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Bismillah
MUSLIMISCHE HEILIGE * und MYSTIKER http://www.islamheute.ch/hassan.html Geschichten aus dem Tadhkirat al-Auliya’ (Erinnerung an die Heiligen) von Fariduddin ATTAR Übersetzt von M.M. Hanel * (Heilige = Gottanvertraute) aus: Muslim Saints and Mystics http://www.omphaloskepsis.com/ebooks/pdf/mussm.pdf Episodes from the Tadhkirat al-Auliya’ (Memorial of the Saints) by Farid al-Din Attar Translated by A. J. Arberry INHALT: Al-Hasan ibn Abi ‘l Hasan
al-Basri wurde im Jahr 21 n.H. (642 n.Chr.) als
Sohn eines Sklaven, der in Maisan gefangen genommen
wurde und später ein Auftraggeber von Zaid ibn Thabet, dem Sekretär des Propheten Muhammad gewesen war,
in Medina geboren. In Basra erzogen, traf er viele der Gefährten des
Propheten, und auch, so wird erzählt, siebzig von jenen, welche die Schlacht
um Badr geschlagen hatten. Er wuchs auf, um eine
der bedeutendsten Persönlichkeiten seiner Zeit zu werden und wurde für seine
kompromisslose Frömmigkeit und der unverblümten Verurteilung der Weltlichkeit
in den Palästen bekannt. Die Theologen der Mu’tazeliten
vereinnahmen ihn als den Gründer ihrer Bewegung (‘Amr ibn
‘Obaid and Wasel ibn ‘Ata’ werden unter
seine Schüler gezählt) und in den Sufi Analen wird er als einer der größten
Heiligen des frühen Islams genannt. Er starb 110 (728) in Basra. Viele seiner
Vorträge – er war ein brillanter Redner – und Aussprüche werden von
arabischen Autoren zitiert und eine nicht geringe Anzahl seiner Briefe
blieben erhalten. Hasan von Basras Eintritt in
den Islam Der Beginn seines Eintritts in den Islam trug sich
folgendermaßen zu. Er war ein Edelsteinhändler und wurde der „Perlen-Hasan“
genannt. Er trieb Handel mit Byzanz und hatte es dabei mit Caesars Generälen und Ministern zu tun. Als er einmal in
Byzanz war, besuchte er den Premierminister und unterhielt sich eine Weile
mit diesem. „Wir gehen jetzt an einen bestimmten Ort, wenn du
einverstanden bist“, sagte der Minister zu ihm. „Wie du es bestimmst, bin ich damit einverstanden“,
antwortete ihm Hasan. Daraufhin ließ der Minister ein Pferd für Hasan bringen.
Sie saßen auf und ritten fort. Als sie bis ins Wüstengebiet gelangt waren,
erblickte Hasan ein Zelt aus feinstem byzantinischem Brokat, mit seidenen
Seilen fest an goldenen Zeltpflöcken verankert. Sie hielten an dessen Seite
und alsdann erschien eine mächtige Armee, in schwerer Kriegsrüstung,
umrundete das Zelt und nachdem einige Worte gesprochen wurden, rückte sie
wieder ab. Alsdann erschienen an die vierhundert Philosophen und Gelehrte,
die ebenfalls das Zelt umrundeten, ein paar Worte sprachen und wieder
verschwanden. Danach tauchten dreihundert weise, alte, weißbärtige Männer
auf, auch sie umrundeten das Zelt, sprachen einige Worte und gingen wieder
fort. Darauf hin kamen mehr als zweihundert schöne,
mondgesichtige Jungfrauen, jede von ihnen trug ein
goldenes, mit Silber und Endelsteinen geschmücktes
Tablett und auch sie umrundeten das Zelt, sprachen einige Worte und wandten
sich wieder fort. Hasan erzählte, dass er völlig verblüfft und verwundert
war und sich fragte, was das wohl auf sich gehabt hatte. „Als wir absaßen“, so erzählte er weiter, „fragte ich den
Minister. Er sagte, dass der Caesar einen Sohn von unübertroffener
Schönheit, gebildet in allen Wissenschaften und ohnegleichen in der Arena
der Männlichkeit gehabt hatte, den er aus ganzem Herzen liebte.“ Unvermutet war dieser krank geworden - so erzählte Hasan
gemäß des Ministers Bericht. Keinem der hoch qualifizierten Ärzten vermochte
seine Heilung gelingen und schließlich verstarb er und wurde in genau diesem
Zelt begraben und einmal im Jahr kämen die Leute hier heraus, um ihn zu
besuchen. Zuerst marschiert die Armee auf, umrundet das Zelt und man spricht
folgendes: „O Prinz, wenn das Übel, welches dich befallen hat im Krieg
erschienen wäre, hätten wir alle unsere Leben für dich geopfert um dich
zurück zu erobern. Doch die Umstände die dich trafen hält jener in Händen,
gegen den wir nicht kämpfen können, den wir nicht herausfordern können.“ So
sagen sie und kehren dann zurück. Die Philosophen und Gelehrten, die anschließend
erscheinen sprechen: „Gegen jenen, welcher deine Verfassung verursachte, kann
all unsere Gelehrsamkeit, Philosophie, Wissenschaft und unser Denken nicht
an. Denn alle Philosophen der Welt sind vor ihm machtlos und alle Gelehrten
unwissend im Hinblick auf sein Wissen. Wäre es anders, hätten wir Heilmittel
eingesetzt und Worte gesprochen, gegen die es in aller Schöpfung keinen
Widerstand gegeben hätte.“ So ist ihre Rede und dann kehren sie zurück. Als nächstes kommen die ehrwürdigen Alten und sagen
folgendes: „O Prinz, wenn diese Umstände, die dich getroffen haben durch die
Intervention der Ältesten zurecht gerückt hätten werden können, so hätte wir
alle demütig darum gebeten und sie von dir abgewendet. Doch diese Umstände
wurden von einem über dich gebracht, gegen den der Einwand eines Sterblichen
nichts nützt.“ So sprechen sie und verlassen den Ort. Nun erscheinen die schönen Jungfrauen mit ihren goldenen,
mit Edelsteinen geschmückten Tellern, umrunden das Zelt und sagen: „Sohn des
Caesar, wenn die Umstände welche dich betrafen durch Schönheit und Reichtum
hätten von dir abgewendet werden können, hätten wir uns aufgeopfert und große
Summen hingegeben und dich nicht im Stich gelassen. Doch der, welche diese
Umstände über dich brachte, beachtet weder Reichtum noch Schönheit.“ Danach
kehren auch sie zurück. Dann betritt der Ceasar selbst
mit seinen Ministern das Zelt und spricht: „O Auge und Licht deines Vaters, O
Frucht deines Vaters Herzen, O du von deinem Vater innig Geliebter, was kann
die Hand deines Vaters ausrichten? Dein Vater brachte ein mächtiges Heer, er
brachte Wissenschaftler und Gelehrte, Fürsprecher und Berater, schöne
Jungfrauen, Reichtum und allen erdenklichen Luxus. Wenn das alles irgendeinen
Nutzen hätte, würde dein Vater alles tun, was in seiner Macht stünde. Doch
diese Umstände wurden von einem über dich gebracht, gegenüber dem dein Vater,
mit all seiner Macht, seinem Staatsapparat, seiner Armee und seinem Gefolge,
seinem Luxus und Reichtum, gar nichts vermag. Friede sei mit dir, bis
nächstes Jahr.“ Nachdem er dies gesagt hat, kehrt auch er zurück. Diese Worte des Ministers bewegten Hasan so sehr, dass er
ganz außer sich geriet. Sofort traf er Vorkehrungen für seine Rückkehr. In
Basra angekommen, schwor er einen Eid nie wieder zu lachen, bis ihm sein
endgültiges Schicksal klar geworden wäre. Er gab sich von da an mit einer
Disziplin, die keiner seiner Zeit hätte aufrechterhalten können, aller Art
von Andacht, Entbehrungen und Bußübungen hin. Hasan von Basra und Abu Amr Es wird erzählt, dass Abu Amr, die führende Autorität in
der Rezitation des Qur’ans, als er eines Tages Qur’anunterricht gab, einen wunderschönen Knaben seine
Klasse betreten sah. Abu Amr sah den Knaben auf unziemliche Art an und vergaß
von diesem Moment an den gesamten Qur’an von A „Alles Lob“ bis zum n
„Dschinn und der Menschen“. Ein Feuer ergriff ihn
und er verlor völlig seine Beherrschung. In diesem Zustand rief er nach Hasan
von Basra und beschrieb ihm seine üble Situation. „Meister“, weinte er
bitterlich „so ist die Lage. Mir ist der komplette Qur’an entfallen.” Hasan war verzweifelt, als er davon erfuhr. “Es ist die Zeit für die Pilgerfahrt gekommen”, sagte er,
„geh und verrichte sie und wenn du damit fertig bist, begib dich zur Moschee
von Khaif. Dort wirst du einen alten Mann in der
Gebetsnische sitzen finden. Verschwende seine Zeit nicht und warte bis er mit
allem fertig ist. Dann bitte ihn, für dich zu beten.“ Abu Amr tat wie ihm gesagt war. Er saß also in einer Ecke
der Moschee und sah einen ehrwürdigen alten Mann, der von einer Menge Leute
umgeben war. Es verging einige Zeit, als ein Mann mit fleckenlos weißem
Gewand eintrat. Die Leute machten ihm Platz, grüßten ihn und sprachen mit
ihm. Als die Stunde des Gebets kam, verließ der Mann die Moschee und die
Leute mit ihm, so dass der alte Mann alleine zurückblieb. Abu Amr ging hin zu ihm und grüßte ihn. „Im Namen Allahs, hilf mir“, flehte er und schilderte
seine Not. In höchster Anteilnahme richtete der alte Mann seinen
Blick zum Himmel. „Er hatte seinen Kopf noch nicht wieder gesenkt“,
erinnerte sich Abu Amr, „als der Qur’an mir zurückkam. Voll Freude fiel ich
ihm zu Füßen.“ „Wer hat mich dir empfohlen?“ fragte der ehrwürdige Alte.
„Hasan von Basra“, antwortete Abu Amr. “Jeder der Glauben
(iman)
hat wie Hasan”, bemerkte der alte Mann, “wie bedarf ein solcher eines
anderen? Nun, Hasan hat mich aufgedeckt, so will ich das gleiche mit ihm tun.
Er hat meinen Schleier zerrissen, so will ich denn auch seinen Schleier
reißen. Dieser Mann“ fuhr er fort, „der im weißen Gewand, der nach dem
Nachmittagsgebet bei uns eintrat und vor allen anderen wieder ging, den die
anderen begrüßten – das war Hasan. Jeden Tag betet er das Nachmittagsgebet in
Basra und kommt dann her, wir sprechen miteinander und dann kehrt er nach
Basra für das Abendgebet zurück. Jeder der einen Glauben wie Hasan besitzt,
warum sollte er mich um ein Gebet fragen?“ Hasan von Basra und der Feueranbeter Hasan hatte einen Feueranbeter als Nachbar mit Namen
Simeon. Simeon wurde todkrank und war knapp davor zu sterben. Freunde Hasans
baten ihn, einen Nachbarn zu besuchen; er folgte diesem Ruf und suchte den
Kranken auf, der in seinem Bett, mit Ruß geschwärztem Gesicht lag. „Fürchte Gott“, war Hasans Rat. „Dein ganzes Leben hast
du inmitten Feuer und Rauch verbracht. Nimm den Islam an, dass Gott mit dir
Erbarmen haben möge.“ „Drei Dinge halten mich davon ab Muslim zu werden“,
antwortete der Feueranbeter. „Das erste ist, dass du schlecht von der Welt
sprichst und dennoch verfolgst du Tag und Nacht weltliche Angelegenheiten.
Zweitens sagst du, der Tod wäre eine Tatsache, der man ins Auge blicken muss
und dennoch triffst du keine Anstalten ihm zu begegnen. Und drittens sagst
du, dass man Gottes Antlitz erblicken wird und dennoch tust du alles ganz im
Widerspruch zu Seinem Wohlgefallen.“ „Dies ist das Merkmal jener, die wirklich wissen“, sagte
Hasan. „Wenn Gläubige sich so verhalten wie es beschreibst, was hast du zu sagen?
Sie bezeugen die Einzigkeit Gottes; wohingegen du dein Leben mit Feueranbeten
verbracht hast. Du hast siebzig Jahre lang das Feuer verehrt und ich habe
solches nie getan – und dennoch werden wir beide in die Hölle verbracht. Uns
beide wird die Hölle verschlingen. Gott wird dich nicht beachten; doch so
Gott will, wird das Feuer es nicht wagen, mir auch nur ein Härchen zu
versengen. Denn das Feuer wurde von Gott erschaffen, und das Geschöpf ist dem
Schöpfer untertan. Also komm, der du siebzig Jahre
das Feuer verehrt hast, lass uns beide unsere Hände in das Feuer halten und
darin belassen, dann wirst du mit eigenen Augen die Kraftlosigkeit des Feuers
und die Allmacht Gottes erkennen.“ Mit diesen Worten hielt Hasan seine Hände ins Feuer.
Nicht ein bisschen wurden sie verbrannt. Als Simeon dies sah, war er
erstaunt. Der Morgen des wahren Wissens brach an. „Siebzig Jahre lang habe ich das Feuer verehrt“, stöhnte
er, „und jetzt verbleiben mir nur noch wenige Atemzüge. Was soll ich tun?“ „Werde Muslim“, war Hasans Antwort. „Wenn du es mir schriftlich gibst, dass Gott mich nicht
bestrafen wird“, sagte Simeon, „dann will ich glauben. Aber bevor ich es
nicht schriftlich habe, werde ich nicht glauben.“ Hasan schrieb es nieder. „Nun lass aufrichtige Zeugen aus
Basra kommen und ihre Beglaubigung darunter setzen.“ Dann vergoss Simeon eine
Menge Tränen, bezeugte den Glauben und teilte Hasan seinen letzten Willen
mit. „Wenn ich sterbe, bitte sie mich zu waschen und dann mit
eigenen Händen in die Erde zu legen und dieses Dokument in meine Hände zu
legen. Dieses Dokument wird mein Beweis sein.“ Nachdem er Hasan zu all dem verpflichtet hatte, sprach er
das Glaubenbekenntnis und verstarb. Sie wuschen seinen
Körper, sprachen das Totengebet über ihm und begruben ihn mit dem Dokument in
seiner Hand. Diese Nacht ging Hasan zu Bett und dachte lange darüber nach,
was er getan hatte. „Wie kann ich einem Ertrinkenden helfen, wenn ich selbst
am Ertrinken bin? Habe ich doch nicht mal die Kontrolle über meinen eigenen
Glauben, wie konnte ich es wagen, Gott vorzuschreiben, was Er zu tun hätte?“
Über diesen Gedanken schlief er ein. Im Traum sah er Simeon leuchten wie eine
Kerze, mit einer Krone auf dem Haupt, in feinstes Gewand gekleidet, lächelnd
im Paradiese wandeln. „Wie geht es dir, Simeon?“ fragte Hasan. “Warum fragst du? Du siehst doch selbst“, antwortete
Simeon. “Gott der Allmächtige brachte mich in Seiner Güte in Seine Gegenwart
und lies mich gnadenvoll Sein Antlitz schauen. Die Huld die Er mir
entgegenbrachte sprengt jegliche Beschreibung. Du hast dich deines
Versprechens als würdig erwiesen, so nimm dieses Papier zurück, ich brauche
es nicht mehr.“ Als Hasan erwachte, fand er das Dokument in seiner Hand. „Herr, Gott“, rief er „ich weiß sehr gut, dass was Du
tust, das tust Du ohne es zu begründen, ausgenommen davon ist Deine
Großzügigkeit. Wem sollte es an Deiner Tür an irgendwas ermangeln? Du
gestattest es aufgrund eines einzigen Ausspruchs (des Glaubensbekenntnisses)
einem tapferen siebzigjährigen Mann in Deine Gegenwart zu gelangen. Wie
willst Du dies dann einem siebzigjährigen Gläubigen verweigern?“ Malek ibn Dinar al-Sami war der
Sohn eines persischen Sklaven aus Sejestan (oder
Kabul) und war ein Schüler des Hasan von Basra. Er findet als verlässlicher
Überlieferer Erwähnung, der von Persönlichkeiten wie Anas ibn Malek und Ibn Sirin berichtete. Er war ein beachteter
Qur’an Kalligraf und starb um 130 (748). Wie Malek-e Dinar zu seinem Namen kam und die Geschichte
seiner Reue Als Malek geboren wurde, war sein Vater noch Sklave; so
wenn er auch als Sklave geboren wurde, war er dennoch in beiden Welten frei
von jeder Fessel. Es wird erzählt, dass Malek-e Dinar einmal ein Schiff
bestieg und als das Schiff schon weit draußen war, verlangten die Seeleute: „Bezahle deine Überfahrt.“ „Ich hab nichts zu bezahlen“, war seine Antwort. Darauf schlugen sie ihn zusammen, bis er ohnmächtig war.
Als er wieder aufwachte, schrieen sie ihn wieder um
das Fahrgeld an und der Dialog und die körperlichen Ausschreitungen
wiederholten sich. Als er wieder zu sich kam, verlangten sie ein drittes Mal. „Bezahle deine
Überfahrt.“ „Ich hab nichts zu bezahlen“, war auch diesmal seine
Antwort. „So lasst ihn uns bei den Füßen ergreifen und überbord werfen“, sagten sie zueinander. Im selben Moment steckten alle Fische im Wasser ihren
Kopf heraus und ein jeder von ihnen trug zwei Golddinare im Maul. Malek
langte hinunter, nahm zwei Dinare von einem Fisch und gab sie den Seeleuten.
Als diese das sahen, fielen sie vor ihm auf die Knie. Er aber stand auf und
ging über das Wasser davon. Darum wird er Malek-e Dinar genannt. Sein Eintritt in den Islam wird uns wie folgt
überliefert. Er war ein sehr hübscher Mann, den weltlichen Dingen
äußerst zugetan und einigermaßen vermögend. Er lebte in Damaskus, wo Mu’awiya eine imposante Moschee mit großzügiger
Ausstattung hatte erbauen lassen. Malek wollte unbedingt der Verwalter dieser
Moschee werden und so nahm er seinen Gebetsteppich, rollte ihn in einer Ecke
der Moschee auf und verbrachte ein ganzes Jahr im Gottesdienst dort, in der
Hoffnung, dass jeder der die Moschee betreten würde, ihn dort im Gebet sehen
würde. „Was bist du nur für ein Heuchler“, pflegte er zu sich
selbst zu sagen. So verging ein Jahr. In der Nacht verließ er gewöhnlich
die Moschee, um seinen Vergnügungen nachzugehen. Als er in einer dieser
Nächte sich der Musik hingegeben hatte und seine Kameraden bereits
eingeschlafen waren, hörte er plötzlich eine Stimme aus der Laute kommen, die
er gerade schlug. „Malek, was fehlt dir, dass du nicht bereust?“ Als er das hörte, ließ er das Instrument fallen und lief
völlig verwirrt in die Moschee zurück. „Ein ganzes Jahr habe ich den Gottesdienst in der Manier der
Heuchler verrichtet“, sprach er zu sich selbst. „Ist es denn nicht besser,
Gott in Aufrichtigkeit zu verehren? Ich schäme mich daher. Was soll ich tun?
Selbst wenn sie mir diesen Posten nun antragen sollten, werde ich ihn nicht
annehmen.” So beschloss er für sich und wandte sich nun in rechtem
Bewusstsein Gott zu. Diese Nacht verbrachte er seine Andacht mit einem
reinen Herzen. Nächsten Tag versammelten sich die Leute vor der Moschee
wie sonst auch. „Warum gibt es da Risse in der Moschee“, riefen sie. „Wir
sollten eine Aufsichtsperson ernennen, die sich um solche Dinge kümmert und
in Ordnung hält.“ Sie kamen einstimmig zum Schluss, dass niemand für diese
Aufgabe besser geeignet wäre als Malek. So gingen sie zu ihm. Er war mitten
im Gebet und sie warteten geduldig bis er damit fertig war. „Wir sind zu dir gekommen, um dich zu bitten, diese
Bestellung anzunehmen“, sagten sie. „O Gott“, rief Malek, „ich habe Dir ein Jahr lang wie ein
Heuchler gedient und keiner hat mich auch nur angesehen. Nun nachdem ich Dir
mein Herz zugewandt habe und fest beschlossen habe, diese Berufung
abzulehnen, schickst Du zwanzig Leute, mir diese Aufgabe aufzuerlegen. Bei
Deiner Ehre, ich will sie nicht.“ Er lief aus der Moschee und wandte sich dem Dienst des
Herrn zu und nahm ein Leben der Enthaltsamkeit und Disziplin auf. Er wurde
deshalb dermaßen respektiert, dass, als ein reicher Bürger aus Basra starb
und dieser eine liebreizende Tochter hinterließ, sie sich an Thabet-e Bonani wandte: „Ich wünsche die Ehefrau des Malek zu werden“, teilte sie
mit, „dass er mir in der Aufgabe beistünde, Gott zu gehorchen.“ Thabet überachte dies dem Malek. „Ich habe mich von der Welt getrennt“, erwiderte Malek.
„Diese Frau gehört zu dieser Welt von der ich mich getrennt habe. Ich kann
sie nicht heiraten.“ Malek und sein liederlicher Nachbar Ein bestimmter junger Mann lebte in Maleks
Nachbarschaft, der in seinem Lebenswandel außerordentlich verderbt und
liederlich war. Malek wurde durch sein schlechtes Verhalten ständig
belästigt, doch geduldig wartete er darauf, dass jemand anders etwas sagen
würde. Um es kurz zu machen, sprachen nach einiger Zeit weitere Nachbarn bei
Malek vor, um sich über den jungen Mann zu beschweren. Malek erhob sich also,
ging zu ihm und ersuchte ihn, sein Betragen zu bessern. Der Jüngling
reagierte allerdings sehr uneinsichtig und in grober Weise. „Ich bin ein Günstling des Sultans“, erwiderte er Malek.
„Niemand hat das Recht mich zu beschränken oder mich von meinem Tun abzuhalten.“ „Ich werde mit dem Sultan reden“, drohte Malek. „Dadurch wird sich der Sultan in seiner Zuneigung zu mir
nicht abbringen lassen“, ließ der Junge wissen. „Was immer ich tue, er wird
es gut heißen.“ „Nun gut, wenn der Sultan nichts wird ausrichten”, fuhr
Malek fort, “werde ich mit dem Allmächtigen reden”, und zeigte gegen Himmel. „Ha“, gab der Junge zurück, „der ist viel zu großzügig,
um mich zur Verantwortung zu ziehen.“. Da verschlug es Hasan die Sprache und er verließ den
Jungen. In den nächsten Tagen schlug der junge Mann über alle Schranken und
wieder kamen die Leute und beschwerten sich. Hasan erhob sich, um ihn
zurechtzuweisen, doch auf dem Weg zu ihm hörte er eine Stimme. „Hör auf damit, mein Freund.“ Erstaunt ging er weiter zu
dem jungen Mann hin. “Was ist passiert, dass du ein zweites mal kommst?“ wollte der Junge wissen. „Ich bin dieses mal nicht
gekommen, um dich zu schelten“, antwortete Malek. „Ich bin nur gekommen, um
dir von dieser Stimme zu berichten.“ „Ah – wenn das so ist, so weihe ich meinen Palast Seinem
Dienst“, gab der junge Mann zurück. Mein Vermögen will ich nicht länger
achten.“ Nach diesen Worten ließ er alles zurück und zog aus in die Welt. Malek erzählte, dass er diesen jungen Mann einige Zeit
später in Mekka wieder traf, offensichtlich bettelarm und in den letzten
Zügen. „Er ist mein Freund“, keuchte er. „Ich bin ausgezogen, um meinen
Freund zu sehen.“ Und nach diesen Worten gab er seinen Geist auf. Malek und seine Enthaltsamkeit Jahre vergingen, ohne dass etwas Süßes oder Saures über Maleks Lippen gekommen wäre. Jede Nacht begab er sich zu
einem Bäcker um zwei Laibe Brot zu kaufen, mit welchen er sein Fasten zu
brechen pflegte. Manchmal war das Brot sogar noch warm, was ihm sehr gefiel
und seinen Appetit anregte. Eines Tages wurde er krank und ein unbändiges Verlangen
nach Fleisch befiel sein Herz. Zehn Tage lang zügelte er dieses Verlangen,
doch dann konnte er sich nicht mehr länger beherrschen und ging zu einem
Feinkostladen und kaufte zwei oder drei Schafshaxen und steckte sie ein. Der
Ladenbesitzer schickte ihm seinen Lehrling nach um zu erfahren, was er wohl
damit anstellen würde. Nach kurzer Zeit kam der Junge mit Tränen in den Augen
zurück. „Von hier ging er zu einer einsamen Stelle“, berichtete
er. „Dort nahm er die Schafsbeine heraus, küsste sie zwei, drei mal und sagte dann: „O meine Seele, mehr als dies
kommt dir nicht zu.“ Dann gab er das Brot und die Schafsbeine einem Bettler
und sagte: „O du mein schwacher Körper, glaube nicht, dass ich dir all dieses
Leid aus Feindschaft auferlege. Viel eher sollst du am jüngsten Tag der
Auferstehung nicht in der Hölle brennen. Sei noch einige Tage geduldig und
vielleicht wird dann diese Versuchung enden und du wirst eines Segens
gewärtig, der niemals enden wird.“ Ein anderes Mal sagte Malek: „Ich verstehe die Bedeutung
des Ausspruchs nicht, dass, wenn ein Mann vierzig Tage kein Fleisch isst,
sein Verstand abnimmt. Ich habe seit zwanzig Jahren kein Fleisch mehr
gegessen und mein Verstand wird stärker jeden Tag. Vierzig Jahre lebte er in Basra und aß niemals frische
Datteln. Wenn die Zeit ihrer Reife kam pflegte er zu sagen: „Hört ihr Leute
aus Basra, mein Bauch ist bislang nicht kleiner geworden, weil er keine reife
Datteln zu essen bekam – und euer wurde nicht größer.“ Nach vierzig Jahren wurde er von einer gewissen Unruhe
heimgesucht. So sehr er sich auch bemühte, konnte er sein Verlangen nach
frischen Datteln nicht mehr unterdrücken. Endlich, nach ein paar Tagen,
während seine Lust auf frische Datteln immer größer geworden war und er sie
dennoch ständig verleugnete, konnte er dem Druck seiner fleischlichen Seele
nicht mehr widerstehen. „Ich werde keinesfalls frische Datteln essen“,
protestierte er, „entweder bring mich um, oder stirb selbst!“ In der Nacht vernahm er eine himmlische Stimme: „Du musst ein paar Datteln essen. Befreie deine
fleischliche Seele aus ihren Fesseln.“ Auf diese Reaktion hin, nutzte seine fleischliche Seele
die Gelegenheit und begann laut zu schreien. „Wenn du Datteln willst“, sagte Malek, „dann faste eine
Woche lang, ohne ein einziges mal das Fasten zu
brechen, und bete die ganze Nacht. Dann werde ich dir ein paar geben.“ Dies stellte seine Seele ruhig und eine ganze Woche lang
fastete er am Tag und die Nächte hindurch betete er. Alsdann ging er auf den
Markt und kaufte einige Dattel, begab sich zur Moschee und wollte sie dort
essen. Da rief ein Junge von einem Dach herunter. “Vater! Ein Jude hat Datteln gekauft und geht in die
Moschee um sie dort zu essen.“ „Was hat ein Jude in der Moschee verloren“, rief der Mann
zurück und rannte, um zu sehen, wer dieser Jude wohl wäre. Als er Malek
erkannte, fiel er auf die Knie. „Was hat dieser Junge gerufen?” wollte Malek wissen. „Verzeih ihm Meister“, bat der Vater des Jungen. “Er ist
bloß ein Kind und versteht noch nichts. In unserem Viertel leben viele Juden.
Wir fasten ständig und unsere Kinder sehen die Juden untertags essen. So
glauben sie, dass jemand der untertags isst, ein Jude wäre. Was er sagte,
sprach er aus Unwissenheit. Vergib ihm”. Als Malek dies hörte, verschlang ein Feuer seine Seele.
