HERMES TRISMEGISTOS
KYBALION
Geleitwort
Dieses - mir schon seit längerem bekannte
- Büchlein ist eine literarische
Besonderheit. Es erschien erstmalig 1908 in englischer Sprache in Chicago. Stil
und Zeitkritik gehören jener Zeit der Jahrhundertwende an, woran auch in der
vorliegenden Übertragung nichts geändert wurde. Die Verfasser bleiben anonym;
in der alten Ausgabe wird diese Anonymität noch mit einem gewissen Pathos
unterstrichen und begründet, indem es dort heißt: Von drei Eingeweihten!
Immerhin, der Inhalt des Buches ist durchaus imstande, dieses Pathos zu
rechtfertigen. Denn es handelt sich hier - dem Text nach - um nichts Geringeres
als um eine erstmalige direkte Einführung in die Grundsätze der uralten, bis
dato streng geheim gehaltenen hermetischen Philosophie.
Das ist freilich eine Behauptung, die
sich auf der sonst üblichen Basis von Quellennachweisen in keinerlei ausreichender
Form belegen lässt. Gibt es doch
überhaupt kaum beglaubigte Unterlagen zu dieser Thematik, nachdem eben bislang
die geheime Weitergabe dieser Lehren nur - wie es traditionell heißt – „von
Lippe zu Ohr“ erfolgte. Es ist im Übrigen so, dass lange Zeiten hindurch die
Existenz dieser Geheimtradition weniger strikt als ihr Inhalt verborgen
gehalten wurde. Angefangen bei den Mysterien von Memphis und Theben lässt sich dies über Antike und Mittelalter
bis zur französischen Revolution verfolgen. Von da ab allerdings gibt es bis
zum Erscheinen des vorliegenden Buches praktisch kein aktuelles Zeugnis mehr,
das irgendwelche Bezüge auf eine noch lebende Tradition enthält. So kommt es,
dass heute, wenn von “Hermetik“ die Rede ist,
darunter vielfach sogar etwas völlig anderes verstanden wird. Man meint dann in
der Regel das Wesen und das mythologische Bild des griechischen Götterboten,
den die Römer Mercurius nannten, und die heute damit
verbundenen religionspsychologischen Aspekte. Und nur wenige berücksichtigen
noch, dass ursprünglich die legendäre Gestalt des HERMES TRISMEGISTOS, des
„Dreimal Großen, des „Meisters aller Meister, des „Schriftgelehrten der Götter
usw. im frühgeschichtlichen Ägypten dieser Götterfigur vorausgegangen war.
Dieser HERMES, von den alten Agyptern Theut oder Thot genannt, soll als
Weiser ca. 3000 v. Chr. gelebt haben. PLATON sagt von ihm, er habe Zahl und
Maß, auch die Unterscheidung von Sprachlauten und andere kulturelle Grundlagen
entwickelt. Auch die Sternkunde und die Alchymie
werden auf ihn zurückgeführt. Der Karthager TERTULLIAN nennt ihn „magister omnium physicorum“, d. i. „Lehrmeister aller Naturforscher. Die
„Eingeweihten berichten von einer Sage, nach welcher er Zeitgenosse ABRAHAMS
gewesen sei und von diesem einen Teil seines esoterischen Wissens übernommen
habe. Grundsätzlich aber sehen sie in ihm den erhabenen Vater der okkulten
Weisheit den größten unter den Adepten und Meistern des frühen
Menschengeschlechtes. So erscheint seine überragende Gestalt als die
personifizierte Quelle der hermetischen Lehren und es wird darüber hinaus
behauptet, dass nachfolgend deren geheime Verbreitung alle großen Religionen
und Philosophien des Orients wie des Okzidents in ihren wesentlichsten
Ansätzen maßgeblich beeinflusst hätte.
Soweit der kulturgeschichtliche
Untergrund, auf dem der Inhalt des Büchleins gesehen werden muss. Es bleibt
einem freigestellt, die mangelnde Nachprüfbarkeit dieses Untergrundes
hinzunehmen oder als obskur oder gar suspekt zu empfinden.
Aber darauf kommt es im Grunde gar nicht
an! Denn wie dem auch sei, kann sich doch jede echte Kritik immer nur an die
Qualität und das Niveau dessen halten, was hier substantiell geboten wird. Und
das ist zweifelsohne bestechend, auch diesmal unabhängig davon, ob man sich
bereit findet, die Dinge so anzunehmen, wie sie im Zuge der Abhandlungen
beschrieben werden, oder nicht.
Die vorliegende Schrift beschäftigt sich in
der Hauptsache mit den sieben hermetischen Prinzipien, die als Grundlage des
hermetischen Denkens schlechthin aufzufassen sind. Diese Prinzipien beinhalten,
dass das All - das nach seiner Natur nicht definiert werden kann als „Geist
deklariert dem Universum als seiner Schöpfung zwangsläufig das Prädikat
„geistig“ zuweist, dass also - vom All her gesehen - alles Geist und - von der
Schöpfung und vom Geschöpf her gesehen - alles geistig ist; dass alles - weil
letztlich aus dieser gleichen Wurzel stammend - untereinander Entsprechungen
aufweist und dass sich Entsprechungsebenen von der dichtesten Materie bis in
die höchsten Formen reinen Geistes fortlaufend durch das ganze Universum
errichten lassen; dass alles in Schwingung und fortlaufender Bewegung ist und
sich daher die Entsprechungsebenen durch ihre jeweilige Schwingungshöhe
voneinander unterscheiden; dass alles seine Polarität, seine Gegensätzlichkeit
hat, die aus der gleichen Natur bei unterschiedlichen Schwingungsgraden als
etwas relativ Fixierbares hervortritt; dass alles - seinem Wesen nach ja
Schwingendes, also Dynamisches rhythmischen Gezeiten unterliegt, denen eine
kompensatorische Bedeutung innewohnt; dass - durch alle Ebenen hindurch -
alles dem Zusammenhang von Ursache und Wirkung unterworfen ist; und
schließlich, dass alles ein bipolares Geschlecht zeigt und darin sein
schöpferisches Wesen offenbart. Aus diesen Prinzipien und ihren Anwendungsmöglichkeiten
im Erkennen wie im aktiven Vorgehen zeichnet sich eine Philosophia
Magna als gültige höhere Wissensform sowie eine konkrete Kunst geistigen
Handelns ab, was beides - richtig verstanden und aufgebaut - zu einer
fortschreitenden Bewusstseinssteigerung und gestrafften Eigenentwicklung, zu
einer mit den höheren Gesetzen und Realitäten in Einklang stehenden
Lebensgestaltung und ebensolchen Erfüllung der gegebenen Sinngehalte des Seins
zu führen vermag. Auf alle Fälle erziehen diese Aspekte zu einer Nachdenklichkeit
und Stellungnahme weit über die üblichen Grenzen der Lebensbetrachtung hinaus
und sind dabei so gehalten, dass sie - trotz der geradlinigen Einbeziehung
eines reellen Okkultismus bis an den Rand des Ansprechbaren - an keiner Stelle
auch nur irgendwie jene fatale Atmosphäre aufkommen lassen, die so viele
okkulte Offenbarungen von Halbwahrheiten in mehr oder weniger schwülstigen
Formen kennzeichnet. Im Gegenteil ist hier alles klar, nüchtern und sauber in
Absicht und Gedankenführung in einer souveränen Würde und Übersicht
vorgetragen, unbestechlich in sich ruhend und letztlich untangiert von der
Frage, ob und wieweit der Leser sich dazu positiv einstellt.
Es bleibt noch nachzutragen, dass der
Name „Kybalion“ die traditionelle Bezeichnung einer mündlich überlieferten
Sammlung grundsätzlicher hermetischer Lehren ist. Vieles davon ist - nach
Angabe der Eingeweihten“ - aus dem absichtlich undurchsichtig gehaltenen
Originaltext in diesem kleinen Buch in leichter verständlicher Form ausgeführt
und im Sinne einer Einführung erläutert. Wir haben uns bemüht, Euch in diesem
kleinen Werk eine Idee der grundsätzlichen Lehren des Kybalion und der
wirkenden Prinzipien zu geben, und überlassen ihre Anwendung Euch selbst, statt den Versuch zu machen, die Lehre
im Einzelnen auszuarbeiten. So ist die Verwendung des Namens Kybalion auch
für den Titel des Buches gerechtfertigt.
Nachdem die amerikanische Originalausgabe
des vorliegenden Buches längst vergriffen und praktisch verschollen ist,
gebührt dem Verfasser der ausgezeichneten Übertragung ins Deutsche wie dem
Verleger wirklicher Dank für diese Neuerscheinung. Beide haben sich damit in
besonderem Maße - wie man in Indien zu formulieren pflegt - „Verdienst
erworben“, nämlich Verdienst an einer Thematik, an der man nicht ohne weiteres
vorübergehen sollte.
H.
E. HELMRICH
Einleitung
Wir erlauben uns, die
Aufmerksamkeit von Schülern und Forschern der geheimen Lehren auf dieses kleine
Werk zu lenken, das auf den uralten hermetischen Lehren beruht. Es ist über
diesen Gegenstand, abgesehen von den zahllosen Bezugnahmen auf diese Lehren, in
den vielen Werken über Okkultismus so wenig geschrieben worden, dass die
vielen ernsthaften Sucher nach den „arkanischen
Weisheiten“ zweifellos das Erscheinen des vorliegenden Buches begrüßen
werden.
Die Absicht dieses
Werkes ist nicht die Verkündigung irgendeiner besonderen Philosophie oder
Lehre, sondern der Wunsch, den Schülern eine Feststellung der Wahrheit zu
geben, die dazu dienen soll, die vielen Teile okkulten Wissens miteinander in
Einklang zu bringen, die sie vielleicht in sich aufgenommen haben, die aber
augenscheinlich zueinander in Gegensatz stehen, eine Tatsache, die oft dazu
führt, Anfänger beim Studium zu entmutigen oder abzuschrecken. Unsere Absicht
ist nicht, einen neuen Tempel des Wissens zu errichten, sondern in die Hände
des Schülers einen Hauptschlüssel zu legen, der die vielen inneren Tore des
mystischen Tempels zu öffnen vermag, den er durch seine Eingangspforten bereits
betreten hat.
Kein Teil der okkulten Lehren,
die die Welt besitzt, ist so fest behütet worden wie die Bruchstücke der
hermetischen Lehren, die uns im Laufe der Jahrtausende überliefert wurden, die
seit den Lebzeiten ihres Gründers verflossen sind, des HERMES TRISMEGISTOS, des „Schriftgelehrten der Götter, der
im alten Ägypten lebte zu Zeiten, wo das heutige Menschengeschlecht sich in
seiner frühesten Kindheit befand. Zeitgenosse von ABRAHAM und, wenn die
Legenden wahr sein sollten, Lehrer dieses verehrungswürdigen Weisen, war und
ist HERMES auch heute noch die große zentrale Sonne des Okkultismus, deren
Strahlen die zahlreichen Lehren erleuchtet haben, die seit seinen Zeiten verkündet
worden sind. Alle grundlegenden Wahrheiten, die in den esoterischen Lehren
aller Rassen enthalten sind, können auf HERMES zurückgeführt werden. Sogar die
ältesten Lehren Indiens haben ihre Wurzeln in den ursprünglichen hermetischen
Lehren.
Vom Lande des Ganges wanderten viele
fortgeschrittene Okkultisten in das Land Ägypten und saßen zu Füßen des
Meisters. Von ihm erhielten sie den Hauptschlüssel, der ihre verschiedenartigen
Standpunkte klärte und in Einklang brachte. So wurde die geheime Lehre fest
begründet. Auch von anderen Ländern kamen Gelehrte, die alle HERMES als den
Meister aller Meister betrachteten. Sein Einfluss war so groß, dass, obwohl die
Lehrer in diesen verschiedenen Ländern im Laufe der Jahrhunderte vom Wege
abwichen, dennoch eine gewisse grundsätzliche Ähnlichkeit und Übereinstimmung
der vielen oft ganz verschiedenen Theorien festgestellt werden kann, die heute
von den Okkultisten dieser Länder aufrechterhalten und gelehrt werden. Der
Student vergleichender Religionswissenschaft wird in jeder der Menschheit
bekannten Religion, die diesen Namen verdient, den Einfluss der hermetischen
Lehren bemerken können, ganz gleich, ob es sich um eine tote Religion handelt
oder um eine, die heute noch in voller Kraft steht. Eine gewisse
Übereinstimmung ist immer vorhanden, trotz äußerlicher Gegensätze. Die
hermetische Lehre wirkt hier als der große „Versöhner“.
Es scheint das Lebenswerk von HERMES
gewesen zu sein, die große fundamentale Wahrheit auszusäen, die emporwuchs und
zu so vielen seltsamen Formen erblühte, und das viel mehr als eine
Philosophenschule zu gründen, die berufen gewesen wäre, das Denken der Welt zu
beherrschen. Dessen ungeachtet sind die von ihm gelehrten Wahrheiten in ihrer
ursprünglichen Reinheit in jedem Zeitalter von einigen wenigen Männern erhalten
worden, die auf eine große Anzahl halbentwickelter Schüler und Anhänger
verzichteten und, dem hermetischen Brauch folgend, ihre Wahrheit für die
Wenigen aufbewahrten, die in der Lage waren, sie zu verstehen und zu meistern.
Von Lippe zu Ohr wurde die Wahrheit unter den Wenigen weitergegeben. Es gab immer
einige Eingeweihte in jeder Generation in den verschiedenen Ländern der Erde,
die die heilige Flamme der hermetischen Lehre am Leben erhielten und die
geringeren Leuchten der äußeren Welt wieder entzündeten, wenn das Licht der
Wahrheit trüb wurde. Es gab immer einige Wenige, die den Altar der Wahrheit
treu hüteten, über dem die ewige Flamme der Weisheit in ihrem Leuchten erhalten
wurde. Diese Mahner weihten ihr Leben dem Werk der Liebe, wie der Dichter es so
schön sagt:
„Oh,
lasst die Flamme nie verlöschen, die durch Jahrhunderte umhegt in ihrer Höhle
Dunkel, in ihren heil’gen Tempeln treu umhegt genährt
wird von der Liebe reinen Priestern. Lasst nie verlöschen sie, die Flamme.“
Diese Männer haben niemals öffentliche
Anerkennung gesucht oder zahlreiche Anhänger. Sie stehen diesen Dingen
gleichgültig gegenüber, denn sie wissen, wie wenige es in jeder Generation
gibt, die für die Wahrheit bereit sind oder sie erkennen würden, wenn man sie
ihnen darböte. Sie bewahren „das Fleisch für kräftige Männer“ auf, während andere
„die Milch für Babys“ liefern. Sie reservieren die „Perlen“ der Weisheit für
wenige Auserwählte, die ihren Wert erkennen und sie in ihren Kronen tragen,
statt sie vor die „Säue“ des gemeinen Materialismus zu werfen, die sie in den
Schmutz treten und sie mit ihrer abscheulichen geistigen Nahrung vermischen.
