Einführung in den Islam
Anas Schakfeh
Meine Damen und Herren!
Das Thema meines Vortrages ist die verkannte, sehr oft "mißtraute"
Religion des Islam.
Ich will nicht verallgemeinern. Sicherlich gibt's unter Ihnen Leute,
die unsere Religion ganz genau kennen und sich wissenschaftlich und praktisch
mit unserer Religion ausein-andersetzen, aber trotzdem, es gibt hier einige,
die eben weniger die Möglichkeit gehabt haben, sich mit unserer Religion
auseinander-zusetzen.
Ich beginne mit dem Wort Islam.
Das Wort Islam ist arabisch und bedeutet, rein von der Sprache her
so viel wie Hingabe, Ergebung, Friede. Sie werden überrascht sein,
daß ich nicht ein Wort mit einem Wort übersetzt habe, weil jede
Sprache hat ihre Logik, und die arabische Sprache hat ihre eigene Logik.
Das Wort Islam hat alle diese drei Schattierun-gen und stammt von dem Stammwort
SLM.
Semitische Sprachen haben immer ein Stammwort, das man nicht aussprechen
kann, man muß die Buchstaben extra ausspre-chen, Sin - Lam - Miem;
und dann kommen die Konsonanten dazu und aus den verschie-densten Varianten
werden verschiedene Wörter gebildet, die von diesem Wurzelwort abgeleitet
werden können, und so bekommt man eine Menge Wörter, die in der
Bedeutung verwandt sind. Deswegen diese drei Begriffe.
Und jetzt Islam als Religion:
Mindestens aus unserer Sicht bedeutet Islam friedliche Hin-gabe an
Gott und somit ist Islam eine Haltung des Menschen Gott gegenüber.
Diese Be-zeichnung bezieht sich nicht auf eine Volksgruppe oder eine Gemeinschaft,
auf eine Per-son oder auf eine Landschaft - so wie die anderen Religionen
eben ihre Bezeichnungen gewonnen haben. So ist z.B. das Christentum mit
der Person Christi verbunden, der Buddhismus mit Buddha, das Judentum mit
dem jüdischen Volk, mit dem Stamm Juda oder der Hinduismus mit Indien
usw.
So kann man viele Religionen nennen und sieht, da ist ein Volk, eine
Gruppe, eine Person usw.
Der Islam ist eine Haltung des Menschen Gott gegenüber, die friedliche
Hingabe an Gott. Somit verstehen wir Muslime, daß alle Men-schen,
die je auf dieser Erde gelebt haben und diese Haltung Gott gegenüber
eingenom-men haben, Muslime waren. Und jetzt werden einige sagen, die Muslime
wollen uns viel-leicht vereinnahmen. Es ist keine Vereinnahmung oder etwas
Ähnliches, sondern das ist unser Verständnis der Religion, das
ist die Religion.
Seit wann gibt es Muslime?
Nach unserem Verständnis, seitdem es Menschen gibt. Seit der Menschwerdung
sind alle Men-schen, die diese Haltung Gott gegenüber vertreten haben,
Muslime. Wir Muslime glau-ben, daß der erste Mensch, Adam, zugleich
der erste Prophet war, denn wir glauben, daß Gott, der uns erschaffen
hat, uns von Anfang an seine Botschaft gegeben hat. Er sprach zu uns durch
seine Boten, Propheten und Gesandten. Wie gesagt, von Anfang an war der
erste Mensch zugleich der erste Prophet. Und Sie wissen genau, daß
das Wort Adam semitisch ist und bedeutet Mensch. Also der erste, der mit
diesem Namen, mit dieser Be-zeichnung angesprochen wurde, Mensch, war gleich
der Gesandte Gottes, der Prophet. Und jetzt werden manche von Ihnen überrascht
sein, manche von Ihnen, nicht alle, es gibt viele die sich genau auskennen,
daß wir nicht an einen Propheten, an einen einzigen Propheten glauben,
Muhammad, - manche nennen uns ja fälschlicherweise nach ihm Mo-hammedaner
- sondern an sehr viele Propheten und Gesandte.
Der erste war Adam, der letzte nach unserem Glauben war Muhammad, der
letzte und abschließende. Zwi-schen den beiden gab es sehr viele.