Er begriff, dass es Eingebung gewesen war, welches das Kind so hatte sprechen
lassen. „Herrgott“, rief er, „ich habe noch keine Datteln
gegessen und Du nennst mich einen Juden durch den Mund eines unschuldigen
Knaben. Wenn ich Datteln gegessen hätte, Du hättest mich einen Ungläubigen
genannt. Bei Deiner Ehre, wenn ich jemals Datteln essen sollte“. Habib ibn Mohammad al-‘Ajami al-Basri, ein Perser der sich in Basra
niedergelassen hatte, war ein beachteter Überlieferer, der von Hasan al
Basri, Ibn Sirin und anderen Persönlichkeiten berichtet hatte. Seine
Bekehrung von einem bequemen Leben der Genusssucht war durch al Hasans
Redekunst eingeleitet worden; er war ein häufiger Zuhörer seiner Vorträge und
wurde einer seiner engsten Gefährten. Die Geschichte von Habib dem Perser Habib war ein vermögender Mann und ein Wucherer. Er lebte
in Basra und machte jeden Tag seine Runde unter seinen Kunden, um sie zu dun. Wenn er kein Geld von ihnen bekam, stellte er ihnen
den Abrieb seiner Ledersohlen in Rechnung. Auf diese Art verschaffte er sich
seine Tageseinkünfte. Eines Tages ging er zu einem seiner Schuldner. Da er
ihn nicht zu Hause antraf, verlangte er Entgelt für den Verschleiß seiner
Schuhsohlen. „Mein Mann ist nicht zu Hause“, erklärte ihm des
Schuldners Frau“, und ich habe nichts was ich dir geben könnte. Wir haben ein
Schaf geschlachtet und nur der Hals ist mehr übrig. Wenn du willst, gebe ich
ihn dir.“ „Das ist zumindest etwas“, meinte der habgierige Mensch
im Glauben, er könnte ihr den Hals abnehmen und mit nach Hause tragen. „Stell
einen Topf aufs Feuer“. „Ich habe weder Brennholz noch Brot“, antwortete die
Frau. “Na gut, ich werde beides besorgen”, erwiderte der Mann
“und es wird zum Schuhleder dazugerechnet.” Er ging und besorgte beides und die Frau stellte den Topf
auf. Als alles fertig gekocht war und die Frau den Inhalt in eine Schale
gießen wollte, klopfte ein Bettler an die Tür. „Wenn wir dir geben was wir haben“, schrie in Habib an,
„wirst du nicht reicher, aber wir werden selbst arm werden.“ Der Bettler, verzweifelt, bat die Frau doch etwas in die
Schale zu schütten. Sie hob den Deckel des Kochtopfs und stellte fest, dass
sich all sein Inhalt in schwarzes Blut verwandelt hatte. Weiß vor Schreck
lief sie zu Habib und führte ihn zu dem Topf. „Schau was uns nun wegen deiner verdammten Gier und
Schreierei passiert ist!“ rief sie. „Wie wird es uns jetzt in dieser Welt
und ganz zu schweigen von der nächsten ergehen?“ Als er das sah, fühlte Habib in sich ein Feuer
entflammen, welches nie wieder erlöschen sollte. „Frau“, sagte er“, „ich bereue alles was ich getan habe.“ Nächsten ging er wieder auf seine Kundentour. Es war ein
Freitag und die Kinder spielten auf den Strassen.
Als sie Habib erblickten fingen sie zu rufen an. „Da kommt Habib der Geizhals. Lauft weg, denn wenn sich
sein Staub auf uns legt, werden wir so verdammt wie er!“ Durch diese Worte tief verletzt, ging Habib weiter zur
Moschee wo gerade Hasan von Basra in einer Versammlung etwas sprach, was
Habib geradewegs ins Herz traf und er fiel stracks darauf hin in Ohnmacht.
Als er aufwachte, war er von tiefer Reue überkommen. Hasan, der erkannt
hatte was passiert war, nahm ihn bei der Hand und beruhigte ihn. Als er von der Versammlung wegging, entdeckte ihn einer
seiner Schuldner, der sich sofort davon machen wollte. „Lauf nicht weg“, rief ihn Habib. „Bis heute war es so,
dass du von mir weglaufen musstest; nun ist es so, dass ich von dir fliehen
muss.“ Und er ging weiter und traf wieder auf die spielenden
Kinder. Als diese Habib erblickten, begannen sie wieder zu rufen. „Hier kommt Habib der Reumütige, lauft weg, damit unser
Staub sich nicht auf ihm niederlässt, denn wir sind sündig im Gesicht
Gottes.“ „Mein Herr und Gott!“ rief Habib „Aufgrund des heutigen
Tages habe ich meinen Frieden mit Dir gefunden, Du hast die Trommeln der
Herzen der Menschen für mich schlagen lassen und meinen Namen als tugendhaft
verkünden lassen.“ Dann ließ er verlautbaren. „Wer immer etwas von Habib begehrt, er trete vor und hole
es sich.“ Also kamen die Leute und er verschenkte all seinen Besitz
bis auf den letzten Cent. Da kam noch einer der etwas verlangte und Habib,
der schon nichts mehr besaß, gab ihm den Umhang seiner Frau. Einem anderen
gab er sein Hemd und blieb unbekleidet zurück. Er zog sich in die Einsiedelei
in der Nähe des Euphrats zurück und gab sich dort ganz dem Gottesdienst hin.
Tag und Nacht lernte er von Hasan, doch schaffte er es nicht die Qur’an
Rezitation zu erlernen. Daher stammt sein Spitzname „der Barbar“. Die Zeit verging und er war völlig mittellos geworden und
eines Tages seine Frau verlangte unablässig Haushaltsgeld von ihm. So ging
Habib aus dem Haus in seine Einsiedelei um seine Anbetungen wieder
aufzunehmen. Als die Nacht anbrach, kehrte er nach Hause zu seiner Frau
zurück. „Wo hast du gearbeitet, dass du gar nichts mit nach Hause
bringst?“ wollte seine Frau wissen. „Der mit dem ich arbeitete, ist so großherzig“, erwiderte
Habib, „dass ich es nicht wage, Ihn um etwas zu bitten. Wenn die rechte Zeit
kommt, wird er mich auszahlen, denn er sagt, „Ich zahle alle zehn Tage den
Lohn.““ Jeden Tag zog Habib sich also in seine Einsiedelei zur
Andacht zurück, bis zehn Tage um waren. Am zehnten Tag, so um die Zeit des
Mittagsgebets kam ihm ein Gedanke in den Sinn. „Was werde ich heute mit nach Hause kommen, und was werde
ich meiner Frau erzählen?“ Dieser Gedanke beschäftigte ihn sehr. Sofort schickte ihm
der Allmächtige Gott einen Träger zu seinem Haus mit einer ganzen Eselladung
Mehl, einer weiteren mit gehäuteten Schafen und noch einer mit Öl, Honig,
Gewürzen und Früchten. Die Träger luden alles auf, die von einem hübschen jungen
Mann begleitet wurden, der eine Börse mit dreihundert Silberdinaren mit sich
trug. Vor Habibs Haus angekommen, klopfte dieser an
die Eingangstür „Was wollt ihr?“ fragte Habibs
Frau, die die Tür aufgemacht hatte. „Der Meister hat all dies geschickt“ antwortete der
hübsche Jüngling. „Richte Habib aus, „Steigere deine Ergebnisse und wir
werden deinen Lohn erhöhen.““ Danach ging er fort. Am Abend machte sich Habib auf den
Heimweg, ganz beschämt und betrübt. Als er zu seinem Haus kam, stieg ihm der
Duft von Brot und Braten in die Nase. Seine Frau kam ihm grüßend
entgegengelaufen, strich ihm zärtlich über das Gesicht und war nett zu ihm,
wie noch niemals zuvor. „Mann“ rief sie, „der Herr für den du arbeitest ist
wirklich ein großzügiger und äußerst netter Mann. Sieh mal, was er durch
einen feschen Jüngling schicken hat lassen. Und der junge Mann hat ausrichten
lassen: „Wenn Habib nach Hause kommt, sag ihm, er soll seine Ergebnisse
steigern, dann werden wir seinen Lohn erhöhen.““ Habib war erstaunt. „Wundervoll“, rief er aus. „Ich arbeitete zehn Tage und
er ließ mir dafür all diese Wohltaten zuteil werden.
Wenn ich mich mehr anstrenge, wer weiß, was er dann tun wird?“ Er wandte darauf seine Aufmerksamkeit gänzlich weg von
weltlichen Dingen und gab sich vollständig dem Gottesdienst hin. Habibs Wundertaten Eines Tage kam eine alte Frau zu Habib, fiel ihm vor die
Füße und weinte bitterlich. „Ich habe einen Sohn, der nun lange Zeit von mir fort
war. Ich kann seine Abwesenheit nicht mehr länger ertragen. Bete zu Gott.“
flehte sie Habib an. „Es könnte sein, dass durch den Segen deines Gebetes
Gott ihn zu mir zurück schicken wird.” „Hast du Geld?“ fragte Habib. „Ja, zwei Dirham“, antwortete sie. „Bring sie und gib sie den Armen.“ Und Habib sprach ein Gebet und sprach dann zu der Frau. „Geh nach Hause, dein Sohn ist zu dir zurückgekehrt.“ Die alte Frau war noch nicht zuhause angelangt, als sie
schon ihren Sohn erblickte. Unter Freudengeschrei brachte sie ihn zu Habib. „Was ist passiert?“ wollte Habib von diesem wissen. „Ich war in Kerman“ antwortete der Sohn „als mein Lehrer
mich beauftragte etwas zu essen zu holen. Ich hatte das Essen in Empfang
genommen, als mich ein Wind ergriff und ich eine Stimme vernahm, „Wind, trag ihn nach Hause, bei Habibs
Segen und der beiden Dirhams, die in Almosen ausgegeben wurden.““ Einmal wurde Habib am 8ten Dhul
Hidjscha in Basra gesehen und am 9ten auf dem Berg
Arafat in Mekka. Einmal war der Hunger in Basra ausgebrochen. Habib kaufte
viel an Lebensmittel auf Kredit und spendete diese als Almosen. Er nahm seine
Börse und legte sie unter sein Kopfkissen. Als die Händler kamen und ihre
Bezahlung forderten, nahm er die Börse heraus und sie war mit Dirhams
gefüllt, mit denen er seine Verpflichtungen beglich. Habib besaß in Basra ein Haus an einer Kreuzung. Er hatte
auch einen Pelzmantel, den er Winter und Sommer trug. Als er einmal die
rituelle Waschung zu vollziehen hatte, stand er auf und ließ seinen Mantel am
Boden liegen. Hasan von Basra kam gerade vorbei und sah den Mantel achtlos am
Boden hingeworfen. „Diese Barbaren“, meinte er, „haben keine Vorstellung vom
Wert eines solchen Mantels. Man sollte ihn nicht einfach hier liegen lassen,
er könnte abhanden kommen.“ Also blieb er stehen und passte auf den Mantel auf. Kurz
darauf kam Habib zurück. „Imam der Muslime“, rief er, nachdem er gegrüßt hatte
„warum stehst du hier?“ „Weißt du nicht“, erwiderte Hasan, dass so ein Mantel
nicht unbewacht bleiben sollte. Er könnte fort kommen. In wessen Aufsicht
hast du ihn hinterlassen? “ “Unter der Aufsicht Dessen, Der dich dazu bestimmt hat
darauf aufzupassen“ war Habibs Antwort. Eines Tages besuchte Hasan den Habib. Dieser setzte dem
Hasan all sein Brote und ein wenig Salz vor. Hasan begann zu essen, als ein
Bettler an der Tür erschien. Habib gab das ganze Brot und Salz diesem
Bettler. „Habib“, bemerkte Hasan, „du bist ein würdiger Mann. Wenn du nur
auch ein wenig Verstand hättest, wäre dies besser. Du hast das Brot unter der
Nase deines Gastes weggeschnappt und alles diesem Bettler gegeben. Du hättest
ihm einen Teil davon und den anderen Teil deinem Gast überlassen sollen.“ Habib blieb still und sagte gar nichts darauf. Kurz
darauf erschien ein Sklave mit einem Korb auf dem Kopf. Darin war geröstetes
Lamm, saftiges Fleisch, frisches Brot und fünfhundert Silber Dinare. All das
stellte er vor Habib nieder. Der verteilte das Geld an die Armen und das
Essen stellte er vor Hasan hin. „Meister“, sagte er, nachdem Hasan etwas von dem
gerösteten Fleisch gegessen hatte, „du bist ein guter Mann. Wenn du ein wenig
mehr Glauben hättest, wäre das besser. Wissen muss von Glauben begleitet
werden.“ Eines Tages suchten Beamte des Hajiaj
nach Hasan, der sich in der Klause des Habib versteckt hatte. „Hast du heute Hasan gesehen?“ wollten die Beamten von
Habib wissen. „Ich hab’ ihn gesehen“, antwortete Habib. „Wo war das?“ „Hier in dieser Klaus.“ Die Beamten traten ein, doch sie konnten Hasan einfach
nicht finden. (Siebenmal haben ihre Hände mich berührt, doch sie konnten mich
einfach nicht sehen“, berichtete Hasan später.) „Habib“, sagte Hasan, als er die Klause verließ, „du hast
deine Pflicht gegen deinen Meister nicht erfüllt. Du hast mich verraten.“ „Meister“, gab Habib zurück, „weil ich die Wahrheit
sagte, bist du entkommen. Hätte ich gelogen, wären wir beide verhaftet worden.“ „Was hast du gebetet, dass sie mich nicht gesehen haben“,
wollte Hasan wissen. „Ich habe den Thron Vers zehnmal gesprochen“, antwortete
Habib. „Zehnmal sagte ich die Glaubenssätze des Gesandten und zehnmal sagte
ich „Kull Huwa Allahu Ahad“. Dann sagte ich, „O Gott ich habe Hasan nun
Dir überantwortet. Wache über ihn.““ Einmal wollte Hasan an einen bestimmten Ort gelangen. Er
ging hinunter zum Ufer des Tigris und dachte nach, als Hasan des Weges kam. „Imam“, fragte Habib, „was stehst du hier?“ „Ich will dort und dort hin“, antwortete Hasan, „und das
Boot hat Verspätung.“ „Was ist los mit dir?“ wollte Habib wissen. „Alles was
ich weiß habe ich von dir gelernt. Verbanne allen Neid aus deinem Herzen und
verschließe es vor allen weltlichen Dingen. Wisse, dass Leiden ein kostbarer
Preis zu zahlen ist und alles die Angelegenheit Gottes ist. Also setz deinen
Fuß auf das Wasser und geh.“ Mit diesen Worten trat Habib vor und ging über das Wasser
davon. Hasan fiel in Ohnmacht. Als er wieder zu sich gekommen war, fragten
ihn die Leute. „Imam der Muslime, was ist dir passiert?“ „Mein Schüler Habib hat mir gerade eine Lehre erteilt“,
gab er Auskunft. „Und dann ist er einfach über das Wasser davon gegangen,
während ich dies nicht zu tun vermag. Wenn sich morgen eine Stimme erhebt und
ruft: „Schreite über dieses Feuer hinweg“ und ich bleibe dazu unfähig wie
heute, was kann ich da tun?“ Später fragte Hasan Habib: „Wie hast du diese Fähigkeit
bekommen?“ „Ich mache mein Herz weiß, wohingegen du Papier schwärzt“,
antwortet ihm Habib. „Meine Gelehrsamkeit hat wohl anderen genutzt, doch nicht
mir“, kommentierte Hasan dazu. Rabe’a bint Esma’il
al-‘Adawiya, war in bescheidene Verhältnisse
geboren und als Kind in die Sklaverei verkauft worden. Später ließ sie sich
in Basra nieder, wo sie als Heilige und Predigerin zu großer Bekanntheit
gelangte und von vielen ihrer frommen Zeitgenossen hoch geachtet wurde.
Der Zeitpunkt ihres Todes wird unterschiedlich mit 135 (752) oder 185 (801)
angegeben. Sie lebte den Zölibat und ihr wird ein großer Anteil bei der
Einführung der Thematik über die Göttliche Liebe in die Islamische Mystik
zugeschrieben. Ihr Grab wird in der Nähe von Jerusalem vermutet. Rabe’a, ihre Geburt und Jugend Wenn jemand die Frage stellt, warum Rabe’a
nicht unter die Männer eingereiht wird, so ist die Antwort, dass der Prophet
selbst sagte: „Gott achtet nicht auf eure äußere Formen.“ Der Kern dieser Aussage
ist nicht die Form, sondern die Absicht, so wie der Prophet sagte: „Die
Menschen werden gemäß ihrer Absichten auferstehen.“ Außerdem, wenn es
angemessen ist, zwei Drittel unserer Religion aus den Händen Aishas zu empfangen, so ist es sicherlich auch zulässig,
religiöse Belehrungen von einer Dienstmagd Aishas
zu übernehmen. Wenn eine Frau auf dem Wege Gottes ein “Mann” wird, ist sie
ein Mann und keiner kann sie mehr Frau nennen. In der Nacht, als Rabe’a das
Licht der Welt erblickte, war in ihres Vaters Haus rein gar nichts vorhanden;
denn ihr Vater lebte in sehr ärmlichen Umständen. Er besaß nicht einmal einen
Tropfen Öl um ihren Nabel zu salben; es gab weder Licht, noch eine Decke sie
einzuwickeln. Er hatte bereits drei Töchter und Rabe’a
war die vierte; daher ihr Name. „Geh zu unserem Nachbar so-und-so und bitte ihn um einen
Tropfen Öl, so dass wir wenigstens Licht machen können“, bat ihn seine Frau.
Nun hatte der Mann aber einen Schwur getan, keinen Sterblichen um irgendetwas
zu bitten. So ging er nur nach draußen, lehnte seinen Kopf an seines Nachbars
Tür und kehrte wieder zurück. „Sie machen die Tür nicht auf“, berichtete er. Die arme
Frau vergoss bittere Tränen. Betrübt legte der Mann seinen Kopf auf die Knie
und schlief ein. Er träumte, dass er dem Propheten begegnete. „Sei nicht traurig“, bat ihn der Prophet, „deine Tochter,
die gerade das Licht der Welt erblickte ist eine Königin unter den Frauen,
eine Fürsprecherin im Morgen für siebzigtausend aus meiner Gemeinde“, fuhr
der Prophet fort, „geh zu Isa e-Zaidan, dem
Verwalter von Basra. Gib ihm ein Blatt Papier auf welches du etwa folgendes
geschrieben hast: „Jede Nacht sendest du mir hundert Segenswünsche und an
einem Freitag vierhundert. Letzte Nacht war Feitag
und du hast auf mich vergessen. Als Ersatz dafür übergib diesem Mann
vierhundert ehrlich erworbene Dinare.““ Als Rabe’as Vater erwachte,
brach er in Tränen aus. Er stand auf und schrieb auf, was ihn der Prophet
geheißen hatte und sandte diese Nachricht über einen Kammerdiener an den
Verwalter. „Gib zweitausend Dinar den Armen“, befahl der Verwalter
als er das Sendschreiben gelesen hatte, „als Dankeschön an den Herrn für
Seine Erinnerung an mich. Und dem Scheich gib auch vierhundert Dinar und sag
ihm, dass ich wünsche, er möge zu mir kommen, denn ich will ich sehen, auch
wenn ich es nicht für angebracht halte, dass ein Mann, wie er es ist sich zu
mir begibt. Vielmehr sollte ich zu ihm kommen und mit meinem Bart seinen
Staub kehren. Jedenfalls beschwöre ich ihn bei Gott, wenn er etwas braucht,
bitte ich ihn inständig, es mich wissen zu lassen.“ Der Mann nahm das Gold und kaufte damit alles Nötige. Als Rabe’a älter geworden war
und ihre Eltern schon gestorben waren, brach eine Hungersnot in Basra aus und
die Geschwister wurden getrennt. Rabe’a wagte sich
aus dem Haus und wurde von einem verruchten Mann aufgegriffen und für sechs
Dirham in die Sklaverei verkauft. Ihr Käufer benutzte sie für harte Arbeit. Eines Tages ging sie die Strasse
entlang, als sie ein Fremder erschreckte. Sie rannte davon, fiel hin und sich
das Handgelenk verletzte. „Gott, Herr“, schrie sie und beugte ihren Kopf zu Boden,
„ich bin ein Fremder, ohne Vater und Mutter, ein hilfloser Gefangener mit
gebrochener Hand. Dennoch will ich nicht klagen, weil alles was ich brauche
ist Deine Zufriedenheit, zu wissen, ob Dein Wohlgefallen auf mir ruht oder
nicht.“ „Sei nicht traurig“, vernahm sie eine Stimme, „morgen
wirst du einen Platz einnehmen, um welchen dich die Cherubim
beneiden.“ Also kehrte Rabe’a zu ihres
Herrn Haus zurück. Untertags fastete sie und diente unablässig Gott und in
der Nacht stand sie im Gottesdienst bis zum Tagesanbruch. Eines Nachts wachte ihr Herr auf und sah
durchs Fenster Rabe’a in Andacht niedergeworfen zu
Gott beten: „O Gott, Du weißt, dass es der Wunsch meines Herzen ist,
in Übereinstimmung mit Deinem Befehl zu schlagen und das Licht meines Auges
ist es, an Deinem Hof zu dienen. Wenn es an mir läge, nicht einen Moment
unterbräche ich mein Gottesdienst, doch selbst hast mich in die Hand eines
Geschöpfs gegeben.“ So war ihr Gebet. Ihr Herr nahm eine Laterne wahr, die
über ihrem Kopf herunterhing, ohne irgendwo befestigt zu sein und dieses
Licht erhellte das gesamte Haus. Als er dies sah, bekam er es mit der Angst
zu tun und darüber nachsinnend, konnte bis zum Morgen nicht mehr einschlafen.
Am nächsten Tag rief er nach ihr, war sehr freundlich zu ihr und ließ sie
frei. „Erlaube mir zu gehen“, sagte Rabe’a
und nachdem er sie gehen ließ, verließ sie das Haus und ging in die Wüste.
Danach zog sie sich in eine Klause zurück, wo sie sich eine Weile dem
Gottesdienst hingab. Anschließend entschied sie die Pilgerreise zu
unternehmen und brach in Richtung Wüste auf. Sie packte ihr Bündel einem Esel
auf, doch mitten in der Wüste brach der Esel tot zusammen. Ihre
Reisegefährten schlugen vor, ihre Last zu übernehmen. „Geht nur weiter“, sagte sie, „ich bin nicht gekommen, um
mich euch zu überlassen.“ So setzten die Männer ihre Reise fort und Rabe’a blieb alleine zurück. „O Gott“, weinte sie, „behandeln Könige so eine Frau die
alleine und machtlos ist? Du hast mich an Deinen Hof geladen und mitten
unterwegs hast Du meinen Esel sterben und mich alleine zurück bleiben
lassen.“ Kaum hatte sie ihre Klage beendet, als sich der Esel
bewegte und wieder auf die Beine kam. Sie lud ihm ihre Packen auf und setzte
ihre Reise fort. (Der Erzähler dieser Geschichte berichtet, dass er den Esel
wieder erkannte, als er auf einem Markt verkauft wurde.) Sie setzte ihre
Reise einige Tage durch die Wüste fort bis sie Halt machte: Unmittelbar sprach Gott in ihrem Herzen. „Rabe’a du reist im Lebensblut
von achtzehntausend Welten. Weißt du nicht, wie Moses um eine Vision Meiner
gebetet hat? Ich habe ein paar Staubkörner der Offenbarung auf den Berg
geworfen und der Berg zerfiel in vierzig Teile. Sei also zufrieden hier mit
Meinem Namen!“ Geschichten über Rabe’a Eines Nachts betete Rabe’a in
ihrer Klause, als sie, von Müdigkeit überkommen, einschlief. Sie schlief so
fest, dass sein nicht bemerkte, dass ein Halm der Matte auf der sie schlief,
abbrach und ihr Auge blutig stieß. Ein Dieb war eingestiegen und hatte ihr
Tuch entwendet. Als er sich davonstehlen wollte, fand er den Eingang für ihn
verschlossen. Er ließ das Tuch fallen und verschwand, nachdem er nun die
Türe wieder offen fand. Er kam zurück und griff wieder nach dem Tuch, worauf
er wiederum nicht aus dem Haus kommen konnte. So ließ er das Tuch erneut
fallen. Dies wiederholte sich siebenmal, als er eine Stimme aus einer Ecke
der Klause vernahm. „Mann, tu dir doch solchen Schmerz nicht an. Es sind nun
viele Jahre, dass sie sich Uns anvertraut hat. Nicht einmal der Teufel wagt
es, sich um sie herum zu treiben. Wie könnte ein Dieb es wagen, um ihr Tuch
zu schleichen? Verschwinde Schuft, wenn ein Freund schläft, so ist der andere
Freund wach und hält Wache.“ Zwei angesehene unter den Gläubigen kamen Rabe’a besuchen und beide hatten Hunger. „Vielleicht gibt sie uns etwas zu essen“, sagten sie
zueinander, „gewiss stammt ihr Essen aus einwandfreier Quelle.“ Als sie saßen, wurde ein Tuch mit zwei Laib Brot vor sie
gesetzt. Da waren sie hochzufrieden, als just ein Bettler an der Tür erschien
und Rabe’a gab ihm die beiden Brote. Die zwei
religiösen Herrschaften waren verärgert, sagten aber kein Wort. Nach einer
Weile trat ein Dienstmädchen mit einigen frischen, warmen Broten ein. „Meine Herrin schickt dies“, erklärte sie. Rabe’a zählte die Brote. Es waren achtzehn Stück. “Vielleicht war es nicht das, was sie schickte”, bemerkte
Rabe’a. Soviel das Dienstmädchen auch darauf
bestand, es half ihr nichts. So nahm sie das Brot und trug sie davon. Nun war
es aber so, dass sie zwei davon für sich genommen hatte. Sie gestand dies
ihrer Herrin, welche die beiden Brote ergänzte und sie wieder zurück
schickte. Rabe’a zählte wieder und dieses Mal waren
es zwanzig Stück. Nun nahm sie die Brote an. „Das ist es, was mir deine Herrin wirklich geschickt
hat“, sagte sie. Sie brachte die Brote den beiden Herren, welche staunend
davon aßen.“ „Was ist das Geheimnis hinter dieser Sache?“ fragten sie. „Wir hatten Appetit auf deine Brote, doch die hast du uns
weggenommen und einem Bettler gegeben. Dann sagtest du, dass die achtzehn
Brote nicht dir gehörten und als es zwanzig waren, hast du sie angenommen.“ „Ich wusste dass ihr hungrig wart, als ihr gekommen
seid“, antwortete Rabe’a. „So sagte ich mir, wie
kann ich zwei Brote so noblem Besuch auftischen? Als der Bettler kam, gab ich
sie diesem und sagte zum Allmächtigen Gott „O Gott, Du hast versprochen
zehnfach zu belohnen und daran glaubte ich fest. Nun habe ich, um Dir zu
gefallen, zwei Stück gegeben, auf dass Du zwanzig zurück erstatten mögest.“
Und als nun achtzehn zu mir gebracht wurden, wusste ich, dass dabei
irgendetwas nicht stimmte oder diese nicht für mich bestimmt waren.“ Eines Tages wollte das Dienstmädchen Rabe’as
ein Zwiebelgericht zubereiten, denn es war schon einige Tage her, dass sie
zuletzt gekocht hatten. Da sie zuwenig Zwiebel hatten,
sagte sie. „Ich werde beim Nachbarn um welche bitten”. „Vierzig Jahre habe ich nun ein Abkommen mit dem
Allmächtigen Gott von niemandem auch nur etwas zu erbitten außer von Ihm,
vergiss die Zwiebel“, antwortete Rabe’a. Sofort kam ein Vogel geflogen, der einige geschälte
Zwiebel im Schnabel trug und sie in den Topf fallen ließ. „Ich bin mir nicht sicher, ob dies nicht ein Trick ist“,
meinte Rabe’a und sie ließ den Eintopf und aß nur
Brot. Eines Tages war Rabe’a in die
Berge aufgebrochen. Bald war sie umgeben von Bergziegen und Hirschen,
Steinböcken und wilden Eseln, die sich ihr näherten. Da kam Hasan von Basra
der Rabe’a erblickte und darauf seine Schritte zu
ihr hin lenkte. Als die Tiere Hasan bemerkten, stoben sie in alle Richtungen
davon und Rabe’a blieb allein zurück. Die stürzte
Hasan in Betroffenheit. „Warum sind sie von mir fortgelaufen“, fragte Hasan, „und
bei dir waren sie so zutraulich?“ „Was hast du heute gegessen?“ fragte Rabe’a
den Hasan. „Ein wenig Zwiebeleintopf!“ „Du hast ihr Fett gegessen“, merkte Rabe’a
an, „sollten sie da nicht vor dir davon laufen?“ Ein anderes Mal ging Rabe’a bei
Hasans Haus vorbei. Hasan hatte seinen Kopf aus dem Fenster gesteckt und
vergoss bittere Tränen, welche Rabe’as Kleid
benetzten. Sie blickte auf, in der Meinung es wäre Regen; doch als sie Hasan
weinen bemerkte sagte sie zu ihm. „Meister, dieses Weinen ist ein Zeichen spiritueller
Schwäche. Achte auf deine Tränen und lass sie in deinem Inneren zu solch
einem Meer anschwellen, dass dein Herz darin versinkt und du es nicht mehr
finden magst, außer durch das Bewahren eines Allmächtigen Königs.“ Diese Worte schockierten Hasan, doch bewahrte er seine
Fassung. Einige Zeit später sah er Rabe’a in der
Nähe eines Sees. Er rollte seinen Gebetsteppich auf dem Wasser aus und rief. „Rabe’a komm her und lass uns
zwei Ra’kas beten!“ „Hasan“, gab Rabe’a zurück,
„wenn du spirituellen Kostbarkeiten auf diesem weltlichen Markt feilhältst,
dann sollten diese von solcher Art sein, die deine Mitmenschen nicht
besitzen.“ Mit diesen Worten warf sie ihren Gebetsteppich in die
Luft und schwang sich darauf. „Hasan“, rief sie, „komm her, wo uns die Leute sehen
können!” Hasan, der diese Fähigkeit noch nicht erworben hatte,
blieb still und Rabe’a versucht ihn zu trösten. „Hasan,“ sagte sie, „was du
getan hast, machen Fische auch und was ich getan habe, können Fliegen auch
tun. Das wirkliche Vermögen liegt außerhalb dieser beiden Tricks. Und diesem
Geschäft muss man sich völlig hingeben.“ Eines Nachts besuchte Hasan mit zwei oder drei Freunden Rabe’a. In Rabe’as Haus gab es
keine Laterne. Rabe’a blies ihre Fingerkuppen an
und in dieser Nacht leuchteten ihre Finger wie Laternen bis zum Morgenlicht.