Aber niemals haben diese Männer die ursprüngliche Lehre des HERMES vergessen,
die Werke der Wahrheit weiterzugeben an diejenigen, die bereit sind, sie zu
empfangen. Diese Lehre spricht das „Kybalion“ folgendermaßen aus:
„Überall,
wo der Meister erscheint, öffnen sich die Ohren derjenigen weit, die bereit
sind für seine Lehren.“
Und:
„Wenn
die Ohren des Schülers bereit sind zu hören, dann kommen die Lippen, sie mit
Weisheit zu füllen.“
Aber im Allgemeinen
richtet sich ihre Haltung ganz nach dem anderen hermetischen Satz, den das
„Kybalion“ ausspricht:
„Die
Lippen der Weisheit sind verschlossen, nur nicht für die Ohren des
Verständnisses.“
Man hat diese Haltung der Hermetiker
kritisiert und behauptet, dass sie mit ihrer Politik der Abschließung und
Verschwiegenheit nicht den richtigen Geist zum Ausdruck bringen. Aber ein
flüchtiger Rückblick auf die Seiten der Geschichte zeigt die Weisheit der
Meister, welche wussten, dass der Versuch töricht ist, die Welt etwas zu
lehren, was sie weder bereit noch willens ist, zu empfangen. Die Hermetiker
haben niemals gewünscht, Märtyrer zu werden. Statt dessen saßen sie schweigend
beiseite mit einem mitleidigen Lächeln auf ihren verschlossenen Lippen,
während „um sie herum die Heiden lärmten und rasten“ bei ihrem
gewohnheitsmäßigen Vergnügen, die ehrlichen, aber missgeleiteten
Enthusiasten zu Tode zu foltern, die sich einbildeten, sie könnten einem
Geschlecht von Barbaren mit Gewalt eine Weisheit aufdrängen, die nur von
Auserwählten verstanden werden konnte, die schon fortgeschritten waren auf dem
„rechten Wege“.
Der Geist der Verfolgung ist im Lande
noch nicht ausgestorben. Es gibt gewisse hermetische Lehren, die, wenn sie
öffentlich verbreitet würden, über die Lehrer einen gewaltigen Sturm der
Entrüstung und der Schmähung bei der Menge hervorrufen würden, und wieder würde
sie schreien:
„Kreuzige,
kreuzige!“
Wir haben uns bemüht, Euch in diesem
kleinen Werk eine Idee der grundsätzlichen Lehren des „Kybalion“ und der
wirkenden Prinzipien zu geben und überlassen ihre Anwendung Euch selbst, statt
den Versuch zu machen, die Lehre im Einzelnen auszuarbeiten. Bist Du ein
rechter Schüler, dann wirst Du in der Lage sein, den Sinn dieser Prinzipien zu
lösen und sie anzuwenden. Wenn nicht, dann musst Du einer werden, denn sonst
werden die hermetischen Lehren für Dich nichts anderes sein als „Worte, Worte,
Worte...“.
I.
Kapitel
Die
hermetische Philosophie
„Die Lippen der Weisheit sind verschlossen, nur nicht für die
Ohren des Verständnisses.“
„Kybalion“
Vom alten Ägypten sind die
grundsätzlichen esoterischen und okkulten Lehren überkommen, weiche die
Philosophien aller Rassen, Nationen und Völker einige tausend Jahre lang so
stark beeinflusst haben. Ägypten, das Land der Pyramiden und der Sphinx, der
Geburtsort der verborgenen Weisheiten und der mystischen Lehren. Alle Nationen
haben aus seinen geheimen Lehren geschöpft, Indien Persien, Chaldäa, Medien, China, Jalsan,
Assyrien, das alte Griechenland und Rom und andere Länder des Altertums nahmen
großzügig teil an dem Festmahl des Wissens, das die Hierophanten
und Meister des Isislandes so freigiebig für
diejenigen bereiteten, die bereit waren, an den aufgespeicherten mystischen und
okkulten Lehren teilzunehmen, die die großen Geister dieses alten Landes
zusammengetragen hatten.
Im alten Ägypten wohnten die großen
Adepten und Meister, die in den Jahrtausenden, die seit den Tagen des großen
HERMES verflossen sind, niemals übertroffen und selten erreicht worden sind. In
Ägypten war der Sitz der Großen Loge der Mystiker. Ihre Tempel betraten die Novizen,
die später als Hierophanten, Adepten und Meister in
alle Teile der Welt wanderten und das kostbare Wissen mit sich trugen, das sie
bereit und willens waren, denen zu übermitteln, die ebenso bereit waren, es zu
empfangen. Alle Schüler des Okkultismus wissen, was sie den verehrungswürdigen
Meistern dieses alten Landes schulden.
Aber unter diesen großen Meistern des
alten Ägyptens lebte einst einer, den sie als Meister aller Meister anerkannten.
Dieser Mann - wenn er wirklich ein Mensch war - wohnte in den frühesten Tagen
in Ägypten. Er war bekannt als HERMES TRISMEGISTOS. Er war der Vater der
okkulten Weisheit, der Begründer der Astrologie und der Entdecker der Alchimie.
Die Einzelheiten seines Lebens, das so weit zurückliegt, sind nicht
überliefert, obgleich mehrere alte Länder sich die Ehre streitig machen, vor
Tausenden von Jahren sein Geburtsland gewesen zu sein. Das Datum seines
Aufenthaltes in Ägypten, d.h. seine letzte Inkarnation auf diesem Planeten, ist
nicht bekannt. Aber man hat es auf die ersten Anfänge der ältesten ägyptischen
Dynastien festgelegt, lange vor den Tagen des MOSES. Autoritäten auf diesem
Gebiet halten ihn für einen Zeitgenossen von ABRAHAM und einige jüdische
Überlieferungen gehen so weit, zu behaupten, dass ABRAHAM einen Teil seines
mystischen Wissens von HERMES selbst empfangen habe.
Als die Jahre vergingen, nachdem er
dieses Leben verlassen hatte (den Überlieferungen zufolge soll er 300 Jahre im
Fleische gelebt haben), machten die Ägypter HERMES zu einem ihrer Götter und
nannten ihn Thoth. Später erhoben ihn die alten
Griechen ebenfalls zu einem ihrer vielen Götter mit dem Namen „Hermes, Gott
der Weisheit. Die alten Ägypter ehrten sein Andenken noch viele Jahrhunderte,
ja Jahrtausende lang. Sie nannten ihn den „Schriftgelehrten der Götter und
verliehen ihm seinen alten Titel Trismegistos, d.h.
„der dreimal Große, der ganz Große, der Allergrößte usw.
In allen alten Ländern wurde der Name Trismegistos verehrt und dieser Name war gleichbedeutend
mit „Quelle der Weisheit“. Sogar bis zum heutigen Tag benutzen wir den
Ausdruck „hermetisch“ im Sinne von „geheim, versiegelt, so dass nichts
entschlüpfen kann“ usw. und dies aus dem Grunde, weil die Nachfolger von HERMES
stets das Prinzip der Geheimhaltung bei ihren Lehren beobachteten. Sie hielten
nichts davon, „Perlen vor die „Säue“ zu werfen, sondern hielten sich vielmehr
an die Lehre: „Milch für Babys, Fleisch für starke Menschen“, Grundsätze, die
beide den Lesern christlicher Schriften vertraut sind, die aber beide von den
Ägyptern Jahrhunderte vor der christlichen Ära schon angewandt wurden. Und
diese Politik sparsamer Ausstreuung der Wahrheit hat die Hermetiker stets
charakterisiert, selbst bis zum heutigen Tage. Die hermetische Lehre findet
sich in allen Ländern, unter allen Religionen, aber niemals identifiziert mit
einem bestimmten Lande noch mit einer bestimmten religiösen Sekte. Und dies
wegen der Mahnung der alten Lehrer, man dürfe die geheime Lehre nie zu einem
Glaubensbekenntnis kristallisieren lassen. Die Weisheit dieser Vorsicht ist für
alle diejenigen, die Geschichte studieren, augenscheinlich.
Der alte Okkultismus Indiens und Persiens
ist degeneriert und nahezu verloren gegangen, weil die Lehrer Priester wurden
und so Theologie und Philosophie vermischten. Die Folge war, dass der
Okkultismus Indiens und Persiens allmählich verloren ging in der Masse von
Aberglauben, religiösen Kulten, Glaubensbekenntnissen und Göttern. So ging es
auch im alten Griechenland und Rom. So war es auch mit den hermetischen Lehren
der Gnostiker und des frühen Christentums, die zur Zeit KONSTANTINS verloren gingen, dessen eiserne Hand
die Philosophie mit dem Dämpfer der Theologie erstickte, wodurch die
christliche Kirche das verlor, was ihr eigentliches Wesen und ihr Geist war,
und sie mehrere Jahrhunderte lang herumtappte, bevor sie den Weg zum alten
Glauben zurückfand. Für alle sorgfältigen Beobachter in diesem 20. Jahrhundert
ist es augenscheinlich, dass die Kirche darum kämpft, zu ihren alten mystischen
Lehren zurückzugelangen.
Aber immer gab es einige treue Seelen,
die die Flamme am Leben erhielten, sie sorgfältig hüteten und es nicht
zuließen, dass das Licht verlöschte. Und dank dieser starken Herzen und
furchtlosen Geister lebt die Wahrheit noch heute unter uns. Aber sie findet
sich nicht in Büchern von größerem Umfang. Sie wurde weitergegeben vom Meister
zum Schüler, vom Eingeweihten zum Hierophanten, von
Lippe zu Ohr. Wenn sie überhaupt niedergeschrieben wurde, war ihr Sinn verhüllt
in Ausdrücke der Alchimie und Astrologie, so dass nur der sie richtig lesen
konnte, der den Schlüssel dazu besaß. Das war notwendig, um den Verfolgungen
durch die Theologen im Mittelalter zu entgehen, die gegen die geheime Lehre mit
Feuer und Schwert fochten, mit Pfahl, Galgen und Kreuz. Selbst bis zum heutigen
Tage kann man nur wenige zuverlässige Bücher über die hermetische Philosophie
finden, obgleich es in vielen Büchern, die über die verschiedenen Phasen des
Okkultismus geschrieben wurden, zahllose Bezugnahmen auf sie gibt. Und doch ist
die hermetische Philosophie der einzige Hauptschlüssel, der alle Tore der
okkulten Lehre öffnen kann.
In frühester Zeit gab es eine Sammlung
gewisser grundsätzlicher hermetischer Lehren, die von den Lehrern an die
Schüler weitergegeben wurden, die unter dem
Namen „Kybalion“ bekannt war, ein
Ausdruck, dessen Bedeutung seit mehreren Jahrhunderten verloren gegangen ist.
Die Lehre jedoch ist vielen bekannt, denen sie überkommen ist von Mund zu Ohr
und immer so weiter die Jahrhunderte hindurch. Diese Lehren sind, soweit wir
wissen, niemals niedergeschrieben oder gedruckt worden. Es war nur eine
Sammlung von Grundsätzen und Vorschriften, die unverständlich für
Außenstehende waren, die aber leicht von den Schülern verstanden wurden, den
Grundsätzen und Vorschriften gemäß, die den Novizen durch die hermetischen
Eingeweihten erklärt und durch Beispiele belegt wurden. Diese Lehren legten tatsächlich
die grundsätzlichen Prinzipien der „Kunst der hermetischen Alchimie“ fest,
welche im Gegensatz zur allgemeinen Auffassung viel mehr die Beherrschung der
geistigen Kräfte als der materiellen Elemente betrieb - der Verwandlung einer
Art geistiger Schwingungen in andere, anstatt ein Metall in ein anderes zu
verwandeln. Die Legenden von dem „Stein der Weisen“, der unedle Metalle in Gold
verwandeln kann, waren eine Allegorie über die hermetische Philosophie, die
leicht von allen Schülern des wahren Hermetizismus
verstanden wurde.
Wir laden unsere Schüler ein, in diesem
kleinen Buch, dessen erste Lektion dies ist, die hermetischen Lehren zu
untersuchen, wie sie im „Kybalion“ dargelegt und von uns bescheidenen Schülern
der Lehre erklärt wurden, die zwar den Titel von Eingeweihten tragen, sich aber
immer noch als Schüler zu Füßen des HERMES,
des Meisters, betrachten. Wir geben Euch darin viele Grundsätze und
Vorschriften des „Kybalion“, begleitet von Erklärungen und Beispielen, die wir
für geeignet halten, den neuen Schülern die Lehre leichter verständlich zu
machen, besonders da der Originaltext absichtlich in dunkle Ausdrücke verhüllt
ist.
Die ursprünglichen Grundsätze und
Vorschriften des „Kybalion“ sind in Anführungszeichen gedruckt, um sie gebührend
hervorzuheben. Unsere eigene Arbeit ist in gewöhnlicher Weise gedruckt. Wir
hoffen, dass die vielen Schüler, denen wir dies kleine Werk jetzt anbieten, so
viel Vorteil aus dem Studium dieser Zeilen ziehen werden wie die vielen, die
damit schon früher begonnen haben. Sie wandern den gleichen Pfad zur
Meisterschaft im Laufe der Jahrhunderte, die seit den Zeiten von HERMES
TRISMEGISTOS verflossen sind, des Meisters aller Meister, des ganz Großen. Mit
den Worten des „Kybalion“:
„Wohin die Fußstapfen des Meisters fallen, öffnen sich die Ohren
derjenigen weit, die bereit sind für seine Lehren.“
Und:
„Wenn die Ohren des
Schülers bereit sind, zu hören, dann kommen die Lippen, sie mit Weisheit zu
füllen.“
So wird die Lehre gemäß der Weitergabe
dieses Buches an solche, die bereit sind für die Unterweisung, die Aufmerksamkeit
derer erregen, die vorbereitet sind, die Lehre zu empfangen. Und gleichermaßen,
wenn der Schüler bereit ist zu empfangen, dann wird auch dies kleine Buch zu
ihm oder zu ihr kommen. So will es das Gesetz. Das hermetische Prinzip von
Ursache und Wirkung wird nach dem Gesetz der Anziehung Lippe und Ohr
zusammenbringen - Schüler und Buch gleichermaßen.
So möge es sein!
II.
Kapitel
Die sieben hermetischen Prinzipien
„Es gibt sieben Prinzipien der Wahrheit; derjenige, der sie
kennt mit vollem Verständnis, besitzt den magischen Schlüssel, bei dessen Berührung alle Tore des Tempels
sich öffnen.“
„Kybalion“
Die sieben hermetischen Prinzipien, auf
denen die ganze hermetische Philosophie begründet ist, sind folgende:
1. Das
Prinzip der Geistigkeit.
2. Das
Prinzip der Entsprechung.
3. Das
Prinzip der Schwingung.
6. Das
Prinzip von Ursache und Wirkung.
7. Das Prinzip des Geschlechts.
Diese sieben Prinzipien sollen in den
folgenden Lektionen besprochen und erklärt werden. Eine kurze Erklärung eines
jeden soll jedoch schon jetzt erfolgen:
„Geist (sowie Metalle und Elemente) kann verwandelt
werden von Zustand zu Zustand, von Grad zu Grad. von Lage zu Lage, von Pol zu
Pol, von Schwingung zu Schwingung.“
„Unter und hinter dem Universum von Zeit, Raum und
Wechsel findet man immer die substantielle Realität - die fundamentale Wahrheit.“
„Das Universum ist geistig - gehalten im Geiste des
Alls.“
„Der Halbweise, der die
verhältnismäßige Unwirklichkeit des Universums erkennt, glaubt, seine Gesetze
missachten zu können - das sind eitle und eingebildete Narren, sie werden gegen
die Felsen geschleudert und entzwei gerissen durch die Elemente auf Grund ihrer
Narrheit. Die echten Weisen, die die Natur des Universums kennen, verwenden
Gesetz gegen Gesetz, das Höhere gegen das Niedrigere, und durch die Kunst der
Alchimie verwandeln sie das, was unerwünscht ist, in das Wertvolle und gewinnen
so die Herrschaft. Meisterschaft besteht nicht in anomalen Träumen, Visionen
und phantastischen Einbildungen und phantastischem Leben, sondern in der
Verwendung höherer Kräfte gegen die niedrigeren und darin, dass man den Qualen
niedrigerer Ebenen durch Schwingung auf der höheren entgeht. Umwandlung, nicht
anmaßende Verneinung ist die Waffe des Meisters.“
1.
