Rede von Univ. Prof. Dr. El Sayed El Iraqi MANSOUR
 


Im Namen Allahs des Allerbarmers des Barmherzigen

"Die Haltung des Muslims gegenüber dem Anderen gemäß der Qur’anischen Offenbarung."


 




Meine Damen und Herren!

Unter Einfluß unseres Symposium gestatten Sie mir bitte, daß ich meinen Beitrag mit einer Qur'an Ayat (Vers) beginne, dessen Sinn das Ziel unserer heutigen Versammlung umfaßt:

"( O Mohammed ) Sprich:  „ O Volk der Schrift, kommt herbei zu einem gleichen Wort zwischen uns und euch, daß wir nämlich Allah allein dienen und nichts neben Ihn stellen und daß nicht die einen von uns die anderen zu Herren nehmen außer Allah." "  Und wenn sie nicht abwenden, so sprecht: „ Bezeugt, daß wir (Ihm) ergeben sind.“"
( Aal-Imran 3/64 ...)
 

Vor etwa 14 Jahrhunderten hat der Allmächtige seine Gnade an die Menschen herab gesandt, welche sich im Qur'an, der Hauptverfassung des Islam, manifestiert.

Da wir als Muslime nicht alleine auf diesem Planeten leben, sondern in einer Gemeinschaft mit vielen Menschen unterschiedlichster Konfessionen - Muslime, und andere mit und ohne Gottesglauben - so legte ihnen der Qur'an deutlich dar und legte fest, wie die Muslime in solcher Umgebung ihr Leben und auch Ihren Gottesdienst in aller Ruhe und ohne Störungen für die Anderen durchführen können.

Die Haltung des Muslims gegenüber den (bzw. dem) Anderen beinhaltet seine Beziehung zu allen anderen Menschen, seien sie Gläubige oder Nichtgläubige, Götzendiener, Muslime oder Nichtmuslime.

Wollen wir uns hier auf zwei Richtungen konzentrieren:
Die eine ist seine Stellung gegenüber allen Menschen im Allgemeinen.
Die andere ist seine Stellung gegenüber denen, die sich zu anderen Offenbarungsreligionen bekennen.

Gestatten Sie mir bitte, daß ich meine Zitate allein aus dem Qur'an beziehe und zwar nach ganz konkreten Gesichtspunkten, da alle anderen Quellen des Islams auf den Qur'an zurück zuführen sind.

Die Haltung des Muslim gegenüber allen seinen Mitmenschen im allgemeinen beruht auf mehreren islamischen Prinzipien, von denen ich folgende erwähnen möchte:

Das erste Prinzip ist die Respektierung des Menschen als Mensch, ohne Rücksicht auf seine Rasse, Hautfarbe oder seine Religion und zwar auf Grund dessen, daß alle Menschen die Söhne und Töchter Adams und Evas sind. Sie sind auch die Nachfolger, bzw. Statthalter Allahs auf Erden, und sind daher im Ganzen ehrenwert, weil Allah sie alle gegenüber anderen Geschöpfen erhoben hat:

„Und wahrlich, Wir haben die Kinder Adams geehrt und sie über Land und Meer getragen und sie mit guten Dingen versorgt und sie ausgezeichnet. Eine Auszeichnung vor vielen, die Wir erschaffen haben.“
(Al- Isra 17/70)

Sie sind alle Kinder Adams, dessen Frau aus ihm geschaffen wurde und aus beiden entstammen alle Menschen und die Völker und Stämme, wobei Allah nicht zwischen Rasse und Hautfarbe, sondern allein nach Gottesfürchtigkeit, d.h  Frömmigkeit unterscheidet:

„O ihr Menschen, Wir haben euch aus Mann und Frau erschaffen und euch zu Völkern und Stämmen gemacht, auf daß ihr einander erkennen mögt. Wahrlich, vor Allah ist von euch der Angesehenste, welcher der Frömmste ist.“
( Al Hugurat 49/13)

Alle Menschen sind nach dem Willen Allahs, seine Statthalter auf Erden:

„Und als dein Herr zu den Engeln sprach: „ Wahrlich, ich werde auf der Erde einen Statthalter einsetzen“ sagten sie: Willst du auf ihr jemanden einsetzen, der auf ihr Unheil anrichtet und Blut vergießt, wo wir doch Dein Lob preisen und Deine Herzlichkeit rühmen? „ Er sagte: „Wahrlich, Ich weiß, was ihr nicht wißt.“
(Al- Baqara 2/30)