Wenn jemand fragt, wie so etwas möglich ist, so antworte ich: „So wie mit der
Hand von Moses.“ Und wenn eingewendete wird, dass Moses ein Prophet war, so
sage ich: „Wer immer den Fußstapfen eines Propheten folgt, kann ein wenig von
deren Gesandtschaft sein eigen nennen, denn der Prophet sagt: „Wer auch nur
ein Gramm des Ungesetzlichen zurückweist, hat einen Grad der Prophetenschaft
erworben“. Er hat auch gesagt: „Ein wahrer Traum ist ein vierzigstel der
Prophetenschaft.““ Eines Tages sandte Rabe’a dem
Hasan drei Dinge – ein Stück Wachs, eine Nadel und ein Haar. „Sei wie Wachs“, sagte sie. „Erleuchte die Welt und
brenne selbst. Sei wie eine Nadel und arbeite ständig völlig nackt. Wenn du
diese beiden Dinge tust, sind tausend Jahre für dich wie ein Haar.“ „Willst du für uns beide dass wir heiraten?“ fragte Hasan
Rabe’a. „Das Band der Hochzeit gehört für jene, die
ein Sein besitzen“, antwortete sie. „In diesem Fall ist alles Sein
verschwunden, denn mein Selbst ist zu nichts geworden und ich existiere nur
durch Ihn. Ich gehöre ganz Ihm und ich lebe im Abglanz seiner Herrschaft. Du
musst um meine Hand von Ihm bitten, nicht von mir.“ „Wie hast du dieses Geheimnis denn entdeckt?“ fragte
Hasan. „Ich habe alles „Entdeckte“ in Ihm verloren,“ antwortete Rabe’a. “Wie kennst du Ihn?” fragte Hasan weiter. „Du kennst das WIE und ich kenne das „WIE-LOSE““, sagte Rabe’a. Einmal sah Rabe’a einen Mann
mit einem Verband um seinen Kopf. „Warum hast du diesen Verband umgebunden?“ fragte sie. „Weil mich mein Kopf schmerzt“, gab der zurück. „Wie alt bist du?“ wollte Rabe’a
wissen. „Dreißig“, antwortete er. „Hast du den größeren Teil deines Lebens in Schmerz und
Qual verbracht?“ fragte sie. „Nein“, antwortete der Mann. „Dreißig Jahre lang hast du dich guter Gesundheit
erfreut“, merkte sie an“, und niemals in dieser Zeit hast du dir den Verband
der Dankbarkeit umgebunden. Und wegen dieser einen Nacht, in der du Kopfweh
hast, bindest du dir den Verband des Klagens um?“ Ein anderes Mal
gab Rabe’a einem Mann vier Silber Dinar. „Kauf mir eine Decke“, sagte sie, „denn ich bin nackt.“ Der Mann ging, kam jedoch gleich wieder zurück. „Herrin“, fragte er, „welche Farbe soll ich nehmen?“ „Was hat Farbe mit der Sache zu tun?“ wollte Rabe’a wissen, „gib mir mein Geld zurück.“ Und sie nahm
das Geld und warf es in den Tigris. An einem schönen Frühlingstag steckte Rabe’a
einmal ihren Kopf aus ihrem Zimmer. „Herrin“, sagte ihre Magd, „komm heraus und sieh, was der
Macher (Gott) gefertigt hat.“ „Besser du kommst herein“, erwiderte Rabe’a,
„und siehst den Macher. Die Betrachtung des Machers beansprucht mich
gänzlich, sodass ich das, was er gemacht hat gar nicht beachte.“ Einige Leute kamen sie besuchen und sahen, wie sie ein
Stückchen Fleisch mit den Zähnen zerteilte. „Hast du kein Messer das Fleisch zu zerschneiden?“
fragten sie. „Ich hatte nie ein Messer im Haus, aus Angst
abgeschnitten zu werden“, antwortete sie. Einmal fastete Rabe’a eine
ganze Woche lang, ohne zu essen oder zu schlafen. Die ganze Nacht verbrachte
sie im Gebet und ihr Hunger überschritt alle Grenzen. Ein Besucher kam und
brachte eine Schüssel mit Essen. Rabe’a nahm sie an
und ging eine Lampe holen. Als sie zurück kam sah sie, dass die Katze die
Schüssel umgeworfen hatte. „Ich werde einen Krug holen und mein Fasten brechen“,
sagte sie. Als sie mit dem Krug kam musste sie bemerken, dass die
Lampe verlöscht war. So versuchte sie im Dunkel aus dem Krug zu trinken, der
ihr aber aus der Hand glitt und am Boden zerbrach. Sie brach so sehr in
Klagen und Seufzen aus, dass man fürchten musste, das ganze Haus würde in Flammen
vergehen. „O Gott“, rief sie, „was treibst Du mit Deinem hilflosen
Diener?“ „Pass auf“, vernahm sie eine Stimme, „wenn du willst,
dass ich allen weltlichen Segen über dir ausgieße, so entferne alle deine
Sorgen um Mich aus deinem Herzen. Denn die Sorge um Mich und weltlicher
Segen kann in einem Herzen nicht zusammen sein. Rabe’a
du begehrst eine Sache und Ich begehre eine andere. Mein Begehr und dein
Begehr kann ein einzelnes Herz nicht fassen.“ „Als ich diese Zurechtweisung vernahm“, erzählte Rabe’a, „schnitt ich mein Herz ab von der Welt und
beschnitt meine Wünsche, dass wann immer ich in den letzten dreißig Jahren
gebetet habe, ich davon ausging, es wäre mein letztes Gebet.“ Eine Gruppe von Männern besuchte sie einmal um sie zu
testen und sie bei einer unbedachten Äußerung zu ertappen. „Alle Tugenden wurden auf die Köpfe der Männer verteilt“,
sagten sie. „Die Krone des Prophetentums wurde auf
ihre Köpfe gesetzt, mit dem Band des Adels wurden ihre Hüften gegürtet. Keine
Frau war jemals eine Prophet.“ „Das ist alles richtig“, erwiderte Rabe’a,
„doch Egoismus und die Anbetung des eigenen Ichs und „Ich bin euer Herr, der
Allerhöchste“ drang niemals aus einer Frauen Brust. Keine Frau war jemals ein
Hermaphrodite. Das alles sind die Eigenheiten der
Männer.” Einmal war Rabe’a sehr krank
geworden. Sie wurde gefragt, was wohl der Grund dafür wäre. „Ich erhaschte einen Blick auf das Paradies“, sagte sie,
„und mein Herr wies mich zurecht.“ Hasan von Basra ging sie besuchen und er berichtete. „Ich sah einen der noblen Herrn aus Basra in Tränen vor Rabe’as Tür stehen und ihr eine Börse voll Gold anbieten.
Ich fragte ihn: „Herr warum weinst du?“ „Wegen dieser geheiligten Frau
unserer Zeit“, antwortete er. „Wenn der Segen ihrer Anwesenheit die
Menschheit verlässt, so werden die Menschen gewiss untergehen. Ich habe ihr
etwas gebracht um ihre Pflege zu gewährleisten und ich fürchte sie wird es
nicht annehmen. Willst du sie zur Annahme bewegen?“ Hasan trat ein und sprach mit ihr. Rabe’a
blickte zu ihm auf und sagte, „Er kümmert sich um jene, die Ihn beleidige, sollte Er
sich um jene kümmern, die Ihn lieben? Seit ich Ihn kenne, habe ich Seinen
Geschöpfen den Rücken gewandt. Ich weiß nicht ob das Vermögen irgendeines
Mannes mir erlaubt ist; wie kann ich es dann annehmen? Bei dem Licht der
Lampe der Welt habe ich ein Hemd genäht, welches ich nun zerrissen habe. Für
kurze Zeit war mein Herz besorgt, bis ich erinnerte…… Abd al Wahid-e Amir erzählt folgendes. Mit Sufiyan-e Thauri ging ich Rabe’a
besuchen, als sie krank war, doch aus lauter Ehrfurcht vor ihr konnte ich sie
nicht ansprechen. „Sag du etwas“, sagte ich zu Sufiyan. „Wenn du ein Gebet sprichst“, sagte Sufiyan
zu Rabe’a, „dann wird dein Leiden gelindert.“ „Weißt du nicht Wessen Wunsch es ist, dass ich leide?“
wollte Rabe’a wissen, „ist es nicht Gott?“ „Ja“, stimmte Sufiyan zu. „Wie kommt es, dass du das weißt“, wollte Rabe’a wissen, “und trotzdem willst, dass ich das
Gegenteil von dem wünsche, was Er will? Es ist nicht richtig, dem Freund zu
widersprechen.“ „Brauchst du irgendetwas, Rabe’a“,
wollte Sufiyan wissen. „Sufiyan, du bist ein gelehrter
Mann. Warum redest du so? „Brauchst du irgendetwas.“ Bei der Ehre Gottes,“
warf Rabe’a ein, „zwölf Jahre sehne ich mich nach
frischen Datteln und du weißt, dass in Basra frische Datteln nicht schwer zu
kriegen sind und doch habe ich bislang keine gegessen; denn ich bin Sein
Diener und was hat ein Diener zu verlangen? Wünschte ich und mein Herr
wünscht nicht, wäre dies Untreue. Du musst nur wünschen was Er wünscht, um
ein wahrhaftiger Diener Gottes zu sein. Wenn Gott von Sich aus gibt, ist dies
eine andere Sache.“ Sufiyan schwieg betreten. Nach einer Weile sagte er, „Da man also nicht über deine Situation sprechen kann,
sag etwas über die meine.“ „Du bist ein guter Mann, doch wirklich liebst du diese
Welt“, erwiderte Rabe’a. „Du liebst es die
Überlieferungen zu zitieren.“ Dies erwähnte sie implizierend, dass dies eine
hohe Sache wäre. „Herr, Gott“, schrie Sufiyan
tief bewegt, „Sei zufrieden mit mir!“ „Schämst du dich nicht“, unterbrach Rabe’a,
„die Zufriedenheit von Einem zu verlangen, mit dem du selbst nicht zufrieden
bist?“ Malek-e Dinar erzählt folgendes. Ich ging Rabe’a besuchen und
sah bei ihr einen gebrochenen Krug aus dem sie trank und mit dem sie die
rituellen Waschungen vollzog, eine alte Schilf Matte und einen Ziegel, den
sie gelegentlich als Polster benutzte. Ich war bestürzt. „Ich habe reiche Freunde“, sagte ich ihr, „wenn du
willst, lasse ich dir von ihnen einiges bringen.“ „Malik, du hast einen groben Fehler gemacht“, war ihre
Antwort, „ist ihr und mein Versorger nicht ein und der selbe?“ „Ja“, antwortete ich. „Und vergisst dieser Versorger die Armen weil sie arm
sind? Oder gedenkt dieser Versorger der Reichen aufgrund ihres Reichtums?“ „Nein“, erwiderte ich. „Dann“, fuhr sie fort, „kennt er doch meine Lage, warum
sollte ich Ihn dann daran erinnern? So ist Sein Wille, und auch ich will, was
Er will.“ Eines Tages gingen Hasan von Basra, Malek-e Dinar und Shaqiq Balkhi Rabe’a an ihrem Krankenbett besuchen. „Der ist nicht wahrhaftig in seinem Anspruch“, begann
Hasan, „der nicht tapfer die Peitsche seines Herrn erträgt.“ „Diese Worte stinken vor Egoismus“, kommentierte Rabe’a. „Der ist nicht wahrhaftig in seinem Anspruch“, versuchte
es Shaqia, „der nicht dankbar für den Hieb seines
Herrn ist.“ „Wir brauchen etwas besseres als das“, bemerkte Rabe’a. „Der ist nicht wahrhaftig in seinem Anspruch“, bot
Malek-e Dinar an, „der sich nicht über den Hieb seines Herrn freut.“ „Wir brauchen etwas besseres als das“, wiederholte Rabe’a. „Dann sag du“, drängten sie. „Der ist nicht wahrhaftig in seinem Anspruch“,
formulierte Rabe’a, „der beim Hieb seines Herrn
nicht Seiner zu gedenken vergisst.“ Ein führender Gelehrter Basras
besuchte Rabe’a an ihrem Krankenbett.
Er saß neben ihrem Kopfkissen und schimpfte auf die Welt. „Du liebst die Welt ziemlich viel“, bemerkte Rabe’a. „Liebtest du sie nicht, würdest du nicht so viel
Aufsehens wegen ihr machen. Es ist immer der Käufer, der die Ware herabsetzt.
Wenn du über die Welt hinweg wärst,
würdest du sie weder im Guten noch im Schlechten erwähnen. Doch so wie es
ist, erwähnst du sie deswegen so häufig, wie das Sprichwort sagt, „wer ein
Ding liebt, erwähnt es oft“. Als die Zeit kam, dass Rabe’a
sterben sollte, verließen die, welche an ihrem Sterbett
standen den Raum und schlossen die Tür. Da wurde eine Stimme vernehmlich. „O
du befriedete Seele, kehre zufrieden zu deinem Herrn zurück“. Einige Zeit
verging und kein Laut war mehr aus dem Raum zu vernehmen, so öffneten sie die
Tür, schauten hinein und bemerkten, dass Rabe’a
ihren Geist aufgegeben hatte. Danach schauten sie einige im Traum und sie
wurde gefragt. „Wie kamst du mit Munkar und Nakir zurecht?“ Sie antwortete. „Diese Jugendlichen kamen zu mir und fragten: „Wer ist
dein Herr?“ Ich antwortete ihnen. „Geht zu Gott zurück und sagt Ihm: „Unter
so vielen tausenden und abertausenden Geschöpfen hast du eine so alte
schwache Frau nicht vergessen. Ich, der ich nur Dich in der ganzen weiten
Welt habe, werde Dich nie vergessen, Dir nie vergessen, dass Du mir jemanden
schicktest, der mich fragte: „Wer ist dein Gott?““ Gebete der Rabe’a O Gott, was immer du für mich an weltlichen Gütern für
mich vorgesehen hast, gib dies Deinen Feinden; und was immer Du für mich in
der nächsten Welt vorgesehen willst, gib es Deinen Freunden, denn Du bist mir
genug. O Gott, wenn ich Dich anbete aus Angst vor der Hölle, so
verbrenne mich in ihr; und wenn ich Dich anbete aus Hoffnung auf das
Paradies, so verwehre mir dies; doch wenn ich Dich wegen Deiner Selbst anbete,
so versage mir nicht Deine ewige Schönheit. O Gott, meine ganze Beschäftigung, all mein Sehnen in
dieser Welt der weltlichen Dinge, ist Deiner zu gedenken; und in der nächsten
Welt und unter allen Dingen der nächsten Welt, ist es, Dir zu begegnen. Das
ist es, von meiner Seite – nun verfahre wie auch immer Du es wünscht. Abu ‘Ali al-Fuzail ibn ‘Iyaz al-Talaqani war in Khorasan
geboren worden und hatte sich einen Namen als Wegelagerer gemacht. Nach
seiner Bekehrung ging er zuerst nach Kufa und dann nach Mekka, wo er viele
Jahre, bis zu seinem Tode 187 (803) auch blieb. Er brachte es zu beachtlichem
Ansehen als Überlieferer und die Kühnheit seiner Predigten vor Harun al
Raschid war weithin bekannt. Fuzail der Wegelagerer und seine Bekehrung Zu Beginn seiner Laufbahn schlug Fuzail
seine Zelte im Herzen der Wüste zwischen Merv und Bavard auf. Er trug Sackleinen, eine wollene Mütze und
eine Gebetskette um den Hals. Er hatte eine Menge Kumpane, alles Diebe und
Räuber. Tag und Nacht waren sie plündernd auf Raubzug unterwegs und brachten
die Beute dem Fuzail, denn er war der Älteste und
ihr Anführer. Er verteilte sie dann unter den Banditen und behielt für sich
was ihm gefiel. Er führte genau Buch und blieb keiner Versammlung fern. Jedes
Mitglied welches einer Versammlung fernblieb schloss er aus der Bande aus. Eines Tages lauerten sie einer großen Karawane auf. Einer
der Reisenden hatte bereits Gerüchte über diese Wegelagerer gehört und als
sie in Sicht waren, überlegte er, wie er seinen Beutel voll Gold verstecken
könnte. Er verließ also die Route und stieß auf Fuzail,
der vor seinem Zelt saß, ein Asket dem Aussehen und seiner Kleider nach. So
vertraute er ihm seinen Goldbeutel an. „Verstau’ ihn hinten im Zelt“, wies Fuzail
ihn an. Der Mann tat wie ihm geheißen und kehrte zum Rastplatz
der Karawane zurück und stellte fest, dass sie bereits ausgeraubt worden war.
Alle die Lasten waren weggebracht und die Reisenden an Hand und Fuß
gefesselt. Der Mann band sie wieder los und sie sammelten die kläglichen
Überreste ein und machten sich fort. Der Mann kehrte zu Fuzail
zurück um seinen Goldbeutel abzuholen. Er sah ihn mitten unter den Gaunern
hocken und die Beute aufteilen. „Oje, ich habe mein Gold einem Räuber gegeben“, klagte
der Mann. Fuzail der ihn in der Ferne entdeckt
hatte, grüßte den Mann der näher gekommen war. „Was willst du?“ fragte der. „Hol dir dein Gold von wo du es hingetan hast“, forderte
ihn Fuzail auf „und dann verschwinde.“ Der Mann lief in das Zelt, nahm seinen Beutel und rannte
davon. „Warum“, schrieen Fuzails Kumpane, „in der ganzen Karawane fanden wir
keinen einzigen Dirham Bargeld und diese zehntausend Dirham gibst du jetzt
zurück!?“ „Der Mann hatte eine gute Meinung von mir und ich habe
immer eine gute Meinung von Gott, sodass er mir Vergebung gewähre“, erwiderte
Fuzail. „Ich habe des Mannes Meinung
gerechtfertigt, sodass Gott die meine rechtfertigen möge.“ Am nächsten Tag hatten sie eine andere Karawane überfallen
und trugen die Beute davon. Als sie zum Essen saßen, kam einer der Reisenden
zu ihnen. „Wer ist euer Anführer?“ fragte er. „Er ist nicht hier“, antworteten die Räuber, „er ist dort
hinter den Bäumen, am Ufer und betet.“ „Es ist aber nicht Zeit für das Gebet“, rief der Mann. „Er erbringt eine Mehrleistung“, erklärten die Räuber. „Und er isst nicht mit euch?“, bemerkte der Mann weiter. „Nein, er fastet“, sagten sie. „Aber es ist nicht Ramadhan“,
wunderte sich der Mann. „Wieder eine Mehrleistung“, sagten die Diebe. Sehr verwundert näherte sich der Mann Fuzail,
der in großer Demut betete. Er wartete bis Fuzail
fertig war und sagte dann. „Gegensätze stoßen einander ab“, sagt man, „wie kann
einer fasten und rauben, beten und gleichzeitig Muslime ermorden?“ „Kennst du den Qur’an?“, fragte Fuzail. „Ja“, antwortete der Mann. „Also, sagt der Allmächtige Gott nicht: Und es gibt andere, die ihre Schuld
bekennen. Sie vermischten eine gute Tat mit einer anderen, schlechten?“
(9:102) Der Mann war sprachlos vor Erstaunen. Es wird berichtet, dass Fuzail
von Natur aus ein Kavalier und feinsinnig war und er keiner Frau, die mit einer
Karawane reiste die er überfiel, ihr Eigentum nahm und auch plünderte er
keinen, der nur sehr wenig Kapital besaß. Er ließ jedem Opfer einen Teil
seiner Habe. Er war stets der guten Tat zugeneigt. Als er seine Raubzüge
begann, war er leidenschaftlich in eine bestimmte Frau verliebt, der er immer
seinen Anteil an der Beute überbrachte. Tagaus, tagein ging er in seiner
Affenliebe zu dieser Frau buchstäblich schluchzend die Wände hoch. Eines
Nachts zog eine Karawane vorbei, in deren Mitte ein Mann laut den Qur’an
rezitierte. Der folgende Vers drang an Fuzails Ohr:
„Ist nicht für die Gläubigen die Zeit
gekommen, ihre Herzen zu demütigen vor der Ermahnung Allahs und vor der
Wahrheit, die herabkam …?“ (57:16) Gleich einem Pfeil bohrte sich dieser
Vers in Fuzails Seele, forderte ihn gleichsam
heraus: „O Fuzail, wie lange noch willst du noch
Reisenden auflauern? Die Zeit ist gekommen, dass Wir dir auflauern!“ Fuzail fiel von der Mauer und rief, „Wahrlich, es ist höchste Zeit,
nein, es ist mehr als das!“ Völlig außer sich, verstört und beschämt versteckte er
sich in einer Ruine, wo auch einige der Reisenden ihr Lager aufgeschlagen
hatten. Sie sagten zu sich, „Lasst uns aufbrechen!“ Einer von ihnen gab zu
bedenken, „Wir können nicht gehen, Fuzail liegt auf
der Lauer.“ „Gute Nachrichten“, rief Fuzail,
„er hat sich bekehrt.“ Mit diesen Worten verließ er den Ort und war den ganzen Tag weinend
unterwegs, seine Gegner zu entschädigen, bis nur mehr ein Jude in Bavard übrig geblieben war. Er suchte auch seine
Vergebung, doch der Jude war mit keiner Genugtuung einverstanden. „Heute können wir es diesen Mohammedanern zeigen“,
stachelte er seine Genossen auf. „Wenn du willst, dass ich deine Genugtuung annehme“,
sagte er zu Fuzail, „dann schaffe diesen Haufen zur
Seite.“ Er zeigte dabei auf einen Haufen Sand, den fort zu
schaffen die Kräfte eines Mannes einfach überstieg, außer man arbeitete
längere Zeit daran. Der unglückselige Fuzail
schaufelte den Berg also Stück für Stück beiseite, doch wie lange sollte er
dafür brauchen? Eines Morgens, Fuzail war schon
völlig erschöpft, kam ein Wind auf, der den Rest vollständig davon blies.
Als der Jude dies sah, war er ziemlich verblüfft. „Ich habe geschworen“, sagte er zu Fuzail,
„dass ich deine Wiedergutmachung nicht annehmen werde, bis ich Geld von dir
bekomme. Nun befindet sich unter diese Matte etwas Gold, hole eine handvoll davon hervor und gib es
mir. Damit ist mein Schwur erfüllt und ich werde deine Genugtuung
akzeptieren.“ Fuzail betrat also das Haus des Juden. Jetzt hatte dieser aber eine handvoll Erde unter die Matte gelegt. Fuzail
griff unter den Teppich und brachte jedoch eine handvoll
Dinare hervor, die er dem Juden übergab. „Lade mich ein zum Islam“, rief dieser. Fuzail lud ihn zum Islam ein, und der Jude wurde Muslim. „Weißt du, warum ich Muslim geworden bin?“ fragte er Fuzail und fuhr fort. „Bis heute war ich nicht sicher,
welches die wahre Religion ist. Doch heute wurde mir klar, dass der Islam die
wahrhaftige Religion ist; denn ich habe in der Torah
gelesen, dass wenn ein Mensch aufrichtig bereut und dieser dann seine Hand
auf Erde legt, diese zu Gold wird. Und ich hatte Erde unter die Matte gelegt,
um dich zu prüfen. Als du nun in die Erde fasstest und Gold aus ihr wurde,
wusste ich, dass deine Reue echt und deine Religion wahr ist.“ „Um Gottes Willen“, bat Fuzail
den Mann, „binde mich an Händen und Füssen und bringe mich vor den Sultan,
damit er mich für meine vielen Schandtaten bestrafe.“ Der Mann tat wie ihm geheißen. Als der Sultan Fuzail in Augenschein nahm, entdeckte er an ihm die
Zeichen der Aufrichtigkeit und sagte. „Ich kann dich nicht verurteilen“, und sandte ihn in
Ehren in seine Unterkunft zurück. Als er dort ankam, brach ein lauter Schrei
aus Fuzails Brust. „Hört ihn schreien“, riefen die Leute. „Sicherlich wurde er nun gezüchtigt.“ „Wahrhaftig wurde ich schwer gezüchtigt“, meinte Fuzail. „Wo?“ fragten die Leute. „In meiner Seele“, erklärte er. Dann begab er sich zu seiner Frau. „Frau“, kündigte er ihr an, „ich will mich zum Hause
Gottes begeben, wenn du es wünscht, gebe ich dich frei.“ „Niemals werde ich dich verlassen“, erwiderte seine Frau.
„Wo immer du dich befindest, will auch ich sein.“ So brachen sie gemeinsam auf und erreichten noch zur
rechten Zeit Mekka, denn der
Allmächtige Gott hatte ihnen die Reise leicht gemacht. Dort kamen sie in der
Nähe der Kaaba unter und traf einige der Heiligen. Er wurde für einige Zeit
der Gefährte von Imam Abu Hanifa und viele Geschichten werden über seine
außergewöhnliche Disziplin erzählt. In Mekka wurde ihm das Tor der
Beredsamkeit eröffnet und die Leute drängten sich, seine Predigten zu hören.