Das Prinzip der Geistigkeit:
„Das All ist Geist, das Universum ist geistig.“
„Kybalion“
Dieses Prinzip enthält die Wahrheit:
„Alles ist Geist“. Es erklärt, dass das All das die substantielle Realität ist,
welche allen äußerlichen Manifestationen und Erscheinungen zugrunde liegt, die
wir unter den Bezeichnungen ,.materielles Universum“, „Erscheinungsformen des
Lebens“, „Materie“, „Energie“ kennen, kurz alles, was für unsere materiellen
Sinne in Erscheinung tritt - dass das All, sagten wir, Geist ist, der selbst
unerkennbar und unerklärbar ist, der aber als universaler, schöpferischer Geist
angesehen und gedacht werden kann. Das erklärt auch, dass die ganze Erscheinungswelt
oder das Universum nur eine geistige Schöpfung des Alls ist, unterworfen den
Gesetzen aller geschaffenen Dinge, und dass das Universum als Ganzes und auch
in seinen Teilen und Einheiten seine Existenz im Geiste des Alls hat, in
welchem Geiste wir „leben, uns bewegen und unser Dasein haben“. Dieses Prinzip
erklärt, indem es die geistige Natur des Universums festlegt, leicht alle die
verschiedenen geistigen und seelischen Phänomene, die die öffentliche
Aufmerksamkeit in so großem Maße beschäftigen und die ohne solche Erklärung
unverständlich sind und sich wissenschaftlicher Behandlung entziehen. Das Verständnis
dieses großen hermetischen Prinzips der Geistigkeit befähigt den Menschen, die
Gesetze des geistigen Universums leichter
zu begreifen und sie zu seinem Wohlbefinden
und Vorwärtskommen anzuwenden. Der hermetische Schüler ist in der Lage, die
großen geistigen Gesetze verständnisvoll anzuwenden, anstatt ihre Anwendung
dem Zufall zu überlassen. Mit dem Hauptschlüssel in der Hand kann der Schüler
die vielen Tore des geistigen und psychischen Tempels des Wissens öffnen und
ihn frei und verständnisvoll betreten. Dieses Prinzip erklärt die wahre Natur
von „Energie“, „Kraft“, „Stoff“ und warum und wie sie alle der Herrschaft des
Geistes unterworfen sind. Vor langer Zeit schrieb einer der hermetischen
Meister:
„Derjenige, der die Wahrheit der geistigen Natur des Universums
begreift, ist weit auf dem Wege zur Meisterschaft fortgeschritten.“
Und diese Worte sind heute so wahr wie damals,
als sie zum ersten Male geschrieben wurden. Ohne diesen Hauptschlüssel ist
Meisterschaft unmöglich und der Schüler pocht vergeblich an die vielen Tore des
Tempels.
2. Das Prinzip der Entsprechung:
„Wie oben, so unten; wie unten, so oben.“
„Kybalion“
Dieses Prinzip enthält die Wahrheit, dass
es zwischen den Gesetzen und Erscheinungsformen der verschiedenen Ebenen des
Seins und Lebens eine Entsprechung gibt. Der alte hermetische Grundsatz
lautete: „Wie oben, so unten; wie unten, so oben“. Und das Begreifen dieses
Prinzips gibt einem die Mittel in die Hand, manchen unklaren Widerspruch zu
lösen und manch verborgenes Geheimnis der Natur. Es gibt Ebenen jenseits
unseres Wissens, aber wenn wir das Prinzip der Entsprechung auf sie anwenden,
können wir viel verstehen, was sonst unbegreiflich für uns wäre. Dieses
Prinzip tritt auf den verschiedenen Ebenen des materiellen, geistigen und rein
geistigen Universums in Anwendung und Erscheinung - es ist ein universales Gesetz.
Die alten Hermetiker betrachteten dieses
Prinzip als eines der wichtigsten geistigen Werkzeuge, mit denen der Mensch die
Hindernisse beiseite räumen konnte, die das Unbekannte dem Blick entzogen.
Seine Anwendung zog sogar den Schleier der Isis so weit
beiseite, dass man für einen Augenblick das Antlitz der Göttin erblicken
konnte. Wie die Kenntnis des Prinzips der Geometrie den Menschen befähigt,
weit entfernte Sonnen und ihre Bewegungen - in seinem Observatorium sitzend -
zu erkennen, so befähigt die Kenntnis des Prinzips der Entsprechung den
Menschen, verständnisvoll vom Bekannten zum Unbekannten seine Schlüsse zu
ziehen. Indem er die Monade erforscht, lernt er den Erzengel verstehen.
3. Das Prinzip der Schwingung:
„Nichts ist in Ruhe, alles bewegt sich, alles ist in
Schwingung.“
„Kybalion“
Dieses Prinzip enthält die Wahrheit, dass
„alles in Bewegung ist, alles schwingt, nichts in Ruhe ist“, Tatsachen, denen
die moderne Wissenschaft beipflichtet und die jede neue wissenschaftliche
Entdeckung zu bestätigen neigt. Und doch war dieses hermetische Prinzip schon
vor Tausenden von Jahren von den alten ägyptischen Meistern verkündet worden.
Dieses Prinzip erklärt, dass alle
Unterschiede zwischen den verschiedenen Manifestationen des Stoffes, der
Energie, der Gedanken und sogar des Geistes im weitesten Maße von den
verschiedenen Graden der Schwingung abhängen. Vom „All“, das reiner Geist ist,
bis herunter zur gröbsten Form der Materie ist alles in Schwingung, - je höher
die Schwingungszahl, desto höher die Position in der Skala. Die Schwingung des
Geistes hat einen so unendlichen Stärkegrad und eine solche Schnelligkeit, dass
sie sich praktisch in Ruhe befindet - genau so wie ein sich reißend schnell bewegendes
Rad bewegungslos zu sein scheint. Und am anderen Ende der Skala sind die
groben Formen der Materie, deren Schwingungen so langsam sind, dass auch sie in
Ruhe zu sein scheinen. Zwischen diesen Polen gibt es Millionen über Millionen
verschiedener Grade von Schwingung. Vom Körperlichen im Elektron, Atom und
Molekül zu Welten und Universen ist alles in schwingender Bewegung. Dies ist
auch auf den Ebenen von Energie und Kraft - die nur verschiedenartige Grade
von Schwingung sind - wahr, ebenso auf den geistigen Ebenen - deren Zustände
von der Schwingung abhängen - und schließlich auf den rein geistigen Ebenen.
Das Verständnis dieses Prinzips befähigt die hermetischen Schüler unter
Anwendung der entsprechenden Vorschriften - Formeln -, ihre eigenen geistigen
Schwingungen sowie die anderer zu beherrschen. Die Meister wenden dieses
Prinzip auch in verschiedener Weise an, um Naturphänomene zu überwinden.
„Derjenige, der das Prinzip der Schwingung versteht, hat das Zepter
der Macht ergriffen“, schrieb einer der alten Meister.
„Alles ist zwiefach, alles hat zwei
Pole, alles hat sein Paar von Gegensätzlichkeiten; gleich und ungleich ist
dasselbe; Gegensätze sind
identisch in der Natur, nur verschieden im Grad; Extreme berühren sich; alle
Wahrheiten sind nur halbe Wahrheiten; alle Widersprüche können miteinander in
Einklang gebracht werden.“
„Kybalion“
Dieses Prinzip enthält die Wahrheit:
„Alles ist zwiefach; alles hat zwei Pole; alles hat sein Paar von Gegensätzlichkeiten“
- alles dies sind hermetische
Grundsätze. Es erklärt die alten
Paradoxe, die so viele in Erstaunen gesetzt haben und die folgendermaßen
aufgestellt wurden: These und Antithese sind identisch in der Natur; Gegensätze
können in Einklang gebracht werden; Extreme berühren sich; alles ist und ist
nicht zu gleicher Zeit; alle Wahrheiten sind bloß halbe Wahrheiten; jede
Wahrheit ist zur Hälfte falsch; jedes Ding hat zwei Seiten usw. Es erklärt,
dass in allem zwei Pole sind oder gegensätzliche Aspekte und dass die Gegensätze
in Wirklichkeit nur die Extreme ein und desselben Dinges sind mit verschiedenen
Graden dazwischen. z.B. Hitze und Kälte, obgleich „Gegensätze“, sind in
Wirklichkeit dasselbe, die Unterschiede bestehen lediglich in den verschiedenen
Graden desselben Dinges. Sieh Deinen Thermometer an und schau, ob Du entdecken
kannst, wo die „Hitze“ aufhört und die „Kälte“ beginnt. Es gibt nicht so etwas
wie „absolute Hitze“ oder „absolute Kälte“, die beiden Ausdrücke „Hitze“ und
„Kälte“ bezeichnen lediglich verschiedene Grade desselben Dinges und dieses
„selbe Ding“, das als „Hitze“ und „Kälte“ in Erscheinung tritt, ist nur eine
Form bzw. ein Grad der Schwingung. So sind „Hitze“ und „Kälte“ nur die beiden
Pole dessen, was wir „Wärme“ nennen - und die Erscheinungen, die sich daraus ergeben,
sind nur Manifestationen des Prinzips der Polarität.
Wo hört die Dunkelheit auf und beginnt
das Licht? Was ist der Unterschied zwischen „groß“ und „klein“, zwischen
„hart“ und „weich“, zwischen „schwarz“ und „weiß“, zwischen „scharf“ und
„stumpf“, zwischen „laut“ und „leise“, zwischen „hoch“ und „niedrig“, zwischen
„positiv“ und „negativ“? Das Prinzip der Polarität erklärt diese Widersprüche
und kein anderes Prinzip kann es ersetzen. Dasselbe Prinzip wirkt auf der
geistigen Ebene. Nennen wir ein radikales und extremes Beispiel - das von
„Liebe“ und „Hass“, zwei geistige Zustände, die augenscheinlich völlig
verschieden sind. Und doch gibt es Grade von „Liebe“ und „Hass“ und einen
mittleren Punkt, wo wir die Ausdrücke „Zuneigung“ und „Abneigung“ gebrauchen,
die so allmählich ineinander übergehen, dass wir manchmal in Verlegenheit
sind, zu wissen, ob wir „gern mögen“ oder „nicht mögen“ oder „keines von
beiden“. Alles dies sind lediglich Grade desselben Dinges, was man erkennt,
wenn man nur ein wenig nachdenkt.
Und mehr als das - und was von den Hermetikern für noch wichtiger gehalten wird -, es ist
möglich, die Schwingungen von Hass in Schwingungen von Liebe zu verwandeln, bei
sich und bei anderen. Viele von Euch, die diese Zeilen lesen, haben persönliche
Erfahrungen über den unfreiwillig schnellen Übergang von Liebe in Hass und
umgekehrt, bei Euch selbst und bei anderen. Und Ihr werdet darum die
Möglichkeit erkennen, dass dies durch Inanspruchnahme des Willens bewirkt
werden kann, unter Anwendung der hermetischen Formeln. „Gutes“ und „Böses“ sind
nur die Pole ein und desselben Dinges, und der Hermetiker versteht die Kunst,
Böses in Gutes zu verwandeln unter Anwendung des
Prinzips der Polarität. Kurz, die „Kunst der Polarisation“ ist ein Teil der
„geistigen Alchimie“, gekannt und angewandt von den alten und neuen
hermetischen Meistern. Das Verständnis dieses Prinzips befähigt einen, seine
eigene Polarität zu ändern, sowie die von anderen. falls man die Zeit und das
Studium darauf verwendet. diese Kunst zu lernen.
„Alles fließt aus und ein, alles hat seine Gezeiten, alle Dinge
steigen und fallen, das Schwingen des Pendels zeigt sich in allem; das Maß des
Schwunges nach rechts ist das Maß des Schwunges nach links; Rhythmus
kompensiert.“
„Kybalion“
Dieses Prinzip enthält die Wahrheit, dass
sich in allem eine abgemessene Bewegung zeigt, hin und her; ein Hin- und
Zurückfließen, eine pendelgleiche Bewegung, eine gezeitengleiche Ebbe und
Flut, ein hoher und ein niedriger Stand, das alles zwischen den beiden Polen,
die gemäß dem Prinzip der Polarität bestehen. das soeben beschrieben wurde. Es
gibt immer eine Aktion und Reaktion, ein Vorwärtsschreiten und ein
Zurückgehen, ein Steigen und Fallen. Und dies in den Geschehnissen des
Universums, der Sonnen, der Welten, der Menschen, Tiere, des Geistes, der
Energie und der Materie. Dieses Gesetz offenbart sich im Entstehen und Vergehen
von Welten; im Aufstieg und Untergang von Nationen; im Leben aller Dinge; in
den geistigen Zuständen der Menschen und im Hinblick auf letztere finden die
Hermetiker das Verständnis dieses Prinzips ganz besonders wichtig.
Die Hermetiker haben dieses Prinzip erkannt
und gefunden, dass es allgemein angewandt wird, und sie haben auch die Mittel
entdeckt, die Wirkung desselben auf sie selbst zu überwinden durch den Gebrauch
entsprechender Formeln und Methoden. Sie wenden das geistige Gesetz der
„Neutralisation“ an. Sie können das Prinzip nicht annullieren oder bewirken,
dass seine Ausübung aufhöre, aber sie haben durch Beherrschung des Prinzips
gelernt, der Wirkung auf sie selbst bis zu einem gewissen Grade zu entgehen.
Sie haben gelernt, es auszunutzen, statt von ihm ausgenutzt zu werden. Auf
dieser und ähnlichen Methoden beruht die Kunst der Hermetiker. Der hermetische
Meister polarisiert sich selbst an dem Punkt, wo er zu ruhen wünscht, und dann
neutralisiert er den rhythmischen Schwung des Pendels, der ihn sonst zum
andern Pol hintragen würde.
Alle Menschen, die ein gewisses Maß von
Selbstbeherrschung erreicht haben, tun dies bis zu einem gewissen Grade mehr oder
weniger unbewusst, der hermetische Meister aber tut das bewusst und unter
Anwendung seines Willens und erreicht damit eine Gewichtigkeit und geistige
Festigkeit, die den Massen nahezu unmöglich erscheint, die hin- und hergeschwungen werden wie ein Pendel. Dieses Prinzip und
das der Polarität sind von den Hermetikern besonders
studiert und die Methoden der Gegenwirkung, des Neutralisierens und
Ausnutzens, bilden einen wichtigen Teil der hermetischen geistigen Alchimie.
6. Das Prinzip von Ursache und Wirkung:
„Jede Ursache hat ihre Wirkung; jede Wirkung ihre Ursache; alles
geschieht gesetzmäßig. Zufall ist nur der Name für ein unbekanntes Gesetz. Es
gibt viele Ebenen der Ursächlichkeit, aber nichts entgeht dem Gesetz.“
„Kybalion“
Dieses Prinzip enthält die Tatsache, dass
es für jede Wirkung eine Ursache gibt und für jede Ursache eine Wirkung. Es
erklärt: alles geschieht gesetzmäßig, nichts ereignet sich zufällig, es gibt
nicht so etwas wie Zufall; es gibt verschiedene Ebenen von Ursache und
Wirkung, die höheren beherrschen die niederen Ebenen und doch kann nichts
völlig dem Gesetz entgehen. Die Hermetiker verstehen die Kunst, sich über die
gewöhnliche Ebene von Ursache und Wirkung zu erheben, indem sie geistig sich zu
einer höheren Ebene erheben, werden sie Ursache statt Wirkung. Die Massen des
Volkes werden dahingetragen, sind ihrer Umgebung
untertan. Wille und Wünsche der andern sind stärker als sie. Und andere äußere
Ursachen bewegen sie wie Figuren auf dem Schachbrett des Lebens. Aber die
Meister beherrschen, indem sie sich auf eine höhere Ebene erheben, ihre
Stimmungen, ihren Charakter, ihre Eigenschaften und Kräfte sowie ihre Umgebung
und werden Spieler statt Figuren. Sie helfen, das Spiel des Lebens zu spielen,
anstatt dass mit ihnen gespielt wird und sie durch
einen andern Willen oder durch ihre Umgebung bewegt werden. Diese Feststellung
birgt einen Reichtum hermetischen Wissens. Entnehme ihn, wer kann!
