Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder !
Wir sind heute hier zusammengekommen, „um über die verpaßten Gelegenheiten der Vergangenheit hinaus - unsere
Aufgabe wahrzunehmen, den Dialog zwischen den Zivilisationen des Orients und
des Okzidents wieder aufzunehmen, um damit dem selbstmörderischen, globalen
Monolog des Westens ein Ende zu setzen.“ (Roger Garaudy)
Auch sind wir hier
zusammengekommen, um uns zu bemühen, die negativen Vorurteile der meisten
westlichen Menschen gegenüber dem Islam durch ein richtiges Verständnis zu
ersetzen.
Dies erscheint
deswegen sehr angebracht, weil es Gepflogenheit geworden scheint, aus dem
individuellen Verhalten einer Person oder der politischen Performance eines
territorialen Rechtsstaates, deren Einwohner einer bestimmten Religion
zugerechnet werden, pauschal - auf das Wesen eben dieser Religion rückzuschließen.
Ein zwar menschliches Verhalten
aber trotzdem falsches.
Einseitig und daher gefährlich
mutet dabei an, daß diese Art zu Denken in der
Öffentlichkeit und den Medien zur Zeit fast ausschließlich auf den Islam
angewendet wird.
Denn wer von uns würde wohl aus
dem Verhalten der Katholiken Burundis, Zaires, Südafrikas oder Irlands oder der
Christen Bosniens, Kroatiens und Serbiens auf das wahre Wesen der christlichen
Religion schließen wollen?
Wir alle kennen dafür das
Wesentliche des Christentums viel zu genau!
Was den Christen und Muslimen
in Österreich als selbstverständlich erscheint, nämlichen solch einen Rückschluß auf die christliche Religion als unzulässig zu
erachten, sollte den Menschen in Hinblick auf andere Religionen im allgemeinen
und im speziellen auf den Islam, ebenfalls nur recht und billig sein.
Der gefährliche Aspekt dieser
Tatsache kann gar nicht genug betont werden, denn seine Berücksichtigung, bzw.
Neutralisierung, garantierte eine wesentlich unkompliziertere
Umgangsweise zwischen Muslimen und Nichtmuslimen im Bundesgebiet Österreichs.
Nicht das unreflektierte
Vorurteil, sondern authentisches, autorisiertes und kompetentes Wissen soll den
Maßstab gegenseitigen Verständnisses und damit Respektes
darstellen und dadurch das Klima für den Umgang miteinander prägen.
Das Christentum hat
selbstverständlich seine Identität selbst zu bestimmen, wie jede andere Lehre oder
Religion. Wer bestimmtes Verhalten als christlich bewerten möchte, darf er
anders als christliche Maßstäbe anzulegen?
Gleiches gilt für den Islam und
islamisches Verhalten.
Muslime haben sich auch selbst
- gemäß islamischer Prinzipien zu
messen - und ergo messen zu lassen.
Nicht kann auf rechte Weise das
Wesen und Ziel des Islams erschlossen werden, bloß von den Sünden und
Untugenden jener Menschen ausgehend, die sich Muslime nennen und nennen lassen
oder von Verunglimpfungen durch Nichtmuslime.
Auch das Verhalten oder die
POLITIK ALLER territorialer Nationalstaaten, in der Welt des erlöschenden 20.
Jahrhunderts, ist wenig angetan, den bestimmenden Vorschreibungen auch nur
irgendeiner anerkannten Religion zu genügen.
Im ausgehenden 20.Jhd. ist es
Praxis unter allen politisch relevanten Persönlichkeiten geworden, egal welcher
Religion oder Ideologie sie sich selbst zurechnen oder zugerechnet werden, ob
sog. Christen oder Muslime, Atheisten, Laizisten oder Anarchisten, - in der
Politik eine gemeinsame Sprache miteinander zu sprechen, welche eindeutig auf
die Ideologie und Terminologie des westlichen, neuzeitlichen, säkularen und
mechanistischen Zivilisationsverständnisses zurückzuführen ist.
Eindeutig erwächst dessen
Sprachverständnis der materialistischen Weltanschauung.
Und in Ermangelung der
spirituellen, religiösen Komponente dieser Weltsicht, läßt
sich mittels dieser Ideologie der Islam, als in seinem Wesen transzendent wie
auch immanent, gar nicht anders - als UNVOLLKOMMEN - verstehen.
Diese Hauptursache der "konfliktionären" Spannung zwischen "der
Moderne" und "dem Islam" abzubauen, ist die Aufgabe jener, die
da hören und tatsächlich begreifen.
Wird die Möglichkeit zu einem
konstruktiven, verantwortungsbewußten Dialog nicht
genutzt, steht zu befürchten, daß die
fortschrittliche Ideologie des Westens weiterhin dominiert. - Nur, in diesem
Sinn ist der einzig erkennbare Wachstum und Fortschritt - das fortschreitende
Anwachsen des Elends in dieser Welt:
des materiellen Elends in der
Dritten Welt und des geistigen Elends im Westen.
Möge der Allmächtige das
Schicksal der Menschheit zum Guten wenden und die Menschen das Üble in ihren
Brüsten ändern und sich ihrem Herrn und Schöpfer in Demut hinwenden.
Amin
HANEL, 19.5.1997