Bald sprach alle Welt von ihm, sodass seine Familie und Angehörigen von Bavard aufbrachen, um nach ihm
zu sehen. Sie klopften an seine Tür, doch er öffnete ihnen nicht. Auch sie
gingen nicht von der Tür fort. Darauf stieg Fuzail
auf das Dach seines Hauses. „Was seid ihr nur für Faulenzer“, rief er ihnen zu. „Gott
hat euch eine Aufgabe und Arbeit gegeben!“ Dergleichen sprach er vieles zu ihnen, bis sie alle
weinten und ganz außer sich waren. Letztlich konnten sie seine Gegenwart
nicht mehr ertragen und verließen ihn. Er blieb dennoch auf dem Dach und ließ
die Tür verschlossen. Fuzail and Harun al-Rashid Eines Nachts rief Harun al-Rashid den Barmakiden
Fazl, seinen
vertrauten Wesir zu sich und bat ihn. „Bring mich heute Nacht zu jemandem, der mir mein Selbst
eröffnet. Mein Herz ist müde diesem ganzen Pomp und dieser Pracht gegenüber.“ Fazl brache den Harun an die Tür des Sufiyan-e Oyaina. „Wer ist da?“ fragte der. „Der Befehlshaber der Gläubigen“, gab Fazl
zur Antwort. „Warum stürzt dieser sich in solche Umstände?“ sagte Sufiyan. „Wenn ich verständigt worden wäre, wäre ich zu
ihm gekommen.“ „Das ist nicht der, den ich suche“, bemerkte Harun. „Er
schmeichelt mir wie alle anderen auch.“ Als Sufiyan über den
Sachverhalt aufgeklärt worden war, sagte Sufiyan, „Al-Fuzail ibn
Iyaz ist der Mann, den du suchst. Du musst zu ihm
gehen.“ Und er rezitierte folgenden Vers: „Oder
glauben jene, die Schlechtes erwirken, dass Wir sie jenen gleichstellen, die
gute Werke tun?“ „Es ist genug getan, wenn ich guten Rat suche“, meinte
Harun. Sie gingen an Fuzails Tür und
klopften an. “Wer ist da?” fragte der. “Der Befehlshaber der Gläubigen”, antwortete Fazl. “Was hat er mit mir zu schaffen und was habe ich mit ihm
zu tun?” wollte Fuzail wissen. „Ist es nicht verpflichtend, seiner Befehlsgewalt zu
gehorchen?” erwiderte Fazl. „Stört mich nicht“, rief Fuzail. “Soll ich mit einer Erlaubnis oder auf mit Befehlsgewalt
eintreten?” verlangte Fazl zu wissen. „Es gibt da nicht so etwas wie Befehlsgewalt“, antwortete
Fuzail „Wenn ihr mit Gewalt eintretet, müsst ihr selber wissen,
was ihr tut.“ Darauf trat Harun ein. Als sie an Fuzail
herantraten, blies dieser das Licht aus, damit sie sein Gesicht nicht
erkennen konnte. Harun streckte seine Hand aus und traf auf die Fuzails. „Wie sanft und weich diese Handfläche ist, wenn sie nur
dem Höllenfeuer entkommen könnte!“ merkte Fuzail
an. Nach diesen Worten stand er auf und begab sich ins Gebet.
Harun war sehr berührt und Tränen stiegen aus seiner Brust. „Sag etwas zu mir“, bettelte er. Fuzail
grüßte ihn und sagte dann. „Dein Vorfahr, der Onkel des Propheten, verlangte einmal
von ihm, ihn zum Befehlshaber über einige Leute zu ernennen. Der Prophet gab
ihm zur Antwort. „Onkel, für einen Moment habe ich dich zum Befehlshaber über
dich selbst gemacht“. Damit meinte er, wenn dieser nur einen einzigen Moment
Gott gehorchte, wäre dies besser für ihn selbst, als wenn tausend Jahre lang
die Leute ihm gehorchten. Der Prophet fügte hinzu „Befehlsgewalt ist ein
Grund für Bedauern am Jüngsten Tag.““ „Sprich weiter“, bat Harun. „Als Umar ibn Abd al-Aziz zum Kalifen bestimmt wurde“, erzählte Fuzail, „sagte er folgendes zu Salem ibn
Abd Allah, Raja’ ibn HAbu Yazidat, und Mohammad ibn Ka’b. „Was soll ich tun?
Denn ich weiß, dass dieses hohe Amt eine Versuchung ist, auch wenn die
Menschen glauben, es wäre ein Segen.“ Einer der drei antwortete, „Wenn du
morgen der Bestrafung Gottes entkommen willst, so betrachte jeden älteren
Muslim, als wäre er dein Vater, jüngere Muslime erachte als deine Brüder und
die Sprösslinge der Muslime sieh als deine Kinder an und behandle sie
entsprechend.“ „Sprich weiter“, bat Harun erneut. „Die Ländereien der Muslime sind wie dein eigenes Haus
und deren Bewohner deine Familie“, sprach Fuzail.
„Besuche deinen Vater, ehre deinen Bruder und sei gut zu deinem Sohn“. Ich
fürchte, fügte er hinzu, „dein hübsches Gesicht wird ernsthaft Schaden durch
das Feuer der Hölle nehmen. Fürchte Gott und gehorche Seinem Befehl. Sei
achtsam und bedacht, denn am Tage des Gerichts wird dich Gott über jeden einzelnen
Muslim befragen und gemäß deinem Verhalten ihnen gegenüber, wird Er dich
beurteilen. Wenn eine alte Frau des nachts hungrig
zu Bett gehen muss, wird sie dich an jenem Tag am Hemd fassen und gegen dich
aussagen.“ Harun weinte so bitterlich, dass er fast das Bewusstsein
verlor. „Genug! Du hast den Befehlshaber der Gläubigen
erschlagen“, schimpfte Fazl der Wesir. „Sei still, Haman“, schrie Fuzail,
„du und deinesgleichen sind es, die ihn vernichten und du sagst mir, ich
brächte ihn um? Das ist Mord!“ Auf diese Worte hin weinte Harun noch leidenschaftlicher. „Er nennt dich Haman“, klagte er zu Fazl
gewandt, „denn er hat mich mit dem Pharao gleichgesetzt.“ Dann sagte er zu Fuzail, „Bist du irgendwem etwas schuldig?” „Ja“, gab Fuzail zur Antwort.
„Ich bin Gott eine gehorsame Handlung schuldig. Wenn er mich deswegen zur
Rechenschaft zieht, dann wehe mir!“ „Ich spreche von Schulden Menschen gegenüber, Fuzail“, sagte Harun. „Gott sei Dank“, rief Fuzail,
„Der mich so über alle Maßen gesegnet hat, dass ich über Seine Diener nicht
zu klagen habe.“ Daraufhin stellte Harun eine Börse mit tausend Dinar vor
ihn hin. „Dies ist rechtmäßig erworbenes Geld aus meiner Mutter
Vermächtnis“, sagte Harun. „Befehlshaber der Gläubigen“, sagte Fuzail,
„was ich zu dir gesprochen habe, war nicht des Profits wegen. Selbst jetzt
hast du eine Übeltat begangen und Unrecht fortgesetzt. „Welch üble Tat?“ wollte Harun wissen. „Ich rufe dich zum Heil und du setzt mich der Versuchung
aus! Das ist wahrlich eine üble Tat“, erklärte Fuzail.
„Ich sage dir, gib was du besitzt, seinem rechtmäßigen Eigentümer zurück und
du für deinen Teil gibst es jemandem, dem es nicht zukommt? Sinnlos ist es
für mich, wenn ich weiter spreche.“ Mit diesen Worten stand er auf, warf das Gold aus der Tür
und entfernte sich. „O, was ist das nur für ein Mann“, rief Harun, als er Fuzails Haus verließ, „Fuzail
ist in Wahrheit ein König der Menschen. Seine Überheblichkeit ist
außerordentlich und die Welt in seinen Augen verachtenswert.“ Anekdoten über Fuzail Eines Tages hielt Fuzail ein
vierjähriges Kind in seinem Schoß und es geschah, dass er seinen Mund an des
Kindes Wange drückte, wie Väter dies so zu tun pflegen. „Vater, liebst du mich?“ fragte das Kind. „Ich liebe dich“, antwortete Fuzail.
„Liebst du Gott?“ „Ja, ich liebe Gott“. „Wie viele Herzen hast du?“ wollte das Kind wissen. “Eines”, gab Fuzail zurück. “Kannst du zwei mit einem Herz lieben?” verlangte das
Kind zu wissen. Da erkannte Fuzail, dass es
nicht das Kind war, welches da sprach, sondern er eine göttliche Unterweisung
erhielt. Eifersüchtig um Gottes Willen begann er sich den Kopf zu schlagen
und bereute. Sein Herz gegenüber dem Kind verhärtend, übergab er es an Gott. Eines Tages stand Fuzail am
Berg Arafat. All die Pilger dort weinten und schluchzten, demütigten sich und
baten Gott mit leiser Stimme. „Ehre sei Gott“, rief Fuzail,
„wenn so viele Menschen alle auf einmal zu einem Mann gingen und ihn um ein
Silberstück bäten, was meint ihr? Würde der Mann sie alle enttäuschen?“ „Nein“, kam die Antwort. „Gut“, sagte Fuzail,
„sicherlich ist es für den Allmächtigen noch leichter, euch allen zu
verzeihen, als für diesen Mann ist, das Geld zu geben. Denn er ist der
Großzügigste unter den Großzügigen, also besteht große Hoffnung, dass Er
allen vergeben wird.“ Einmal litt Fuzails Sohn an
Harnverhalt. Fuzail kam und erhob seine Hände. „O Herr“, betete er, „erlöse ihn von dieser Krankheit bei
meiner Liebe zu Dir.“ Er hatte sich noch nicht von seinen Knien erhoben, als
der Knabe bereits geheilt war. Oft sagte Fuzail im Gebet:
„Herr Gott, hab Erbarmen! Du kennst meine Reue; so strafe mich nicht, denn du
hast alle Macht über mich.“ Dann sagte er noch, „O Gott, Du hältst mich
hungrig und Du hältst meine Kinder hungrig. Du hältst mich nackt und Du
hältst meine Kinder hungrig und Du gibst mir keine Lampe in der Nacht. All
dies tust Du für Deine Freunde. Durch welchen spirituellen Rang hat Fuzail diese Glückseligkeit von Dir verdient?“ Vierzig Jahre lang hatte niemand Fuzail
jemals lächeln gesehen, außer an dem Tag, an welchem sein Sohn verstarb, da
lächelte er. „Meister, was für eine Gelegenheit ist das, um zu
lächeln?“, wurde er gefragt. „Ich habe erkannt, dass es Gott wohl gefiel, dass mein
Sohn sterbe“, antwortete er, „und ich lächelte um mit dem Wohlgefallen Gottes
überein zustimmen.“ Fuzail hatte zwei Töchter. Als sein Ende nahe war, verlangte er von
seiner Frau die Erfüllung eines letzten Wunsches. „Wenn ich gestorben bin, nimm die beiden Mädchen und
begebt euch zum Berg Qobais. Dort richte dein
Antlitz gen Himmel und sprich: „Herr Gott, Fuzail
hat mich mit seinem letzten Wunsch folgendes zu sagen beauftragt: „Während
ich am Leben war, beschützte ich diese beiden Mädchen so gut ich nur
vermochte. Da Du mich zum Gefangenen in der Enge des Grabes gemacht hast,
gebe ich sie Deiner Obhut zurück.““ Als Fuzail begraben war, tat
seine Frau, worum er sie gebeten hatte. Sie begab sich auf die Spitze des
Berges und übergab Ihm dort ihre Töchter. Dann betete sie unter vielen Tränen
und Klagen. Just in diesem Moment kam der Prinz von Jemen mit seinen beiden
Söhnen dort vorbei. Als er die Frauen derart weinen und klagen sah, wollte er
wissen woher sie kämen und Fuzails Frau erklärte
ihre Situation. „Ich gebe diese beiden Mädchen, diesen, meinen beiden
Söhnen zur Frau“, erklärte er, „und jeder der beiden bekommt eine Brautgabe
von zehntausend Dinar. Bist du damit zufrieden?“ „Ich bin es“, erwiderte die Mutter. Sofort statte der Prinz sie mit Schmuck, Teppichen und Gewändern
von edlem Brokat aus und führte sie heim in den Jemen. Abu Ishaq Ibrahim ibn Adham, aus reinem
arabischem Geblüt, geboren in Balkh, wird in den
Sufi Geschichten als Prinz beschrieben, der auf sein Königreich verzichtete
(so ähnlich wie der Buddha) und westwärts wanderte, um ein Leben in
vollkommener Enthaltsamkeit zu führen und der bis zu seinem Tod im Jahre 165
(782) sein täglich Brot mit ehrlicher, manueller Arbeit in Syrien verdiente.
In einigen historischen Dokumenten wird festgehalten, dass er in einer Seeschlacht
gegen Byzanz getötet wurde. Die Geschichte seines Eintritts in den Islam ist
klassisch für einen muslimischen Lebenslauf. Die Geschichte des Ibrahim ibn Adham Ibrahims Karriere der Heiligkeit begann folgendermaßen.
Er war der König von Balkh und gleichsam eine ganze
Welt stand unter seinem Befehl; vierzig goldene Schwerter und vierzige goldene Harnische wurden vor und hinter ihm
hergetragen. Eines Nachts war er auf seiner königlichen Couch eingeschlafen.
Um Mitternacht begann das Dach über seinem Zimmer so zu zittern, als würde
jemand darüber laufen. „Wer ist da?“ rief er. „Ein Freund“, kam die Antwort, „ich habe ein Kamel
verloren und suche es hier auf dem Dach.“ „Narr, suchst du ein Kamel auf dem Dach?“ rief Ibrahim. „Du Unbedachter, suchst du Gott in silberdurchwirkten
Kleidern, auf einer goldenen Couch?“ Diese Worte erfüllten sein Herz mit Furcht. Ein Feuer
entzündete sich in seinem Inneren und er konnte nicht mehr einschlafen. Bei
Tagesanbruch kehrte er zu seinen Geschäften zurück und setzte sich auf seinen
Thron, gedankenvoll, verwirrt und achtsam. Die Minister standen auf ihren
Plätzen, die Sklaven penibel aufgereiht; eine Generalaudienz
war ausgerufen worden. Da erschien ein Mann mit fürchterlichem Aussehen im
Audienzsaal, so furchterregend sah er aus, dass sich keiner der königlichen
Beamten und Diener ihn nach seinem Namen zu fragen getraute. Allen blieb ihre
Zunge am Gaumen kleben. Langsam, in gemessenem Schritt näherte er sich dem
Thron, bis er vor ihm stand. „Was wünscht du?“ wollte Ibrahim wissen. „Ich habe ein Auge auf diese Karawanserei geworfen“,
sagte der Mann. „Dies ist keine Karawanserei, dies ist mein Palast. Du
bist wohl verrückt“, schrie Ibrahim. „Wem gehörte dieser Palast vor dir?“ fragte der Mann. „Meinem Vater“, antwortete Ibrahim. „Und vor ihm?“ „Meinem Großvater.“ „Und vor ihm?“ „Dem so-und-so.“ „Und wem davor?“ „Dem Vater des so-und-so.“ „Wo sind die alle hin verschwunden?“ fragte der Mann. „Fort sind sie, sie sind gestorben“, antwortete Ibrahim. „So ist das dann hier keine Krawanserei,
wo der eine kommt und der andere geht?“ Mit diesen Worten verschwand der Mann. Es war Kidhr gewesen, der Friede sein mit ihm. Das innere Feuer,
welches nun in ihm entzündet war, brannte immer heftiger in seiner Seele und
seine innerliche Qual steigerte sich ins Unermessliche. Visionen untertags
folgten Stimmen, die er des Nachts vernahm, gleichermaßen geheimnisvoll wie
unfassbar. „Sattelt mein Pferd“, rief Ibrahim letztendlich. “Ich
will mich auf die Jagd begeben. Ich weiß nicht, wie mir heute geschieht.
Herr, Gott, wie soll dies alles noch enden?“ Sein Pferd war gesattelt und er begab sich auf die Jagd.
Kopflos, völlig außer sich, galoppierte er in die Wüste. In seiner Verwirrung
wurde er von der Jagdgesellschaft getrennt
und da hörte er auf einmal eine Stimme. „Wach auf!“ Er gab vor, nichts gehört zu haben und ritt weiter. Ein
zweites Mal ertönte die Stimme, doch er beachtete sie nicht. Ein drittes Mal
ertönte die Stimme, und wieder verschloss er sich ihr. Da ertönte die Stimme
ein viertes Mal. „Wach auf, bevor du hinweggefegt wirst!” Nun verlor er völlig die Kontrolle über sich. Da sprang
ein Wild vor ihm auf und Ibrahim machte sich zum Schuss bereit. Da richtete
das Tier das Wort an ihn. „Ich wurde geschickt, um dich zu jagen. Du kannst mich
nicht treffen. Wurdest du dafür erschaffen oder folgst du einem Befehl?“ „O, was geschieht mir nun wieder“, rief Ibrahim. Und er wandte sich von der Antilope ab. Daraufhin hörte
er die gleichen Worte aus seinem Sattelknauf kommen. Angst und Furcht
ergriffen ihn. Die Offenbarung wurde noch klarer, denn der Allmächtige Gott
wollte sie zum Abschluss bringen. Ein drittes Mal hörte er die Stimme aus dem
Kragen seines Umhangs kommen. Nun war die Offenbarung zu ihm durchgedrungen
und die Himmel öffneten sich ihm. Gesicherter Glaube war ihm nun zu eigen geworden. Er stieg vom Pferd und all seine Kleider,
selbst das Pferd waren voll mit seinen Tränen. Er bereute ehrlich und
aufrichtig. Abseits des Weges erblickte er einen Schäfer, der Fellkleider und
eine Fellmütze trug, welcher seine Schafe vor sich her trieb. Bei näherem
Hinsehen erkannte er, dass es einer seiner eigenen Sklaven war. Diesem
schenkte er seine reich bestickten Gewänder, seine juwelenbesetzte Kappe und
die Schafe, die ihm ja gehörten. Vom Schäfer übernahm er dessen Gewand und
Fellmütze und zog diese an. Alle engelhaften Zeugen standen um Ibrahim und
blickten auf ihn. „Welch Königreich ist dem Sohne Adhams
zuteil geworden“, riefen sie, „das schmutzige Gewand der Welt hat er verworfen
und das ruhmreiche Kleid der Armut hat er sich angetan.“ In diesem Zustand ging er zu Fuß weiter, über Berge und
endlose Wüsten, über seine Sünden klagend, bis er nach Merv
kam. Dort gewahrte er einen Mann, der gerade von
einer Brücke fiel und von den Fluten fortgespült zu werden drohte. Von
weitem rief Ibrahim: „O Gott, rette ihn!“ Der Mann blieb quasi in der Luft hängen, bis die Retter
zu ihm gelangt waren und ihn wieder heraufziehen konnten. Völlig verblüfft
waren sie über Ibrahim und sie riefen. „Was für ein Mensch ist das?“ Ibrahim verließ diesen Ort und wandte sich gen Nishapur. Dort suchte er sich einen verfallenen Ort, an
dem er sich der Gehorsamkeit Gottes widmen konnte. Letztlich bezog er die
berühmte Höhle, die er für neun Jahre lang bewohnte; in jeder ihrer Kammern
blieb er drei Jahre. Wer weiß, womit er die langen Tage und Nächte dort
beschäftigt war? Es brauchte schon einen mächtigen, außergewöhnlichen Mann,
um dort alleine die Nächte zu verbringen. Jeden Donnerstag stieg er über die Höhle hinaus und
sammelte Feuerholz, welches er am nächsten Tag nach Nishapur
trug, um es dort zu verkaufen. Um den Erlös kaufte er dann nach dem Besuch
des Freitagsgebets Brot, von dem er die Hälfte an Bettler abgab und mit der
anderen Hälfte brach er sein Fasten. So hielt er es jede Woche. Einmal, es war Winter und empfindlich kalt, musste er das
Eis im Krug zerbrechen, um sich waschen zu können. Die ganze Nacht verbrachte
er bis zum Morgen zitternd im Gebet. Bei Sonnenaufgang war in Gefahr zu
erfrieren. Zufällig kam im der Gedanke an Feuer in
den Sinn und er sah einen Pelz am Boden liegen. Diesen wickelt er sich um und
fiel in tiefen Schlaf. Als er erwachte, war es taghell und ihm war wieder
warm geworden. Da sah er, dass das Fell ein Drache gewesen war, mit
tellergroßen, blutunterlaufenen Augen. Da überkam ihn große Furcht. „Herr Gott“, rief er, „dieses Ding hast Du mir in schöner
Form geschickt, nun erblicke ich in ihm das Grauen, welches ich nicht
ertragen kann.“ Sofort rückte der Drache von ihm ab, rieb sein Gesicht
zwei-, dreimal am Boden und verschwand. Ibrahim geht nach Mekka Als sich die Kunde über Ibrahims Taten unter den Menschen
verbreitete, floh er aus der Höhle und wandte sich nach Mekka. In der Wüste
traf er auf einen der Großen des Glaubens, welcher ihn den Höchsten Namen
Gottes lehrte und ihn dann verließ. Ibrahim rief Gott bei diesem Namen und
sofort erschien Khidr, der Friede sei auf ihm. „Ibrahim“, sagte Khidr, „das
war mein Bruder David, der dich den Höchsten Namen Gottes lehrte.“ Viele
Worte wechselten dann noch zwischen Khidr und
Ibrahim. Folgendes erzählte Ibrahim über die nächste Station seiner
Pilgerreise. „Als ich nach Dhat al-‘Erq gekommen war, sah ich dort siebzig Männer in
Flickenröcken gekleidet, tot auf der Erde liegen. Das Blut quoll ihnen aus
Nasen und Ohren. Da bemerkte ich einen, in dem noch ein Funken Leben steckte.
„Junger Mann“, rief ich, „was ist hier passiert?“ „Sohn des Adham“, antwortete
er, „halte dich an das Wasser und die Gebetsnische. Geh nicht zu weit, auf
dass du nicht verbannt wirst und komm nicht zu nahe, auf dass du nicht
beschämt werdest. Lass keinen Menschen zu kühn vor dem Sultan erscheinen.
Habe Furcht um dein Leben, vor dem Freund, der Pilger abschlachtet, als wären
sie griechische Ungläubige und der Krieg gegen die Pilger führt. Wir sind
eine Sufi Gemeinschaft, die in Gottvertrauen in die Wüste aufgebrochen war,
bereit kein Wort zu verlieren, an nichts anderes, denn an Gott zu denken,
sich fort zu bewegen und doch nur Gott im Auge und kein anderes Ziel, als Ihn
im Sinn zu behalten. Als wir die Wüste durchschritten hatten und an den Ort
gelangt waren, an dem sich die Pilger in Weiß kleiden, erschien Khidr, der Friede sei auf ihm, unter uns. Wir grüßten ihn
und er erwiderte unseren Gruß, worauf wir sehr glücklich waren und sprachen:
„Gelobt sei Gott, diese Reise ist gesegnet, der Verlangende hat sein
Verlangen erreicht, denn solch eine heilige Person ist erschienen, um uns zu
treffen.“ Da rief eine Stimme in unserem Inneren, „Ihr Lügner, ihr Heuchler,
Mich habt ihr vergessen und euch mit anderen beschäftigt. Geht fort! Frieden
werde Ich mit euch nicht machen, bis ich eure Seelen in Vergeltung von euch
genommen habe und euer Blut mit dem Schwert des eifernden Zorns vergossen
habe.“ Diese tapferen Männer, die du hier alle liegen siehst, sind die Opfer
dieser Vergeltung. Hab Acht, Ibrahim. Auch du trägst dieselben Bestrebungen
in dir. Halt ein oder geh weit fort von hier!“ “Warum haben sie dann dich verschont?” fragte ich tief
verwundert ob dieser Worte. „Sie sagten, „Diese hier sind reif, doch du bist noch
roh. Bleib noch ein wenig am Leben und bald bist auch du reif und wenn du
reif geworden bist, wirst du ihnen folgen.“ Mit diesen Worten gab er seinen
Geist auf.“ Vierzehn Jahre lang zog Ibrahim durch die Wüste, ständig
in Demut und im Gebet. Als er in die Nähe Mekkas gelangte, und die Ältesten
davon Kunde erhielten, kamen sie vor die Stadt, um ihn zu begrüßen. Er eilte
der Karawane voran, damit ihn keiner erkennen sollte. Ihre Diener waren den
Ältesten vorausgegangen und sahen Ibrahim vor der Karawane gehen, doch sie
erkannten ihn nicht, denn sie hatten ihn noch nie zuvor gesehen. Als sie bei
ihm angelangt waren riefen sie: „Ibrahim ibn Adham ist in der Nähe. Die Ältesten des Haram sind gekommen um ihn zu treffen.“ „Was wollt ihr von diesem Häretiker?“ wollte Ibrahim
wissen. Sogleich drangen sie auf ihn ein und verprügelten ihn. „Die Ältesten des Haram kommen
um ihn zu begrüßen und du nennst ihn einen Häretiker?“ schrieen
sie. „Ich sage, er ist ein Häretiker“, wiederholte Ibrahim. Als sie von ihm abließen, wandte Ibrahim sich zu sich
selbst. „Ha“, schimpfte er, „du wolltest, dass die Ältesten zu
dir herauskämen und dich begrüßen. Nun gut, du hast ein paar Hiebe erhalten.
Gepriesen sei Gott, dass ich Deinen Wunsch habe in Erfüllung gehen sehn!“ Ibrahim ließ sich dann in Mekka nieder und ein Kreis von
Gefährten scharte sich um ihn und er verdiente sein Brot durch seiner Hände Arbeit als Zimmermann. Ibrahim wird von seinem Sohn in Mekka besucht Als Ibrahim ibn Adham Balkh verließ, hatte er
einen Sohn im Säuglingsalter zurückgelassen. Dieser, in der Zwischenzeit
erwachsen geworden, fragte seine Mutter eines Tages nach seinem Vater. „Dein Vater ist verschollen“, gab sie ihm Auskunft. Daraufhin ließ der Sohn verlautbaren, dass alle sich
versammeln mögen, welche die Pilgerfahrt unternehmen wollten. Viertausend
kamen zusammen. Er erstattet ihnen allen die Reiseausgaben für Versorgung
und Reittiere und führte die Gruppe Richtung Mekka, in der Hoffnung, dass
Gott ihm seinen Vater unter die Augen führen wollte. In Mekka angelangt,
fanden sie am Tor zur Heiligen Moschee eine Gruppe Sufis in ihren
Flickenröcken. „Kennt ihr Ibrahim ibn Adham?“ wollte der Sohn wissen. „Er ist ein Freund von uns“, antworteten sie, „er
versorgt uns und ist gerade unterwegs, um Essen zu besorgen.“ Der Sohn verlangte, dass sie ihn zu ihm führen sollten.
Sie folgten seiner Spur und so gelangte die Gruppe zum unteren Teil Mekkas
und dort sah er seinen Vater barfuss und ohne
Kopfbedeckung mit einem Haufen Feuerholz des Weges kommen. Tränen stiegen in
ihm hoch, doch er beherrschte sich und folgte seinem Vater bis zum Markt.
Dort hub sein Vater an zu rufen: „Wer will gutes Zeug für gutes Zeug kaufen?“ Ein Bäcker kaufte ihm das Holz für Brot ab. Ibrahim nahm
das Brot und brachte es seinen Freunden. „Wenn ich ihm sage wer ich bin“, fürchtete der Sohn,
„wird er von mir fort laufen.“ So suchte er bei seiner Mutter Rat, wie er sich wohl
seinem Vater am Besten nähern sollte. Seine Mutter
empfahl ihm Geduld. „Hab’ Geduld, bis wir die Pilgerfahrt erfüllt haben.“ Nachdem der Sohn sich entfernt hatte, nahm Ibrahim bei
seinen Gefährten Platz. „Diesesmal sind Kinder und
Frauen unter den Pilgern, nehmt eure Blicke in acht“, ermahnte er sie. Sie
nahmen seine Mahnung an und als die Pilger den Platz um die Kaaba betraten
und sie umkreisten, umrundeten Ibrahim und seine Gefährten ebenfalls das
Heilige Haus. Ein hübscher Junge trat nahe an ihn heran und Ibrahim blickte
ihn sehnsüchtig an. Seine Freunde bemerkten dies und wunderten sich darüber,
doch warteten sie, bis sie die Umrundungen beendet hatten. „Gott habe Erbarmen mit dir!“ sagten sie dann zu Ibrahim,
„uns hast du befohlen nicht auf die Frauen oder Kinder zu blicken und du
selbst starrst dann einen hübschen Jungen an.“ „Habt ihr das denn gesehen?“ rief Ibrahim. „Wir haben es gesehen“, antworteten sie. „Als ich Balkh verließ“,
erzählte ihnen Ibrahim, ließ ich dort einen Sohn im Säuglingsalter zurück.