7. Das Prinzip des Geschlechts:
„Geschlecht ist in allem, alles hat männliche und weibliche
Prinzipien, Geschlecht offenbart sich auf allen Ebenen.“
„Kybalion“
Dieses Prinzip enthält die Wahrheit, dass
sich das Geschlecht in allem offenbart. Die männlichen und weiblichen
Prinzipien sind immer am Werk. Dies ist nicht nur auf der physischen Ebene
wahr, sondern auch auf den geistigen und sogar den rein geistigen Ebenen. Auf
der physischen Ebene offenbart sich das Prinzip als Geschlechtlichkeit, auf den
höheren Ebenen nimmt es höhere Formen an, aber das Prinzip ist immer dasselbe.
Keine Schöpfung physischer, geistiger oder rein geistiger Art ist möglich ohne
dieses Prinzip. Das Verständnis dieses Gesetzes wirft Licht auf manche Frage,
die die Menschen in Erstaunen gesetzt hat. Das Prinzip des Geschlechts arbeitet
stets in der Richtung der Zeugung, Wiedererzeugung und Schöpfung. Jedes Ding,
jede Form enthält die zwei Elemente oder Prinzipien oder, besser gesagt, dieses
große Prinzip in sich. Alles Männliche besitzt auch das weibliche Element,
jedes Weibliche enthält auch das männliche Prinzip. Wenn man die Philosophie
der geistigen und rein geistigen Schöpfung, Zeugung und Wiedererzeugung
verstehen will, muss man dieses hermetische Prinzip kennen und
studieren. Es enthält die Lösung vieler
Mysterien des Lebens. Wir bitten Euch, zu beachten, dass dieses Prinzip keine
Beziehung zu den vielen niedrigen, zerstörenden und erniedrigenden lüsternen
Theorien, Lehren und Praktiken hat, die unter märchenhaften Titeln gelehrt
werden und die eine Entweihung des großen natürlichen Prinzips des Geschlechts
bedeuten. Solch niedrige Wiederaufstehungen der alten
schändlichen Form des Phallizismus neigen dazu,
Geist, Körper und Seele zu verderben, und die hermetische Philosophie hat stets
ihre warnende Stimme erhoben gegen die erniedrigenden Lehren, die sich an die Lüstemheit, Wollust und Umkehrung der natürlichen Prinzipien
wenden. Wenn Ihr solche Lehren meint, so müsst Ihr woanders suchen - der Hermetizismus enthält nichts für Euch in diesen Zeilen. Dem
Reinen ist alles rein, dem Gemeinen sind alle Dinge gemein.
Die geistige Verwandlung
„Geist (sowie Metalle und Elemente) kann verwandelt werden von
Zustand zu Zustand, von Grad zu Grad. von Lage zu Lage, von
Pol zu Pol, von Schwingung zu Schwingung.“
„Kybalion“
Wie wir festgestellt haben, waren die
Hermetiker die ursprünglichen Alchimisten, Astrologen und Psychologen, nachdem
HERMES der Gründer dieser Schulen des Denkens war. Aus der Astrologie ist die moderne
Astronomie, aus der Alchimie die moderne Chemie, aus der mystischen Psychologie
die moderne Psychologie (der Schulen) entstanden. Aber man darf nicht annehmen,
dass den Alten nicht das bekannt war, was die modernen Schulen als ihr
ausschließliches und besonderes Eigentum ansehen. Die Steinzeichnungen im
alten Ägypten zeigen klar, dass die Alten ein voll umfassendes Wissen über
Astronomie hatten; gerade der Bau der Pyramiden zeigt die Verbindung zwischen
ihrem Entwurf und dem Studium der astronomischen Wissenschaft. Auch in der
Chemie waren sie nicht unwissend, denn die Fragmente alter Schriften zeigen,
dass ihnen die chemischen Eigenschaften der Dinge bekannt waren. Tatsächlich
werden die alten Theorien über Physik langsam durch die letzten Entdeckungen
der modernen Wissenschaft bestätigt, bemerkenswerterweise
durch diejenigen, die die Zusammensetzung der Materie betreffen. Man darf auch
nicht annehmen, dass sie so unwissend auf dem Gebiete der so genannten modernen
Entdeckungen in der Psychologie gewesen sind - im Gegenteil, die Ägypter waren
kundig in der Wissenschaft der Psychologie, besonders in den Zweigen, die die
modernen Schulen nicht beachten, welche aber nichtsdestoweniger unter dem Namen
„Seelenkunde“ aufgedeckt wurden. Überrascht und zögernd gibt die heutige
Psychologie zu, dass „da doch etwas daran sein könnte“.
Die Wahrheit ist, dass die Alten über die
materielle Chemie, Astronomie und Psychologie hinausgehend Kenntnisse besaßen
über transzendentale Astronomie, genannt Astrologie, über transzendentale
Chemie, d. h. Alchimie, und transzendentale Psychologie, genannt mystische
Psychologie. Sie besaßen sowohl das innere wie das äußere Wissen; die modernen
Wissenschaftler besitzen nur das letztere. Unter den vielen geheimen Wissensgebieten,
die die Hermetiker beherrschten, war auch das, welches als geistige Transmutation bekannt ist und das Thema dieser Lektion
bildet.
„Verwandlung“ ist eine Bezeichnung, die
gewöhnlich gebraucht wird, um die alte Kunst der Verwandlung von Metallen zu
bezeichnen, besonders von unedlen Metallen in Gold. „Verwandeln“ heißt
verändern, von einer Natur, Form, Substanz in eine andere „umbilden“ (WEBSTER).
Dementsprechend heißt „geistige Verwandlung“ die Kunst, geistige Zustände,
Formen, Bedingungen in andere zu verändern und umzuformen. So kann man sehen,
dass „geistige Verwandlung“ die Kunst der geistigen Chemie ist. Man kann auch
sagen - eine Form praktischer mystischer Psychologie.
Aber das bedeutet viel mehr, als es
oberflächlich erscheint. Verwandlung!
Alchimie oder Chemie auf der geistigen
Ebene ist zwar bedeutend genug in ihren Wirkungen, und wenn die Kunst hier halt
machte, so würde sie schon eines der bedeutendsten Forschungsgebiete sein, das
die Menschen kennen. Aber das ist erst der Anfang. Wir wollen sehen, warum.
Das erste der sieben hermetischen
Prinzipien ist das der Geistigkeit, dessen Grundsatz heißt: „Das All ist Geist,
das Universum ist geistig“, d.h. die dem Universum zu Grunde liegende Realität
ist Geist; das Universum selbst ist geistig, d.h. es besteht im schöpferischen
Geiste des Alls. Wir werden dieses Prinzip in den folgenden Lektionen
behandeln, wollen es aber jetzt schon mit der Voraussetzung betrachten, es sei
wahr.
Wenn das Universum seiner Natur nach
geistig ist, dann muss geistige Umwandlung die Kunst sein, die Bedingungen des
Universums auf den Gebieten von Materie, Kraft und Geist zu verändern. Man
sieht also: geistige Verwandlung ist wirklich die „Magie“, über die die alten
Schriftsteller in ihren mystischen Werken so viel zu sagen hatten und über die
sie so wenig praktische Anweisungen gegeben haben. Wenn das All wirklich
geistig ist, dann muss die Kunst, die geistigen Bedingungen zu verändern, den
Meister zum Beherrscher aller materiellen und der im Allgemeinen geistig
genannten Zustände machen.
Tatsächlich sind nur fortgeschrittene
geistige Alchimisten in der Lage gewesen, das Maß von Kraft zu erreichen, das
notwendig ist, um die gröberen physischen Zustände zu beherrschen, wie die
Beherrschung der Elemente der Natur, das Hervorrufen und Besänftigen von
Stürmen, Erdbeben und anderen großen physikalischen Erscheinungen. Aber, dass
solche Menschen wirklich gelebt haben und auch heute wirklich existieren, davon
sind alle fortgeschrittenen Okkultisten aller Schulen ernsthaft überzeugt.
Dass die Meister existieren und diese Kräfte haben, das versichern die besten
Lehrer ihren Schülern, weil sie Erfahrungen gemacht haben, die diesen Glauben
rechtfertigen. Diese Meister stellen ihre Kräfte nicht öffentlich zur Schau, sondern
suchen Abgeschiedenheit von der großen Masse, um auf dem Wege zum Ziel besser
vorwärts zu kommen. Wir erwähnen hier ihr Dasein lediglich, um Eure
Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, dass ihre Macht ausschließlich
geistig ist, auf der Ebene höherer geistiger Umformung wirkt, unter dem
hermetischen Prinzip der Geistigkeit.
„Das Universum ist geistig.“
Auch Schüler und Hermetiker niedrigerer
Grade als Meister - die Eingeweihten und Lehrer - sind in der Lage, auf der
geistigen Ebene geistige Transmutationen frei auszuführen.
Tatsächlich arbeitet alles, was wir „psychische Phänomene“, „geistige
Einflüsse“, „Geisteswissenschaft“ usw. nennen, auf derselben allgemeinen Linie,
denn in allem ist nur ein Prinzip enthalten, ganz gleich, welchen Namen man
ihm gibt.
Der Schüler und Praktiker geistiger
Verwandlung arbeitet auf der geistigen Ebene, indem er geistige Zustände usw.
in andere verwandelt gemäß verschiedenen mehr oder weniger wirksamen
Vorschriften. Die Tatsache ihrer verschiedenartigen Behandlung - Bestätigung
oder Verneinung - durch die Schulen geistiger Wissenschaft zeigt, dass es sich
hier nur um ganz unvollkommene und unwissenschaftliche Formeln der hermetischen
Kunst handelt. Die Mehrheit der
modernen Praktiker ist ganz unwissend im
Vergleich zu den alten Meistern, denn es fehlen ihnen die grundlegenden
Kenntnisse, auf denen das Werk beruht.
Man kann aber nicht nur die geistigen
Zustände bei sich selbst durch die hermetischen Methoden verwandeln, sondern auch
bei andern. In gleicher Weise geschehen oft geistige Verwandlungen, meist
unbewusst, oft aber auch bewusst durch Menschen, die die Gesetze und Prinzipien
gar nicht verstehen, an anderen Unerfahrenen, denen die Prinzipien des
Selbstschutzes ebenso unbekannt sind. Und mehr als das; wie viele Schüler und
Praktiker der modernen Geisteswissenschaften wissen, kann jeder materielle Zustand,
der von der geistigen Einstellung anderer Leute abhängt, geändert oder
verändert werden durch den ernsten Willen seitens der Person, die diese
veränderten Lebensbedingungen wünscht. Die Öffentlichkeit ist heute im allgemeinen
über diese Dinge unterrichtet, so dass wir es nicht für notwendig halten, sie
des längeren zu erwähnen. Unsere Absicht ist lediglich, hier das hermetische
Prinzip und die Kunst aufzuweisen, die all diesen verschiedenen guten und bösen
Praktiken zu Grunde liegt, denn die Kraft kann auf verschiedene Seiten hin
angewandt werden, gemäß den hermetischen Prinzipien der Polarität.
In diesem kleinen Buch wollen wir die
Grundprinzipien der hermetischen Transmutation
festlegen, damit alle, die es lesen, die zugrunde liegenden Prinzipien
begreifen und so den Hauptschlüssel besitzen, der die vielen Tore des Prinzips
der Polarität erschließt.
Wir wollen jetzt zu einer Betrachtung des
ersten der sieben hermetischen Prinzipien übergehen, des Prinzips der
Geistigkeit, in dem die Wahrheit erklärt wird: „Das All ist Geist, das
Universum ist geistig“, nach den Worten des „Kybalion“. Wir fordern größte
Aufmerksamkeit und sorgsames Studium dieses bedeutenden Prinzips seitens
unserer Schüler, denn es ist wirklich das Grundprinzip der ganzen hermetischen
Philosophie und der hermetischen Kunst geistiger Umwandlung.
Das All
„Unter und hinter dem Universum von Zeit, Raum und Wechsel
findet man immer die substantielle Realität - die fundamentale Wahrheit.“
„Kybalion“
„Substanz“ heißt das, was allen äußerlichen
Offenbarungen zugrunde liegt, die „Essenz“, die „essentielle Realität“, das
,Ding an sich“ usw. „Substantiell“ heißt: „der Zustand, wirklich zu sein’.,
„mehr, dauernd, wirksam, fest, bestimmt, gegenwärtig sein“ usw.
Unter und hinter allen äußeren
Erscheinungen und Offenbarungen muss es immer eine „substantielle Realität“
geben. So ist das Gesetz. Wenn der Mensch das Universum, von dem er ein Teil
ist, betrachtet, sieht er nichts als den Wandel in der Materie, in den Kräften
und geistigen Zuständen. Er sieht, dass nichts in Wirklichkeit ist, sondern
dass alles wird und sich ändert. Nichts steht still, alles wird geboren, wachst
und stirbt - in demselben Augenblick, wo ein Ding seinen Höhepunkt erreicht,
beginnt sein Niedergang. Das Gesetz des Rhythmus ist in dauernder Tätigkeit, es
gibt keine Realität, keine dauernde Eigenschaft, keine unveränderte Wesenheit
in irgendetwas - nichts ist dauernd als der Wechsel. Er sieht, wie alle Dinge
sich aus anderen Dingen entwickeln und sich zu anderen Dingen auflösen: eine
dauernde Aktion und Reaktion, ein Ein und Aus,
Aufbauen und Niederreißen, Schöpfung und Zerstörung, Geburt, Wachstum und Tod.
Nichts dauert als der Wechsel. Als denkender Mensch erkennt er, dass all diese
wechselnden Dinge äußere Erscheinungen - Offenbarungen - einer ihnen zugrunde
liegenden Kraft - einer substantiellen Realität - sein müssen.
Alle Denker in allen Ländern und zu allen
Zeiten haben die Notwendigkeit zugegeben, die Existenz dieser substantiellen
Realität zu fordern. Alle Philosophien, die dieses Namens wert sind, wurden auf
diesem Gedanken aufgebaut. Die Menschen haben dieser substantiellen Realität
viele Namen gegeben; einige haben sie - unter vielen Titeln - mit Gottheiten
bezeichnet, andere nannten sie die „unendliche und ewige Energie“, andere haben
versucht, sie „Materie“ zu nennen - aber alle haben ihre Existenz anerkannt.
Sie ist selbstverständlich und bedarf keines Beweises.
In diesen Lektionen sind wir dem Beispiel
einiger der größten Denker der Welt gefolgt, des Altertums sowohl wie der
Neuzeit - den hermetischen Meistern - und haben diese zugrunde liegende Kraft
- diese substantielle Realität - mit dem hermetischen Namen „das ALL“ benannt,
welche Bezeichnung die verständlichste von den vielen andern ist, die die
Menschen dem gegeben haben, was Namen und Bezeichnungen übersteigt. Wir
akzeptieren und lehren die „Schau“ der großen hermetischen Denker aller Zeiten
und auch jener erleuchteten Seelen, die bereits höhere Ebenen des Seins
erreicht haben, die alle versichern, dass die innere Natur des „Alls“
unerkennbar ist. Das muss so sein, denn nichts als das All kann seine eigene
Natur und sein Dasein verstehen.
