Einleitung zur Veranstaltung des Familienbundes an der UNI Linz am 21.05.97

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder !

Wir sind heute hier zusammengekommen, um über die verpaßten Gelegenheiten der Vergangenheit hinaus - unsere Aufgabe wahrzunehmen, den Dialog zwischen den Zivilisationen des Orients und des Okzidents wieder aufzunehmen, damit dem selbstmörderischen, globalen Monolog des Westens ein Ende zu setzen.

Auch sind wir hier zusammengekommen, um uns zu bemühen, die negativen Vorurteile der meisten westlichen Menschen gegenüber dem Islam durch ein richtiges Verständnis zu ersetzen.

Dies erscheint deswegen sehr angebracht, weil es Gepflogenheit geworden scheint, aus dem individuellen Verhalten einer Person oder der politischen Performance eines territorialen Rechtsstaates, deren Einwohner einer bestimmten Religion zugerechnet werden, pauschal - auf das Wesen eben dieser Religion rückzuschließen. Ein zwar menschliches Verhalten aber trotzdem falsches. Einseitig und daher gefährlich mutet dabei an, daß diese Art zu Denken in der Öffentlichkeit und den Medien zur Zeit fast ausschließlich auf die des Islam angewendet wird.

Denn wer von uns würde wohl aus dem Verhalten der Katholiken Burundis, Zaires, Südafrikas oder Irlands oder der Christen Bosniens auf das wahre Wesen der christlichen Religion schließen wollen? Wir alle kennen dafür das Wesentliche des Christentums viel zu genau!

Was den Christen und Muslimen in Österreich als selbstverständlich erscheint, nämlichen solch einen Rückschluß auf die christliche Religion als unzulässig zu erachten, sollte ihnen in Hinblick auf andere Religionen im allgemeinen und im speziellen auf den Islam, ebenfalls nur recht und billig sein.

Der gefährliche Aspekt dieser Tatsache kann gar nicht genug betont werden, denn seine Berücksichtigung, bzw. Neutralisierung, garantierte eine wesentlich unkompliziertere Umgangsweise zwischen Muslimen und Nichtmuslimen im Bundesgebiet.

Nicht das unreflektierte Vorurteil, sondern authentisches, autorisiertes und kompetentes Wissen soll den Maßstab gegenseitigen Verständnisses und damit Respektes darstellen, damit das Klima für den Umgang miteinander bestimmend. Das Christentum hat selbstverständlich seine Identität selbst zu bestimmen, wie jede andere Lehre, welche auf göttlicher Offenbarung beruht. Wer bestimmtes Verhalten als christlich bewerten möchte, darf er anderes als christliche Maßstäbe anzulegen?

Gleiches gilt für den Islam und islamisches Verhalten.

Muslime haben sich auch selbst - gemäß islamischer Prinzipien zu messen - und ergo messen zu lassen Nicht kann auf das Wesen und Ziel des Islams, von Sünden und Untugenden der Menschen, die sich Muslime nennen oder von Verunglimpfungen durch Nichtmuslime, geschlossen werden.

Auch das Verhalten oder die POLITIK ALLER territorialer Nationalstaaten, in der Welt des erlöschenden 20. Jahrhunderts, ist wenig angetan, den bestimmenden Vorschreibungen auch nur irgendeiner anerkannten Religion zu genügen. In Wirklichkeit ist das eine Politik, das wovon wir reden und woran wir arbeiten ist Religion - und beide sind nicht das selbe!

Im ausgehenden 20.Jhd. ist es Praxis unter allen politisch relevanten Persönlichkeiten geworden, egal welcher Religion oder Ideologie sie sich selbst zurechnen oder zugerechnet werden, ob sog. Christen oder Muslime, Atheisten, Laizisten oder Anarchisten, - in der Politik eine gemeinsame Sprache miteinander zu sprechen, welche eindeutig auf die Ideologie und Terminologie des westlichen, neuzeitlichen, säkularen und mechanistischen Zivilisationsverständnisses zurückzuführen ist.

Eindeutig erwächst dessen Sprachverständnis der materialistischen Weltanschauung. Und in Ermangelung der spirituellen, religiösen Komponente dieser Weltsicht, läßt sich mittels dieser Ideologie der Islam, als im Wesen transzendent, gar nicht anders - als UNVOLLKOMMEN - verstanden werden kann. Diese Hauptursache der "konfliktionären" Spannung zwischen "der Moderne" und "der Islam" abzubauen, ist die Aufgabe jener, die da hören und verstehen, welches letztlich in Wissen mündet.

Wird die Möglichkeit zu einem konstruktiven, verantwortungsbewußten Dialog nicht genutzt, steht zu befürchten, daß die fortschrittliche Ideologie des Westens weiterhin dominiert. - Nur, in diesem Sinn ist das einzig erkennbare Wachstum und Fortschritt - das fortschreitende Anwachsen des Elends in der Welt: des materiellen Elends in der Dritten Welt, und des geistigen Elends im Westen.

In diesem Sinne wünsche ich der heutigen Veranstaltung noch viel Erfolg.

Hanel, 5.97