Wir wissen nicht einmal wieviele, tausende, abertau-sende, denn Gott sprach
immer wieder zu den Menschen in den verschiedensten Zeiten und verschiedensten
geographischen Gebieten und Lagen. Von diesen sehr, sehr vielen Propheten
und Gesandten, also Boten Gottes für die Menschen, kennen wir namentlich
25, welche im Qur'an, dem Buch der Muslime, offenbart worden sind, d.h.
erwähnt worden sind. Und diese 25 Namen kennen Sie auch, denn sie
sind auch in der Bibel zu finden, das sind die Gestalten der Bibel, wie
da sind Adam, Noah, Abraham, die Söhne Abrahams, Isaak, Ismael, Jakob,
Moses usw. dann Jesus Christus und somit wissen Sie, daß Jesus Christus
für uns nicht ein unbekannter Fremder ist, sondern ein Prophet und
Gesandter Gottes, den wir genauso wie Muhammad verehren. Allerdings - das
werden Sie gleich vernehmen - glauben wir nicht an die Gottheit Jesu Christi,
also die Sohnschaft Gottes. Aber daß er ein Auserwählter war,
der zu den Menschen geschickt worden war, ein Bote Gottes - und zwar einer
der hervorragendsten Gesandten Gottes, ist eine Glaubenslehre unserer Religion.
Und das ist keine irgendwie im nachhinein eingeräumte Position
für Je-sus Christus, damit wir etwa den Christen näher kommen,
nein - von Anfang an war die Verkündigung des Muhammad eindeutig.
Also alle diese Gestalten sind ihm nicht fremd, sondern sie sind die Boten Gottes. Das sind seine Vorgänger, das sind seine Mitbrüder, er ist nicht besser, und sie waren nicht schlechter, sie sind gleich, "denn wir kommen alle von dem einen Gott zu den Menschen. Wir bringen die eine Botschaft, die eine Offenbarung. Deswegen ist die Offenbarung Gottes für uns eine einheitliche". Wenn wir da und dort identische Aussagen unserer Re-ligionen finden, dann ist das nicht zufällig, - aber auch kein Abschreiben, wie manche es ausdrücken - sondern es kommt davon, mindestens so wie wir es glauben, weil die Quelle ein und dieselbe ist, das ist von Gott und es gibt nur einen Gott und das ist die Offenba-rung Gottes. Und die Offenbarung Gottes muß ja gleich sein. Die Unterschiede rühren daher, daß entweder die Menschen eine weitere Entwicklung durchgemacht haben - und eine geistige und kulturelle Entwicklung der Menschen ist eine unbestrittene Tatsache und deswegen kamen immer wieder neue Gegebenheiten, die neue Fragen, die neue Antworten erfordert haben und deswegen kam ein weiterer Bote Gottes und gab die Ant-worten auf diese Fragen der Menschen, oder aber haben die Menschen durch die Über-tragung, und Übertragung war sehr oft ja in den meisten Fällen über Jahrhunderte münd-lich, die Botschaft entstellt. Deswegen brauchte sie eine Korrektur durch einen nächsten Boten Gottes, einen neuen Prophet usw.
Nun über Christentum und Judentum brauche ich Ihnen nichts zu erzählen, das ist Ihr Gebiet. Jetzt aber wollen Sie über den Islam, die letzte Formulierung der Offenbarung Gottes, etwas hören, denn so betrachten wir die Sendung des Propheten Muhammed, als die letzte Formulierung.
Ich will Ihnen jetzt nur ein paar Schwerpunkte erwähnen, die für
uns zentral und eben grundlegend sind. Das will ich zuerst mit einer Stelle
aus dem Quran erklären, mit Sure 6, Vers 162. Die Übersetzung
lautet auf deutsch etwa:
"Sprich: Mein Gebet und mein Opfer, mein Leben und mein Tod gehören
Gott, dem Herrn der Welten."
Diese Worte des Qur'ans erklären die Haltung, die ich eben am Anfang gesagt habe, die Haltung des Menschen Gott gegenüber. Diese Hingabe an Gott. Deswegen heißt es, "Sprich". Gott spricht zu dem Propheten und sagt ihm-. "Sprich", verkündige, sag: "mein Gebet und mein Opfer, mein Leben und mein Tod gehören Gott, dem Herrn der Weiten".
Nun welche Hauptaussage hat diese letzte Botschaft?