Die Hermetiker glauben und lehren, dass
das All „an sich“ unerkennbar ist und immer unerkennbar bleiben muss. Sie
betrachten alle Theorien, Annahmen und Spekulationen der Theologen und
Metaphysiker, die innere Natur des Alls betreffend, nur als kindliche Versuche
sterblicher Geister, das Geheimnis des Unendlichen zu begreifen. Solche
Versuche sind immer fehlgeschlagen und werden immer fehlschlagen, gerade aus
der Natur der Aufgabe heraus. Einer, der solche Fragen verfolgt, geht immer
rund herum in dem Labyrinth der Gedanken, bis er für alle vernünftigen
Überlegungen, Tätigkeiten und Verhalten verloren und völlig unbrauchbar für die
Arbeit des Lebens geworden ist. Er ist wie ein Eichhörnchen, das wahnsinnig
immerzu auf dem kreisenden Rad der Tretmühle seines Käfigs entlangläuft, immer
in Bewegung und nie ein Ziel erreichend - am Ende immer noch gefangen an
derselben Stelle, wo es begann.
Und noch vermessener sind diejenigen, die
versuchen, dem All Persönlichkeit. Eigenschaften, charakterliche Merkmale
ihrer selbst beizulegen, indem sie dem All menschliche Emotionen, Gefühle und
Eigenschaften bis herunter zu den geringsten Eigenschaften der Menschheit
beilegen, wie Eifersucht, Empfänglichkeit für Schmeicheleien und Lob, Wünsche
hinsichtlich Opfergaben und Verehrung und all die andern Überbleibsel aus den
Tagen der Kindheit des Menschengeschlechts. Solche Ideen sind erwachsenen Männern
und Frauen nicht würdig und müssen beschleunigt abgelegt werden.
Wir halten es für richtig, hier
festzustellen, dass wir einen Unterschied zwischen Religion und Theologie,
zwischen Philosophie und Metaphysik machen. Religion ist für uns jene intuitive
Erkenntnis der Existenz des Alls und die Beziehung der Menschen zu ihm,
während Theologie den Versuch der Menschen bedeutet, ihm Persönlichkeit,
Eigenschaften und Merkmale beizulegen, sowie ihre Theorien seine
Angelegenheiten, seinen Willen, seine Wünsche, Pläne und Absichten betreffend,
ferner ihren Anspruch auf ein Amt von „Mittlern“ zwischen dem All und den
Menschen. Philosophie bedeutet für uns das Suchen nach dem Wissen erkennbarer
und denkbarer Dinge, während Metaphysik den Versuch bedeutet, das Suchen über
die Grenzen hinaus in unerkennbare und undenkbare Gebiete zu tragen mit derselben
Absicht wie die Theologie. Wir bestehen nicht darauf, dass unsere Schüler
diese Erklärungen annehmen, wir erwähnen sie nur, um unsere Stellung zu zeigen.
Jedenfalls werdet Ihr sehr wenig über Theologie und Metaphysik in diesen Lektionen
hören.
Während nun die wesentliche Natur des
Alls unerkennbar ist, so gibt es doch gewisse Wahrheiten, die mit ihrer
Existenz in Verbindung stehen, die der menschliche Geist sich gezwungen sieht,
anzunehmen. Eine Prüfung dieser Berichte bildet den rechten Gegenstand des
Forschens, besonders, da sie mit den Berichten der Erleuchteten auf höheren
Ebenen übereinstimmen. Zu dieser Forschung laden wir Euch jetzt ein:
„Für das, was die fundamentale Wahrheit ist - die substantielle
Realität -, ist Menschenwort zu arm, aber der Weise nennt sie „das ALL.“
„Im Kern seines Wesens ist das All unerkennbar.“
„Aber die Äußerungen der Vernunft müssen willkommen geheißen
und mit Achtung behandelt werden.“
Die menschliche Vernunft, deren Äußerungen
wir annehmen müssen, solange wir überhaupt denken, unterrichtet uns wie folgt
über das All, und dies ohne zu versuchen, den Schleier des Unerkennbaren zu
lüften:
1. Das All muss alles sein, was
wirklich existiert. Es kann außerhalb des Alls nichts existieren, sonst
wäre eben das All nicht das All.
2. Das All muss unendlich sein, denn es gibt nichts, was das All
genau bestimmen, begrenzen, beschränken kann. Es muss unendlich sein in der
Zeit oder ewig, es muss immer ununterbrochen existiert haben, denn es gibt
sonst nichts, was es geschaffen haben könnte, es kann etwas sich nicht aus
nichts entwickeln und wenn es jemals „nicht gewesen“ wäre, nicht einmal für
einen Augenblick, würde es jetzt nicht „sein“ - es muss ununterbrochen für ewig
existieren, denn es gibt nichts, was es zerstören kann, und es kann niemals
„nicht sein“, nicht einmal für einen Augenblick, denn niemals kann etwas zu
nichts werden. Es muss unendlich sein im Raum - es muss überall sein, denn es
gibt keinen Ort außerhalb des Alls, es kann nicht anders sein als kontinuierlich
im Raum ohne Unterbrechung, ohne Aufhören, ohne Teilung, denn es gibt nichts,
das seinen Zusammenhang teilen oder unterbrechen könnte, und nichts, was die
Lücken ausfüllen könnte. Es muss unendlich sein an Kraft, denn es gibt nichts,
was es begrenzen, einschränken, stören oder bedingen könnte - es ist keiner
andern Kraft unterworfen, denn es gibt keine andere Kraft.
3. Das All muss
unwandelbar sein und kann in seiner wahren Natur keinem Wechsel unterworfen
sein, denn es gibt nichts, was eine Wandlung auf dasselbe ausüben könnte,
nichts, wozu es verwandelt werden oder wovon es verwandelt sein könnte. Es
kann nicht addiert noch subtrahiert, vermehrt oder vermindert, größer oder
geringer werden in irgend einer Hinsicht. Es muss
immer gewesen sein und muss immer bleiben, was es gerade jetzt ist - das All -,
es gab, gibt und wird sonst nichts geben, worin es sich verwandeln kann.
Da das All unendlich,
absolut, ewig und unveränderlich ist, so muss daraus folgen, dass alles,
was endlich, wandelbar, fließend und bedingt ist, nicht das All sein kann. Und
da in Wirklichkeit außerhalb des Alls nichts sein kann, so können alle solche
endlichen Dinge in Wirklichkeit gar nicht bestehen. Nun seid nicht verwirrt
oder erschreckt - wir versuchen keineswegs, Euch unter dem Deckmantel der hermetischen
Philosophie auf das Gebiet der „Christlichen Wissenschaft“ zu führen. Es gibt
eine Versöhnung der anscheinend widersprechenden Lage der Dinge. Seid geduldig,
wir werden noch rechtzeitig dahin kommen.
Wir sehen um uns das,
was man Materie nennt, welche die physische Grundlage aller Formen bildet. Ist
das All lediglich Materie? Keineswegs! Materie kann Leben oder Geist nicht
offenbaren, und da Leben und Geist im Universum offenbart sind, kann das All
nicht Materie sein, denn nichts steigt höher als seine eigene Quelle - nichts
wird jemals offenbart in einer Wirkung, die nicht in der Ursache liegt - nichts
entwickelt sich als Folge, was nicht schon im Vorhergehenden enthalten ist.
Überdies sagt uns die moderne Wissenschaft, dass es in Wirklichkeit so etwas
wie Materie gar nicht gibt; das, was wir Materie nennen, ist lediglich
unterbrochene Energie oder Kraft, d.h. Energie oder Kraft in einem niedrigen
Schwingungsgrad. Wie kürzlich ein Schriftsteller es ausdrückte: „Die Materie
hat sich in ein Mysterium aufgelöst“. Sogar die materielle Wissenschaft hat die
Theorie von der Materie verlassen und beruht jetzt auf der Grundlage der
Energie. Dann ist also das All bloße Energie oder Kraft? Nein, nicht Energie
oder Kraft in dem Sinne, wie die Materialisten diese Bezeichnung gebrauchen,
denn Energie oder Kraft sind blinde, mechanische Dinge ohne Leben und Geist.
Leben oder Geist können sich niemals aus blinder Energie oder Kraft entwickeln
aus dem soeben angeführten Grunde: „Nichts kann höher als seine eigene Quelle
steigen“. Nichts entwickelt sich, was nicht schon enthalten ist, nichts zeigt
eine Wirkung, die nicht bereits in der Ursache vorhanden ist. So kann also das
All nicht bloße Energie oder Kraft sein, denn wenn es so wäre, dann würden
solche Dinge wie Leben und Geist nicht existieren. Aber wir wissen es besser,
denn wir sind am Leben und benutzen unseren Geist gerade jetzt, um die Frage zu
überlegen, so - wie diejenigen, die behaupten, dass Energie und Kraft alles
wären.
Was gibt es denn höheres als Materie oder
Energie im Universum? Leben und Geist! Leben und Geist in ihren verschiedenen
Graden von Entfaltung. Dann fragt Ihr: Wollt Ihr also damit sagen, dass das All
Leben und Geist ist? Ja und nein ist unsere Antwort. Wenn Ihr Leben und Geist
meint, so wie wir armen kleinen Sterblichen sie kennen, sagen wir nein. Das
ist das All nicht! Aber was für eine Art Leben und Geist meint Ihr? so fragt
Ihr wieder. Die Antwort ist: „Lebender schöpferischer Geist“, so weit über dem,
was Sterbliche unter diesen Worten kennen, wie Leben und Geist höher sind als
mechanische Kräfte oder Stoff - unendlicher, lebender, schöpferischer Geist verglichen
mit endlichem Leben und Geist. Wir meinen das, was die erleuchteten Seelen
meinen, wenn sie verehrungsvoll das Wort aussprechen: reiner Geist. Das All ist
unendlicher, lebender Geist, die Erleuchteten nennen ihn: reiner Geist!
Das
geistige Universum
„Das Universum ist geistig - gehalten im Geiste des Alls.“
„Kybalion“
Das All ist reiner Geist! Aber was ist
reiner Geist? Diese Frage kann nicht beantwortet werden, weil ihre Definition praktisch
diejenige des Alls ist, welches weder erklärt noch bestimmt werden kann. Reiner
Geist ist nur der Name, den die Menschen diesem höchsten Begriff von
unendlichem, lebendem Geist gegeben haben. Er bedeutet „die wirkliche innere
Essenz“ - er bedeutet lebenden Geist, der Leben und Geist, wie wir sie kennen,
so sehr überlegen ist, wie diese der menschlichen Energie und der Materie.
Reiner Geist übersteigt unser Verständnis und wir benutzen diesen Ausdruck nur,
damit wir an das All denken und davon sprechen können. Zum Zwecke des Denkens
und Verstehens sind wir berechtigt, uns den reinen Geist als unendlichen
lebenden Geist zu denken, indem wir zu gleicher Zeit zugeben, dass wir ihn
nicht voll verstehen können. Wir müssen dies tun oder überhaupt aufhören,
darüber nachzudenken.
Wir wollen jetzt fortfahren in der
Betrachtung der Natur des Universums als Ganzen und in seinen Teilen. Was ist
das Universum? Wir haben gesehen, dass es nichts außerhalb des Alls gibt. Dann
ist das Universum das All? Nein, das kann nicht sein, denn das Universum
scheint aus Vielem zusammengesetzt zu sein und ist in dauernder Wandlung und
andererseits erreicht es nicht die Vorstellungen, die wir über das All annehmen
müssen, wie wir in unserer letzten Lektion feststellten. Wenn nun aber das
Universum nicht das All ist, so ist es nichts - das ist die unvermeidliche
Schlussfolgerung des Verstandes beim oberflächlichen Nachdenken. Das
befriedigt uns aber nicht, denn wir empfinden ja die Existenz des Universums.
Wenn also das Universum nicht das All ist, aber doch vorhanden ist, was kann es
sein? Wir wollen diese Frage prüfen.
Wenn das Universum überhaupt besteht oder
zu bestehen scheint, dann muss es auf irgendeine Weise aus dem All hervorgehen.
Es muss eine Schöpfung des Alls sein. Aber da niemals etwas aus nichts geboren
werden kann, woraus könnte das All es geschaffen haben? Viele Philosophen haben
diese Frage beantwortet, indem sie sagten, dass das All das Universum aus sich
selbst erschaffen hat, d.h. aus dem Sein und Wesen des Alls. Aber das ist nicht
möglich, denn vom All kann nichts abgezogen noch abgeteilt werden, wie wir
gesehen haben, und wiederum, wenn es so wäre, würde jedes Teilchen des
Universums sich bewusst sein, dass es das All ist - das All kann niemals sein Wissen
über sich selbst verlieren noch tatsächlich ein Atom oder blinde Kraft werden
oder ein niedriges Lebewesen. In der Tat haben einige Menschen, die
feststellten, dass das All wirklich alles sei und dass auch sie wirklich
existierten, sich zu der Folgerung aufgeschwungen, dass sie und das All
identisch seien, und sie haben die Luft erfüllt mit ihren Rufen „Ich bin Gott“
zum Vergnügen der Menge und zur Sorge der Weisen. Der Anspruch eines kleinsten
Körperchens, Mensch zu sein, wäre im Vergleich damit bescheiden zu nennen.
Aber was ist nun wirklich das Universum,
wenn es nicht das All ist, noch vom All durch Teilung seiner selbst geschaffen
wurde? Was kann es sonst sein und wovon sonst kann es geschaffen sein? Das ist
die große Frage. Wir wollen sie sorgfältig prüfen. Wir werden finden, dass das
Prinzip der Entsprechung uns hier zu Hilfe kommt (siehe erste Lektion). Der
alte hermetische Grundsatz „Wie oben, so unten“ soll hier in unseren Dienst
gestellt werden. Wir wollen versuchen, wenigstens einen Schimmer der Tätigkeit
auf höherer Ebene zu erhalten, indem wir sie auf der unsrigen untersuchen. Das
Prinzip der Entsprechung muss sich hier wie bei andern Problemen anwenden
lassen.
Wir wollen sehen! Wie erschafft der
Mensch auf seiner eigenen Daseinsebene? Nun, erstens, er kann erschaffen, indem
er etwas aus irgendeinem außerhalb liegenden Material
herstellt, aber das geht nicht an, denn es gibt keine Gegenstände außerhalb
des Alls, womit er es erschaffen könnte. Nun denn, zweitens, der Mensch erzeugt
oder wiedererzeugt seine Art durch den Prozess der Begattung, welche eine
Selbstvervielfältigung ist durch Übertragung eines Teils seiner Substanz an
seine Nachkommenschaft. Aber auch das geht nicht an, weil das All einen Teil
von sich selbst weder übertragen noch abziehen kann, noch kann es sich
wiedererzeugen oder vervielfältigen; im ersten Falle würde es eine
Hinwegnahme, im zweiten eine Vervielfältigung oder Hinzufügung für das All
bedeuten, beides völlig absurde Gedanken. Gibt es denn keine dritte Art, wie
der Mensch schöpferisch tätig sein kann? Ja, es gibt eine - er erschafft
geistig! Und indem er dies tut, verwendet er kein außerhalb liegendes
Material, noch vervielfältigt er sich selbst und doch durchdringt sein Geist
die geistige Schöpfung.