Ich weiß, dieser Bursche ist dieser Sohn.“ Am nächsten Tag machte sich einer der Gefährten Ibrahims
früher als dieser auf, um nach der Karawane aus Balkh
zu sehen. Als er sie fand, erblickte er in deren Mitte ein Zelt, ganz mit
Brokat bestickt. Im Zelt war ein Thron aufgestellt, auf welchem der Junge
saß, der aus dem Qur’an rezitierte und dabei Tränen vergoss. Ibrahims Freund
erbat die Erlaubnis eintreten zu dürfen. „Woher kommst du?“ fragte er. „Aus Balkh“, antwortete der
Junge. „Wessen Sohn bist du?“ Der Knabe schlug seine Hände vors Gesicht und schluchzte. „Ich habe meinen Vater nie gesehen“, sagte er und legte
den Qur’an zur Seite, „nie, bis auf gestern – und ich weiß nicht, ob er es
war oder nicht und ich fürchte, dass, wenn ich ihn anspreche, er fortlaufen
wird, wie er es schon einmal getan hat. Mein Vater ist Ibrahim ibn Adham, der König von Balkh. Der Mann nahm in an der Hand,
um ihn zu Ibrahim zu bringen. Auch seine Mutter erhob sich und begleitete
ihren Sohn. Ibrahim saß mit seinen Gefährten am Jemeniter
Eck, als sie ihn fanden. Von Ferne schon hatte er seinen Freund, den Knaben
und seine Mutter erspäht. Sobald die Frau ihn erblickte, schrie sie laut auf
und konnte nicht mehr länger an sich halten. „Das ist dein Vater.“ Ein unglaublicher Tumult entstand. Die Freunde Ibrahims
und alle Umherstehenden brachen in Tränen aus.
Sobald sich der Knabe wieder gefasst hatte, grüßte er seinen Vater. Der Vater
erwiderte seinen Gruß und umarmte ihn. „Welcher Religion folgst du?“ “Der Religion des Islam”, antwortete sein Sohn. „Gott sei gepriesen“, rief Ibrahim. „Kennst du den
Qur’an?“ „Ja.“ „Gepriesen sei Gott. Hast du den Glauben studiert?“ “Ja, das habe ich.” Nun wollte Ibrahim fort, doch der Knabe ließ ihn nicht
gehen. Seine Mutter schluchzte lauthals. Sein Gesicht zum Himmel gewandt,
schrie Ibrahim, „O Gott errette mich!“ Noch im gleichen Moment verstarb der Knabe in seinen
Armen. „Was ist passiert, Ibrahim?“ riefen seine Gefährten aus. „Als ich ihn in die Arme nahm“, erklärte Ibrahim,
„erwuchs in meinem Herzen große Liebe zu ihm und da sprach eine Stimme zu
mir, „Ibrahim du behauptest Mich zu lieben, und doch liebst du jemanden
anderen neben Mir. Du verpflichtest deine Gefährten keine fremde Frau oder
fremdes Kind anzusehen und doch hast du dein Herz dieser Frau und diesem Kind
geöffnet“ als ich dies hörte, betete ich, „Gott der Herrlichkeit, komm zu
meiner Rettung! Er wird mein Herz so sehr in Beschlag nehmen, dass ich Dich
zu lieben vergessen werde. Nimm entweder sein Leben oder meines.“ Sein Tod
war die Antwort auf mein Gebet.“ Eines Tages wurde Ibrahim befragt, „Was ist über dich
gekommen, dass du dein Königreich aufgegeben hast?“ „Man ließ mich eines Tages auf meinem Thron Platz
nehmen“, erinnerte er sich, „und man brachte mir einen Spiegel. Ich blickte
in diesen Spiegel und erkannte, dass meine Heimstatt mein Grab wäre und mich
kein Freund dahin begleiten würde. Ich sah eine lange Reise vor mir und ich
hatte keinerlei Proviant mit mir. Ich erblickte einen gerechten Richter und
ich hatte keinerlei Verteidigung. So widerte mich mein Königtum an.“ „Warum bist du aus Khorasan
geflohen?“ fragten sie. „Ich hörte viel Gerede dort, vom wahren Freund“,
antwortete er. „Warum suchst du dir keine Frau?“ wurde er gefragt. „Nimmt denn irgendeine Frau einen Mann, damit er sie
hungrig und durstig hält?“ gab er zurück. „Nein“, antworteten sie. „Darum heirate ich nicht“, fügte er erklärend hinzu.
“Jede Frau, die ich heiratete, würde hungrig und ohne Bekleidung bleiben.
Wenn es mir nur möglich wäre, ließe ich mich scheiden. Wie könnte ich da eine
andere an meinen Sattel binden?“ Dann wandte er sich an einen bei ihnen sitzenden Bettler.
„Hast du eine Frau?“ „Nein“, antwortete der Bettler. „Hast du ein Kind?“ “Nein”. “Sehr gut”, rief Ibrahim. „Warum sagst du das?“, fragte ihn der Bettler. „Ein Bettler der heiratet ist wie einer, der ein Schiff
betritt. Wenn die Kinder kommen, geht er unter.“ Eines Tages traf Ibrahim einen Bettler, der sein
Schicksal beweinte. „Ich nehme an, du hast die Bettelei gratis erworben“,
bemerkte er. „Wieso, ist denn die Bettelei zu kaufen?“ wollte der
Bettler erstaunt wissen. „Natürlich“, antwortete Ibrahim. „ich habe es mit dem
Königreich von Balkh gekauft, ich habe einen Handel
abgeschlossen.“ Einmal brachte jemand Ibrahim eintausend Dinar. „Nimm“, sagte der Mann. „Ich nehme nichts von Bettlern“, erwiderte Ibrahim. „Aber ich bin reich“, wandte der Mann ein. „Willst du mehr, als du schon hast?“ fragte Ibrahim. „Bestimmt“, rief der Mann aus. „Dann nimm das Geld zurück“, sagte Ibrahim, „du bist der
Chef der Bettler und wahrlich, das ist nicht Bettelei, sondern reinste Bedürftigkeit.
Man erzählte Ibrahim von einem ekstatischen jungen Mann,
der außergewöhnliche Erfahrungen machte und sich selbst dabei ordentlich
disziplinierte. „Bringt mich zu ihm, so dass ich ihn mir ansehen kann“,
sagte Ibrahim. So brachten sie ihn zu dem jungen Mann. „Sei drei Tage mein Gast“, lud ihn der junge Mann ein. Ibrahim blieb drei Tage lang und beobachtete den Zustand
des Jungen aufmerksam. Alles war so, wie seine Freunde es geschildert hatten.
Alle Nächte blieb er wach und ruhelos und schlief nicht einen Moment. Ibrahim
verspürte eine gewisse Eifersucht. „Ich bin so ruhig und er bleibt ohne Schlaf und Ruhe die
ganze Zeit. Lasst uns herausfinden, ob irgendetwas Satanisches seinen Zustand
beeinflusst oder dieser gänzlich rein ist, wie es sein sollte. Ich muss die
Wahrheit darüber herausfinden“, sprach Ibrahim zu sich selbst, „Die Ursache
und die Grundlage für alles liegt in dem, was einer isst.“ So beobachtete er, was der junge Mann zu sich nahm und
fand heraus, dass es aus unreiner Quelle stammte. „Großer Gott“, rief Ibrahim aus, „es ist teuflisch!“ „Ich war dein Gast drei Tage lang“, sagte er zu dem
Jungen, „nun sei du mein Gast für vierzig Tage.“ Der junge Mann nahm an. Nun war die Nahrung, die Ibrahim
aß aus rechtmäßiger Quelle, denn er verdiente es durch seine Hände Arbeit. Er
nahm den Jungen mit nach Hause und setzte ihm sein eigenes Essen vor. Sofort
verschwand seine Ekstase. All seine Spannung und Leidenschaft war
verschwunden. Seine Unruhe, Schlaflosigkeit und Weinen waren wie
weggeblasen. “Was hast du mit mir gemacht?” rief er. „Jawohl“, antwortete Ibrahim, „dein Essen war
ungesetzlich. Satan ging ständig ein und aus bei dir. Sobald du rechtmäßiges
Essen zu dir genommen hattest, zeigten sich deine ganzen Erscheinungen als
das, was sie wirklich waren – Teufelswerk.“ Sahl ibn Ibrahim erzählte
folgende Geschichte. „Einmal war ich mit Ibrahim ibn
Adham auf Reisen und unterwegs wurde ich krank. Er
verkaufte alles was er besaß und gab es für mich aus. Ich bat ihn um etwas
und er verkaufte seinen Esel und gab den Erlös für mich aus. „Wo ist der Esel?“ fragte ich, als ich wieder genesen
war. „Ich habe ihn verkauft“, antwortete er mir. „Worauf soll ich denn nun reiten“, verlangte ich zu
wissen. „Bruder“, antwortete Ibrahim, „komm und steig auf meinen
Rücken.“ Er nahm mich auf den Rücken und trug mich drei Stationen.“ Jeden Tag ging Ibrahim Lohnarbeit nach und arbeitet bis
zum Abend. All seinen Verdienst gab er für seine Freunde aus. Doch bis er
sein Abendgebet verrichtet hatte und etwas eingekauft hatte und zu seinen
Freunden kam, war es immer schon spät geworden. Eines Abends sagte einer seiner Gefährten: „Heute
kommt er aber spät, lasst uns etwas Brot essen und schlafen gehen, das wird
ein Hinweis für ihn sein, in Zukunft etwas früher zu kommen.“ So machten sie es auch. Als Ibrahim eintraf und sah, dass
sie schon schliefen, dachte er, sie hätten noch nichts gegessen und so
zündete er gleich ein Feuer an. Er hatte etwas Mehl mitgebracht und so buk er
einige Fladen, die sie essen, wenn sie aufwachten und am nächsten Morgen ihr
Fasten halten könnten. Als die Freunde aufwachten, sahen sie ihn mit seinem
Bart am Boden, das Feuer anblasen und seine Augen waren voller Tränen vor
lauter Rauch. „Was machst du da?“, fragten sie. „Ich sah, dass ihr schon schlafen gegangen wart“,
antwortete Ibrahim, „und so sagte ich mir, dass ihr vielleicht nichts zu
essen habt finden können und hungrig schlafen gegangen seid. So bereite ich
etwas, das ihr essen könnt, wenn ihr aufwacht. „Seht, wie wir an uns dachten, und wie wir über ihn
dachten“, riefen sie aus. „Seit du diesen Pfad betreten hast, hast du jemals
Glückseligkeit erlebt?“ wurde Ibrahim gefragt. „Mehrmals“, antwortete er. „Einmal war ich an Bord eines
Schiffs und der Kapitän kannte mich nicht. Ich trug lumpige Kleider und mein
Haar war ungepflegt und ich befand mich in einer geistlichen Ekstase, die
keiner an Bord wahrnahm. Sie lachten und machten sich lustig über mich. Da
war ein besonderer Spaßvogel auf dem Schiff, der mir immer die Haare
auszupfte und mich auf den Nacken schlug. In diesen Momenten fühlte ich, dass
ich mein Verlangen sich erfüllte und war glücklich, derart erniedrigt zu
werden. Plötzlich kam eine große Welle und alle dachten, sie müssten
untergehen. „Wir müssen einen überbord werfen“,
rief der Maat, „dann wird das Schiff leichter.“ Sie
ergriffen mich, um mich ins Meer zu werfen. Das Wasser beruhigte sich und das
Schiff lag wieder ruhig. In dem Moment, als sie mich am Ohr ergriffen hatten,
um mich ins Wasser zu werfen, fühlte ich mein Verlangen erfüllt und war
glücklich. Ein andermal ging ich zu einer Moschee, um dort zu
schlafen. Man wollte mich dort nicht dulden, doch war ich so schwach und
erschöpft, dass ich nicht aufstehen konnte. So packten sie mich an den Füßen
und schleiften mich hinaus. Nun führen drei Stufen zu dieser Moschee und mein
Kopf schlug auf jede dieser drei Stufen, sodass Blut davon floss. Auf jeder
Stufe auf der ich aufschlug, offenbarte sich mir das Geheimnis einer ganzen
Sphäre. Ich sagte, „Hätte diese Moschee doch mehr Stufen, um meine
Glückseligkeit zu mehren!“ Ein anderes Mal war ich umhüllt im Zustand der Ekstase.
Ein Witzbold pisste mich an. Auch da war ich glücklich. Und einmal hatte ich
eine Pelzjacke an, die voller Fliegen war, die mich gnadenlos peinigten. Da
erinnerte ich mich der feinen Gewänder, die ich in meiner Schatzkammer
verwahrte. Meine Seele in mir schrie laut auf: „Warum – welche Pein ist das!“
Auch da fühlte ich mein Verlangen erfüllt. Einmal reiste ich durch die Wüste, ganz auf Gott
vertrauend. Einige Tage lang fand ich nichts zu essen. Da erinnerte ich mich
an einen Freund, doch sagte ich mir, „wenn ich zu ihm gehe, verliere ich mein
Vertrauen in Gott“ und mit folgenden Worten auf den Lippen betrat ich eine
Moschee: „Mein Vertrauen lege ich in den Lebendigen, der niemals stirbt. Es
gibt keinen Gott außer Ihm.“ Eine Stimme erschallte vom Himmel, „Gepriesen sei
der Gott, welcher das Antlitz der Erde von jenen befreit hat, die ihr
Vertrauen in Ihn legten“. Ich sagte: „Warum diese Worte?“ Die Stimme
antwortete: „Wie kann dieser Mann, der eine lange Reise unternimmt, wegen
einem Bissen Essen, den er von einem weltlichen Freund bekommen könnte, wahrhaftig auf Gott vertrauen und dann
verkünden. „Ich vertraue auf den Lebendigen, der nicht stirbt“? Du hast das
Wort des Vertrauens als Lüge verkauft!““ „Einmal hatte ich einen Sklaven gekauft“, erinnerte sich
Ibrahim. „Wie heißt du?“ fragte ich ihn. „So wie du mich rufst“, erwiderte er. „Was isst du?“ „Was du mir zu essen gibst.“ „Welche Kleidung trägst du?“ „Womit du mich kleidest.“ “Was tust du?” “Was du mir zu tun befiehlst.” „Was wünscht du?“ „Was hat ein Diener zu wünschen?“ antworte er darauf. „Du Verkommener“, sagte ich zu mir selbst, „dein ganzes
Leben warst du ein Diener Gottes. Nun lerne, was es heißt ein Diener zu
sein!“ „Und ich weinte solange, bis ich bewusstlos wurde.“ Niemand hat Ibrahim jemals mit gekreuzten Beinen sitzen
gesehen. Darüber befragt gab er Auskunft: „Ich saß eines Tages auf diese Art, als ich eine Stimme
aus der Luft vernahm, „Sohn des Adham, sitzen
Diener so in der Gegenwart ihres Herrn?“ Sofort setzte ich mich aufrecht hin
und bereute.“ „Einmal wanderte ich durch die Wüste, auf Gott
vertrauend“, erzählte Ibrahim „und drei Tage lang fand ich nichts zu essen.
Da kam der Teufel auf mich zu und versuchte mich: „Hast du dein Königreich
und all den Luxus aufgegeben, um hungrig auf Pilgerfahrt zu gehen? Du kannst
auch ordentlich auf Pilgerfahrt gehen und musst nicht derart leiden.“ Die Rede des Teufels vernehmend, richtete ich meinen
Blick zum Himmel und rief: „O Gott, hast Du Deinen Feind angewiesen, Deinen Freund
solcherart zu quälen? Komm und rette mich, denn ich kann die Wüste ohne Deine
Hilfe nicht durchqueren.“ „Ibrahim“, rief mir eine Stimme zu, „leere deine Taschen
aus, damit Wir hervorbringen, was im Unsichtbaren ist.“ „Ich steckte meine Hand in die Tasche und fand drei
Silbermünzen, die ich darin vergessen hatte. Sobald ich sie weggeworfen
hatte, floh der Teufel von mir und Versorgung für mich erschien aus dem
Unsichtbaren.“ „Und einmal“, erinnerte sich Ibrahim, „sollte ich in
einem Garten nach dem Rechten sehen. Der Eigentümer sagte zu mir, ich solle
ihm einige süße Granatäpfel bringen. Ich brachte sie ihm, doch sie waren
sauer. „Ich will süße“, wiederholte der Besitzer. Ich brachte
nochmals welche, doch auch diese waren sauer. „Großer Gott“ rief der Besitzer, „jetzt warst du solange
in einem Garten und kennst keine reifen Granatäpfel?“ „Ich sehe nach deinem Garten, doch weiß ich nicht, wie
Granatäpfel schmecken, denn ich habe nie welche probiert“, antwortete ich. „Bei solcher Selbstverleugnung, habe ich den Verdacht, du
bist Ibrahim ibn Adham“,
sagte der Besitzer. „Als ich das hörte, verließ ich diesen Ort.“ „Eines Nachts sah ich Gabriel in einem Traum mit einer
Schriftrolle in der Hand auf die Erde herabsteigen.“ „Was willst du?“ fragte ich ihn. „Ich schreibe die Namen der Freunde Gottes nieder“, gab
Gabriel zur Antwort. „Schreib meinen Namen auf“, sagte ich. „Du gehörst nicht dazu“, antwortete Gabriel. „Ich bin ein Freund der Freunde Gottes“, wandte ich ein. Gabriel dachte eine Weile nach und dann sagte er. „Der Befehl ist ergangen „Schreib ein Ibrahims Name als
erstes. Denn auf diesem Pfad erscheint Hoffnung aus der Verzweiflung.“ Eines Tages reiste Ibrahim durch die Wüste, als er von
einem Soldaten angehalten wurde. „Was bist du?“ fragte der. „Ein Diener“ antwortete Ibrahim. „Wo ist dein zuhause?“ fragte der Soldat weiter. Ibrahim zeigte auf den Friedhof. „Du treibst Scherze mit mir“, schrie der Soldat und
schlug Ibrahim an den Kopf, so dass Blut spritzte. Sodann band der Soldat ein
Seil um Ibrahims Hals und schleppte ihn fort. Leute, die vom nahen Dorf des
Weges kamen, blieben dieses Aufzugs wegen stehen. „Dummkopf“, riefen sie, „das ist doch Ibrahim ibn Adham, der Freund Gottes!“ Der Soldat fiel vor Ibrahim auf die Knie und flehte ihn
an, ihm zu vergeben und ihn von dem freizusprechen, was er ihm angetan
hatte. „Du hast mir doch gesagt, du wärst ein Diener“, flehte
er. „Wen gibt es denn, der kein Diener wäre?“ erwiderte
Ibrahim. „Ich habe deinen Schädel zerschlagen und du hast für mich
gebetet“, klagte der Soldat. „Ich betete darum, dass du dafür gesegnet würdest, wie du
mich behandelt hast“, war Ibrahims Antwort. „Mein Lohn dafür, wie du mich
behandelt hattest war das Paradies und ich wollte nicht, dass dein Lohn dafür
die Hölle wäre.“ „Warum hast du mich an den Friedhof verwiesen, als ich
nach deinem zuhause fragte?“ wollte der Soldat wissen. „Weil jeden Tag der Friedhof voller wird und die Städte
wüster werden“, antwortete Ibrahim. Einmal ging Ibrahim bei einem Betrunkenen vorbei, dessen
Mund gar schmutzig war. So holte Ibrahim Wasser und säuberte den Mund des
Betrunkenen. „Wenn du diesen Mund ungewaschen lässt, der doch den
Namen Gottes ausgesprochen hat, wäre dies Pietätlosigkeit“, sagte Ibrahim zu
sich. „Der Asket aus Khorasan hat dir
den Mund gewaschen“, erzählten die Leute dem Mann, als er wieder nüchtern
war. „Ich bereue jetzt auch“, erklärte der Mann. Danach vernahm Ibrahim im Traum: „Du hast einen Mund um
Meinetwillen gewaschen. Ich habe dein Herz gewaschen.“ „Eines Tages war ich mit Ibrahim an Bord eines Schiffes“,
erzählte Raja, als plötzlich starker Wind aufkam und das Wasser dunkel wurde. „Wehe, das Schiff sinkt“, schrie ich. „Fürchte nicht den Untergang des Schiffes“, kam eine
Stimme von oben, „Ibrahim ibn Adham
ist bei dir.“ Sofort flaute der Wind ab und das Wasser hellte wieder
auf. Ibrahim wollt auf ein Schiff gehen, hatte aber kein Geld. „Jeder hat einen Dinar zu bezahlen“, kam die Durchsage.
Ibrahim betete zwei Rak’as und sprach: „O Gott, sie
verlangen Geld von mir und ich habe keines.“ Sofort verwandelte sich das ganze Meer in Gold. Ibrahim
nahm eine Handvoll und gab sie den Leuten. Eines Tages saß Ibrahim am Ufer des Tigris und nähte an
seinem abgetragenen Mantel. Da fiel ihm die Nadel in den Fluss. „Du hast ein so gewaltiges Königreich aufgegeben. Was
hast du dafür bekommen?“ fragte ihn jemand. „Gib mir meine Nadel zurück“, rief Ibrahim und zeigte auf
das Wasser. Tausend Fische steckten darauf ihr Haupt aus dem Wasser,
ein jeder hatte eine goldene Nadel im Maul. Ein unscheinbarer kleiner Fisch
trug Ibrahims Nadel in seinem Maul. „Dies ist das Geringste der Dinge, die ich dafür bekam,
dass ich das Königreich von Balkh aufgab und von
den übrigen kannst du dir nicht mal eine Vorstellung machen.“ Eines Tages kam Ibrahim an einen Brunnen. Er ließ den
Kübel hinab, den er mit Gold vollgefüllt wieder heraufzog. Er leerte ihn aus und ließ ihn wieder hinunter. Diesmal kam
er voller Perlen herauf. Vergnügt leerte er auch diesen. „O Gott“, rief er, „Du bietest mir einen Schatz an. Ich
weiß, Du bist allmächtig und Du weißt, dass ich von Solchem nicht irregeführt
werde. Gib mir Wasser, damit ich meine Gebetswaschung verrichten kann.“ Einmal war Ibrahim in Gemeinschaft auf Pilgerfahrt. „Keiner von uns hat ein Kamel oder sonst Verpflegung“,
sagten seine Reisegefährten. „Verlasst euch auf Gott, der euch versorgen wird“, sagte
Ibrahim zu ihnen. Dann fügte er hinzu. „Seht euch diese Bäume an! Wenn es Gold ist, was ihr euch
wünscht, so werden sie zu Gold verwandelt.“ Alle Akazien die dort standen, wurden durch die Macht
Gottes gleich in Gold verwandelt. Einmal reiste Ibrahim mit einer Gruppe, als sie zu einer
Festung kamen. Vor dieser Festung gab es viel Unterholz. „Wir werden die Nacht hier verbringen“, sagten sie, „da
gibt es genug Holz, um ein Feuer zu machen.“ Sie entzündeten ein Lagerfeuer und saßen in dessen Licht
darum herum. Alle aßen sie Brot, wohingegen Ibrahim im Gebet stand. „Wenn wir nur etwas gesetzlich einwandfreies Fleisch
hätten, um es hier am Feuer zu rösten“, sagte einer. Ibrahim beendete sein Gebet und sagte dann. „Gewiss ist
Gott in der Lage, euch mit gesetzlich erlaubtem Fleisch zu versorgen. Nachdem er dies gesagt hatte, begab er sich wieder ins
Gebet. Da hörten sie das Gebrüll eines Löwen, der in der Nähe vorbeikam und
einen wilden Esel im Maul trug. Sie nahmen den Esel, rösteten sein Fleisch
und aßen es, während der Löwe an der Seite kauerte und ihnen dabei zusah. Abu ‘l-Faiz Thauban ibn Ibrahim al-Misri, genannt Dhu ‘l-Nun, wurde zu Ekhmim in
Oberägypten ca. 180 (796) geboren, studierte unter vielen Lehrern und
bereiste ausgiebig Arabien und Syrien.