Die Hauptaussage, die Hauptlehre der Verkündigung des Propheten
Muhammad war "Tauhid", das ist ein arabisches Wort wieder und bedeutet
in der Übersetzung "die absolute Einheit und Einzigartigkeit Gottes".
Manche werden sich fragen, warum haben Sie nicht gleich Monotheismus
gesagt. Das arabische Wort drückt eben den Glauben des Moslems besser
aus. Denn Monotheismus ist klar der Glaube an den einen Gott, aber ich
will die Unterschiede hier auch herausstel-len.
Denn deswegen habe ich gesagt, das arabische Wort drückt es besser
aus, und in der Übersetzung kann ich das nicht mit einem Wort übersetzen,
denn das ist, der Glaube an die absolute Einheit und Einzigartigkeit Gottes,
d.h. wir glauben, daß Gott nicht nur einer, sondern daß er
einzig und einzigartig ist. Vereinfacht erklärt:
Wir glauben, daß es nur zwei Bereiche gibt. Gott und die Schöpfung - und alles außer Gott ist Schöpfung-. Deswegen können wir niemals auf irgend eine Weise einen Vergleich zwischen Gott und seiner Schöpfung ziehen. Aus dem Grund ist Gott für uns niemals darstellbar. Also auf irgend eine Weise Gott darzustellen, ist unmöglich. Nicht einmal gedanklich möglich und deswegen versucht der Moslem nicht einmal in Gedanken sich eine Vorstellung von Gott zu machen, weil jede gedankliche Vorstellung eine Darstellung ist, und eine Darstellung Gottes ist unmöglich.
Denn wir Menschen denken eben in unserem Rahmen, in unseren Dimensionen.
Und es sind weltliche Dimensionen, es sind Dimensionen, die zu dieser Schöpfung
gehören, und Gott ist darüber erhaben. Er ist aber keine abstrakte
Größe, wie manche es behaupten und sagen- "Der Gott der Muslime
ist abstrakt." Er ist nicht ab-strakt, Seine Existenz ist wahrhaftig, grundlegend
und grundsätzlich. Er ist da, Er ist überall, Er ist uns nahe,
Er ist erhaben, aber deswegen nicht fern von uns, sondern wie der Qur'an
es ausdrückt,
"Gott ist uns näher als unsere Halsschlagader", also d.h. am nächsten
zum Herzen des Menschen. Gott ist sehr nahe, immer wenn wir uns an Ihn
wenden; ist Er da - und trotzdem können wir Ihn nicht darstellen und
uns keine Vorstel-lung von Ihm machen.
Unsere Religion sagt, jede Vorstellung, die du dir von Gott machst,
ist falsch, denn Gott ist anders. Und deswegen ist das Wort "Tauhid" wesentlich
und es ist die Zentralaussage unserer Religion. Und dieser Gott, der Einzig
und Einzigartig ist, hat die gesamte Schöpfung erschaffen, es gibt
keinen anderen Gott. Dieser Gott hat die ge-samte Schöpfung erschaffen,
und deswegen ist die Schöpfung auch einheitlich.
Die Ein-heit Gottes impliziert die Einheit der Schöpfung, und in dieser Schöpfung hat der Mensch eine besondere Stellung und deswegen auch eine besondere Bestimmung. Denn die Stellung des Menschen in der Schöpfung ist uns klar, weil wir eben unter den anderen Geschöpfen diejenigen sind, die mit der Vernunft versehen sind, d.h. Gott hat uns diese Gabe gegeben, die Vernunft: die Gabe zu denken und zu begreifen. Weil wir diese große Gabe empfangen haben, haben wir auch die Verantwortung zu tragen. Deswegen sind wir verantwortlich. Wir haben die Möglichkeit zu denken, zu wählen, zu entscheiden und aus dieser Entscheidung folgt die Verantwortung.
Also was ist jetzt unsere Bestimmung?
Die Bestimmung des Menschen ist es, Gott zu dienen, wobei der Gottesdienst
weit über das Übliche hinaus erweitert ist. D.h. normalerweise
hören wir das Wort Gottesdienst und denken: Das ist für die Christen
eine Messe, für die Muslime irgendwelche Gebete, die in der Moschee
zu verrichten sind usw. Aber so verstehen wir den Gottesdienst nicht. Der
Gottesdienst ist für uns weit über das Übliche hinaus erweitert,
denn alles was gut und somit im Sinne Gottes ist, ist Gottesdienst - egal
wie geringfügig, wie banal oder wie We-sentlich es sein mag. Das sind
die allgemeinen Gottesdienste.