Indem wir dem Prinzip der Entsprechung
folgen, sind wir berechtigt anzunehmen, dass das All das Universum geistig
erschafft, in einer Art, die dem Prozess gleicht, wie der Mensch „geistige
Bilder“ erschafft. Und hier stimmen die Aussagen der Vernunft genau zu denen
der Erleuchteten, wie sie sich in ihren Lehren und Schriften zeigen. So sind
die Lehren der Weisen. So war die Lehre des HERMES. Das All kann in keiner anderen Weise als geistig erschaffen, ohne
von irgendeinem Material Gebrauch zu machen (und es gibt auch keines, was es
gebrauchen könnte) oder sich wieder zu erzeugen (was ebenso unmöglich ist). Man
kann dieser Folgerung der Vernunft nicht entschlüpfen, die, wie wir sehen, mit
den höchsten Lehren der Erleuchteten übereinstimmt. Genau wie Du, Schüler, ein
Universum in Deiner eigenen Geistigkeit erschaffen kannst, so erschafft das All
Universen in seiner eigenen Geistigkeit. Aber Dein Universum ist eine Schöpfung
eines endlichen Geistes, wohingegen das des Alls die eines
unendlichen Geistes ist. Die beiden sind ähnlich in der Art, aber unendlich
verschieden dem Grade nach. Wir werden genau den Prozess der Schöpfung und
Offenbarung prüfen, wenn wir weitergehen. Aber auf dieser Stufe angelangt,
müsst Ihr den Gedanken in Eurem Geiste für immer festhalten: Das Universum und
alles, was es enthält, ist eine geistige Schöpfung des Alls. Sehr wahr in der
Tat, alles ist Geist!
„Das All erschafft in seinem unendlichen Geist zahllose
Universen, die Äonen lang bestehen, und doch ist für das All die Erschaffung, Entwicklung, der Niedergang und Tod von
Millionen von Universen wie das Blinzeln eines Auges.“
„Der unendliche
schöpferische Geist des Alls ist der Schoß von Universen.“
Das Prinzip des Geschlechts (siehe die
erste und noch folgende Lektionen) offenbart sich auf allen Ebenen des Lebens
körperlich, geistig und rein geistig. Aber, wie wir schon sagten, Geschlecht
bedeutet nicht Geschlechtlichkeit - Geschlechtlichkeit ist nur eine materielle
Offenbarung des Geschlechts. „Geschlecht“ heißt „Beziehung zu Zeugung und
Erschaffung“. Wo auch immer etwas erzeugt oder erschaffen wurde, gleich auf
welcher Ebene, muss sich das Geschlechtsprinzip offenbaren. Und das trifft
sogar bei der Erschaffung von Universen zu.
Nun folgert aber nicht gleich daraus,
dass wir die Existenz eines männlichen und weiblichen Gottes oder Schöpfers
lehren. Diese Idee ist lediglich eine Verzerrung der alten Lehren über diesen
Gegenstand. Die wahre Lehre sagt, dass das All an sich jenseits des Geschlechts
ist, wie es jenseits jedes anderen Gesetzes ist, einschließlich derer von Zeit
und Raum. Es ist das Gesetz, von dem alle Gesetze ausgehen, aber es ist ihnen
nicht unterworfen. Aber wenn das All sich nur auf der Ebene von Zeugung und
Erschaffung offenbart, dann handelt es nach Gesetz und Grundsatz, denn es
bewegt sich auf einer niedrigeren Daseinsebene. Infolgedessen offenbart sich
natürlich das Geschlechtsprinzip in seiner männlichen und weiblichen Form auf
der geistigen Ebene.
Diese Idee mag einigen von Euch
befremdend erscheinen, wenn Ihr sie zum ersten Mal hört, aber Ihr alle habt sie
in Euren alltäglichen Begriffen ohne Widerstand tatsächlich angenommen. Ihr
sprecht von der Vaterschaft Gottes, von der Mutterschaft der Natur, von Gott,
dem göttlichen Vater, von der umfassenden Mutter Natur - und habt so instinktiv
das Geschlechtsprinzip im Universum anerkannt. Ist es nicht so?
Aber die hermetische Lehre enthält nicht
eine wirkliche Zweiheit - das All ist Eins -, die beiden Aspekte sind lediglich
Offenbarungen des Alls. Die Lehre besagt, dass das männliche Prinzip, in dem
sich das All offenbart, in einer Weise abseits steht von der tatsächlichen
geistigen Schöpfung des Universums. Es überträgt seinen Willen auf das
weibliche Prinzip (das man Natur nennen kann), worauf letzteres das
tatsächliche Werk der Entwicklung des Universums beginnt. Von einfachen
Zentren der Aktivität hinauf zum Menschen und immer höher hinauf - alles gemäß
wohl gegründeten und fest durchgeführten Gesetzen der Natur. Wenn Ihr die alten
Gedankenbilder vorzieht, mögt Ihr beim männlichen Prinzip an Gott denken, den
Vater, und beim weiblichen an die Natur als die allumfassende Mutter, aus deren
Schoß alle Dinge geboren sind. Das ist mehr als ein poetisches Wortbild. Es ist
eine Idee von dem tatsächlichen Prozess der Schöpfung des Universums. Aber
erinnert Euch immer, dass das All nur Eins ist und dass in seinem unendlichen
schöpferischen Geist das Universum erzeugt, geschaffen wurde und besteht. Es
kann Euch vielleicht helfen, die richtige Vorstellung zu bekommen, wenn Ihr das
Gesetz der Entsprechung auf Euch selbst und Euern eigenen Geist anwendet. Ihr
wisst, dass in gewissem Sinne der Teil von Euch, den Ihr „Ich“ nennt, beiseite
steht und die Erschaffung geistiger Bilder in Eurem Geist beobachtet. Der Teil
Eures Geistes. in welchem die geistige Schöpfung vor sich geht, mag „Mich“ genannt
werden zur Unterscheidung von dem „Ich“, das beiseite steht und beobachtet und
die Gedanken, Ideen und Sinnbilder des „Mich“ prüft.
„Wie oben, so unten“ erinnere Dich und
die Erscheinungen auf einer Ebene können verwandt werden, um die Rätsel
höherer und niedrigerer Ebenen zu lösen. Ist es ein Wunder, dass Du, das Kind,
jene instinktive Verehrung für das All empfindest, ein Gefühl, das wir Religion
nennen - jene Achtung für den Vater-Geist? Ist es ein Wunder, dass Dich, wenn
Du die Werke und Wunder der Natur betrachtest, ein starkes Gefühl überkommt,
das seine Wurzeln tief unten in Deinem innersten Sein hat? Es ist der
Mutter-Geist, an den Du Dich fest anpresst, wie der Säugling an die
Mutterbrust.
Macht nicht den Fehler, anzunehmen, dass
diese kleine Welt, die Ihr um Euch herum seht - die Erde, welche nur ein
Stäubchen im Universum ist -, das Universum selbst sei. Es gibt Millionen und
Abermillionen solcher Welten, die größer sind. Und es bestehen Millionen und
Abermillionen solcher Universen innerhalb des unendlichen Geistes des Alls. Und
selbst in unserem kleinen Sonnensystem gibt es Regionen und Lebensgebiete, die
höher sind als die unserigen, und Geschöpfe, im Vergleich zu denen wir erdgebundenen
Sterblichen wie schleimige Lebensformen auf dem Meeresgrund sind, wenn man sie
mit den Menschen vergleicht. Es gibt Wesen mit Kräften und Eigenschaften, die
höher sind als die, welche der Mensch in seinen kühnsten Träumen den Göttern
zugeschrieben hat. Und doch waren diese Geschöpfe einmal so wie Ihr und noch
niedriger. Und Ihr werdet einmal so wie sie sein und noch höher, denn das ist
die Bestimmung des Menschen, wie die Erleuchteten uns berichten.
Auch der Tod ist nicht wirklich, nicht
einmal im übertragenen Sinne - er ist nur die Geburt zu einem neuen Leben -
und Ihr werdet weiter und immer weiter fortschreiten in immer höhere Ebenen
des Lebens in Äonen über Äonen der Zeit. Das Universum ist Eure Heimat und Ihr
werdet seine fernsten Winkel erforschen vor dem Ende der Zeiten. Ihr wohnt in
dem unendlichen Geiste des Alls und Eure Möglichkeiten und Gelegenheiten sind
unendlich in Zeit und Raum. Und am Ende des großen Zyklus von Äonen, wenn das
All all seine Schöpfungen in sich zurückziehen wird,
werdet Ihr glücklich dahingehen, denn dann werdet Ihr die ganze Wahrheit des
Eins-Seins mit dem All erkennen können. So lautet der Bericht der Erleuchteten,
derer, die weit vorgeschritten sind auf dem Pfad.
Inzwischen
bleibt ruhig und heiter, Ihr seid sicher im Schutze der unendlichen Kraft des
Vater-Mutter-Geistes.
„Im Vater-Mutter-Geist sind sterbliche Kinder zuhause.“
„Kein Einziger ist vater- oder mutterlos im Universum.“
Das göttliche Paradoxon
„Der Halbweise, der die
verhältnismäßige Unwirklichkeit des Universums erkennt, glaubt, seine Gesetze mißachten zu können - das sind eitle und eingebildete
Narren, sie werden gegen die Felsen geschleudert und entzwei gerissen durch die
Elemente auf Grund ihrer Narrheit. Die echten Weisen, die die Natur des Universums
kennen, verwenden Gesetz gegen Gesetz, das Höhere gegen das Niedrigere, und
durch die Kunst der Alchimie verwandeln sie das, was unerwünscht ist, in das
Wertvolle und gewinnen so die Herrschaft. Meisterschaft besteht nicht in
anomalen Träumen, Visionen und phantastischen Einbildungen und phantastischem
Leben, sondern in der Verwendung höherer Kräfte gegen die niedrigeren und
darin, dass man den Qualen niedrigerer Ebenen durch Schwingung auf der höheren
entgeht. Umwandlung, nicht anmaßende Verneinung ist die Waffe des Meisters.“
„Kybalion“
Das Paradox des Universums entsteht aus dem
Prinzip der Polarität, das sich offenbart, wenn das All zu erschaffen beginnt -
horche darauf, denn es zeigt den Unterschied zwischen Halbwissen und Weisheit.
Während für das unendliche All das Universum und seine Gesetze, seine Kräfte,
sein Leben und seine Äußerungen wie Dinge erscheinen, die im Zustande der
Meditation oder des Traumes wahrgenommen werden, muss doch für alles, was
endlich ist, das Universum als Wirklichkeit behandelt werden und Leben,
Tätigkeit und Gedanken müssen darauf entsprechend eingestellt werden, wenn
auch mit einem steten Verständnis der höheren Wahrheit. Jedes gemäß seiner
eigenen Ebene und ihren Gesetzen!
Sollte das All sich
vorstellen, dass das Universum tatsächlich Wirklichkeit wäre, dann wehe dem
Universum, denn dann gäbe es kein Entschlüpfen, empor vom Niedrigeren zum
Höheren, dann würde das Universum etwas Stetiges werden und aller Fortschritt
würde unmöglich. Und wenn ein Mensch infolge seines unvollkommenen Wissens so
handelt und lebt und denkt, als ob das Universum nur ein Traum wäre (so wie
seine eigenen endlichen Träume), dann wird es das tatsächlich für ihn und wie
ein Schlafwandler stolpert er immer rundherum im Kreise, ohne vorwärts zu
kommen, schließlich fällt er über die Gesetze der Natur und erwacht
zerquetscht und blutend. Richtet Eure Gedanken immer nach oben, aber lasst Eure
Augen über Eure Schritte wachen, damit Ihr nicht in den Sumpf geratet wegen
Eures Schauens nach oben. Denkt immer an das göttliche Paradox, das „ist“, auch
wenn das Universum nicht ist. Denkt immer an die zwei Pole der Wahrheit, den
absoluten und den relativen. Hütet Euch vor halben Wahrheiten!
Was die Hermetiker als das Gesetz des
Paradoxon kennen, ist eine Erscheinung des Prinzips der Polarität. Die hermetischen
Schriften sind gefüllt mit Bezugnahmen auf das Erscheinen des Paradoxen bei
Betrachtung der Probleme des Lebens und Seins. Die Lehrer warnen dauernd ihre
Schüler vor dem Irrtum, die andere Seite jeder Frage zu vergessen. Und ihre
Warnungen sind besonders auf die Probleme des Absoluten und Relativen
gerichtet, die alle Schüler der Philosophie überraschen und die so viele
veranlassen, gegen das im Handeln und Denken zu verstoßen, was man allgemein
den gesunden Menschenverstand nennt. Wir ermahnen alle Schüler, auf jeden Fall
das göttliche Paradox vom Absoluten und Relativen zu erfassen, damit sie nicht
im Sumpfe der halben Wahrheiten versinken. In diesem Sinne ist diese besondere
Lektion geschrieben worden. Lest sie sorgfältig.
Der erste Gedanke, der dem denkenden
Menschen kommt, wenn er die Wahrheit erkennt, dass das Universum eine geistige
Schöpfung des Alls ist, ist der, dass das Universum und alles, was es enthält,
eine reine Illusion ist, eine Unwirklichkeit, eine Idee, gegen die sich seine
Instinkte auflehnen. Aber man muss diese, wie alle andern großen Wahrheiten,
von beiden Standpunkten, dem absoluten und dem relativen aus betrachten. Vom
absoluten Standpunkt aus ist natürlich das Universum seiner Natur nach eine
Illusion, ein Traum, ein Trugbild im Vergleich zum All an sich. Wir erkennen
das sogar in unserer gewöhnlichen Vorstellung, denn wir sprechen von der Welt
als einer vergänglichen Sache, die kommt und geht, geboren wird und stirbt,
denn das Element der Vergänglichkeit und des Wechsels, der Endlichkeit und
Wesenlosigkeit muss stets mit der Idee des Universums verbunden sein, wenn man
es mit der Idee des Alls in Gegensatz bringt, ganz gleich, wie unsere Auffassung
über die Natur beider ist. Philosophen, Metaphysiker, Wissenschaftler und
Theologen, alle stimmen in dieser Idee überein und dieser Gedanke findet sich
in allen Formen philosophischer und religiöser Vorstellungen sowohl wie in den
Theorien der entsprechenden Schulen der Metaphysik und Theologie.
So predigen die hermetischen Lehren die
Substanzlosigkeit des Universums in Ausdrücken, wie sie Euch schon vertraut
sind, wenn Euch auch die Darstellung des Gegenstandes Aufsehen erregend
scheinen mag. Alles, was einen Anfang und ein Ende hat, muss irgendwie
unwirklich und unwahr sein und auf das Universum trifft das zu bei allen
Schulen des Denkens. Vom absoluten Standpunkt aus ist nichts wirklich als das
All, ganz gleich, welchen Ausdruck wir dafür benützen, wenn wir über das Thema
nachdenken oder uns darüber aussprechen. Sei das Universum aus Materie
geschaffen oder sei es eine geistige Schöpfung aus dem Geiste des Alls, es ist
substanzlos, vergänglich, eine Sache von Zeit, Raum und Wechsel. Wir bitten
Euch, Euch diese Tatsache genau zu vergegenwärtigen, bevor Ihr ein Urteil über
die hermetische Vorstellung der geistigen Natur des Universums abgebt.
Überdenkt alles und jedes von den andern Begriffen und seht, ob dies nicht
auch von ihnen zutrifft.
Aber der absolute Gesichtspunkt zeigt nur
eine Seite des Bildes - die andere Seite ist die relative. Absolute Wahrheit
wurde definiert als „Dinge, wie Gottes Geist sie kennt“, relative Wahrheit als
„Dinge, wie die höchste Vernunft der Menschen sie versteht“. Und während so für
das All das Universum unwirklich, illusionär sein muss, ein bloßer Traum oder
das Ergebnis von Meditation, ist nichtsdestoweniger für den irdischen Geist,
der einen Teil des Universums bildet und es vom sterblichen Gesichtspunkt aus
sieht, dieses Universum sogar sehr real und muss so betrachtet werden. Trotz
der Erkenntnis des absoluten Standpunktes dürfen wir nicht den Fehler machen,
die Tatsachen und Erscheinungen des Universums, wie sie sich unseren sterblichen
Sinnen darstellen, zu ignorieren oder zu verneinen - bedenkt: wir sind nicht
das All!