214 (829) wurde er wegen Häresie verhaftet und in Bagdad ins Gefängnis
geworfen. Nach einer Untersuchung wurde er auf Befehl des Kalifen entlassen
und nach Kairo zurück gebracht wo er 246 (861) starb. Sein Grabstein ist bis
heute erhalten geblieben. Legendären Ruf erwarb er sich als Alchemist und Thaumaturge und vermutlich war ihm das Geheimnis der
ägyptischen Hieroglyphen bekannt. Eine Anzahl von Gedichten und einige kurze
Abhandlungen werden ihm zugeschrieben, welche allerdings als apokryph
gelten. Dhu ‘I-Nun der Ägypter und wie er bekehrt wurde Dhu ‘l-Nun der Ägypter erzählte folgende Geschichte über seine
Bekehrung. „Ich hatte von einem gewissen Asketen gehört, der in
einer Höhle lebte und beschloss ihn aufzusuchen. Als ich zu dieser Höhle kam,
sah ich ihn von einem Baum herunterhängen. „O Körper“, hörte ich ihn sagen, „hilf mir dabei, Gott zu
gehorchen, sonst lasse ich dich da hängen, bis du an Hunger stirbst.“ Du überkamen mich die Tränen und dieser Gottergebene
hörte mein Weinen. „Wer ist da?“ rief er, „wer hat da Mitleid mit einem,
dessen Scham gering, doch dessen Vergehen viele sind?“ Ich näherte mich ihm und grüßte ihn. „Was machst du denn hier?“ fragte ich. „Dieser, mein Körper hier, gibt mir keinen Frieden in
meinem Gehorsam gegen Gott“, gab er zur Antwort, „er will sich an anderen
Menschen reiben.“ Ich schloss aus diesen Worten, er hätte das Blut eines
Muslims vergossen oder ein andere Todsünde begangen. „Hast du denn nicht bemerkt“, sagte der Asket weiter,
„dass wenn du dich einmal mit anderen Menschen einlässt, alles andere folgt?“ „Was bist du nur für ein gewaltiger Asket“, rief ich. „Willst du jemanden kennen lernen, der ein noch gewaltigerer
Asket ist?“ frage er. „Doch, schon“, meinte ich. „Dann steige diesen Berg hinauf, dort wirst du ihn
finden“, verriet er mir. Ich machte mich also auf den Weg und fand einen jungen
Mann suqatting in seiner Klause. Eines seiner Beine
hatte er amputiert und aus der Behausung geworfen, wo es nun da lag und von
den Würmern zerfressen wurde. Ich näherte mich ihm, grüßte ihn und fragte ihn
nach seiner Geschichte. „Eines Tages“, so erzählte er, „saß ich hier in meiner
Klause, als eine Frau des Weges kam. Mein Herz flog ihr zu und mein Körper
verlangte von mir ihr zu folgen. Als ich nun einen Fuß aus meiner Zelle
setzte, vernahm ich eine Stimme, die zu mir sagte: „Schämst du dich nicht,
nach dreißig Jahren gehorsamen Gottesdienst auf den Teufel zu hören und einem
leichten Mädchen nachzulaufen?“ So habe ich mir diesen Fuß abgeschnitten, den
ich aus meiner Klause heraus gesetzt hatte und nun sitze ich hier und warte
was mit mir geschehen wird und was man mit mir machen wird. Und was hat dich
bewogen solche Sünder aufzusuchen? Wenn du einen wahren Mann Gottes finden
willst, so begib dich auf den Gipfel dieses Berges.“ Der Berg erschien mir viel zu hoch für mich zu sein und
so wollte ich mehr über diesen Mann erfahren. „Ja“, meinte der Einsiedler, „es ist nun schon eine
geraume Zeit, dass dieser Mann mit Gottesdienst beschäftigt ist. Eines Tages
kam ein Mensch zu ihm, zankte mit ihm und erklärte ihm, dass man sein täglich Brot verdienen müsse. Da legte der in Gott
Ergebene einen Eid ab, dass er nichts mehr essen würde, welches den Besitz
irgendwelcher weltlichen Güter erfordern würde. Viele Tage nahm er darauf
nichts mehr zu sich. Dann sandte ihm der Allmächtige Gott einen Bienenschwarm,
der ihn ganz umhüllte und ihm Honig schenkte.“ Diese Dinge die ich da gesehen und gehört hatte hatten
mich tief betroffen gemacht und bedrückten mein Herz. Ich hatte erkannt,
dass, wenn jemand sein Vertrauen in Gott legt, Gott für ihn sorgt und er
seine Schmerzen nicht vergeblich erträgt. Als ich so meinen Weg fortsetzte,
entdeckte ich ein blindes Vöglein, welches von einem Baum herunterflatterte. „Woher soll diese kleine, hilflose Kreatur nun Nahrung
und Wasser erhalten?“ rief ich laut. Das Vöglein scharrte mit seinem Schnabel auf der Erde und
zwei Schüsseln kamen zum Vorschein. Eine goldene, voll mit Körnern und die
andere aus Silber mit Rosenwasser gefüllt. Das Vöglein stillte seinen Hunger
und Durst und flog wieder auf seinen Baum zurück. Darauf
hin verschwanden diese beiden Schüsseln.“ Überwältigt legte von da an Dhu
‘l-Nun sein Vertrauen vollständig in Gott. Er war noch ein gutes Stück
weitermarschiert und als die Nacht anbrach, war er an den Rand einer Wüste
gekommen. Da entdeckte er einen Topf, randvoll angefüllt mit Gold und Juwelen
und bedeckt war der Topf mit einem Tablett, auf welchem der Name Gottes
geschrieben stand. Seine Gefährten teilten das Gold und die Juwelen unter
sich auf. „Gebt mir nur dieses Tablett, auf welchem der Name meines
Freundes geschrieben steht“, forderte Dhu ‘l-Nun. Er nahm das Tablett und küsste es die ganze Nacht lang
und den Tag darauf, bis der Segen dieses Tabletts ihn träumen ließ und er
eine Stimme zu ihm sprechen hörte, „Alle anderen haben das Gold und die
Juwelen begehrt, denn sie sind kostbar. Doch du hast etwas gewählt, was
erhabener ist als diese, meinen Namen. Daher habe ich für dich das Tor des
Wissens und der Weisheit geöffnet.“ Darauf kehrte Dhu ‘l-Nun in die
Stadt zurück, wo seine Geschichte Fortsetzung fand. „Eines Tages wandelte ich an den Ausläufen eines Flusses,
als ich einen Pavillon entdeckte. Ich vollzog meine rituelle Waschung und
dabei fiel mein Blick auf das Dach dieses Pavillons, auf welchem ein
wunderschönes Mädchen stand. Ich wollte sie prüfen und daher fragte ich sie:
„Mädchen, zu wem gehörst du?“ „Dhu ‘l-Nun, als ich dich aus
der Ferne kommen sah, dachte ich, du wärst ein Verrückter, als du näher
kamst, dachte ich, du wärst ein Gelehrter, als du noch näher kamst, dachte
ich, du wärst ein Mystiker. Nun sehe ich, dass du weder verrückt, noch ein
Gelehrter und auch kein Mystiker bist.“ „Wie meinst du das?“ wollte ich überrascht wissen. „Wärst du ein Verrückter“, gab sie zur Antwort, „hättest
du nicht deine Gebetswaschung vollzogen. Wärst du ein Gelehrter, hättest du
nicht angestarrt, was deinem Blick verboten ist und wärst du ein Mystiker,
hättest du nichts anderes als Gott erblickt.“ Mit diesen Worten verschwand sie und ich erkannte, dass
sie kein sterbliches Geschöpf gewesen, sondern als Warnung zu mir geschickt
worden war. Ein Feuer entbrannte in meiner Seele und ich eilte hin zum Meer.
Als ich ans Ufer gelangt war, erblickte ich eine Gruppe Menschen, die gerade
ein Schiff bestiegen. Auch ich ging an Bord. Nachdem einige Tage vergangen
waren, geschah es, dass einer der Händler einen Edelstein an Bord verloren
hatte. Ein Passagier nach dem anderen wurde angehalten und durchsucht.
Schließlich kamen sie einstimmig zur Auffassung, dass ich diesen Edelstein
hätte. Sie beschimpften mich und behandelten mich zutiefst geringschätzig,
doch ich schwieg zu all dem. Letztlich konnte ich diese Behandlung nicht mehr
ertragen und rief: „O mein Schöpfer, Du weißt die Wahrheit!“ Darauf erhoben tausende von Fischen ihre Köpfe aus dem
Wasser, jeder mit einem Juwel im Maul. Dhu ‘l-Nun nahm einen Edelstein von einem der Fische und gab ihn
dem Kaufmann. Als sie dies sahen, fielen alle an Bord Dhu
‘l-Nun vor die Füße und flehten um seine Vergebung. So hoch war sein Ansehen
unter den Menschen gestiegen und daher wurde er Dhu
‘l-Nun („der Fischmann“) genannt. Dhu ‘l-Nun wird verhaftet und nach Bagdad gebracht Als Dhu ‘l-Nun schon einen sehr
hohen (geistigen) Rang bekleidete, war sich niemand seiner Größe bewusst. Die
Leute aus Ägypten verleumdeten ihn ständig als Häretiker und informierten
den Kalif Muttawakil über seine Taten. Muttawakil befahl seinen Schergen ihn zu verhaften und in
Fesseln ihm vorzuführen. Als Dhu ‘l-Nun des Kalifen
Hof betrat verkündete er, „Heute habe ich den wahrhaften Islam durch eine alte Frau
kennen gelernt und wahre Höflichkeit von einem Wasserträger.“ „Wie das?“ wurde er gefragt. „Als ich an des Kalifen Hof gebracht wurde“, erwiderte
er, „und dessen Pracht erblickte, mit all den Ordonanzen und Hofschranzen,
welche durch die Gänge eilen, wünschte ich eine Verwandlung meines Aussehens.
Da trat eine Frau mit einem Stab in der Hand an mich heran und sprach zu mir. „Hab keine Angst vor dem Körper, vor den man dich nun
bringen wird, denn er und du seid beide Diener des Einen Allmächtigen Herrn.
Und wenn Gott es nicht will, können sie seinem Diener nichts anhaben.“ Und dann sah ich einen Wasserträger auf der Strasse, der mir einen Schluck Wasser reichte. Ich gab
einem der mit mir war ein Zeichen, ihn zu bezahlen, doch dieser Wasserträger
weigerte sich irgendeine Bezahlung anzunehmen. “Du bist ein Gefangener in Ketten“, sagte er, „und es
wäre keineswegs anständig, von solch einem Gefangenen, einem Fremden in
Ketten etwas abzuverlangen.““ Kurze Zeit darauf wurde befohlen, Dhu
‘l-Nun ins Gefängnis zu werfen. Vierzig Tage und Nächte verbrachte er
eingekerkert und jeden Tag brachte ihm die Schwester von Bashr,
dem Barfüssigen einen Laib Brot, den sie mit der
Arbeit ihrer Spindel verdient hatte. Als er aus dem Gefängnis entlassen wurde,
waren die vierzig Laib Brot noch immer unangetastet. Als Bashirs
Schwester dies hörte, war sie sehr traurig. „Du weißt“, sagte sie, „dass dieses Brot aus ehrlicher
Quelle stammte. Warum hast du es nicht gegessen?“ „Weil der Teller unrein war“ antwortete Dhu ‘l-Nun und meinte, dass es durch die unreinen Hände
des Kerkermeisters gegangen war. Als Dhu ‘l-Nun aus
dem Kerker trat, stolperte er und schlug sich die Stirn wund. Es wird
erzählt, dass obwohl viel Blut floss, nicht ein Tropfen in sein Gesicht, auf
sein Haar oder sein Gewand fiel und alles Blut, welches auf den Boden
tropfte, sofort, auf den Befehl des Allmächtigen Gottes verschwand. Dann zerrten sie ihn vor den Kalifen, der ihm befahl, zu
den Anschuldigungen Stellung zu nehmen. Er erklärte seine Lehre in solch
besonderer Art, dass der Kalif in Tränen ausbrach und die Minister voller
Erstaunen seine Beredsamkeit bewunderten. So wurde der Kalif sein Schüler und
bedachte ihn mit hohen Ehren. Dhu ‘l-Nun und der fromme Schüler Dhu ‘l-Nun hatte einen Schüler, der vierzigmal die vierzigtägige
Einkehr hinter sich gebracht, vierzigmal auf dem Berg Arafat gestanden hatte
und vierzig Jahre lang die Nächte hindurch wach geblieben war. Vierzig Jahre
lang hatte er einen Wächter über sein Herz gesetzt. Eines Tages kam er zu Dhu ‘l-Nun und sprach zu ihm. „Vierzig Jahre lang habe ich all dies getan und dennoch
spricht der Freund kein Wort mit mir und schenkt mir keinen einzigen Blick.
Er beachtet mich weder, noch offenbart Er mir etwas aus der unsichtbaren
Welt. All das sage ich nicht, um mich zu loben, sondern zähle nur Tatsachen
auf. Alles habe ich getan, was mir Armseligen eben möglich war. Ich klage
nicht gegen Gott. Ich führe nur die Tatsache an, dass ich mein ganzes Herz
und meine Seele in Seinen Dienst stelle. Doch ich erzähle die traurige
Geschichte meines bösen Glücks, die Geschichte meines Unglücks. Ich sage dies
auch nicht, weil mein Herz der Gehorsamkeit überdrüssig wurde. Ich fürchte
nur, sollte ich noch weiterleben, dass es so weitergehen wird. Denn ein
ganzes Leben habe ich an das Tor der Hoffnung geklopft und doch keine Antwort
erhalten. Nun fällt es mir schwer, dies noch länger zu ertragen. Da du der
Arzt der Unglücklichen bist, der höchste Rezeptschreiber der Weisen,
behandle nun doch meine Verzweiflung.“ „Geh und iss dich satt heute Nacht“, riet ihm Dhu ‘l-Nun. „Lass das Gebet vor dem Zubettgehen aus und schlafe die
ganze Nacht durch. So kann es sein, dass, wenn sich der Freund nicht in Zuwendung
zeigt, Er sich doch wenigstens in Vergeltung zeigt; zeigt Er sich dir nicht
in Vergebung, so vielleicht doch in Strenge.“ Der Derwisch verließ ihn und aß bis er endlich einmal
satt war. Sein Herz gestatte ihm allerdings nicht, das Gebet zu
vernachlässigen und so verrichtete der das Gebet und ging schlafen. Diese
Nacht sah er den Propheten im Traum. „Dein Freund grüßt dich“, sagte der Prophet, „Er sagt:
„ein unglückselig Ruchloser und Betrüger ist der,
welcher an meinen Hof kommt und gleich zufrieden gestellt ist. Die Ursache
dieser Angelegenheit ist Aufrichtigkeit des Lebens und keine Vorwürfe. Gott
der Allmächtige verkündet, Ich habe Deinem Herzen seine Wünsche vierzig Jahre
erfüllt und gewähre dir alles, wonach du dich sehnst. Doch bestelle Dhu ‘l-Nun diesem Gauner, diesem Heuchler meine Grüße.
Sag diesem Lügner und Betrüger, „wenn Ich deine Scham nicht vor der ganzen
Stadt entblöße, bin Ich nicht dein Herr. Sieh zu, dass du die unglücklichen
Liebenden an meinem Hofe nicht betrügst und sie von ihm wegscheuchst.““ Der Schüler erwachte tränenüberströmt und begab sich
gleich zu Dhu ‘l-Nun und erzählte ihm was er
gesehen und gehört hatte. Als Dhu ‘l-Nun die Worte:
„Gott grüßt dich und bezeichnet Dich als Heuchler und Lügner“, geriet er aus
Freude gänzlich aus der Fassung und völlig enthemmt begann er zu lachen, bis
ihm die Tränen kamen. Dhu ‘l-Nuns Anektoten Dhu ‘l-Nun erzählte folgende Geschichte „Ich war in den Bergen unterwegs und traf dort auf ein
bedauernswertes Volk. „Was ist euch denn zugestoßen?“ fragte ich. „Ein Einsiedler lebt hier in seiner Klause“, antworteten
sie, „und einmal im Jahr kommt er heraus und heilt mit seinem Atem die Leute.
Dann kehrt er wieder in seine Klause zurück und erscheint erst wieder nach
einem Jahr.“ Ich wartete geduldig bis dieser Einsiedler heraus kam und
erblickte einen blassen Mann mit eingefallenen Augen. Sein Anblick ließ mich
erzittern. Mitleidig überblickte er die Menge und dann erhob er die Augen zum
Himmel und blies mehrmals über die bedauernswerten Menschen. Alle wurden
geheilt. Als er in seine Klause zurücktreten wollte, ergriff ich
ihn bei seinem Hemd. „Um der Liebe Gottes willen“, rief ich, „du hast die
äußerlichen Krankheiten geheilt, so bete und heile die inwendige Krankheit.“ „Dhu ‘l-Nun“ sagte er und
starrte mich an, „nimm deine Hand von mir. Der Freund beobachtet uns von der
höchsten Höhe der Macht und Majestät. Wenn er dich an jemand anderen klammern
sieht, wird er dich dieser Person ausliefern und diese Person dir ausliefern
und ihr werdet beide aneinander zugrunde gehen.“ Mit diesen Worten verschwand er in seiner Zelle.“ Eines Tages fanden Freunde die Dhu
‘l-Nun besuchten ihn in Tränen aufgelöst. „Warum weist du?“ fragten sie. „Letzte Nacht, als ich mich im Gebet niederwarf“, gab er
zur Antwort, „bin ich eingeschlafen. Ich erblickte den Herrn und er sprach zu
mir, „O Abu `l-Faiz, Ich erschuf alle Lebewesen und sie trennten sich in zehn
Teile. Ich bot ihnen die materielle Welt an und neun dieser zehn Gruppen
wandten sich ihr zu und nur ein Teil blieb über. Diese Gruppe spaltete sich
erneut in zehn Abteilungen. Ich bot diesen das Paradies an und neun von ihnen
wandten sich ihm zu und eine Gruppe blieb übrig. Diese eine Gruppe spaltete
sich wiederum in zehn Teile. Ich setzte die Hölle vor sie und sie alle flohen
von ihr und zerstreuten sich vor lauter Angst vor ihr, nur eine Gruppe blieb
über, nämlich jene, welche weder von der materiellen Welt angezogen wurden,
noch das Paradies begehrte und auch die Hölle nicht fürchtete. Ich sagte zu
ihnen, „Meine Diener, ihr habt die materielle Welt nicht beachtet, das
Paradies nicht begehrt, noch die Hölle gefürchtet. Wonach begehrt ihr?“ Sie
erhoben die Häupter und riefen: „Du weißt am besten, wonach wir begehren.“ Eines Tages suchte ein Knabe Dhu
‘l-Nun auf und sagte, „Ich besitze hundert tausend Dinare und will sie in
deinem Dienst ausgeben. Ich will dieses Gold für deine Derwische verwenden. „Bist du schon erwachsen?“ fragte ihn Dhu
‘l-Nun. „Nein“, gab dieser zur Antwort. „Dann steht es dir nicht zu, solche Ausgaben zu tätigen“,
belehrte ihn Dhu ‘l-Nun. „Warte geduldig bis du
erwachsen geworden bist.“ Als die Zeit gekommen war, kehrte der Junge zu Dhu ‘l-Nun zurück, bereute in seinen Händen und gab all
sein Gold den Derwischen bis nichts mehr von diesen hundert tausend Dinaren
übrig war. Nicht viel später geschah ein Unglück, doch nichts war
den Derwischen geblieben, hatten sie doch das ganze
Geld ausgegeben. „Welch ein Pech, dass es nicht
noch einmal hundert tausend gibt, damit ich sie für diese wunderbaren Männer
ausgeben könnte“, sagte der Wohltäter. Als Dhu ‘l-Nun ihn diese Worte
sprechen hörte, erkannte er, dass der junge Mann noch nicht zur inneren
Wahrheit des mystischen Lebens vorgedrungen war, da weltliche Güter noch
immer von Bedeutung für ihn waren. Er rief den jungen Mann zu sich und wies
in an, „Geh zu jenem Apotheker und sag ihm von mir, er soll dir für drei
Dirham von der-und-der Medizin geben.“ Der Junge tat wie ihm geheißen und kehrte gleich darauf
zurück. „Gib die Sachen in den Mörser und zerreibe sie zu feinem
Pulver“, befahl ihm Dhu ‘l-Nun. „dann füge etwas Öl
dazu, damit es zu einer Paste wird. Forme daraus drei Kügelchen, durchstoße
jedes mit einer Nadel und dann bringe sie mir.“ Der Junge tat wie ihm aufgetragen war und brachte ihm die
Kügelchen. Dhu ‘l-Nun rieb sie in seinen Händen und
blies über sie und sie verwandelten sich in drei Rubine, so schön wie man es
noch nie gesehen hatte. „Nun nimm sie, bringe sie zum Marktplatz und lasse ihren
Wert schätzen“, befahl ihm Dhu ‘l-Nun, „aber
verkaufe sie nicht!“ Der Junge ging und jeder Stein wurde auf tausend Dinare
geschätzt. Er ging zu Dhu ‘l-Nun zurück und
berichtete ihm dieses Ergebnis.“ „Jetzt gib sie in diesem Mörser, zerstoße sie und wirf
sie ins Wasser“, wies Dhu ‘l-Nun ihn an. Der Junge führte getreulich aus, wie es ihm aufgetragen worden
war. „Mein Junge“, sagte Dhu ‘l-Nun,
„diese Derwische sind nicht hungrig weil sie zuwenig
Brot haben, sie haben sich dafür freiwillig entschieden.“ Der Junge bereute und seine Seele erwachte und fortan
hatte die Welt keinen Wert mehr in seinen Augen. Dhu ‘l-Nun erzählte folgende Begebenheit. „Dreißig Jahre habe ich die Menschen zur Reue aufgerufen,
doch nur eine einzige Person kam an den Hof Gottes in rechtem Gehorsam. Und
dies begab sich folgendermaßen. Eines Tages zog ein Prinz mit seinem Gefolge an mir vor
der Moschee vorbei und ich sprach folgende Worte. „Kein Mensch ist dümmer, als ein Schwächling, der sich
mit den Starken anlegt.“ „Was soll dies bedeute?“ begehrte der Prinz zu wissen. „Der Mensch ist ein Schwächling und doch legt er sich mit
Gott an, der der Starke ist“, sagte ich. Der junge Prinz wurde blass, stand auf und entfernte
sich. Nächsten Tag kehrte er zurück. „Welches ist der Weg zu Gott?“, verlangte er zu wissen. „Es gibt den großen und den kleinen Weg“, antwortete ich,
„welchen der beiden willst du? Wenn du nach dem kleinen begehrst, dann sage
dich los von dieser Welt, den fleischlichen Gelüsten und sündigem Treiben.
Willst du den großen, dann sage dich von allem los außer von Gott und
entleere dein Herz aller Dinge.“ „Bei Gott“, sprach der Prinz, „ich wähle den großen Weg:“ Am nächsten Tag legte er das wollene Gewand an und begab
sich auf den mystischen Pfad. Und auf rechtem Weg wurde er zu einem Heiligen. Die folgende Geschichte erzählte Abu Ja’far
der Uniyde. Ich war mit Dhu ‘l-Nun und all
seinen Gefährten zusammen und sie erzählten sich Geschichten über unbelebte
Dinge, welche Befehle befolgten. Im Raum stand auch ein Sofa. „Ein Beispiel“, sagte Dhu
‘l-Nun, „wäre, wenn ich diesem Sofa befehlen würde, um das Haus herumzulaufen
und es diesem Befehl nachkäme.“ Dhu ‘l-Nun hatte noch nicht ausgesprochen als das Sofa sich in
Bewegung setzte und das Haus zu umrunden begann und sich anschließend wieder
auf seinen Platz zurück begab. Ein anwesender junger Mann brach in Tränen aus
als er dies sah und gab darauf seinen Geist auf. Sie wuschen seinen Leichnam
auf genau diesem Sofa und begruben ihn. Eines Tages kam ein Mann zu Dhu
‘l-Nun und sagt, „Ich bin verschuldet und nicht in der Lage meine Schulden zu
bezahlen.“ Dhu ‘l-Nun hob einen Stein vom Boden auf
und gab ihn dem Mann. Dieser trug ihn zum Basar und verkaufte ihn um 400
Dirhams, denn er war zu einem Smaragd geworden und bezahlte seine Schulden. Ein bestimmter junger Mann hetzte immerfort gegen die
Sufis. Eines Tages nahm Dhu ‘l-Nun
seinen Ring vom Finger und überreichte ihn diesem Jungen. „Bringe ihn auf den Markt und biete ihn um einen Dinar
an“, sagte er zu ihm. Der Junge trug den Ring zum Markt, doch keiner wollte
mehr als einen Dirham dafür bezahlen. Mit dieser Nachricht kehrte der junge
Mann zurück. „Nun bringe ihn zu den Juwelieren und siehe auf welchen
Wert sie ihn schätzen“, trug Dhu ‘l-Nun ihm auf. Die Juweliere taxierten den Ring auf etwa eintausend
Dinar. „Du weißt über die Sufis in etwa so gut Bescheid“, sagte Dhu ‘l-Nun, „wie diese Stallburschen auf dem Markt über
diesen Ring Bescheid wissen.“ Der Junge bereute und legte sein Misstrauen gegenüber den
Sufis ab. Dhu ‘l-Nun hatte seit zehn Jahren Verlangen nach Sekbaj und doch
diesem Begehren niemals nachgegeben. Nun war der Abend des Feiertages
gekommen und seine Seele flüsterte ihm zu, „Na, wie wäre es, wenn du uns
Morgen einen mundvoll Sekbaj als Feiertagsgeschenk
vergönnen würdest?“ „Seele“, antwortete Dhu ‘l-Nun,
„wenn du von mir verlangst, dir diesen Wunsch zu erfüllen, dann sei mit mir
heute Nacht einverstanden in zwei Rakats den ganzen
Qur’an zu rezitieren.“ Seine Seele war einverstanden. Am nächsten Tag bereitete Dhu ‘l-Nun Sekbaj vor und stellte es seiner Seele vor die Nase. Er
wusch seine Finger und begab sich ins Gebet. „Was geschah dann?“ wurde er gefragt. In diesem Moment sagte meine Seele zu mir „Wenigstens
nach zehn Jahren habe ich das Ziel meines Begehrens erreicht.“ „Bei Gott“,
antwortete ich, „du wirst dieses Ziel nicht erreichen.“ Der Erzähler dieser Geschichte berichtete, dass einen
Moment, nachdem Dhu ‘l-Nun dies gesagt hatte, ein
Mann das Zimmer betrat und einen Topf Sekbaj vor ihn stellte. „Meister“, sprach er, „ich komme nicht aus eigenem,
sondern wurde gesandt. Lass es mich erklären. Ich verdiene meinen
Lebensunterhalt als Lastenträger und habe Kinder. Seit einiger Zeit schon
bitten sie mich um Sekbaj zum Feiertag. Ich hatte
also dafür gespart und letzte Nacht Sekbaj zum Feiertag zubereitet. Heute begegnete mir im
Traum die weltentrückende Schönheit des Gesandten Gottes der zu mir sprach.
„Bring dies dem Dhu ‘l-Nun und richte ihm aus, dass
Muhammad, der Sohn des Abd Allah, der Sohn des Abd al-Muttalib ihn bittet,
einen Moment Waffenstillstand mit seiner Seele schließen und einige Mundvoll
davon zu nehmen.“ „Ich gehorche“, sagte Dhu
‘l-Nun unter Tränen. Als Dhu ‘l-Nun auf seinem
Sterbebett lag fragten ihn seine Freunde, „Was wünscht du?“ „Mein Wunsch ist“, antwortete er, „dass bevor ich sterbe,
und sei es nur für einen kleinen Moment, ich Ihn erkennen könnte.“ Und dann sprach er folgende Verse. Die Furcht hat mich verbraucht Mein Sehnen hat mich aufgelöst Die Liebe mich betört Gott mich ins Leben hat zurückgebracht Einen Tag später verlor er das Bewusstsein. Und an dem
Tag, an welchem er diese Welt verließ, sahen siebzig Menschen den Propheten
im Traum und alle berichteten, dass der Prophet gesagt hatte, „Der Freund
Gottes kommt ich komme um ihn zu begrüßen.“ Als er starb erschienen in grüner Schrift folgende Worte
auf seinen Augenbrauen, „Dies ist der Freund Gottes. Er starb in Liebe für
Gott. Er ist das Opfer durch das Schwert Gottes.“ Als sie seinen Sarg zu Grabe trugen, war es sehr heiß.
Die Vögel aus der Luft kamen angeflogen und fächelten mit ihren Flügeln
kühlen Wind seinem Leichnam zu, bis er von seinem Haus zum Friedhof getragen
worden war. Als er nun auf seinem letzten Weg unterwegs war, rief ein
Muezzin zum Gebet und als dieser zum Einheitsbekenntnis kam, hob Dhu ‘l-Nun seinen Finger aus dem Leichentuch. „Er lebt!“ erschallte der Ruf und sie stellten den
Leichnam nieder. Der Finger blieb erhoben, doch er war tot und wie sehr sie
sich auch bemühten, sie konnten den Finger nicht zurück biegen. Als die Leute
aus Ägypten davon Kunde erhielten, schämten sie sich für alles was sie ihm
Übles angetan hatten. Sie verrichteten noch Dinge über seinem Staub, über die
man gar nicht sprechen kann. Abu Yazid Taifur
ibn ‘Isa ibn Sorushan al-Bistami wurde als
Enkel eines Zoroastriers in Bistam, im
nordöstlichen Persien geboren, wo er auch 261 (874) oder 264 (877) starb.
Sein Mausoleum steht immer noch dort. Als Begründer der ekstatischen
(trunkenen) Schule im Sufitum ist er für die
Kühnheit bekannt, mit welcher er den Zustand der vollkommenen Auflösung in
der göttlichen Sphäre zum Ausdruck brachte. Besonders die Beschreibung einer
Reise in den Himmel (eine Anlehnung an die Himmelfahrt des
Propheten) wurde von Verfassern späterer Werke intensiv weiter bearbeitet und
beeinflusste die Vorstellung jener, die nach ihm kamen ganz außerordentlich. Abu Yazids Geburt und frühen
Jahre Abu Yazid al-Bistamis Großvater war ein Zoroastrer
und sein Vater einer der führenden Bürger Bistams.