Die speziellen Gottes-dienste sind die Hauptgottesdienste.
Das sind die bekannten Säulen des Islam: das ei-gentliche Gebet,
das Fasten und sonstige religiöse Übungen sowie z.B. die Pilgerfahrt
usw.
Wofür sind wir verantwortlich?
Jeder Mensch hat in erster Linie die Verantwortung für sich zu
tragen. Das ist die Selbstverantwortung des Menschen für seine Werke
und Taten - er ist für alles, was er tut oder läßt, Gott
verantwortlich. Er trägt auch Mitverantwortung für seine Mitmenschen,
für das Los seiner Mitmenschen. Er kann nicht sagen: Ich bemühe
mich eben meine Pflichten Gott gegenüber zu erfüllen, und es
geht mich nichts an, wie es den anderen geht. Ich habe mich gerettet oder
ich habe das Heil erlangt. Nein, so geht es nicht. Er kann sich nur dann
bewähren und eben seine Verantwortung Gott gegenüber erfüllen,
wenn er auch für seine Mitmenschen die Verantwortung trägt, nicht
für ihre Ver-dienste oder Verfehlungen im religiösen Sinne, denn
da ist jeder für sich verantwortlich.
Aber er kann nicht sagen, mir ist es egal, ob der andere an Hunger
leidet oder an Durst oder an irgend einer anderen Entbehrung. Er ist dafür
verantwortlich. Wenn der Nächste nicht imstande ist für sich
zu sorgen, also in diesem Fall derjenige, der diese Verantwor-tung zu tragen
hat und für die Versorgung zuständig ist - muß er sie mitversorgen,
er kann sich nicht der Verantwortung entziehen.
Natürlich trägt er auch für ihr Seelenheil in bestimmten
Maße Verant-wortung.
Er muß verkündigen, die Botschaft weitergeben, aber er kann
sie nicht zwingen , das Heil anzunehmen, die Wahrheit anzunehmen. Das kann
er nicht, das darf er nicht. Wenn Sie jetzt Verfehlungen begehen, dann
hat er die Verpflichtung, Sie zu mahnen, aber nicht mehr.
Was ist das irdische Leben für uns?
Das irdische Leben ist eine Bewährungszeit. So fas-sen wir das
Leben auf Erden auf. Gott stellt uns das Leben für eine gewisse Zeit
zur Ver-fügung, und wir müssen uns währenddessen bewähren,
aber das Leben auf dieser Erde soll ausgeglichen, ausgewogen sein. Weder
ist Askese verlangt, noch ist eine Weltent-sagung gut, man kann sich nicht
rühmen, ich entsage der Weit, ich lebe in einer Ein-siedelei nur für
das Gebet. Das ist nicht der beste Weg. Also eine strenge Weltentsa-gung,
eine Askese ist für uns nicht besonders gut, das ist nicht der bessere
Mensch, aber auch das Leben in Ausschweifung und Grenzenlosigkeit ist nicht
begrüßenswert, ist viel-mehr tadelnswert.
Lebenswert ist ein Weg der Mitte. Das ist nämlich der Islam, das ist die Botschaft des letzten Propheten, ein Weg der Mitte. Mit den Menschen, nicht fern von den Menschen, nicht nur für sich leben, sondern für seine Mitmenschen, auch für die Gemein-schaft.
Was ist das Ziel?
Das Ziel ist immer und allein das Wohlgefallen Gottes und das Erlan-gen
des ewigen Friedens bei Gott im Jenseits. Das irdische Leben dient dazu,
daß wir uns für das Leben im Jenseits sozusagen bewähren
und vorbereiten. Das eigentliche Le-ben ist das ewige Leben. Aber noch
einmal, das soll uns nicht dazu bringen, daß wir sa-gen, gleich entsagen
wir dieser Welt. Man muß sein Leben im Erlaubten leben, d.h. ohne
daß man verbotene Bereiche betritt, und muß für seine
Mitmenschen etwas leisten, soviel man kann, aber nicht über sein eigenes
Vermögen. Das ist wieder eine islamische Hal-tung, und es steht im
Qur'an:
"Gott belastet niemals eine Seele über ihr Vermögen", denn
er hat uns erschaffen, er weiß, was wir können und was wir nicht
können, er weiß, was der Mensch imstande zu leisten ist und
was er nicht leisten kann. Deswegen gibt es im-mer Grenzen, wo der Mensch
sagt, "mehr kann ich nicht". Und er muß gewiß sein, Gott weiß
es, denn Er hat uns erschaffen und weiß, daß wir nicht vollkommen
sind und unsere Grenze haben.