Um einfache Beispiele zu nehmen: Wir alle
nehmen die Tatsache, dass Materie existiert, durch unsere Sinne wahr - es würde
uns schlecht ergehen, wenn wir das nicht täten. Und doch, selbst unser
endlicher Geist versteht die wissenschaftliche Feststellung, dass es vom
wissenschaftlichen Standpunkt aus so etwas wie Materie nicht gibt - das, was
wir Materie nennen, wird lediglich als eine Ansammlung von Atomen betrachtet
und die Atome selbst sind nichts anderes als eine Gruppierung von
Krafteinheiten, die man Elektronen oder Ionen nennt, und die sich in dauernder
Schwingung und kreisender Bewegung befinden. Wir stoßen an einen Stein und
fühlen den Stoß - er scheint wirklich zu sein, trotzdem er nur das ist, was
wir im Vorhergehenden festgestellt haben. Aber denkt daran, dass unser Fuß,
der den Stoß vermittels unseres Gehirns fühlt, auch Materie ist,
zusammengesetzt aus Elektronen, und ebenso unser Gehirn. Und wenn unser Geist
nicht wäre, würden wir vom Fuß oder Stein überhaupt nichts wahrnehmen.
Ferner erscheint dem Künstler das Ideal,
das er in Stein oder auf der Leinwand darzustellen versucht, durchaus wirklich.
Das ist auch beim Autor oder Dramatiker der Fall hinsichtlich der Charaktere,
die er so darzustellen versucht, dass andere sie erkennen können. Und wenn das
für unsern endlichen Geist zutrifft, welchen Grad der Wirklichkeit müssen dann
die geistigen Bilder haben, die vom Geist des Unendlichen geschaffen wurden? Oh
Freunde, für Sterbliche ist dieses geistige Universum in der Tat außerordentlich
real - es ist das Einzige, das wir ja erkennen können, obgleich wir in ihm
höher von Ebene zu Ebene steigen. Um es anders zu erkennen, durch tatsächliche
Erfahrung, müssten wir das All selbst sein. Allerdings, je höher wir in der
Skala steigen, je näher wir „dem Geiste des Vaters“ kommen, desto augenscheinlicher
wird die eingebildete Natur der endlichen Dinge, aber erst wenn das All
schließlich uns in sich zurückzieht, dann erst schwindet die Vision
tatsächlich.
So brauchen wir bei den äußerlichen Zügen
der Illusion nicht zu verweilen. Lieber wollen wir, nachdem wir die wahre Natur
des Universums erkannt haben, versuchen, seine geistigen Gesetze zu verstehen
und sie so nutzbringend wie nur möglich für unsere Aufwärtsentwicklung im Leben
zu verwenden, denn wir wandern von einer Daseinsebene zur andern. Auch die
Gesetze des Universums sind wegen seiner geistigen Natur durchaus „eiserne
Gesetze“, alles außer dem All ist an sie gebunden. Was im unendlichen Geist des
Alls besteht, ist wirklich nur einen Grad geringer als die Wirklichkeit. die
der Natur des Alls selbst verliehen ist. Darum seid nicht unsicher oder in
Sorge - wir alle werden sicher gehalten im unendlichen Geiste des Alls und es
gibt nichts, was uns wehe tun könnte oder wovor wir uns fürchten müssten. Es
gibt keine Kraft außerhalb des Alls, die auf uns wirken könnte, darum können
wir ruhig und sicher sein. In dieser Erkenntnis, hat man sie erst einmal
gewonnen, liegt eine Welt von Trost und Sicherheit. Dann schlafen wir wirklich
ruhig und friedlich wie gewiegt von des Meeres Wogen, ruhen sicher im
unendlichen Geiste des Alls. So ist es wirklich: wir leben, bewegen uns und
haben unser Dasein im All.
Materie ist nichtsdestoweniger Materie
für uns, während wir auf der stofflichen Ebene leben, wenn wir auch wissen,
dass sie nur eine Ansammlung von Elektronen oder von Teilchen von Kraft ist mit
sehr hoher Schwingungszahl, die Atome bilden, umeinander kreisen - die Atome
ihrerseits, ebenfalls im schnellsten Schwingen und Kreisen, bilden Moleküle,
die als solche den größeren Teil der Materie formen. Materie wird auch deshalb
nicht weniger Materie, wenn wir die Untersuchung noch weiter führen und von den
hermetischen Lehren erfahren, dass „Kraft“, von der die Elektronen nur
Einheiten sind, lediglich eine Offenbarung des Geistes des Alls ist und wie alles
andere im Universum rein geistig in ihrer Natur ist. Solange wir uns auf der
stofflichen Ebene bewegen, müssen wir ihre Erscheinungen zur Kenntnis nehmen -
wir können die Materie beherrschen (wie das alle Meister höherer oder
niedrigerer Grade tun), aber wir können das nur, indem wir die höheren Kräfte
anwenden. Wir begehen einen Fehler, wenn wir versuchen, die Existenz der
Materie in relativer Beziehung zu leugnen. Wir können ihre Herrschaft über uns
leugnen - und mit Recht -, aber wir sollten nicht versuchen, sie in relativer
Beziehung nicht zu beachten, wenigstens solange wir uns auf dieser Ebene
befinden.
Auch werden die Naturgesetze nicht
weniger konstant oder wirksam, wenn wir wissen, dass sie gleichfalls ausschließlich
geistigen Ursprungs sind. Sie sind auf den verschiedenen Ebenen in voller
Wirkung. Wir überwinden die niedrigeren Gesetze durch Anwendung höherer - und
nur in dieser Weise. Aber wir können dem Gesetz nicht entgehen oder uns
gänzlich darüber erheben. Nur das All kann dem Gesetz entgehen - weil das All
selbst das Gesetz ist, aus dem alle anderen Gesetze entspringen. Die am
höchsten gestiegenen Meister können Kräfte anwenden, die im allgemeinen von
den Menschen den Göttern zugeschrieben werden, und es gibt zahllose Stufen des
Seins in der großen Hierarchie des Lebens, deren Kraft und Dasein sogar in
einer für Sterbliche undenkbaren Weise diejenige der höchsten menschlichen
Meister übersteigt; aber selbst der höchste Meister und das höchste Lebewesen
müssen sich dem Gesetz beugen und sind wie Nichts in den Augen des Alls. Wenn
also selbst diese höchsten Geschöpfe, deren Kräfte diejenigen übersteigen, die
die Menschen ihren Göttern zuschreiben, wenn sogar diese durch das Gesetz
gebunden und ihm unterworfen sind, dann stelle man sich die Anmaßung eines
Sterblichen vor, vom Grade unseres Menschengeschlechts, wenn er wagt, die
Naturgesetze als „unwirklich“, visionär und illusorisch zu betrachten, weil er
zufällig die Wahrheit begreifen konnte, dass die Gesetze ihrer Natur nach
geistig sind und eine bloße geistige Schöpfung des Alls.
Die Gesetze, die das All zu herrschenden
Gesetzen macht, darf man nicht missachten oder hinwegdeuteln. Solange das Universum
besteht, solange werden auch sie bestehen - denn das Universum besteht durch diese
Gesetze, die seinen Rahmen bilden und es zusammen halten. Das hermetische Prinzip
der Geistigkeit, das die wahre Natur des Universums durch das Prinzip: „alles
ist geistig“ ausdrückt, ändert nichts an den wissenschaftlichen Vorstellungen
vom Universum, vom Leben oder von der Entwicklung. In der Tat. Die Wissenschaft
bestätigt nur die hermetische Lehre. Letztere lehrt nur, dass die Natur des
Universums geistig ist, während die moderne Wissenschaft gelehrt hat, dass es
„Materie“ oder nach den neuesten Untersuchungen „Energie“ ist.
Die hermetische Lehre findet keinen
Fehler in Herbert SPENCERS Grundprinzip, das die Existenz einer „unendlichen
und ewigen Energie“ fordert, „aus der alle Dinge hervorgehen“. Tatsächlich
erkennen die Hermetiker in SPENCERS Philosophie die höchste von außen kommende
Feststellung von der Arbeit der Naturgesetze, die jemals verkündet wurde, und
sie halten SPENCER für eine Reinkarnation eines Philosophen des Altertums, der
im alten Ägypten vor Tausenden von Jahren wohnte und der später als der
griechische Philosoph HERAKLIT reinkarniert wurde,
der 500 v. Chr. lebte. Sie betrachten seine Feststellung von der „unendlichen
und ewigen Energie“ als in gleicher Linie liegend mit der hermetischen Lehre,
allerdings immer mit dem Hinzufügen ihres eigenen Grundsatzes, dass seine
„Energie“ die Energie des Geistes des Alls ist. Mit dem Hauptschlüssel der
hermetischen Philosophie wird der Schüler SPENCERS die vielen Tore der inneren
philosophischen Vorstellungen des großen englischen Philosophen öffnen können,
dessen Werk die Erfolge der Vorbereitungen seiner früheren Inkarnationen
zeigt. Seine Lehren betreffend Entwicklung und Rhythmus befinden sich in fast
völliger Übereinstimmung mit der hermetischen Lehre über das Prinzip des
Rhythmus. Darum braucht der hermetische Schüler keine lieb gewonnene
wissenschaftliche Ansicht über das Universum beiseite legen.
Alles, was man von ihm verlangt, ist, das
grundlegende Prinzip zu begreifen: „ Das All ist Geist, das Universum ist
geistig, gehalten im Geiste des Alls“. Er wird finden, dass die anderen sechs
von den sieben Prinzipien in seine wissenschaftlichen Erfahrungen hineinpassen
und dazu dienen werden, dunkle Punkte auszumerzen und Licht in dunkle Winkel
zu werfen. Das ist nicht verwunderlich, wenn wir den Einfluss der hermetischen
Gedanken auf die früheren Philosophen der Griechen bedenken, auf deren
grundsätzlichen Gedanken die Theorien der modernen Wissenschaft zum großen Teil
beruhen.
Die Annahme des ersten hermetischen
Prinzips der Geistigkeit ist der einzige wichtige unterschiedliche Punkt
zwischen der modernen Wissenschaft und den hermetischen Schülern, aber die
Wissenschaft bewegt sich allmählich auf die hermetische Stellung zu und ist
bemüht, einen Weg aus dem Labyrinth zu finden, in das sie auf ihrer Suche nach
Wahrheit geraten war.
Es ist die Absicht dieser Lektion, unsern
Schülern die Tatsache eindringlich zu machen, dass bei unserer Auffassung das
Universum und seine Gesetze und Erscheinungen genau so wirklich sind, wie sie
es unter der Hypothese des Materialismus oder Energismus
wären. In seinem äußeren Erscheinungsbild dagegen ist das Universum unter jeder
Hypothese wechselnd, immer im Fluss und vergänglich und darum ohne Wesenheit
und Wirklichkeit. Aber (merke auf den andern Pol der Wahrheit!) unter jeder
dieser Hypothesen müssen wir handeln und leben, als ob die wechselnden Dinge
wahr und wesenhaft wären; nur mit dem Unterschiede zwischen diesen
verschiedenen Hypothesen, dass unter dem alten Standpunkt die geistige Kraft
als eine Naturkraft nicht beachtet wurde, während sie unter dem Gesichtspunkt
des Mentalismus die größte Naturkraft überhaupt wird.
Und dieser eine Unterschied revolutioniert das Leben für diejenigen, die das
Prinzip und die aus ihm sich ergebenden Gesetze und ihre Anwendung verstehen.
Darum, Ihr Schüler, ergreift den Vorteil
des Mentalismus und lernt die Gesetze, die auf ihm
beruhen, damit Ihr sie anwenden und nutzen könnt. Aber gebt der Versuchung
nicht nach, die, wie das „Kybalion“ feststellt, die Halbweisen überkommt, die
wie hypnotisiert sind von der augenscheinlichen Unwirklichkeit der Dinge. Die
Folge davon ist, dass sie wie Träumer herumgehen, in einer Traumwelt leben,
praktische Arbeit und Leben missachten und schließlich „von den Elementen gegen
die Felsen geworfen und zerrissen werden auf Grund ihrer Narrheit“. Folget
lieber dem Beispiel der Weisen, die, wie die gleiche Quelle besagt, „Gesetz
gegen Gesetz“ gebrauchen, „das Höhere gegen das Niedrigere, und durch die Kunst
der Alchimie das, was unerwünscht ist, in das, was wertvoll ist, verwandeln
und so den Sieg davontragen“. Wir wollen dem „Kybalion“ folgen und alles halbe
Wissen meiden, das die Wahrheit nicht achtet: „Meisterschaft besteht nicht in
anomalen Träumereien, Visionen, phantastischer Einbildung oder Lebensführung,
sondern in der Anwendung der höheren Kraft gegen die niedrigere, um so den
Qualen der niedrigeren Ebenen zu entgehen durch Schwingung auf der höheren.“
Der Schüler möge sich immer daran erinnern: „Verwandlung, nicht anmaßende
Verneinung, ist die Waffe des Meisters.“ Die oben zitierten Aussprüche sind aus
dem „Kybalion“, sie sind wert, dem Gedächtnis des Schülers einverleibt zu
werden.
Wir leben nicht in einer Traumwelt,
sondern in einem Universum, das, wenn auch relativ, so doch wirklich ist, soweit
es unser Leben und unsere Handlungen betrifft. Unsere Aufgabe im Universum ist
nicht, seine Existenz zu verneinen, sondern zu leben, indem wir die Gesetze
benutzen, um vom Niederen zum Höheren zu steigen, unter den Umständen, die
jeden Tag neu erscheinen, das Beste zu tun und unsern höchsten Ideen und
Idealen nachzuleben. Der wahre Sinn des Lebens ist den Menschen zum mindesten
auf dieser Ebene nicht bekannt - aber die höchsten Meister und unser eigenes
Gefühl lehren uns, dass wir recht tun, wenn wir soweit wie möglich versuchen,
unser Leben zu dem Besten, was in uns ist, zu erhöhen und so die Tendenz des
Universums in gleicher Richtung zu verwirklichen, trotz anscheinend
gegensätzlicher Tatsachen.
Wir sind alle auf dem „ Pfad“, der immer
aufwärts führt mit häufigen Ruhepunkten. Lest die Botschaft des „Kybalion“ und
folgt dem Beispiel der „Weisen“, indem Ihr die Fehler der „Halbweisen“ vermeidet,
die durch ihre Torheit verderben.
Das All
in Allem
„Wenn Alles im All ist, so ist es in gleicher Weise wahr, dass
das All in Allem ist. Derjenige, der
diese Wahrheit richtig versteht, hat ein großes
Wissen erlangt.“
„Kybalion“
Wie oft hat die Mehrzahl der Menschen die
Feststellung wiederholen gehört, ihre „Gottheit“ (genannt mit vielen Namen)
wäre „Alles in Allem“, und wie wenig hat man vermutet, dass hinter diesen
gedankenlos ausgesprochenen Worten die innere geheime Wahrheit verborgen ist.
Diese gewöhnlich gebrauchte Redewendung ist ein Überrest des oben zitierten
hermetischen Grundsatzes. Wie das „Kybalion“ sagt: „Derjenige, der diese
Wahrheit richtig versteht, hat ein großes Wissen erlangt“. Und da dies so
richtig ist, wollen wir diese Wahrheit suchen, deren Verständnis so viel
bedeutet. In dieser Feststellung, in diesem hermetischen Grundsatz, ist eine
der größten philosophischen, wissenschaftlichen und religiösen Wahrheiten
verborgen.
