
Moscheen – in [all] denen Gottes Name reichlich hoch gelobt wird – [schon]
zerstört worden. [22:39-40]
Womit eindeutig klar
gemacht ist, dass es NICHT um die
MUSLIME und deren VORHERRSCHAFT
geht, sondern um das GEDENKEN GOTTES und darum, die menschliche Aggression als solche im Zaum zu
halten!
Und weiter an anderer
Stelle:
Und wenn Gott es den Menschen (nicht steht hier "Muslimen") nicht ermöglichte, sich vor einander zu
verteidigen, hätte sicherlich Verderben die Welt überkommen: doch
Gott ist gegenüber allen Welten grenzenlos in Seiner Güte.
[2:251]
Auch dieser Vers macht
unmissverständlich klar, dass es NICHT Auftrag der Muslime sein KANN, die
Weltherrschaft anzustreben, sondern dass ihr Auftrag in der Befolgung des
prophetischen Vorbilds
lautet:
O Prophet, Wir haben dich als einen
Zeugen, als Bringer froher Botschaft
und als Warner entsandt.
[33:45]
Und noch viel deutlicher
und eindeutig:
Und sprich: "Die Wahrheit [ist nun] von
eurem Erhalter [gekommen]: lass ihn, der will, daran glauben, und
lass
ihn, der will, sie ablehnen."
[18:29]
und in 27:92 heißt
es:
... Wer also dem rechten Weg folgt, der
folgt ihm nur zu seinem eigenen Besten; (wenn) er irregeht, so
sprich
„Ich bin nur einer der
Warner.“
Damit sollte
ausreichend klar und deutlich gemacht sein, dass der göttliche AUFTRAG an die
Muslime nicht lautet, die WELTHERRSCHAFT zu erringen – also POLITISCH (mit allen
damit verbunden machiavellischen Konsequenzen) zu
agieren, sondern religiös zur Entwicklung, Befreiung und Entfaltung der
menschlichen Spiritualität zu
wirken hat. Womit gemeint ist, die frohe Botschaft zu verkünden, das moralisch
GUTE zu gebieten und das gleichermaßen VERWERFLICHE zu verbieten und dabei dem
Menschen jenen Freiraum zu schaffen, in welchem es ihm möglich ist, seine
ursprüngliche, geschöpfliche Beziehung zum Schöpfer zu erkennen und zu
pflegen.
Dem Muslim liegt es fern,
andere Menschen – UNBEDINGT – am Heil, an der Erlösung teilhaben lassen zu
müssen und ihn mit mehr oder weniger Gewalt "heim ins (eigene) Reich Gottes" zu
führen.
Da aber westliches Denken
seit vielen hundert Jahren solches Denken und Verhalten pflegt, mag es den
westlichen Gesellschaften einfach nicht gelingen, dieses Denkmuster anderen
Menschen NICHT überzustülpen.
Daraus ergibt sich eine
unheilvolle Spirale des Misstrauens, der Vereinnahmung, des Präventivschlags und
der Vergeltung, des Eroberns und Rückeroberns.
All dies spielt natürlich
auf POLITISCHER Ebene – über Territorialgrenzen, Verträge, Diplomaten, Armeen.
Der Muslim handelt aber in dieser Hinsicht NICHT primär politisch, sondern
einfach als Mensch, welcher die religiöse Erlaubnis von Gott hat, sich, sein
Land, sein Eigentum, seine SELBSTSTÄNDIGKEIT gegen jedwede Aggression zu
verteidigen und sich dabei ebenfalls natürlicherweise, politischer Instrumente
zu bedienen.
Womit wir wieder bei obigem
Zitat angelangt sind:
"Dies gilt insbesondere für die Deutung des Islamismus als soziale Bewegung, die
sich sowohl gegen autoritäre
Herrschaft wie gesellschaftliche
Probleme richtet."