Abu Yazids außergewöhnliche Laufbahn begann bereits
im Leib seiner Mutter. „Jedes Mal wenn ich einen zweifelhaften Bissen in den
Mund steckte,“ pflegte seine Mutter ihm zu erzählen, „hast du in meinem Bauch
zu strampeln begonnen und erst wieder damit aufgehört, wenn ich diesen Bissen
aus dem Mund nahm.“ Diese Geschichte wird von Abu Yazid
selbst bestätigt. „Was ist das Beste für einen Mann auf dem Weg?“ wurde er
gefragt. „Angeborenes Glück“, gab er zur Antwort. „Und wenn dies fehlt?“ „Ein starker Körper.“ „Und wenn der schwach ist?“ „Ein aufmerksames Gehör.“ „Und ohne solches?“ „Ein wissendes Herz.“ „Und ohne dieses?“ „Ein sehendes Auge.“ „Und wenn dies auch fehlt?“ „Ein schneller Tod!“ Wie es sich gehörte, schickte ihn seine Mutter zur
Schule. Er erlernte dort den Qur’an und eines Tages erklärte sein Meister
die Bedeutung eines Verses der Sure Luqman. „Seid
Mir dankbar und euren Eltern.“ Diese Worte berührten Abu Yazids
Herz. „Meister“, sagte er und legte seine Tafel nieder,
„erlaubt mir nach Hause zu gehen und einige Worte an meine Mutter zu
richten.“ Der Lehrer erteilte die Erlaubnis und Abu Yazid ging nach Hause. „Warum, Taifur“, rief seine
Mutter, „warum bist du nach Hause gekommen? Haben sie dir ein Geschenk
gemacht oder hat es irgendeinen anderen besonderen Grund?“ „Nein“, erwiderte Abu Yazid,
„wir haben den Vers besprochen, in welchem mir Gott aufgetragen hat Ihm und
Dir zu dienen. Ich kann doch nicht in zwei Häusern gleichzeitig den Dienst
versehen und so hat es mich zu einem Entschluss gedrängt. Entweder bittest du
Gott um mich, so dass ich völlig dir gehöre oder übergibst mich Gott, so dass
ich vollkommen in Ihm wohnen kann.“ „Mein Sohn”, sagte darauf seine Mutter, „ich überlasse
dich Gott und entbinde dich deiner Pflichten mir gegenüber. Geh und sei
Gottes.“ „Die Aufgabe welche ich als die hintergründigste
erachtete, erwies sich als die vordergründigste“,
erinnerte sich Abu Yazid später. „Und zwar war dies meiner Mutter zu gefallen. Dadurch
dass ich meiner Mutter Ehre erwies, erreichte ich all das, was ich durch
meine vielen Taten der Selbstdisziplinierung und gottesdienstlichen
Handlungen zu erreichen suchte und dies trug sich zu wie folgt. Eines Nachts
bat mich meine Mutter um ein Glas Wasser. Ich ging um welches zu holen, doch
der Krug war leer. Ich nahm den Eimer, doch dieser war ebenfalls leer und so
ging ich zum Fluss um den Eimer zu füllen. Als ich im Haus zurück war, war
meine Mutter wieder eingeschlafen. „Es war eine kalte Nacht. Ich behielt den Krug in meiner
Hand und als meine Mutter erwachte, trank sie etwas Wasser und segnete mich.
Da bemerkte sie, dass der Krug an meiner Hand angefroren war. „Warum hast du
den Krug nicht beiseite gestellt?“ rief sie. „Ich hatte Angst dass du
aufwachen würdest, wenn ich gerade nicht da wäre“, antwortete ich. „Lass die
Tür halb offen“, sagte meine Mutter darauf. Ich gab fast bis zur Morgendämmerung darauf acht, ob die
Türe wohl auch halb offen bliebe und ich die Anordnung meiner Mutter nicht
unbeachtet ließ. Und zur Stunde der Morgendämmerung, trat das was ich so
inniglich und vielmals ersehnt hatte, durch diese Türe ein.“ Nachdem seine Mutter ihn Gott überlassen hatte, verließ
Abu Yazid Bistam und zog
vierzig Jahre im Land umher und disziplinierte sich selbst mit ununterbrochnem Wachsein und
Hunger. Er suchte hundertdreizehn geistige Vorbilder auf und lernte von ihnen
allen. Unter ihnen war einer namens Sadiq.
Er saß zu dessen Füßen, als ihn der Meister plötzlich aufforderte, „Abu Yazid bring mir das Buch, welches am Fenster liegt.“ „Fenster? Welches Fenster?“ fragte Abu Yazid. “Was”, sagte der Meister, “jetzt bist du schon so oft
hier her gekommen und hast das Fenster
nicht gesehen?“ „Nein,“ antwortete Abu Yazid, „was habe ich mit dem Fenster zu tun? Wenn ich
hier her vor dich komme, verschließe ich meine Augen vor allem anderen und
komme nicht dazu herumzuschauen.“ „Wenn das so ist“, sagte sein Lehrer, „geh zurück nach Bistam, deine Arbeit hier ist abgeschlossen.“ Man hatte Abu Yazid von einem
herausragenden Lehrer an einem gewissen Ort erzählt. So ging er weit, um
diesen aufzusuchen. Als er ganz in seiner Nähe war, sah er diesen in Richtung
Mekka spucken und darauf hin kehrte er auf der
Stelle um. „Wenn er auch nur irgendetwas auf dem Pfad erreicht
hätte“, merkte er an, „hätte er sich niemals der Überschreitung der
Gesetzlichkeit schuldig gemacht.“ In diesem Zusammenhang wird erzählt, dass sein Haus
vierzig Schritte von der Moschee entfernt war und er niemals aus Respekt vor
der Moschee auf die Strasse spuckte. Abu Yazid braucht zwölf ganze
Jahre um die Kaaba zu erreichen. Dies deshalb, weil er an jedem Gebetsplatz
anhielt, seinen Gebetsteppich ausrollte und zwei Rakats
betete. „Dass ist nicht der Hof eines
weltlichen Königs“, pflegte er zu sagen, „dass man in einem Stück gleich
hinlaufen könnte.“ Letztlich erreichte er doch die Kaaba. Allerdings
gelangte er im gleichen Jahr nicht mehr nach Medina.“ „Es wäre nicht gehörig, diesen Besuch einfach
anzuhängen“, erklärte er, „ich werde eigene Pilgerkleider für die Reise nach
Medina anlegen.“ Das nächste Jahr kehrte er wieder zurück, und legte das
Pilgerkleid extra am Rande der Wüste an. Als er auf seiner Reise durch eine
bestimmte Stadt kam, schlossen sich ihm eine Menge Leute an und zogen hinter
ihm her. „Wer sind diese Menschen?“ wollte er wissen mit einem
Blick zurück. „Sie wünschen in Deiner Gegenwart zu sein“, kam die
Antwort. „Herr und Gott!“ rief Abu Yazid,
„ich bitte Dich, verberge Dich vor Deinen Geschöpfen nicht durch mich!“ Alsdann wollte er deren Liebe zu ihm aus ihren Herzen
vertreiben und um das Hindernis seiner selbst aus ihrem Pfad zu entfernen,
sprach er nach dem Abendgebet folgendes zu ihnen, „Wahrlich ich bin Gott; und es gibt keinen anderen Gott als mich;
daher dienet mir!“ „Der Mann ist verrückt geworden“, schrieen
sie und verließen ihn sofort. Abu Yazid setzte seinen Weg
fort und fand einen Schädel auf dem geschrieben stand: Taub, stumm und blind – sie verstehen nicht. Mit einem Aufschrei hob er den Schädel auf und küsste
ihn. „Das scheint der Schädel eines Sufis zu sein“, murmelte
er, „der in Gott aufgegangen ist - er hat kein Ohr die weltliche Stimme zu
vernehmen, kein Auge die vergängliche Schönheit zu erblicken, keine Zunge die
Erhabenheit Gottes zu preisen und keinen Verstand, um so viel wie eine Motte
vom wahren Wissen um Gott zu begreifen. Dieser Vers beschreibt ihn.“ Eines Tages war Abu Yazid mit
einem Kamel unterwegs, dem er einen Sattel mit seiner Verpflegung aufgebunden
hatte. „Armes kleines Kamel, das so schwer zu tragen hat“, rief
jemand, „das ist wirklich grausam!“ Nachdem Abu Yazid dies immer
wieder und wieder anhören musste, antworte schließlich. „Junger Mann, es ist nicht das Kamel, welches diese
schwere Last zu tragen hat.“ Der Mann kam, um betätigt zu sehen, dass natürlich das
Kamel die Last zu tragen hatte. Er bemerkte jedoch, dass die Last eine Spanne
über des Kamels Rücken schwebte und das Kamel kein bisschen davon verspürte. „Ehre sei Gott, ein Wunder!“ rief der junge Mann. „Wenn ich die Wahrheit vor dir verberge, dann zerreißt du
deine Zunge in Widerrede“, sagte Abu Yazid, „und
wenn ich sie dir offenbare, kannst du sie nicht ertragen. Was soll man mit
einem wie dir machen?“ Nachdem Abu Yazid Medina
besucht hatte, erhielt er den Befehl zurückzukehren und sich um seine Mutter
zu kümmern. Sofort machte er sich auf den Weg nach Bistam,
von einer Menge Leute begleitet. Die Nachricht verbreitete sich schnell in
der Stadt und die Bewohner Bistams kamen eine gute
Strecke vor die Stadt, um ihn zu begrüßen. Abu Yazid
war nahe daran durch ihr Tun von seiner Gottesaufmerksamkeit abgelenkt zu
werden. Als sie bei ihm angelangt waren, nahm er einen Laib Brot aus seinem
Ärmel und begann zu essen, obgleich man den Monat Ramadhan
schrieb. Als die Leute dies bemerkten, wendeten sie sich sofort wieder von
ihm ab. „Habt ihr gesehen“, wandte sich Abu Yazid
an seine Begleiter, „ich habe mich an die Vorschrift des geheiligten Gesetzes
gehalten und all diese Leute haben mich zurückgewiesen.“ Geduldig warte er bis zum Sonnenuntergang. Mitternacht
betrat er Bistam, begab sich zu seiner Mutter Haus
und blieb eine Weile lauschend davor stehen. Er hörte das Geräusch davon,
dass seine Mutter die Gebetswaschung vollzog und sich ins Gebet begab. „Herr und Gott, kümmere Dich um diesen Auswanderer. Mache
die Herzen der Scheichs ihm gewogen und leite ihn an, alle Dinge gut zu
verrichten.“ Abu Yazid weinte, als er diese
Worte vernahm. Dann klopfte er an die Tür. „Wer ist da?“ rief seine Mutter. „Dein Auswanderer,“ gab er zur
Antwort. Mit Tränen in den Augen öffnete seine Mutter. Ihr
Augenlicht war getrübt. „Taifur“, sprach sie ihren Sohn
an, „weißt du, was mir das Augenlicht genommen hat? Meine vielen Tränen die
ich vergossen habe, weil ich von dir getrennt war. Und mein Rücken ist
zweifach gekrümmt von der Last der Sorge, welche ich ertragen habe.“ Die Erhebung Abu Yazids Abu Yazid erzählt folgendes. Ich blickte auf Gott mit dem Auge der Gewissheit, nachdem
Er mich auf die Stufe der Unabhängigkeit von allen Geschöpfen erhoben und
mein Herz mit Seinem Licht erleuchtet, mir die Wunder Seiner Geheimnisse und
die Erhabenheit seines ER-SEINS enthüllt hatte. Nach der Betrachtung Gottes wandte ich den Blick auf mich
selbst. Mein Licht war Dunkelheit im Vergleich zum Licht Gottes, meine
Erhabenheit versank in Nichts im Gegensatz zu Gottes Größe und meine Ehre in
Anmaßung im Vergleich zur Ehre Gottes. Hier war alles Reinheit, alles ohne
Makel. Als ich erneut schaute, sah ich mein Selbst in Gottes
Licht und ich verstand, dass mein Ruhm Seine Erhabenheit, Sein Ruhm war. Was
immer ich tat, ich tat es durch Seine Allmacht. Was immer das Auge meines
physischen Körpers erblickte, sah es durch Ihn. Ich schaute mit dem Auge der
Gerechtigkeit und Wirklichkeit; all meine Anbetung geht von Gott aus, nicht
von mir, obgleich ich immer angenommen hatte, dass ich es wäre, welcher den
Gottesdienst verrichtete. Ich sprach „Gott – was ist das?“ „All das bin Ich – es gibt nichts außer Mir.“ Dann drang Er in mein Auge ein, damit es der Welt nicht
mehr gewahr wäre und unterrichtete meiner Augen Blick das Wesen der Dinge
wahrzunehmen, das Sein Seines Seins. Er löschte mich meinem Selbst aus und
machte mich ewig durch Seine Ewigkeit und erhob mich. Er offenbarte mir Sein
eigenes Selbst, ungetrübt durch meine eigene Existenz. So hat Gott, die eine
Wahrheit, in mir die Wirklichkeit vermehrt. Durch Gott erblickte ich Gott
und gewahrte Seine Wirklichkeit. In diesem Zustand verweilte ich für eine
Weile in höchster Freude. Mein angestrengtes Ohr machte ich dicht. Die Zunge
der Sehnsucht steckte ich in die Kehle der Enttäuschung. Das erworbene Wissen
schickte ich in die Verbannung und entfernte die Einmischung der Seele,
welche sich um das Schlechte bemüht. Dann hielt ich still für eine Weile, und
mit der Hand Gottes Güte, wischte ich alles Überflüssige vom Pfad der
grundlegenden Prinzipien. Gott hatte Erbarmen mit mir und gewährte mir ewiges
Wissen und pflanzte mir eine Zunge aus Seiner Güte ein Für mich erschuf Er
ein Auge aus Seinem Licht und ich sah alle Geschöpfe durch Gott. Mit der
Zunge Seiner Güte sprach ich mit Gott und aus dem Wissen Gottes bezog ich Wissen
und durch Sein Licht erblickte ich Ihn. Er sprach: „O du alles ohne allem, mit allem, ohne Mittel
mit allen Mitteln!“ Ich sagte: „O Gott, lass mich durch solches nicht
irregehen. Lass mich mit meinem eigenen Sein nicht selbstzufrieden werden,
und mich nicht mehr nach Dir sehnen. Besser ist es, wenn Du mein ohne mich
bist, als ich wäre mein ohne Dich. Besser ist es, dass ich zu Dir durch Dich
spreche, als wenn ich zu mir selbst ohne Dich spräche.“ Er sprach, „Nun hör das Gesetzt und überschreite nicht Meine
Gebote und Meine Verbote, dass deine Bemühungen Unseren Dank verdienen.“ Ich sagte, „Insoweit ich den Glauben bekenne und mein
Herz ihn bestätigt, ist es besser, wenn Du Dir selbst dankst, denn Deinem
Sklaven und wenn Du Vorwürfe machst, so bist Du frei von allem Vorwurf.“ Er sagte, „Von wem hast du gelernt?“ Ich sagte, „Der Fragende weiß darüber besser Bescheid als
der Befragte, denn Er ist sowohl der Begehrende als auch der Begehrte, er ist
der, dem die Antwort gegeben wird und der welcher die Antwort gibt.“ Nachdem Er die Reinheit meiner innersten Seele erkannte,
vernahm meine Seele einen Ruf der Befriedigung Gottes; Er beschloss Sein Wohlgefallen
über mich. Er erleuchtete mich und befreite mich aus der Dunkelheit der
fleischlichen Seele und der Verderbnis fleischlicher Natur. Ich wusste, dass
ich durch Ihn lebte; durch Seine Gnade der Teppich der Glückseligkeit sich in
meinem Herzen entrollte. Er sagte, „Bitte worum du auch immer willst.“ Ich sagte, „Ich wünsche nur Dich, denn Du bist größer als
jedes Geschenk, gewaltiger als jede Großzügigkeit und durch Dich habe ich
habe ich die Zufriedenheit in Dir gefunden. Seit Du mein bist, habe ich
meinen Wunschzettel zusammengefaltet. Halte mich nicht von Dir fern und biete
mir nicht mir solches an, was geringer ist als Du.“ Eine ganze Weile bekam ich keine Antwort. Alsdann setzte
Er mir die Krone der Freigebigkeit aufs Haupt und sprach, „Du sprichst die
Wahrheit und die Wirklichkeit erstrebst du – und soweit hast du die
Wirklichkeit gesehen und die Wahrheit gesprochen.“ Ich sagte, “Wenn ich gesehen habe, habe ich durch Dich
gesehen und wenn ich gehört habe, so geschah dies durch Dich. Du bist der
Erste der hört, dann erst hörte ich.“ Und auf mannigfaltige Weise pries ich Ihn. Daraufhin
verlieh er mir die Flügel der Majestät, mit welchen ich in die Gefilde Seiner
Erhabenheit entschwebte und die Wunder Seiner Fertigkeiten betrachtete. In
Kenntnis meiner Schwäche und Bedürftigkeit verlieh Er mir aus Seiner Kraft
und umgab mich mit Seinem Schutz der Zierde. Er setzte mir die Krone der Freigebigkeit aufs Haupt und
eröffnete mir das Tor Seiner Ein- und Einzigkeit. Als Er erkannte, dass meine
Eigenschaften in den Seinen aufgegangen waren, schmückte Er mich mit einem
der Namen Seiner Gegenwart und sprach mit Seinem Selbst an. Die Einzigkeit
wurde wirklich und Dualität verschwand. Er sagte, „Unser Wohlgefallen ist dein Wohlgefallen und
dein Wohlgefallen ist Unser Wohlgefallen. Deine Rede lässt kein Schändung
zu und niemand zieht dich aufgrund Deiner Ich-heit
zur Verantwortung.“ Dann ließ er mich den Stich der Eifersucht schmecken und
alsdann belebte Er mich erneut und in Reinheit entstieg ich dem Schmelzofen
der Prüfung. Dann sprach Er. „Wessen ist das Königreich.“ Ich sagte, “Dein.” “Wessen ist der Befehl?” Ich sagte, “Dein.” Er sagte, „Wessen ist die Entscheidung?“ Ich sagte, “Dein.” Da diese Worte genau die gleichen waren, als jene zu
Beginn dieser Unterhaltung, wünschte Er mir zu zeigen, dass, ginge Seine
Barmherzigkeit über alles, fände die Schöpfung keine Erlösung und wäre es
nicht der Liebe willen, hätte die Allmacht vollkommene Zerstörung über die
Schöpfung gebracht. Er betrachtete mich durch das Auge der Überwältigung
durch das Medium des Allbezwingenden, sodass erneut
keinerlei Spur von mir selbst zu finden war. In meiner Trunkenheit warf ich mich in jedes Tal. Ich
schmolz meinen Körper in jedem feurigen Schmelztiegel Feuer der Eifersucht.
Ich galoppierte auf dem Ross des Strebens über die Ebene der Wildnis Ich fand keine bessere Jagdbeute als äußerste Bedürftigkeit,
nichts Besseres fand ich als die völlige Unfähigkeit. Keine Lampe sah ich
heller leuchten denn das Schweigen, keine bessere Rede vernahm ich als die
der Sprachlosigkeit. Bewohner im Palast des Schweigens wurde ich; ich
kleidete mich im Wams der Glückseligkeit, bis die Dinge ihre Entscheidung
fanden. Er fand mein Äußeres und Inneres bar des Mangels fleischlicher Natur.
Er öffnete einen Riss der Erleichterung in meiner verdunkelten Brust und
verlieh mir eine Zunge der Trennung und Einheit. So ist nun endlich die Zunge
der ewiglichen Gnade mein, ein Herz göttlichen
Lichts und ein Auge göttlicher Machart. Durch Seine Hilfe spreche ich, durch
Seine Kraft greife ich. Und da durch Ihn ich lebe, werde ich niemals sterben. Da ich diese Station erreicht habe, ist mein Merkmal
ewiglich; mein Ausdruck für immer andauernd; meine Sprache die Sprache der
Einheit, mein Geist der Geist der Vielheit und Trennung. Nicht aus eigenem
rede ich, bloß als Erzähler, nicht aus eigenem rede ich, als ein sich bloß
Erinnernder. Er bewegt meine Zunge, gerade wie es Ihm beliebt und in all dem
bin ich nur ein Übersetzer. In Wahrheit ist Er der Redner und nicht ich. Mich nun erhöht habend, sprach Er wieder. „Die Geschöpfe sehnen sich danach dich zu sehen.“ Ich sprach „Ich sehne mich nicht danach sie zu sehen.
Wenn Du beschließt, mich den Geschöpfen vorzuführen, so werde ich mich Dir
nicht widersetzen. Hülle mich in Deine Einheit, sodass, wenn Deine Geschöpfe
mich anblicken und Dein Handwerk erkennen, sie den Künstler erblicken und ich
gar nicht vorhanden bin.“ Diesen Wunsch erfüllte Er mir; und er setzte mir die
Krone der Freigebigkeit auf mein Haupt und veranlasste mich, den Zustand
meiner fleischlichen Natur zu überwinden. Dann sagte Er, „Tritt vor Meine Geschöpfe.“ So trat ich einen Schritt aus der Gegenwart und beim
zweiten Schritt fiel ich kopfüber. Ich vernahm einen Ruf. „Bringt Meinen Geliebten zurück, denn er kann ohne Mich
nicht sein und auch kennt er keinen Weg außer den zu
Mir.“ Abu Yazid erzählte auch
folgendes. Als ich das erste mal in die
Einheit trat und sie erkannte – lief ich für viele Jahre in diesem Tal auf
den Füssen des Verstehens, bis ich zu einem Vogel wurde, dessen Körper aus
Einheit gemacht war und dessen Schwingen aus Ewigkeit bestanden. Ich flog
lange durchs Firmament der Bedingungslosigkeit und als ich den geschaffenen Dingen entschwand, sprach ich. „Ich bin zum Schöpfer gelangt.“ Darauf erhob ich meinen Kopf aus dem Tal der Herrschaft.
Ich stürzte einen Becher hinunter gegen den Durst der in aller Ewigkeit nie gestillt
wird. Dann flog ich dreißigtausend Jahre in der Weite Seiner Einheit und
weitere dreißigtausend Jahre flog ich in Seiner Göttlichkeit und nochmals
dreißigtausend Jahre in Seiner Einzigkeit. Als neunzigtausend Jahre
vergangen waren, sah ich Abu Yazid und alles was
ich sah, war – ich war alles. Darauf durchquerte ich viertausend Wildnisse und kam ans
Ende. Als ich aufblickte, erkannte ich mich am Anfang der Stufe der Prophetenschaft. Eine ganze Weile bewegte ich mich in
dieser Ewigkeit weiter bis ich sprach, „Niemand gelangte jemals höher.
Erhabener als diese Position kann keine sein.“ Als ich genauer hinsah, bemerkte ich, dass mein Kopf sich
unter der Fußsohle eines Propheten befand. Da erkannte ich, dass die höchste
Stufe der Heiligen bis zum Anfang der Stufe der Propheten reicht. Der Zustand
über der Stellung der Propheten kennt keine Bezeichnung. Dann durchdrang mein Geist das ganze jenseitige Reich,
und Himmel und Hölle erschienen ihm, doch nichts geschah, was er nicht
ertragen konnte. An keiner Seele eines Propheten zog er vorbei, ohne ihm den
Gruß zu entbieten und als er an die Seele des von Gott Erwählten kam, Friede
sei mit ihm, erblickte er hunderttausend uferlose Meere aus Feuer und tausend
Schleier aus Licht. Wäre ich auch nur mit einem Zeh in eines dieser Meere
eingetaucht, so wäre ich der vollständigen Vernichtung überantwortet worden.