Also somit wissen Sie, daß unsere Religion, der Islam, Ihrer Religion nicht fremd ist, sondern sie ist, wie wir sie verstehen. Das ist wieder keine Vereinnahmung, das ist die Fortsetzung und Vollendung der Botschaft Gottes. Denn wir reden nicht von einem anderen Gott, es gibt nur einen Gott, das ist der Gott, der Adam, Noah, Abraham, Moses, Jesus und Mohammad zu uns Menschen geschickt hat, Er hat uns erschaffen, das ist der-selbe, nicht ein anderer Gott. Also wir sind nicht fremd und nichts anderes und nicht exo-tisch, wie manche es glauben.
Selbstverständlich gibt es immer wieder irgendwelche Ereignisse, die sich irgendwo in der Welt ereignen, aber man darf diese Ereignisse niemals verallgemeinern, niemals auf alle anderen, die eben in irgendeiner Beziehung dazu stehen, gleich beziehen und sie auf diese Art verkünden. Man muß die Dinge so sehen, wie sie sind, wie sie wirklich sind. Natürlich sind die Massenmedien und ihre Formulierungen sehr oft verantwortungslos und sehr oft schädlich, denn sie neigen allzu oft zur Verallgemeinerung, und wenn etwas irgendwo in der Weit passiert, dann sind das die oder die und nicht derjenige, der es gemacht hat oder es angestellt hat.
Nun gebe ich eine kurze Zusammenfassung der religiösen Pflichten
des Muslims.-
Die erste Verpflichtung ist die Schahada, d.h. das Glaubensbekenntnis
zu sprechen. Und das ist zugleich der erste und wichtigste Gottesdienst,
den Glauben zu bekunden, zu er-klären und Zeugnis davon abzulegen.
Denn ohne den Glauben ist die Religion für uns leer.
Die zweite rein religiöse Verpflichtung eines Muslims ist das tägliche Gebet, und da beten wir sehr oft fünfmal täglich zu fünf verschiedenen Tageszeiten. Das erste Gebet beginnt sehr zeitlich in der Früh, bei der Morgendämmerung. Es sind eigentlich Zeitspannen, nicht Zeitpunkte, d.h. man kann das Morgengebet verrichten in der Früh von der Morgendäm-merung bis zum Sonnenaufgang, das ist die Zeit dafür, man betet nicht die ganze Zeit, sondern 15 Minuten reichen für das Morgengebet aus. Der Tag eines Muslims beginnt mit dem Frühgebet, mit dem Morgengebet und dann zu Mittag folgt das Mittagsgebet und die Zeit dafür beginnt, wenn die Sonne ihre höchste Stellung am Himmel erreicht hat, also im Zenit steht. Die Zeit für das Mittagsgebet endet, wenn die Dinge einen gleich langen Schatten werfen. Warum sage ich nicht um so und so viel Uhr? Weil die Jahreszeiten und die Tageslänge und die geographische Lage, das alles eine Rolle spielt. Und dann folgt das Nachmittagsgebet, da beginnt die Zeit dafür, wenn die Dinge einen zweifachen Schatten werfen und endet unmittelbar vor dem Sonnenuntergang. Danach folgt das Abendgebet. Die Zeit dafür beginnt unmittelbar nach dem Sonnenuntergang und endet, wenn die Abendröte verschwunden ist, d.h. wenn es beginnt zu dunkeln. Und dann folgt das Nachtgebet. Seine Zeit beginnt eben dann, wenn es dunkel geworden ist, wenn die Abendröte verschwunden ist, und endet unmittelbar vor der Morgendämmerung. Also wie Sie sehen, es sind fünf Gebete verteilt auf die Tageszeiten, Tag und Nacht inbegriffen. Man muß also nicht die ganze Zeit beten, man darf es auch nicht. Gott will das nicht, son-dern man muß auch arbeiten, sich um seine Familie sorgen und um seine Mitmenschen usw., aber diese Gebete ordnen den Tag und bringen uns immer wieder mit Gott in Ver-bindung. Ob jemand das tun, das hängt von jedem einzelnen ab, wie er das Gebet verrichtet. Das sind die fünf Tagesgebete eines Muslims, das ist eine grundlegende Verpflichtung des Muslims, wie der Prophet sich äußerte und feststellte. Er sagte: "Das Gebet ist die tragende Säule der Religion. Wer es verrichtet, der hält die Religion aufrecht, und wer es vernachläßigt, der zerstört die Religion", d.h. anders ausgedrückt: Die Religion steht und fällt mit dem Gebet.