Gleiches gilt, wie
einsichtig zu machen die Absicht war, eben auch für die Muslime und nicht nur
für Islamisten, wie weisgemacht wird. Der Mensch, der Muslim, der Hindu, der
Schweizer, die Yanomami dürfen sich gegen autoritäre, ungerechte
Herrschaft zur Wehr setzen und haben gesellschaftliche Probleme tatkräftig
anzugehen und zu lösen.
WIE soll also der Muslim
sich vom Verdacht reinwaschen können, KEIN ISLAMIST zu
sein?
Nun zur dritten WIKIPEDIA Erklärung zum Begriff
IDEOLOGIE:
Im allgemeinen
Sprachgebrauch ist Ideologie ein System von Ideen, Vorstellungen, Werturteilen
und Begriffen und kann synonym zu „Weltanschauung“
Verwendung finden.
Niemals anders
habe Muslime ihre Religion anders als eine WELTANSCHAUUNG
verstanden.
Der ISLAM, der Din, die Lehre des ISLAM erlaubt den
Menschen eine definierte Sicht auf das Diesseits und auf das Jenseits, auf Transzendentes
und Immanentes, auf das Materielle,
Emotionale, Geistige und Seelische.
Diese Lehre, diese Anschauung erlaubt ihnen eine differenzierte, aber eben auch
eine einheitliche – heute spricht man von holistischer – Sicht auf das Universum
in und außerhalb des Menschen.
Ist der ISLAM deshalb eine IDEOLOGIE?
Wenn wir uns der westlichen Begrifflichkeit bedienen,
ist dieser zwingenden Zuordnung nicht zu entkommen. Und deshalb ist der Konflikt zwischen den "Welten" unvermeidbar, wenn man
diese Welten, diese, ja auch begrifflich verschiedenen Welten nicht
NEBENEINANDER in FRIEDEN und GELASSENHEIT existieren und
einander befruchten lässt.
Ich erinnere mich gerne an meine diesbezüglichen
Diskussionen mit Dr. Ahmad Abdelrahimsai (Gott hab ihn
selig), ob denn der Islam nun eine Ideologie wäre oder eben nicht, die ihn zu
folgender Definition veranlasste:
ISLAM ist KEINE IDEOLOGIE sondern
basiert auf religiöser, sozialer und wirtschaftlicher Ordnung.
Mir gefällt an dieser Definition so gut, dass sie sich
nicht auf eine alternative Definition einlässt und sagt: "der ISLAM ist …",
sondern er lässt sich auf diese definitive, starre Definition – welche letztlich
einem lebendigen, sich stets entwickelnden System NIE passend werden KANN – gar
nicht ein, sondern nimmt die Ordnung, im weitesten Sinn die Gott gegebene
NATÜRLICHE Ordnung im Universum als kennzeichnendes Merkmal für den
ISLAM.
Daher sei
abschließend zu ISLAM – IDEOLOGIE gesagt:
Zu behaupten, der Islam wäre eine IDEOLOGIE führt in
eine Sackgasse, wie auch die Leugnung selbigen Satzes uns in Beschränkung
gefangen hält.
Viel richtiger und zielführender ist frei nach Zaid
Shakir zu sagen:
Es gibt die wachsende Tendenz unter Muslimen und
natürlich erst recht unter Nichtmuslimen, unsere grundlegenden, islamischen Texte politisch und nicht
theologisch zu lesen. Solche Lesarten verschieben die Betonung unserer
Religion vom Jenseits hin zu einer verzerrten Perspektive
auf diese Welt.