Das erfüllte mich so mit Furcht und Verwirrung, dass rein gar nichts mehr von
mir übrig blieb. Dennoch wünschte ich, nur den Zeltpflock von Muhammad, Gottes
Gesandten, Pavillon sehen zu können. Ich getraute mich nicht. Obwohl ich an
Gott gelangt war, hatte ich nicht den Mut, an Muhammad heranzutreten. Dann sagte Abu Yazid. „O Gott,
jedes Ding das ich sah, war ich. Es gibt keinen Weg zu Dir, solange dieses
“ich” noch vorhanden ist. Es gibt keinen Weg für mich, mein Selbst zu
überkommen. Was muss ich tun?“ Der Befehl kam, „Um aus Deiner „Duheit“
befreit zu werden, folge unserem Geliebten, dem Araber Muhammad. Salbe dein
Auge mit dem Staub seiner Füße und folge ihm weiter nach.“ Abu Yazid und Yahya-e Mu’adh Yahya-e Mu’adh schrieb einen
Brief an Abu Yazid und fragte, „Was sagst du zu
einem Mann, der einen Becher Wein geleert hat und von Ewigkeit zu Ewigkeit
davon trunken wurde?“ Abu Yazid antwortete, „Das weiß
ich nicht. Was ich aber weiß ist, dass es hier einen Mann gibt, der in einer
einzigen Nacht, einem einzigen Tag all die Meere der Ewigkeit geleert hat und
dann nach mehr verlangt hat.“ Yahya-e Mu’adh schrieb zurück,
„Ich muss dir ein Geheimnis sagen, doch unser Treffen wird im Paradies
stattfinden. Dort im Schatten von Tuba, will ich es dir sagen.“ Und mit dem
Brief schickte er einen Laib Brot mit der Botschaft, „Der Scheich muss davon
nehmen, denn ich habe es mit Zamzam Wasser
geknetet.“ In seiner Antwort sagte Abu Yazid
in Hinblick auf Yahyas Geheimnis, „Was das Treffen
anlangt, das du erwähnst, ich erfreue mich schon jetzt – im Gedenken Seiner -
des Paradieses und des Schatten des Baumes. Und was das Brot betrifft, so
kann ich davon nicht nehmen. Du hast zwar erwähnt mit welchem Wasser du es
geknetet hast, doch nicht aus welchem Samen, den du gesät hast.“ Yahya-e Mu’adh überkam nun ein
großes Verlangen Abu Yazid zu besuchen. Er kam bei
ihm eine Stunde vor dem Nachtgebet bei ihm an. „Ich konnte den Scheich aber nicht stören,“ erinnerte sich Yahya, „doch gleichzeitig konnte ich
mich nicht bis zum Morgen gedulden. Also begab ich mich an den Ort in der
Wüste, an dem mir gesagt worden war, dass er sich befände. Dort sah ich den
Scheich das Gebet vor dem Schlafengehen verrichten, doch er blieb bis zum
Morgen auf seinen Zehenspitzen stehen. Wie angewurzelt war ich voller
Staunen und verfolgte die ganze Nacht hindurch seine Andacht. Als der Morgen
anbrach, hörte ich ihn folgende Worte sprechen, „Ich nehme Zuflucht bei Dir,
Dich um diese Position zu bitten.“ Yahya riss sich zusammen und grüßte Abu Yazid und fragte ihn, was ihm denn in dieser Nacht
widerfahren wäre. „Mehr als zwanzig Zustände wurden mir vorgeführt, „gab
Abu Yazid ihm Auskunft, „doch ich begehre nicht
einen von ihnen, denn sie sind alle Zustände der Verschleierung.“ „Meister, warum hast du Gott nicht um Gnosis gebeten, Er
ist doch der König der Könige, der sagte: „Bittet Mich worum immer ihr
wollt“? begehrte Yahya zu wissen. „Sei still“, rief Abu Yazid,
„ich bin auf mich selbst eifersüchtig, Ihn zu kennen, da ich nichts anderes
wünsche, als dass nur Er sich Selbst kenne. Wo Sein Wissen ist, was habe ich
dabei verloren? Das ist in Wirklichkeit Sein Wunsch, Yahiya, nur Er und
niemand anders, soll Ihn kennen.“ „Bei der Erhabenheit Gottes,“
verlangte Yahya, „gib mir einen Teil jenes Gabe, welche dir letzte Nacht zuteil wurde.“ „Wenn dir gegeben wäre die Vorzüglichkeit Adams, die
Heiligkeit Gabriels, die Freundschaft Abrahams, die Sehnsucht des Moses, die
Reinheit Jesu und die Liebe Muhammads, „gab Abu Yazid zurück, “wäre dein Verlangen immer noch nicht
gestillt. Nach mehr, welches alles übersteigt wäre dein Begehr. Halte deine
hohe Vision aufrecht und steige nicht von ihr herab; denn wohin auch immer du
dich herab begibst, von dem wirst du verdeckt.“ Abu Yazid und seine Schüler Es gab zu Abu Yazids Zeit einen
außergewöhnlichen Asketen, der als Heiliger Bistams
galt. Er hatte seine eigenen Schüler und Bewunderer und gleichzeitig blieb er
nie dem Kreis um Abu Yazid fern, hörte all seinen
Reden zu und saß unter dessen Gefährten. Eines Tages sagte er zu Abu Yazid, „Meister, heute sind es dreißig Jahre, dass ich
ununterbrochen das Fasten einhalte. Auch bete ich in der Nacht, sodass ich
niemals schlafe, und dennoch entdecke ich keine Spur jenes Wissens von dem du
sprichst. Ich glaube an dieses Wissen über alles und liebe es darüber zu
hören.“ „Selbst wenn du dreihundert Jahre lang fastest“,
antwortete Abu Yazid, „wirst du kein Fünkchen
dieses Wissens entdecken.“ „Warum?“ fragte der Schüler. „Weil du durch dein eigenes Selbst verhüllt bist“, gab
Abu Yazid zurück. „Was kann man dagegen tun?“ wollte der Mann wissen. „Niemals wirst du dies annehmen,“
antwortete Abu Yazid. „Doch das werde ich“, widersprach der Mann, „also sag es
mir, damit ich mich entsprechend verhalte.“ „Also gut“, sagte Abu Yazid,
„dann geh sofort und lasse dir deine Haare und deinen Bart abschneiden. Zieh
diese Kleider aus, die du anhast und binde dir ein Hüfttuch
aus Ziegenfell um. Hänge dir ein Säckchen voller Nüsse um den Hals, geh dann
auf den Marktplatz, rufe alle Kinder zu dir und sag ihnen, dass du jedem von
ihnen eine Nuss geben wirst der dich schlägt. Auf diese Weise gehe durch die
ganze Stadt, besonders dorthin wo man dich kennt. Das ist dein Heilmittel.“ „Alles Lob gebührt Gott! Es gibt keinen Gott außer Gott“,
rief der Schüler, als er diese Worte gehört hatte. „Wenn ein Ungläubiger diese Worte gerufen hätte, würde er
ein Gläubiger geworden sein“, merkte Abu Yazid an,
„aber du bist durch deinen Ausruf zu einem Polytheist geworden.“ „Warum das?“ wollte der Schüler wissen. „Weil du dich selbst als zu erhaben einschätzt um das zu
tun, was ich dir gesagt habe“, erklärte Abu Yazid,
„Dadurch bist du zu einem Polytheisten geworden. Du hast diesen Ausruf getan,
um deine eigene Bedeutung hervorzuheben, nicht um Gott zu loben.“ „Das kann ich nicht tun“, protestierte der Mann, „gib mir
eine andere Empfehlung.“ „Das Heilmittel für dich habe ich dir genannt“, erklärte
Abu Yazid. „Ich kann das nicht tun“, wiederholte der Mann. „Habe ich dir nicht gleich gesagt, du würdest es nicht
tun können, dass du mir nicht gehorchen würdest?“ sagte Abu Yazid. Geschichten über Abu Yazid „Zwölf Jahre lang“, sagte Abu Yazid,
„war ich der Schmied meiner Seele. Ich warf sie in den Schmelzofen der
Disziplin und ließ sie von brennender Anstrengung glühend rot werden., dann legte ich sie auf den Amboss des
Wiederantritts und klopfte sie mit dem Hammer der Selbstanklage, bis ich aus
meiner Seele einen Spiegel geschmiedet hatte. Fünf Jahre lang war ich mein
eigener Spiegel, den ich mit jedem Mittel der guter Tat und des Gehorsams
polierte. Danach betrachtete ich mein Spiegelbild ein Jahr lang und entdeckte
um meine Hüften einen Gürtel des Selbstbetrugs, der Einbildung und Ichsucht,
denn ich hatte mich auf meine guten Taten verlassen und mein Betragen gut
geheißen. Weitere fünf Jahre hatte ich zu arbeiten, bis ich diesen Gürtel
abgelegt hatte und wieder ein neuer Muslim geworden war. Ich betrachtete die
Geschöpfe und entdeckte, dass sie tot waren. Ich sprach vier Allahu Akbar über sie und nachdem ich von ihren
Totenfeiern zurückgekehrt war, ohne die Drängelei der Geschöpfe Gottes,
gelangte ich zu Gott Und Immer wenn Abu Yazid an
eine Moscheetür gelangte, blieb er weinend eine
Weile davor stehen. „Warum tust du so?“ wurde er gefragt. „Ich fühle mich wie eine menstruierende, die sich schämt
die Moschee zu betreten“, antwortete er. Eines Tages brach Abu Yazid auf
eine Reise nach dem Hedjaz auf, doch kaum war er
aufgebrochen, kehrte er auch schon wieder um. „Niemals hast du bislang etwas nicht erreicht, was du dir
vorgenommen hattest. Warum dieses Mal?“
wurde er gefragt. “Ich war gerade in Richtung Mekka aufgebrochen”, gab er
zur Antwort, “da sah ich einen schwarzen Mann mit gezogenem Schwert „Wenn du
nun umkehrst schön und gut. Wenn nicht, werde ich dir den Kopf abschlagen. Du
hast Gott in Bistam zurückgelassen und bist ohne
ihn zum geheiligten Haus aufgebrochen““ „Ein Mann sprach mich auf der Strasse
an“, erinnerte sich Abu Yazid, „Wohin gehst du?“
wollte er wissen. „Auf die Pilgerfahrt“, gab ich zur Antwort. „Wie viel Geld hast du dabei?“ „Zweihundert Dirham.“ „Komm und gib sie mir“, verlangte der Mann, „ich habe
Familie. Umkreise mich sieben Mal. Das sei deine Pilgerfahrt.“ „Genauso machte ich es und kehrte dann nach Hause
zurück.“ Pir Omar berichtete, dass wenn Abu Yazid
sich in die Abgeschiedenheit zurückziehen wollte, um sich dem Gottesdienst
oder der Meditation zu widmen, betrat er die Klause und verschloss sorgsam
jede Öffnung. „Ich fürchte, ich werde von irgendeinem Geräusch oder
Stimmen gestört“, meinte er. Das war aber eine Ausrede. Isa-ye Bistami
berichtete, „Dreizehn Jahre war ich mit dem Scheich zusammen und nie hörte
ich den Scheich ein einziges Wort sprechen. Seine Angewohnheit war, seinen
Kopf auf die Knie zu legen. Manchmal
hob er seinen Kopf, seufzte und kehrte wieder in seine Meditation
zurück.“ Sahlagi meinte dazu, dass dies Abu Yazids Verhalten war, wenn er sich im Zustand des „Zusammenziehens“
befand. An den Tagen, wenn er sich im Zustand der „Ausdehnung“ befand,
profitierte jedermann in höchstem Maße von seinen Ausführungen. „Einmal,“ fuhr Sahlagi fort, „als er sich im Zustand des „Zurückziehens“
befand, sagte er folgendes, „Lob sei mir! Wie groß ist meine Würde.“ Wenn er
wieder zu sich kam und seine Schüler ihm erzählten, welche Worte über seine
Lippen gekommen waren, wie „Gott ist dein Gegenspieler und Abu Yazid ist dein Gegenspieler“, sagte er zu ihnen. „Wenn
ich noch einmal solches von mir gebe, haut mich in Stücke.“ Und er gab jedem
seiner Schüler ein Messer mit den Worten „Wenn solche Worte wieder über meine
Lippen kommen, schlachtet mich mit diesen Messern.“ „Und es geschah, dass er solche Worte wieder sprach.
Seine Schüler machten sich bereit ihn zu töten und es war, als ob Abu Yazid das ganze Zimmer ausfüllte. Abu Yazids
Schüler brachen die Mauer auf und stachen mit ihren Messern auf ihn ein, aber
es war, als stießen sie in Wasser. Kein Stich hatte auch nur die geringste
Wirkung. Nach einer Zeit verflüchtigte sich Abu Yazids
Form und er erschien klein wie ein Sperling, der in der Gebetsnische saß.
Seine Gefährten betraten den Raum und erzählten ihm was passiert war. „Es ist
Abu Yazid, den ihr jetzt seht“, meinte er, „vorher,
das war nicht Abu Yazid.“ Einmal nach Abu Yazid einen
roten Apfel in die Hand und betrachtete ihn. „Ist das ein schöner Apfel“, sagte er. Eine innere Stimme sprach zu ihm. „Abu Yazid schämst du dich
nicht, meinen Namen einer Frucht zu verleihen?“ Vierzig Tage lang war er danach Gottes Namen nicht
bewusst. „Ich habe einen Schwur getan“, erklärte der Scheich,
„solange ich lebe, niemals eine Frucht aus Bistam
zu essen.“ „Als ich eines Tages so da saß“, erinnerte sich der
Scheich, „kam ich auf den Gedanken „Ich bin der Scheich dieser Zeit, der
Heilige dieses Jahrhunderts.“ Im gleichen Moment wusste ich, dass ich einen
gewaltigen Fehler gemacht hatte. Ich erhob mich und machte mich auf nach Khorasan. Ich gelangte in eine Herberge und beschloss
diese nicht mehr zu verlassen, bis mich irgendwer wieder zu mir
zurückbrachte. Drei Tage und Nächte verweilte ich dort. Am vierten Tag
sah ich einen Einäugigen auf einem Kamel auf die Herberge zukommen. Als ich
ihn näher betrachtete, bemerkte ich an ihm die Zeichen der göttlichen
Bewusstheit. Ich bedeutete dem Kamel stehen zu bleiben und sofort ging es in
die Knie. Der Mann starrte mich an. „Du lässt mich den ganzen Weg kommen“, sagte er, „um ein
Auge zu öffnen, welches geschlossen war, eine Tür zu öffnen, welche versperrt
war und um die Menschen aus Bistam zusammen mit Abu
Yazid zu ertränken?“ Ich swooned aw Abu Yazid.
„Seit wann bist du unterwegs?“ fragte ich. „Seit dem
Moment, als du den Schwur getan hast, bin ich unterwegs. Dreitausend Lagen
bin ich gereist.“ Dann fügte mein Besucher hinzu „Pass auf Abu Yazid! Pass auf dein Herz auf.“ Mit diesen Worten wandte
er sich von mir ab und entfernte sich wieder.“ Dhul `l-Nun schickte dem Abu Yazid einen
Gebetsteppich und Abu Yazid sandte ihm ihn wieder
zurück. „Wofür brauche ich einen Gebetsteppich?“ wollte er
wissen. „Schick mir ein Polster, an welchen ich meinen Rücken stützen kann.“
(Er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass er den Zustand über das Gebet
hinaus und das Ziel erreicht hatte.) Dhul `l-Nun sandte ihm ein schönes Polster. Abu Yazid
schickte ihm auch dieses zurück, denn zu diesem Zeitpunkt war von Abu Yazid nichts mehr außer Haut und Knochen übrig geblieben. „Jemand, der als Polster“, sagte er, „ die Güte und
liebende Fürsorge Gottes besitzt, hat keinen Bedarf für ein Polster von einem
der Geschöpfe Gottes.“ „Einmal verbrachte ich eine Nacht in der Wüste“,
erinnerte sich Abu Yazid. „Ich wickelte meinen Kopf
in mein Gewand und schlief ein. Da überkam mich ein nächtlicher Zustand (er
meinte einen nächtlichen Samenerguss), welcher nach einem Bad verlangte. Nun
war es extrem kalt in dieser Nacht und meine Seele war gar nicht begeistert,
ein Bad in kaltem Wasser zu nehmen. „Warte bis die Sonne aufgegangen ist und
dann geh ans Baden“, riet meine Seele. „Als ich mir die Nachlässigkeit meiner Seele und ihren
Widerwillen sich den religiösen Vorschriften zu beugen bewusst machte, brach
ich mit meinem Gewand das Eis auf, wusch mich damit und wickelte mich dann in
das gleiche Tuch ein, bis ich in Ohnmacht fiel. Als ich wieder zu mir kam,
war der Umhang plötzlich getrocknet.“ Oft wanderte Abu Yazid zwischen
den Gräbern. Eines Nachts kam Abu Yazid vom
Friedhof zurück, als ihm ein Jüngling aus noblem Haus entgegenkam, der die
Laute spielte. „Gott behüte uns“, rief Abu Yazid.
Der Jüngling hob die Laute und zerschmetterte sie auf Abu Yazids
Kopf. Er war betrunken und wusste gar nicht, gegen wen er die Hand erhoben
hatte. Abu Yazid kehrte zu sich nach
Hause zurück und wartete bis zum Morgen. Dann begab er sich zu seinen
Gefährten und fragte. „Wie viel geben die Leute für eine Laute?“ Die Leute
sagten es ihm und er wickelte diesen Betrag in ein Tuch, legte ein Stück
Kuchen dazu und schickte alles an den jungen Mann. „Sagt dem jungen Herrn“, trug er ihnen auf, „dass Abu Yazid ihn um Vergebung bittet. Sagt zu ihm „Letzte Nacht
hast du mich mit einer Laute geschlagen und sie zerbrach. Nimm diese
Wiedergutmachung an und kaufe dir eine neue. Der Kuchen ist, um dein Herz
über den Verlust der Laute zu trösten.““ Als dem jungen Mann somit klar wurde, was er getan hatte,
begab er sich zu Abu Yazid und bat ihn um
Vergebung. Er bereute und viele jungen Männer
bereuten mit ihm. Eines Tages war Abu Yazid mit
einigen seiner Schüler unterwegs. Die Gasse verengte sich stark und just in
diesem Moment kam ein Hund von der anderen Seite. Abu Yazid
blieb stehen und ließ dem Hund den Vortritt. Einem seiner Schüler gefiel dies
gar nicht. „Der Allmächtige Gott hat den Menschen über alle anderen Geschöpfe
erhoben und geehrt. Abu Yazid ist der „König, der
mit geheiligtem Wissen Begnadeten“, mit all seiner Würde, die er innehat, mit
all diesen Schülern die ihm folgen, macht er einem Hund Platz. Wie kann das
sein?“ „Junger Mann“, gab Abu Yazid
zur Antwort, „dieser Hund wandte sich schweigend an mich, „Was habe ich mir
am Beginn der Zeit zuschulden kommen lassen, und welcher außerordentlicher
Verdienst kam dir zu, dass ich mit dem Fell eines Hundes bekleidet bin und du
im Ehrengewand des „Königs der Gnostiker“ des Weges kommst?“ Das war es, was
ich denken musste, und deswegen machte ich dem Hund Platz. Als Abu Yazid eines Tages
unterwegs war, lief ein Hund neben ihm her. Abu Yazid
zog sein Gewand näher zu sich. „Wenn ich trocken bin, ist kein Schaden“, sagte der Hund.
Wenn ich nass bin, werden sieben Wässer und sieben Erden Frieden zwischen uns
stiften. Doch wenn du dein Gewand an dich raffst, wie ein Pharisäer, wirst du
dadurch nicht rein und wenn du in sieben Meeren ein Bad nimmst.“ „Du bist äußerlich unrein“, gab Abu Yazid
zurück, „und ich bin innerlich unrein. Komm, lass uns zusammenarbeiten, damit
durch unsere vereinten Bemühungen wir beide rein werden.“ „Du bist es nicht gut genug, mit mir zusammen unterwegs
und mein Partner zu sein“, antwortete der Hund. „Denn ich werde von allen
Menschen zurückgewiesen, wohingegen du von allen begrüßt wirst. Wer mir
begegnet, wirft einen Stein nach mir, wer dir begegnet, nennt dich den „König
der Gnostiker“. Niemals hebe ich mir einen Knochen für morgen auf und du hast
einen ganzen Sack Mehl für morgen.“ „Ich bin nicht gut genug, um mit einem Hund unterwegs zu
sein“, sagte Abu Yazid, „Wie sollte ich dann mit
dem Ewigen unterwegs sein? Ehre sei Gott, der das beste Geschöpf durch das
niedrigste Geschöpf belehrt!“ Abu Yazid fuhr fort, „Eine
Traurigkeit überkam mich und ich zweifelte daran, ein gehorsamer Sklave
Gottes zu sein. Ich sagte mir. „Ich werde mir auf dem Markt einen Gürtel (von
einem Nicht-Muslim gewoben) kaufen und mir umbinden, damit mein Ansehen unter
den Menschen schwindet.“ Also ging ich einen Gürtel suchen. Ich fand in einem
Geschäft so einen Gürtel hängen und dachte mir „Den werden sie mir um nur
einen Dirham verkaufen“. Ich fragte „Um wie viel gibst du mir diesen Gürtel?“
„Eintausend Dinar“, sagte der Verkäufer. Mir fiel der Kopf hinunter. Da hörte
ich eine Stimme vom Himmel „Hast du nicht festgestellt, dass sie nicht unter
eintausend Dinar jemandem wie dir einen Gürtel umbinden lassen?“ Mein Herz
war erleichtert, denn ich wusste, dass Gott sich um seinen Sklaven kümmerte.“ Eines Nachts träumt Abu Yazid,
dass die Engel des ersten Himmels hernieder stiegen. „Erhebe dich“, sprachen sie zu ihm, „und uns gemeinsam
Gottes gedenken“. „Ich habe nicht die Zunge, Ihn zu lobpreisen“, antwortete
er ihnen. Die Engel des zweiten Himmels stiegen hernieder und
sprachen die gleichen Worte. Auch die Antwort war die gleiche. So ging das
weiter, bis die Engel des siebenten Himmels herab gestiegen waren. „Nun gut, wann wirst du dann die Zunge haben, um Gott zu
lobpreisen?“ fragten sie. „Wenn die Bewohner der Hölle in der Hölle festgebunden sind
und die Bewohner des Paradieses ihren Wohnort bezogen haben und die
Auferstehung bereits geschehen ist – dann“, so sagte er, „dann wird Abu Yazid den Thron Gottes umkreisen und rufen „Allah,
Allah!““ Ein Zoroastrer war der Nachbar
Abu Yazids. Dessen Kind weinte regelmäßig, der
keine Lampe im Haus war. Da brachte Abu Yazid mit
eigenen Händen eine Lampe ins Haus und sofort war das Kind still. „Seit Abu Yazids Licht in unser
Haus kam, wäre es traurig für uns in unserer Dunkelheit zu beharren“. So wurden sie Muslime. Eines Nachts fand Abu Yazid
keine Freude im Gottesdienst. „Schaut mal ob sich da irgend etwas
Wertvolles im Haus befindet“, sagte er. Seine Schüler suchten und fanden ein halbes Bund
Weintrauben. „Nehmt sie und schenkt sie fort“, befahl Abu Yazid. „Mein Haus ist kein Gemüsegeschäft.“ So gelangte er wieder seine übliche Verfassung. Eines Tages berichtete ein Mann Abu Yazid.
„In Tabarestan ist ein bestimmter Mann gestorben.
Ich habe dich dort zusammen mit Khidr, der Friede
sei mit ihm, gesehen. Er hatte seine Hand auf deinen Nacken gelegt und deine
Hand ruhte auf seinem Rücken. Als die Leute vom Begräbnis zurückkamen, sah
ich, wie du dich in Luft auflöstest.“ „Ja“, sagte Abu Yazid, „was du
gesehen hast ist vollkommen richtig.“ Ein Mann, der nicht an Abu Yazid
glaubte, kam zu ihm und wollte ihn prüfen. „Gib mir die Antwort auf die-und-die Frage,“ sagte er. Abu Yazid erkannte den
Unglauben in ihm. „In einem bestimmten Berg“, erzählte er ihm, „gibt es
eine Höhle. In dieser Höhle lebt einer meiner Freunde. Frag ihn nach der
Antwort”. Eilig brach der Mann zu dieser Höhle auf. Dort erblickte
er einen schrecklich großen Drachen. Vor Schreck fiel er in Ohnmacht und
machte sich in die Hosen. Als er wieder zu sich kam, lief er so schnell davon,
dass er seine Schuhe dabei verlor. Er begab sich zu Abu Yazid
und bat ihn um Vergebung. „Ehre sei Gott“, rief Abu Yazid,
„du kannst aus lauter Furcht vor einem Geschöpf nicht auf deine Schuhe Acht
geben, wie kannst du nach einer „Offenbarung“ suchen, die du in deinem
Unglauben kamst zu finden?“ Eines Tages trat ein Mann bei Abu Yazid
ein und befragte ihn in einer unverschämten Weise die nicht zu überbieten
war. Abu Yazid antwortete ihm und der Mann wurde zu
Wasser. Gerade in diesem Augenblick betrat ein anderer Mann den Raum und
erblickte eine riesige Wasserlache am Boden. „Meister, was ist das?“ fragte er. „Ein Mann ist zu mir gekommen und hat mich über die Scham
befragt“, antwortete Abu Yazid, „konnte meine
Antwort nicht ertragen und verwandelte sich aus lauter Scham in Wasser.“ Hatim der Taube sagte zu seinen Schülern, „Wer am Tage der Auferstehung
nicht für die Bewohner der Hölle Fürbitte leistet, ist keiner meiner
Schüler.“ Diese Aussage wurde dem Abu Yazid
überbracht. „Ich sage“, erklärte Abu Yazid,
„jener ist mein Schüler, der am brink der Hölle
steht und jeden an der Hand nimmt, der in die Hölle geworfen wurde und in den
Himmel bringt und dann seinen Platz in der Hölle einnimmt.“ Als die Armee des Islams sich im Krieg gegen Byzanz
befand und nahe daran war besiegt zu werden, hörten sie plötzlich einen
lauten Ruf, „Abu Yazid hilf!“ Sofort kam eine Hitze aus der Richtung von Khorasan, sodass die Armee der Ungläubigen von Furcht
befallen wurde und die Armee des Islams siegte an diesem Tag. Abu Yazid wurde gefragt, „Wie
hast diesen vollkommen Grad und diesen Rang erreicht?“ „Eines Nachts, als ich noch ein Kind war“, gab er zur
Antwort „kam ich aus Bistam heraus. Der Moon schien
hell und friedlich lag das Land da. Da nahm ich eine Gegenwart wahr, gegen
welche achtzehntausend Welten wie eine Motte sind. Ein tiefes Gefühl überkam
mich und eine gewaltige Ekstase übermannte mich. „Herr, Gott“, rief ich, „so
ein riesiger Palast, und so leer! Werke so erhaben, und solche Einsamkeit!“
Eine Stimme vom Himmel rief mir zu, „Der Palast ist nicht leer, weil keiner
zu ihm kommt; er ist leer weil Wir nicht wünschen und sundry,
dass alle ihn betreten. Nicht jedes ungewaschene Gesicht ist es wert, diesen
Palast zu bewohnen.“ „Ich beschloss für alle Geschöpfe zu beten. Dann kam mir
der Gedanke, „Der Rang für andere Fürbitte zu leisten kommt Muhammad, Friede
mit ihm, zu“, so benahm ich mich und eine Stimme sprach mich an, „wegen
dieses einen guten Benehmens habe ich deinen Namen erhöht, so dass dich die
Menschen bis zum Tage der Auferstehung den „König der Gnostiker“ nennen
werden.““ „Als ich das erste Mal das Heilige Haus besuchte“,
erklärte Abu Yazid, „sah ich das Heilige Haus. Das
zweite Mal sah ich den Herrn des Hauses. Das dritte Mal sah ich weder das
Haus, noch den Herrn des Hauses.“ Abu Yazid meinte
damit, „Ich war so in Gott verloren, dass ich nichts mehr unterschied. Hätte
ich etwas gesehen, so hätte ich Gott gesehen.“ Der Beweis für diese Auslegung
liefert folgende Geschichte. Ein Mann kam zur Tür Abu Yazids
und rief laut. „Wen suchst du?“ fragte Abu Yazid. „Abu Yazid“, antwortete der
Mann. „Armer Kerl“, sagte Abu Yazid,
„ich suche den Abu Yazid nun seit dreißig Jahren
und kann nicht die geringste Spur von ihm entdecken.“ Dies erzählte man dem Dhu
`l-Nun. Er merkte dazu an, „Gott erbarme sich meines Bruders Abu Yazids! Er ist verloren gegangen in der Gemeinschaft
jener, die in Gott verloren sind.“ Abu Yazids Aufgehen in Gott war
so vollkommen, dass jeden Tag, wenn ihn einer seiner Schüler rief, der seit
zwanzig Jahren nicht von seiner Seite gewichen war, er zu sagen pflegte,
„Mein Sohn, wie heißt du?“ „Meister“, sagte der Schüler eines Tages, „du nimmst mich
auf den Arm. Zwanzig Jahre lang diene ich dir nun und jeden Tag fragst du
mich nach meinem Namen.“ Mein Sohn“, antwortete Abu Yazid,
„ich will dich nicht ärgern. Doch Sein Name hat mein Herz erreicht und alle
anderen Namen daraus vertrieben. Sobald ich einen neuen Namen höre, vergesse
ich ihn sofort wieder.“ „Der Allmächtige Gott“, sagte Abu Yazid
hat mich in Seine Gegenwart in zweitausend Rängen verbracht und in jedem Rang
hat Er mir ein Königtum angeboten, doch habe ich sie abgelehnt. Gott sprach
zu mir, „Abu Yazid, was willst du?“ Ich gab zur
Antwort, „Ich wünsche nicht zu wünschen!“ „Du wandelst auf dem Wasser“, so sagten sie. „Nichts anderes tut ein Stück Holz“, gab Abu Yazid zurück. „Du fliegst durch die Luft!“ „Das tut ein Vogel auch.“ „Du reist zur Kaaba in einer Nacht!“ „Jeder Zauberkünstler reist von Indien nach Demavand in einer Nacht.“ „Was ist dann eine angemessene Aufgabe für einen
wahrhaftigen Mann?“ fragten sie. „Ein wahrhaftiger Mann, schenkt sein Herz niemand anderem
als Gott“, antwortete er. „Dreimal habe ich mich von der Welt geschieden“, sagte
Abu Yazid, „und reiste allein zu dem Alleinigen.
Ich stand vor der Gegenwart und weinte, „Gott, ich verlange nach niemandem
als nach Dir. Wenn ich Dich habe, habe ich alles.“ Als Gott meine Aufrichtigkeit bemerkte, war die erste
Gabe die Er mir verlieh, dass er die Spreu des Selbst von vor mir entfernte.“ „Was ist der Thron?“ wurde Abu Yazid
gefragt. „Er ist ich“, antwortete er. „Was ist der Schemel?“ „Ich.“ „Was ist die Tafel und der Griffel?“ „Ich.“ „Gott hat Sklaven wie Abraham und Moses und Jesus.“ „Alle sind ich.“ „Gott at Sklaven wie Gabriel
und Michael und Seraphiel.“ „Alle sind ich.“ Nun schwieg der Mann. „Wer immer in Gott ausgelöscht wurde“, sagte Abu Yazid, „und die Wirklichkeit alles Seienden erreicht –
alles ist Gott.“ Es wird erzählt, dass Abu Yazid
siebzig Mal die Nähe der Gegenwart Gottes erreichte. Jedes Mal wenn er davon
zurückkam, band er einen Gürtel um und zerbrach ihn dann. Als sich sein Leben dem Ende näherte, begab er sich in
die Gebetsnische und band sich einen Gürtel um. Er zog seine Pelzjacke und
seine Kappe verkehrt herum an. Dann sagte er, „O Gott ich habe mich ein
ganzes Leben lang nicht gerühmt. Ich lasse nicht alle meine nächtlichen
Gebete vorüber ziehen. Ich spreche nicht über die vielen Fasten meines
Lebens. Ich zähle nicht die vielen Male, die ich den Qur’an rezitierte. Ich
erzähle nicht von meinen spirituellen Erlebnissen und Annäherungen. Du
weißt, ich schaue auf nichts zurück und dass das, was meine Zunge benennt,
sie nicht aus Stolz berichtet. Ich zähle es auf, weil ich mich schäme ob
dessen, was ich alles getan habe. Du hast mich mit der Gnade bedacht, mich so
zu sehen. All dies ist nichts, erachte es als nichtig. Ich bin ein alter
Turkmene mit siebzig Jahren, dessen Haar in Heidentum weiß geworden ist. Nun
komme ich aus der Wüste und rufe Tangri Tangri. Erst jetzt lerne ich Allah Allah
zu sagen. Erst jetzt zerbreche ich meinen Gürtel. Erst jetzt trete ich ein
in den Kreis des Islam. Erst jetzt bewegt sich meine Zunge nach dem
Glaubensbekenntnis. Alles was Du tust, bedarf keiner Ursache. Du nimmst nicht
aufgrund der Gehorsamkeit an und Du lehnst nicht aufgrund von Ungehorsamkeit ab. Alles was ich getan habe, zählt nicht
mehr als Staub für mich. Was immer Du von mir gesehen hast, das Deiner
Gegenwart nicht gefiel, wirf Deine Vergebung darüber und wasche den Staub der
Ungehorsamkeit von mir, denn ich habe den Staub
der Voreingenommenheit von mir gewaschen, dass ich Dir gehorcht hätte.“ Hanel, Schweiz 2005 |