Deshalb ist es im Islam nicht erlaubt, über Menschen nur wegen ihres andersartigen religiösen Bekenntnisses zu spotten oder sie auf irgendwelche Weise zu demütigen:

„O ihr, die ihr glaubt! Laßt nicht eine Schar über die andere spotten, vielleicht sind diese besser als jene, noch (lasset) Frauen über (andere) Frauen (spotten), vielleicht sind diese besser als jene. Und verleumdet einander nicht und gebt einander keine Schimpfnamen.“
(Al-Hugurat 49/11)
 

Das zweite Prinzip ist die freie Glaubensausübung:
Jeder Nichtmuslim hat laut Qur'anischer Offenbarung das Recht seinen Glauben oder seine Religion nach seiner eigenen Überzeugung ohne Unterdrückung, ohne Verführung oder Zwang auszuüben.

Im Qur'an heißt es :

"Es gibt keinen Zwang im Glauben. Der richtige Weg ist nun klar erkennbar geworden gegenüber dem unrichtigen. Wer nun an die Götzen nicht glaubt, an Allah aber glaubt, der hat gewiß den sichersten Halt ergriffen, bei dem es kein Zerreißen gibt."
(Al Baqara 2/256)

Noch mehr betonte der Qur'an die Freiheit jedes Menschen bei der Auswahl seines Glaubens und erklärte, daß jeder Muslim aufgefordert ist, den anderen Menschen die Freiheit bei der Auswahl ihres Glaubens zu lassen. Das wurde sogar in einer besonderen Sure des Qur'ans mit dem Titel "Die Nichtgläubigen", versehen in der Form eines entscheidenden Befehls an den Propheten Muhammad ausgedrückt:

"Sprich: „ O ihr Nichtgläubigen! Ich diene nicht Dem, dem ihr dient, und ihr dient nicht Dem, Dem ich diene. Und ich werde nicht Diener dessen sein, dem ihr dient, und ihr dient nicht Dem, Dem ich diene. Ihr habt eure Religion, und ich habe meine Religion.“
(Al-Kafirun 109/1-6)

Ein anderer Befehl an den Propheten lautet:

"Und sprich: „Es ist die Wahrheit von eurem Herrn. Wer will soll glauben, wer nicht will soll nicht glauben!“
( Al-Kahf 18/29)

Die allgemeine Situation des Propheten war durch zwei Bedingungen bestimmt:

Einerseits ist er Prophet und infolgedessen mußte er seine Botschaft verkünden, andererseits durfte er keinen Menschen zwingen, in die neue Religion, den Islam einzutreten. Das heißt also, daß der Prophet seine Verkündung durch friedliche Mittel und ohne Gewalt durchführen mußte. Deshalb gab ihm der Qur'an den Rat, bzw. den Befehl :

„Rufe zum Weg deines Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung auf und disputiere mit ihnen auf die beste Art.“
(An –Nahl  16/125)

Und um den gnädigen Propheten über das Ergebnis seiner Mission zu beruhigen, legte ihm der Qur'an seine Aufgabe fest:

„..dir abliegt nur die Verkündung und Uns die Abrechnung“
(Al-Rad 13/40)

Die Beschränkung der Aufgabe des Propheten auf die Verkündung der Offenbarung betonte der Qur'an oftmals:

„Ihre Rechtleitung abliegt nicht dir, sondern Allah leitet recht, wen er will“
( Al-Baqara  2/272)

Es ist vielleicht interessant aufzuführen, daß der berühmte deutsche Dichter J.W.v. Goethe von dieser Tatsache am Ende seines West- Östlichen Diwans auf positive Weise inspiriert war.

Das dritte Prinzip ist die Kooperation mit den anderen Menschen darunter auch den Nichtgläubigen.
Der Qur'an empfahl dem Propheten mit ihnen pietätvoll und wohltätig umzugehen :

„Allah verbietet euch nicht, gegen jene, die euch nicht des Glaubens wegen bekämpft haben und euch nicht aus euren Häusern vertrieben haben, gütig zu sein und redlich mit ihnen zu verfahren; wahrlich, Allah liebt die Gerechten."
(Al-Mumtahana 60/8)

Sogar forderte der Qur'an den Propheten auf, sie manchmal zu schützen und zu verteidigen:

"Und wenn einer der Götzendiener bei dir Schutz sucht, dann gewähre ihm Schutz, bis er Allahs Worte vernehmen kann; hierauf lasse ihn den Ort seiner Sicherheit erreichen. Dies ( soll so sein ), weil sie ein unwissendes Volk sind.“
(Al-Tauba 9/6)
 

Das vierte Prinzip ist das Bestreben zum Frieden und zum Heil für alle anderen Menschen in der Welt, ob sie nun Gläubige sind oder nicht.