Die
politisierte Lesart unserer Texte kann als Teil einer wachsenden Tendenz
verstanden werden, den Islam auf eine politische Ideologie zu reduzieren. Die
Folgen eben jener Reduktion sind schwerwiegend. Vielleicht die schlimmste davon
ist der Wechsel der Perspektive des Islam vom Geist oder der Seele und seine
Neuausrichtung auf die Welt, wobei das Verständnis spiritueller Inhalte auf das
bloß Materielle reduziert wird. Die Gründe, warum wir dieser Neuausrichtung
Widerstand leisten sollten, werden deutlicher, wenn wir über das Wesen von
Ideologien nachdenken. Der politische Philosoph, Roger Scruton, definiert eine Ideologie wie folgt:
„Jede systematische und allumfassende
politische Lehre, die beansprucht, eine komplette und allgemein anwendbare
Theorie vom Menschen und der Gesellschaft anzubieten. Und daraus ein Programm
des politischen Handelns ableitet.“
Ein Muslim könnte diese Definition lesen
und der Ansicht sein, dass Islam in der Tat eine Ideologie sei, da er „eine
komplette und allgemein anwendbare Theorie vom Menschen und der Gesellschaft“
darstellt. Jedoch ist der relevante Bereich für das Handeln und Denken einer
Ideologie das Politische, wie Scruton betont. Die Begrenzung auf die Herrschaft des
Politischen markiert die Trennung zwischen Islam und Ideologie. Der Din (die
Weltanschauung) des Islam kümmert sich nicht nur einfach um die politische
Bedingung des Menschen, in seinem Herzen liegt der Ruf nach einem normativen Programm für spirituellen Erfolg. Diese
Aufgabe bietet Raum für das Politische,
aber zu ihren eigenen Bedingungen, sie lässt sich niemals darauf oder dadurch
beschränken.
Werfen wir
noch einen kurzen Blick auf die Definitionen des Politischen Islam im 20.
Jahrhundert, von der Bundezentrale für politische Bildung http://www.bpb.de/publikationen/ZFTQZH,0,Politischer_Islam_im_20_Jahrhundert.html
…Im Laufe der
Jahrhunderte haben sich in den Gebieten der islamischen Welt, die teilweise
Tausende Kilometer auseinander liegen, verschiedene Traditionen entwickelt, so
dass, bis auf die oben genannten grundlegenden Gemeinsamkeiten, kaum mehr von
einem einheitlichen Islam die Rede sein konnte. Es ist genau die Akzeptanz oder Ablehnung dieser
verschiedenen Ausprägungsformen des Islam, die einen traditionellen Muslim von
einem Islamisten unterscheidet. So wird ein traditioneller Muslim in Ägypten
den Islam so annehmen, wie er sich in seinem Land über die Jahrhunderte hinweg
entwickelt hat, ein ägyptischer Islamist hingegen
nicht.
Es ist wohl jedem denkenden Menschen klar, dass DIESE
(und auch die anderen im gleichen Text verwendete) Formulierungen eher nicht
geeignet sind, einen so genannten "bösen" Islamisten von einem "normalen" Muslim
zu unterscheiden.
Viel eher wird hier ein konservativer, nationaler, um
nicht zu sagen nationalistischer Mensch als "traditioneller, normaler" Muslim
bezeichnet – obgleich Nationalismus gerade kein Merkmal traditionellen
Islamverständnisses ist. Und ein Mensch, welcher die ursprüngliche, lebendige
und flexible Kraft des Islams, welche durch träge Traditionen und Gewohnheiten,
territoriale, individuelle und völkische Machtansprüche verdeckt und missbraucht
wurde, für sich wieder zu entdecken wünscht und in – um einen modernen Ausdruck
zu gebrauchen – internationaler Brüderlichkeit wieder zu entwickeln wünscht,
wird mehr oder weniger versteckt oder offen als politischer Islamist
(Fundamentalist und letztlich Terrorist) bezeichnet.
Solch einem Verständnis kann sich ein FREI denkender
Mensch, verstehe er sich als Gottergebener (Muslim) oder den materialistischen
Verbindlichkeiten und Beschränkungen ausgeliefertes menschliches Wesen
(Materialist), kaum anschließen. Ist es doch zu eindeutig, dass mit solchen
sprachlichen Verwirrspielen weder ein klares noch kein Feindbild definiert,
sondern die Möglichkeit geschaffen wird, jedweden politischen Gegner in böses
Licht zu stellen.
Ich denke, ein ganz normaler Mensch wird sich solch
einer von außen aufgezwungenen Definition erwehren und sie von sich
weisen.
Ist dieser normale Mensch erklärter Muslim … so bleibt
es ihm allerdings nicht erspart, als politisch agierender Islamist bezeichnet zu
werden.