Dann hat der Muslim ein Monat lang im Jahr, nach der Hidiri-Zeitrechnung, das ist unsere Zeitrechnung (eine Mondzeitrechnung) und zwar im neunten Monat zu fasten. Der neunte Monat heißt auf arabisch Ramadan. Während dieses Monats fasten wir und zwar täglich von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang, also tagsüber. Das ist die Fasten-zeit. Da dürfen wir weder essen noch trinken, noch rauchen, wenn man ein Raucher ist (sowieso ist Rauchen fraglich), also keine Nahrungsaufnahme und auch die Ehepflicht ist untersagt während dieser Zeit. Sonst muß man sich auch ganz artig benehmen. D.h. man darf nicht einmal mit anderen Menschen laut sprechen oder streiten oder heftig diskutie-ren und so weiter, also man muß in Frieden leben, es ist eine Friedenszeit. Das ist das Fasten kurz gefaßt.
Dann kommt die Verpflichtung des Muslims seinem Nächsten gegenüber. Das ist auch ein Gottesdienst, das nennen wir Zakat, das ist vereinfacht auf deutsch übersetzt, die sozial-religiöse Pflichtabgabe. Es gibt eine Grenze dafür, eine bestimmte, definierte Grenze für Wohlhabendsein, d.h. Versorgtsein. Wer diese Grenze erreicht hat, ist verpflichtet von dem, was er hat, bestimmte Prozentsätze abzugeben. Es ist keine Art von Kirchensteuer, nicht für Erhaltung der Moschee oder für religiöse Ausgaben, sondern eine sozial-religiöse Pflichtabgabe, zugunsten des Schwächeren, der Armen in der Gesellschaft, derjenigen, die sich gerade in Notlage befinden usw. Also das ist eine soziale Leistung und zugleich ein Gottesdienst. Der Wohlhabende ist dazu verpflichtet und wenn er es nicht tut, dann macht er sich schuldig.
Zuallerletzt: Der Moslem hat einmal im Leben die Pilgerfahrt zu erfüllen, wir sagen verein-facht nach Mekka, Wenn das Ziel eigentlich ist nicht einmal die Stadt Mekka, sondern eine Landschaft, die in der Nähe von Mekka liegt, aber Mekka ist eine wichtige Station der Pil-gerfahrt. Diese Pilgerfahrt muß man einmal im Leben erfüllen und die Voraussetzung da-für ist, daß man imstande ist, diese Verpflichtung zu erfüllen. Wenn man z.B. finanziell nicht in der Lage ist, dann ist man nicht verpflichtet, wenn man schwer krank ist und so weiter.Es gibt bestimmte Gründe, die einen entlasten.
Das sind jedenfalls die Hauptgottesdienste. Und jetzt fragt sich einer:
Sie haben gesagt, der Muslim betet zu bestimmten Zeiten, aber wie ist es,
wenn er sich jetzt in einer Verfas-sung befindet, wo er Bedürfnis
hat zu beten; wartet er, bis die Zeit kommt?
Natürlich nicht, er kann immer beten, das sind dann freiwillige
Gebete und dafür gibt es keine vorge-schriebene Zeit. Zu jeder Zeit
kann man sich an Gott wenden und beten. Aber diese fünf Gebetszeiten,
diese fünf Gebete sind verpflichtend. Da muß man beten und wenn
man nicht betet, macht man sich schuldig Gott gegenüber; aber sonst
jederzeit, wenn man da-nach Bedürfnis hat, Gott ist immer da.
Ich wollte nur das Allerwesentlichste sagen. Die Zeit ist fortgeschritten
und jetzt ich bin jetzt bereit für Ihre geschätzten Fragen.
Der Text ist eine von Anas Schakfeh und Alfred Garcia
Sobreira-Majer überarbeitete Tonbandabschrift des Vortrages. (1995)