Das Wort „As-Salaam“ drückt im Qur'an hauptsächlich zwei Begriffe aus und zwar: Frieden und Heil. Der Wurzel des Worts wohnt außerdem der Begriff „sich ergeben“ inne.
Das Wort „ Islam“ ist abgeleitet von dieser Wurzel mit allen ihren Bedeutungen, also Frieden, Heil und sich ergeben.
Es ist auch in diesem Zusammenhang von Bedeutung zu erwähnen, daß der große deutsche Dichter Goethe in seinem West- Östlichen Diwan vom Islam tief und positiv beeinflußt war, als er schrieb:
 

   Wenn Islam Gott ergeben heißt
   Im Islam leben und sterben wir alle (s.62)


 


Um die Betonung des Salaams, des Friedens und des Heils im Qur'an zu verdeutlichen, möchten wir hier einige Fakten aufzeigen.
 
 

Was den Frieden und den Krieg betrifft, so findet man folgende Merkpunkte:
 

1.  Töten ohne Recht (Gerichtsbarkeit) ist streng verboten, sei es für Muslime oder für Nichtmuslime.

"Und tötet nicht das Leben, das Allah unverletzlich gemacht hat, es sei denn zu Recht.“
(Al-Ibra 17/33)
 

2.  Die Übertreibung bei Vergeltung ist unerlaubt:

"Und wer da ungerechterweise getötet wird, dessen Erben haben Wir gewiß Ermächtigung (zur Vergeltung) gegeben; doch soll er im Töten nicht maßlos sein; denn er findet (Unsere) Hilfe."
(Al-Isra 17/33)
 

3.  Um die Abscheulichkeit des Tötens zu verdeutlichen, teilte uns der Qur'an mit, daß dies auch unter den Kindern Israels in gleicher Weise verboten war:

„Deshalb haben Wir den Kindern Israels verordnet, daß wenn jemand einen Menschen tötet, ohne daß dieser einen Mord begangen hätte, oder ohne daß ein Unheil im Lande geschehen wäre, es so sein soll, als hätte er die ganze Menschheit getötet; und wenn jemand einem Menschen das Leben erhält, es so sein soll, als hätte er der ganzen Menschheit das Leben erhalten."
(Al-Maida 5/32)
 

4.   Der Krieg ohne rechtmäßigen Grund ist gleichfalls verboten.
Den Hauptgrund für einen Krieg erklärte der Qur'an:

„Die Erlaubnis (sich zu verteidigen) ist denen gegeben, die bekämpft werden, weil ihnen Unrecht geschah und Allah hat wahrlich die Macht, ihnen zu helfen.“
(Al-Hagg 22/39)

„Und kämpft auf den Weg Allahs gegen diejenigen, die gegen euch kämpfen.“
(Al-Baqara 2/190)
 

5.   Ein Krieg darf nur sein legitimes Ziel (das der rechtmäßigen Verteidigung) ohne Übertretung in maßloser Gewalt verwirklichen.
Nach der Erlaubnis des Kampfes in der vorher genannten Ayat steht folgendes:

"... doch übertretet nicht. Wahrlich Allah liebt nicht diejenigen, die übertreten."
(Al- Bakara 2/190)
 

6.   Selbst wenn es zum Krieg um die heiligen Stätte des Islams kommt, dürfen die Muslime den Kampf nicht anfangen, bevor die Gegner ihn beginnen.