Ich komme
also zu Schluss:
Politischer Islam ist im Grunde also nichts anderes, als
das mit diesem Begriff bezeichnete weltliche Handeln eines grundsätzlich spirituell
ausgerichteten Menschen, wobei diesem Handeln jegliche spirituelle Komponente
abgesprochen wird und ihm nur materialistische, politische Motive zuerkannt
werden. Dem Individuum, als grundsätzlich freies Geschöpf, wird dabei die
Entwicklung jeglichen eigenständigen Potentials, abseits von traditionellen,
historischen politischen Machtstrukturen, frei gewählte soziale (und somit in
gew. Sinne politische) Wege zu gehen, verweigert.
Selbstverständlich wird mit politischem Islam auch all
jenes kriegerische oder terroristische Treiben bezeichnet, mit welchem sich
Menschen, welche sich als Muslime sehen, gegen politische, militärische,
religiöse, wirtschaftliche und kulturelle Fremdbestimmung zur Wehr setzten oder ihre persönlichen,
selbstherrlichen Machtgelüste
umzusetzen suchen.
Dass dies nicht eine der Beliebigkeit entsprungene
Behauptung ist, lässt sich leicht daraus ableiten, dass jegliche andere
kriegerische Handlung nicht als politisches Christentum oder Hinduismus, etc. bezeichnet wird.
Ob solch gewaltvolles Vorgehen im Einzelnen mit der
islamischen Lehre zu rechtfertigen ist oder nicht, spielt hierbei keinerlei
weitere Bedeutung. Strategisch wichtig bei dieser sprachlichen Vereinnahmung
ist, den Konnex zwischen Islam, Gewalt und Terror aufrecht zu erhalten, um
letztlich die Religion ganz allgemein, aber vordergründig den Islam und die
Muslime im Speziellen in den Augen der kapitalistisch ausgerichteten
Gesellschaften gesellschaftsunfähig darzustellen.
Zur islamischen Sicht zu Gewalt und Terror sei in diesem Zusammenhang allerdings doch
noch auf folgende Werke verwiesen:
Shaykh
Muhammad Afifi al-Akiti -
Fatwa gegen Angriffe auf Zivilisten "orthodoxer sunnitischer Standpunkt" -
Amal
Press 2005; Übersetzung 8/2006: M.M. Hanel
http://www.islamheute.ch/Afifi.pdf
DAS NEUE GESETZ
FÜR EINE WELT DES GLAUBENS, FREIHEIT, WOHLSTAND UND FRIEDEN; IMAM SHIRAZI:
Übersetzung M.M. Hanel www.islamheute.ch/Krieg.htm
ISLAM und die Frage der
GEWALT Seyyed Hossein Nasr;
Al Sirat Vol. XIII, No. 2;
Übersetzung:
M.M. Hanel http://www.islamheute.ch/Gewaltfrage.htm
FIQH
COUNCIL RECHTSGUTACHTEN - Fatwa gegen Terrorismus und Religiösen Extremismus
Muslimischer Standpunkt und muslimische Verantwortungen;
September
2005. Übersetzung M.M. Hanel http://www.islamheute.ch/Isna.htm
Hanel, 28.12.09
Für weitere Fragen: m.hanel@gmail.com
PS:
Zitat: Für einen
Islamangehörigen, der den Koran
wortwörtlich übernimmt, ihn als ewig
gültiges Wort des Allahs auslegt und
ihn uninterpretierbar ansieht, ist
es quasi nicht möglich, sich in eine westliche Gesellschaft zu integrieren, die
Demokratie zu verinnerlichen, die
rechtsstaatlichen Regelungen und die Herrschaft des Volkes zu akzeptieren.
Eine andere Interpretation wird
nicht geduldet und ist für sie ein Tabu. Zitat Ende.
Erkennt
niemand den Schwachsinn oder Hintertriebenheit solcher
Veröffentlichungen?