"Und kämpft nicht gegen sie bei der heiligen Moschee, bis sie dort gegen euch kämpfen."
(Al-Bakara 2/19)
 

7.   Aber auch die Toleranz nach jedem Krieg ist gefordert.

"Wenn sie aber aufhören, so ist Allah Allverzeihend, Barmherzig."
(Al-Bakara 2/192)
 

8.   Auf jeden Fall , wenn die Gegner sich dem Frieden zuwenden, so haben sich die Muslime ihm ebenfalls zuzuwenden.

„Und wenn sie jedoch zum Frieden geeignet sind, so sei auch du ihm geeignet und vertraue auf Allah."
(Al Anfaal 8/61)
 

9.   Eine bedeutende Aufgabe für den Muslim ist die Versöhnung bzw. die Friedensstiftung zwischen zwei kämpfenden Gruppen:

„Fügt sie sich (die eine Partei der Gegner) so stiftet in Gerechtigkeit Frieden zwischen ihnen und seid gerecht. Wahrlich, Allah liebt die Gerechten."
(Al-Nugurat 49/9 )
 

Die Einstellung der Muslime gegenüber den "Ahlul- Kitab", den Besitzern des Buches, das sind Juden und Christen, ist von großer Besonderheit, da auch diese beiden Religionen - gleich dem Islam ursprünglich aus der selben heiligen Quelle schöpften. Ein Beweis dafür ist, daß es im Qur´an eine ganze Sure  mit dem Namen "Maryam" (Maria, Mutter des Christus) und eine andere mit dem Beinamen "Banu Israel" (Stamm Israels) gibt.
 

Die vom Islam verlangte Einstellung des Muslims gegenüber Menschen jüdischen und christlichen Bekenntnisses erklärt sich in folgenden Grundsätzen:
 

1. Durchführung von religiösen Dialogen mit ihnen:

"Sprich Oh Volk der Schrift, kommt herbei zu einem gleichen Wort zwischen uns und euch, daß wir nämlich Allah allein dienen und nichts neben Ihn stellen und daß nicht die einen von uns die anderen zu Herren nehmen außer Allah".
(Al-Imran 3/64)
 

2. Vollziehung der Debatten auf beste Art und Weise :

"Und streitet nicht mit dem Volk der Schrift; es sei denn und die beste Art und Weise."
( Al-Atkabut 29/46)
 

3. Den Glauben an die Offenbarungen der Thora und des Evangeliums:

"Wahrlich wir hatten die Thora, in der Führung und Licht war, herabgesandt. Damit haben die Propheten, die sich (Allah) hingaben, den Juden Recht  gesprochen, und so auch den Rabbinern und den Gelehrten unter ihnen wurde aufgetragen, das Buch Allahs zu bewahren, und sie waren dessen Hüter."
(Al-Maida 5/44)

"Wir ließen ihnen Jesus, den Sohn Marias folgen; zur Bestätigung dessen, was vor ihm in der Thora war, und wir gaben ihm das Evangelium, worin Rechtleitung und Licht war."
( Al-Maida 5/46 )

"... und wir haben David einen Zebur (die Psalmen) gegeben."
(An-Nisa 4/163)
 

4. Den Glauben an jene gesetzliche Bestimmungen, die der Qur'an bestätigt hat:

"Wir hatten ihnen darin (in der Thora) vorgeschrieben: Leben um Leben, Auge um Auge, Nase um Nase, Ohr um Ohr und Zahn um Zahn, und für Verwundungen gerechte Vergeltung."
(Al-Maida  5/45)

"Und Er (Allah) befahl mir (Jesus ) Gebet und Zakat (Sozialabgabe) solange ich lebe."
(Maryam 19-31)

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Abschließend sei gesagt, daß wir Muslime den Islam als Fortsetzung bzw. Vollendung der früheren Offenbarungsreligionen verstehen.

Hier in Österreich, in einem Land  in dem Menschen verschiedenster kultureller Zugehörigkeit friedlich und spannungsfrei zusammen leben, ist es besonders wichtig, daß wir uns den Qur'anischen Vers zu Herzen nehmen, in dem es heißt:

"Und wir haben euch zu Völkern und Stämmen gemacht, auf daß ihr einander kennen lernen möget."
(Al Hudschuraat  49/13)

Diese Akademie darf also nach Qur'anischem Gebot kein Ort der Polarisierung, der "Ghettoisierung", oder gar des Fanatismus werden.
Im Gegenteil muß sie als Synonym für Offenheit, Toleranz und Gelehrsamkeit stehen.

Im Nachhinein möchten wir allen Verantwortlichen an den öffentlichen Stellen, so wie allen Personen, welche die Entstehung dieser Akademie ermöglicht bzw. gefördert haben, recht herzlich für ihren freundlichen Einsatz danken.

Wir danken auch Ihnen, werte Damen und Herren für ihr Kommen und hoffen noch auf zahlreiche solche freundschaftliche Zusammenkünfte in der Zukunft.
 
 

DANKE SCHÖN