·
Nicht mehr Moslem,
sondern Islamangehöriger (wobei man ja gar nicht mehr weiß, wie man ja selber
sagt – welcher ISLAM damit eigentlich gemeint ist) heißt
es.
·
Jeder Muslim ÜBERnimmt den
Qur'an wortwörtlich … wie denn sonst, verfälscht,
verkürzt?
·
Natürlich sieht er
darin das ewig gültige Wort Gottes,
was sonst? Ach ja – den Qur'an als ewig gültiges Wort auslegt (heißt das nicht auch
interpretiert? Nein, hier bedeutet das, "darunter versteht". Das Wort "auslegt"
wird aber noch gebraucht, um den Worttaschenspielertrick zu verbergen, welcher
im zweiten Satz ausgeübt wird).
·
Welcher Muslim ist
nicht davon überzeugt, dass das ewige Wort Gottes nur über die Interpretation zu
verstehen ist? Wie viele berühmte Qur'aninterpretatoren sind unter den Muslimen
bekannt?
·
Was soll der
Quatsch, von "Demokratie
verinnerlichen"? Hiermit wird ein "Islamistenwort"
gebrauch, welcher den Mumin
(Gläubigen) als jenen Moslem
(Islamangehörigen) bezeichnet, der den Imaan (Glauben) "verinnerlicht"
hat.
·
Herrschaft des
Volkes? Was soll das denn? Nirgendwo auf der Welt herrscht das Volk – vielleicht
am ehesten noch in der Schweiz. Und diese plebiszitäre Herrschaft wird gerade
von ALLEN westlichen Demokratien heftigst
kritisiert.
·
Und dann wird noch
von einer anderen Interpretation
gefaselt. Von welcher ANDEREN Interpretation wird hier gesprochen, wenn doch
zuvor die Rede davon ist, dass der Qur'an als UNINTERPRETIERBAR angesehen
wird!
[1]
Wörtl., "und Religion Gott [alleine] gehört" –
d.h. bis Gott ohne Angst vor Verfolgung angebetet werden kann und niemand mehr
gezwungen wird, sich in Ehrfurcht vor einem Menschen zu beugen. (Siehe auch
22:40) Der Ausdruck din ist in diesem Zusammenhang
passender mit "Gottesdienst" übersetzt, da dieser als solcher hier sowohl die Aspekte der Lehre, wie auch der Moral der Religion beinhaltet: will
heißen, sowohl des Menschen Glauben,
wie auch seine, sich aus dem Glauben
ergebenden Verpflichtungen.
[2]
[Wörtl.,
"insofern als ihnen Unrecht geschieht". In Verbindung mit dem Versprechen aus
dem vorigen Vers, "Gott wird alles
[Übel] von jenen fernhalten, welche zum Glauben gelangt sind", spricht dieser
Vers die Erlaubnis zum physischen Kampf in Selbstverteidigung aus. Alle
relevanten Überlieferungen (im Besonderen von Tabari und Ibn Kathir zitiert,) zeigen, dass dies die früheste qur'anische
Referenz auf das Problem des Krieges überhaupt ist. Gemäß Abd Allah ibn Abbas, wurde dies
unmittelbar nach dem Verlassen des Propheten Mekkas nach Medina offenbart, d.h.,
zu Beginn des Jahres 1 n.H. Das Prinzip der
Selbstverteidigung – und nur Selbstverteidigung – wurde in Al- Baqarah,
welche ungefähr ein Jahr später offenbart worden war (siehe 2:190-193 und die entsprechende Anmerkung dazu)
dargelegt.
[3]
Wörtl., "wäre es nicht, dass Gott einige Leute
durch andere abwehrt (und zurückschlägt)" (vgl. den gleichen Ausdruck im
zweiten Absatz von 2:251). Womit auch gesagt wird, dass die Verteidigung
religiöser Freiheit der wichtigste Grund für das Erheben der Waffen
darstellen mag – ja darstellen muss (siehe 2:193 und die entsprechende Anmerkung
dazu), oder anders, wie in 2:251, "würde gewisslich Verderben die Erde
überkommen".