Wir haben Euch die hermetische Lehre, die
geistige Natur des Universums betreffend, gegeben, die Wahrheit:
„Das Universum ist geistig - gehalten im Geiste des Alls“.
Darum sagt das „Kybalion“ in dem oben
erwähnten Satz:
„Im All ist Alles“.
Aber merkt Euch die damit verbundene
Feststellung: es ist ebenso wahr, dass das All in Allem ist. Die anscheinend
gegensätzlichen Feststellungen sind vereinbar unter dem Gesichtspunkt des
Paradoxon. Es ist überdies eine genaue hermetische Angabe der Beziehungen, die
zwischen dem All und seinem geistigen Universum bestehen. Wir haben gesehen:
Alles ist im All; lasst uns nunmehr die andere Seite der Frage prüfen.
Die hermetischen Lehren besagen, dass das
All dauernd in seinem Universum enthalten ist und zwar in jedem Teil oder
Teilchen, in jeder Einheit oder zusammengesetzten Form innerhalb des
Universums. Diese Feststellung wird gewöhnlich von den Lehrern durch die
Bezugnahme auf das Prinzip der Entsprechung erläutert. Der Lehrer lehrt den
Schüler, ein geistiges Bild von irgend einer Sache, Person, Idee oder von etwas
zu bilden, das eine geistige Form hat, wobei das bewusste Beispiel dasjenige
eines Autors oder Dramatikers ist, der eine Idee seiner Charaktere formt, oder
eines Malers oder Bildhauers, der das Bild des Ideals formt, das er durch seine
Kunst auszudrücken wünscht. In jedem Falle wird der Schüler erkennen, dass, während
das Bild lediglich in seinem eigenen Geist existiert, er, der Schüler, Autor,
Dramatiker, Maler oder Bildhauer auch in gewissem Sinne immanent darinnen ist,
darin bleibt, ihm verhaftet ist. Mit anderen Worten, dass die ganze
Wirksamkeit, Leben, Geist, - Wirklichkeit nur als geistiges Bild aus dem
immanenten Geist des Denkers herstammt. Überlegt dies einen Augenblick, bis Ihr
den Gedanken begriffen habt.
Um ein modernes Beispiel zu nehmen,
wollen wir sagen, dass Othello, Jago, Hamlet, Lear, Richard III. zur Zeit ihres
Erdachtwerdens oder ihrer Erschaffung lediglich im Geiste SHAKESPEARES
existierten. Und doch existierte auch SHAKESPEARE in jedem dieser Charaktere
und gab ihnen ihre Lebenskraft, ihren Geist und ihre Handlungen. Wessen „Geist“
haben die Charaktere, die wir als Miwcaber,
Oliver Twist, Uriah Heep kennen - ist es DICKENS’
Geist oder hat jeder dieser Charaktere einen persönlichen Geist, unabhängig
von ihrem Schöpfer? Haben die Venus von Medici, die Sixtinische Madonna, der
Apoll von Belvedere eigenen Geist oder eigene Wirklichkeit oder repräsentieren
sie die geistige und gedankliche Kraft ihres Schöpfers? Das Gesetz des
Paradoxon erklärt, dass beide Annahmen wahr sind, vom richtigen Standpunkt
betrachtet. Miwcaber ist sowohl Miwcaber
als auch DICKENS. Aber während von Miwcaber gesagt
werden kann, er sei DICKENS, ist DICKENS doch nicht identisch mit Miwcaber. Menschen wie Miwcaber
können ausrufen: „Der Geist meines Schöpfers wohnt in mir und doch bin ich
nicht er.“ Wie verschieden ist dies von der anstößigen Halbwahrheit, die so
laut von gewissen Halbweisen verkündet wird, die die Luft mit ihrem heiseren
Geschrei erfüllen: “Ich bin Gott!“ Denkt Euch den armen Miwcaber
oder den Schleicher Uriah Heep ausrufen: „Ich bin
Dickens!“ oder irgendeinen erbärmlichen Tölpel in einem SHAKESPEARESchen
Stück großsprecherisch verkünden: „Ich bin Shakespeare!“ Das All ist im
Regenwurm, aber der Regenwurm ist weit davon entfernt, das All zu sein. Und
doch bleibt das Wunder, wenn auch der Regenwurm ein ganz geringes Geschöpf ist,
das nur im Geiste des Alls geschaffen wurde und sein Dasein hat, dass doch das
All immerhin in dem Regenwurm und den Teilchen ist, die ihn bilden. Kann es
überhaupt ein größeres Mysterium geben als dies: Alles im All und das All in
Allem?
Der Schüler muss sich natürlich darüber
klar sein, dass die obigen Beispiele notwendigerweise unvollkommen und unangemessen
sind, denn sie veranschaulichen die Schöpfung geistiger Bilder in endlichen
Geistern, während das Universum eine Schöpfung des unendlichen Geistes ist.
Der Unterschied zweier Pole trennt sie! Doch ist dies nur eine Sache des Grades
- das gleiche Prinzip ist hier am Werk, das Prinzip der Entsprechung offenbart
sich in beiden:
„Wie oben so unten, wie unten so oben“
In
dem Grade, wie der Mensch erkennt, dass der „innewohnende (göttliche)
Geist“ immanent ist in seinem Sein, wird er in der geistigen Skala des Lebens
steigen. Das ist es, was man unter geistiger Entwicklung zu verstehen hat - das
Erkennen, das Begreifen und die Offenbarung des reinen Geistes in uns.
Versucht, diese letzte Erklärung zu behalten - die von der geistigen
Entwicklung. Sie enthält die Wahrheit der „wahren Religion“.
Es gibt viele Ebenen des Seins - viele
Unterebenen des Lebens - viele Grade des Daseins im Universum. Und alle hängen
ab vom Fortschritt der Geschöpfe in der Skala. Auf dieser Skala ist der
niedrigste Punkt die gröbste Materie, während das höchste Geschöpf nur durch
eine ganz dünne Scheidewand von dem Geiste des Alls getrennt ist. Und auf- und
vorwärts auf dieser Stufenleiter des Lebens bewegt sich alles. Alle sind auf
dem „Pfad“, dessen Ende das All ist. Jeder Fortschritt ist Heimkehr. Alles ist
ein Aufwärts und Vorwärts, trotz aller gegensätzlichen Erscheinungen. Das ist
die Botschaft der Erleuchteten.
Die hermetischen Lehren über den Prozess
der geistigen Schöpfung des Universums besagen, dass am Anfang eines
Schöpfungszyklus das All, im Aspekt des „Seins“, seinen Willen auf den Aspekt
des „Werdens“ überträgt, und damit beginnt der Prozess der Schöpfung. Er
besteht in der Herabsetzung der Schwingungen, bis ein sehr geringer Grad der
Schwingungsenergie und somit die gröbste Form der Materie erreicht ist. Dieser
Prozess wird das Stadium der Involution genannt, in
dem das All in seine Schöpfung hineingehüllt wird. Die Hermetiker glauben,
dass dieser Prozess in gewisser Weise dem geistigen Prozess entspricht, in dem
ein Künstler, Schriftsteller oder Erfinder in seine geistige Schöpfung bis zu
einem gewissen Grade eingehüllt wird, so dass man beinahe seine eigene Existenz
vergisst, wo er zu Lebzeiten gewissermaßen in seiner Schöpfung lebt. Wenn wir
statt „eingehüllt“ den Ausdruck „versunken“ verwenden, wird man vielleicht
noch besser verstehen, was gemeint ist.
Dieses Stadium der Involution
der Schöpfung wird auch manchmal das „Ausgießen“ der göttlichen Energie
genannt, so wie das der Evolution das „Einziehen“ genannt wird. Der äußerste
Pol des Schöpfungsprozesses wird als der am weitesten vom All entfernte
angesehen, während der Beginn des evolutionären Stadiums als Beginn des Zurückschwingens
des rhythmischen Pendels betrachtet wird - die Idee der Heimkehr, an der in
allen hermetischen Lehren festgehalten wird. Die Lehren gehen dahin, dass
während des „Ausgießens“ die Schwingungen immer niedriger werden, bis
schließlich der Impuls aufhört und das Zurückschwingen beginnt. Nur mit dem
Unterschiede, dass während des „Ausgießens“ die schöpferischen Kräfte sich als
kompakt und als Ganzes offenbaren, dagegen vom Beginn der Evolution an das
Gesetz der Individualisierung in Erscheinung tritt, d.h. die Neigung, sich in
Teilkräfte zu spalten, so dass schließlich das, was das All als
unindividualisierte Energie verließ, zu seinem Ursprung in Form unzähliger hoch
entwickelter Einheiten des Lebens zurückkehrt, nachdem diese in der
Stufenleiter durch physische, geistige und rein geistige Evolution immer höher
gestiegen waren.
Die alten Hermetiker benutzen das Wort
„Meditation“, wenn sie den Prozess der geistigen Schöpfung des Universums im
Geiste des Alls beschreiben wollen. Doch wird auch das Wort „Betrachtung“
häufig gebraucht. Aber der Gedanke, dem hier Ausdruck gegeben werden soll, ist
die Anwendung der göttlichen Aufmerksamkeit: „Attention“
ist ein Wort, das aus einer lateinischen Wurzel abgeleitet wurde, und heißt so
viel wie Ausdehnung, Ausstrecken, und so ist ein Akt der Attention
wirklich ein geistiges Ausstrecken, ein Ausdehnen geistiger Energie, so dass
die zugrunde liegende Idee leicht verstanden werden kann, wenn wir die
wirkliche Bedeutung von Attention prüfen.
Die hermetischen Lehren über den Prozess
der Evolution besagen, dass das All, nachdem es über den Anfang der Schöpfung
meditiert und so die materiellen Grundlagen des Universums gelegt - sie erdacht
habe, - dass das All allmählich aus seiner Meditation erwacht und damit den
Prozess des Einziehens auf der materiellen, geistigen und rein geistigen Ebene
nacheinander ordnungsgemäß in Erscheinung treten lässt. So beginnt die Bewegung nach aufwärts,
alles beginnt sich zu vergeistigen, die Materie wird weniger grob, die
Einheiten treten ins Dasein, die Verbindungen bilden sich, das Leben erscheint
und offenbart sich in immer höheren Formen und, da die Schwingungen immer höher
werden, tritt immer mehr das Geistige in Erscheinung. Kurz, der ganze Prozess
der Evolution in all seinen Phasen beginnt und schreitet fort nach den
festgelegten Gesetzen des Einziehungsprozesses. All dies benötigt Äonen über
Äonen menschlicher Zeitrechnung, jedes Äon zahllose Millionen von Jahren
umfassend, doch die Erleuchteten sagen uns, dass die ganze Schöpfung eines
Universums einschließlich Involution und Evolution
vor dem All nicht mehr bedeutet als ein Augenblinzeln. Am Ende der zahllosen
Zyklen von Äonen zieht das All seine Aufmerksamkeit - seine Betrachtung und
Versenkung - von den Universen zurück, denn das große Werk ist beendet und
alles ist wieder aufgenommen vom All, aus dem es hervorging. Aber - welch
höchstes Mysterium! - der Geist jeder Seele wird nicht vernichtet, sondern hat
sich bis zur Unendlichkeit erweitert - Geschöpf und Schöpfer sind ineinander
aufgegangen. So berichten die Erleuchteten.
Obige Erläuterung der Meditation des
Alls und das daraus erfolgende „Erwachen aus der Meditation“ ist natürlich nur
ein Versuch der Lehrer, den unendlichen Prozess mit einem endlichen Beispiel zu
beschreiben. Und doch: Wie unten, so oben. Der Unterschied liegt nur im Grade.
Und so, wie das All sich aus seiner Meditation über das Universum erhebt, so
hört der Mensch auch zur gegebenen Zeit auf, sich auf der materiellen Ebene zu
betätigen, und zieht sich immer mehr in den in ihm wohnenden Reinen Geist
zurück, der fürwahr das göttliche Ich ist.
Noch von etwas anderem möchten wir in
dieser Lektion sprechen, und das grenzt sehr nahe an das metaphysische Gebiet
der Spekulation, obgleich wir damit nur die Unzulänglichkeit solcher
Spekulationen zeigen wollen. Wir spielen an auf die Frage, die allen Denkern
aufstößt, die wagen, die Wahrheit zu suchen. Diese Frage ist: Warum schafft
das All Universen? Diese Frage kann in verschiedenen Formen gestellt werden,
aber die obige Formulierung trifft am besten den Kern der Untersuchung.
Die Menschen haben hart um die
Beantwortung dieser Frage gerungen, doch gibt es darauf keine richtige Antwort.
Einige haben sich eingebildet, das All habe dadurch irgendetwas zu gewinnen,
aber das ist absurd, denn was könnte das All gewinnen, was es nicht schon
besäße. Andere haben die Antwort in dem Gedanken gesucht, dass das All etwas zu
lieben wünsche, andere, dass es erschüfe zu seiner Freude oder um seine Kraft
zu bekunden, alles kindliche Erklärungen und Gedanken, die einer unreifen
Periode des Denkens angehören.
Andere haben versucht, das Mysterium
durch die Annahme zu erklären, das All fühle sich durch seine eigene innere
Natur, durch seinen schöpferischen Instinkt getrieben, zu erschaffen. Dieser
Gedanke ist schon ein Fortschritt gegenüber dem andern, aber sein schwacher
Punkt liegt in der Annahme, dass das All durch irgendetwas Innerliches oder
Äußerliches getrieben sei, etwas zu tun. Wenn seine innere Natur oder sein
schöpferischer Instinkt es triebe, etwas zu tun, dann würde seine innere Natur
oder sein schöpferischer Instinkt das Absolute sein anstatt das
All. Und so fällt dieser Teil des Vorschlages. Und doch schafft und
offenbart sich das All und scheint darin eine Art von Befriedigung zu
empfinden, und es ist schwer, der Schlussfolgerung zu entgehen, dass es in
irgendeinem unendlichen Grade so etwas haben müsse, was einer inneren Natur
oder einem schöpferischen Instinkt beim Menschen entspricht mit entsprechendem
unendlichem Wunsch und Willen. Es würde nicht handeln, wenn es nicht zu handeln
wünschte; und alle diese Dinge würden zu einer inneren Natur gehören und
könnten als existierend gefordert werden gemäß dem Gesetz der Entsprechung.
Aber dennoch ziehen wir vor, uns vorzustellen, dass das All gänzlich frei von
jedem inneren und äußeren Einfluss handelt. Das ist das Problem, das dieser
Schwierigkeit - und die Schwierigkeit, die diesem Problem zugrunde liegt.
Genau genommen kann nicht gesagt werden,
dass irgendein Grund für das All besteht, zu handeln. Denn ein Grund verlangt
eine Ursache und das All ist jenseits von Ursache und Wirkung, ausgenommen es
will eine Ursache werden; in diesem Augenblick wird das Prinzip in Gang
gesetzt. So seht Ihr, dieser Gegenstand ist undenkbar, so wie das All
unerkennbar ist. So wie wir sagen, dass das All eben ist, so sind wir
gezwungen, zu sagen, dass es „handelt, weil es handelt“. Schließlich, das All
trägt alle Gründe in sich selbst, und man kann getrost sagen: das All ist seine
eigene Begründung, sein eigenes Gesetz, seine eigene Tat oder noch weiter: dass
das All, seine Begründung, sein Handeln, sein Gesetz eins sind, alles Namen für
ein und dasselbe. Nach Meinung derer, die Euch diese Lektion geben, ist die Antwort
in dem inneren Selbst des All eingeschlossen zusammen mit seinem Geheimnis des
Seins. Das Gesetz der Entsprechung reicht unserer Ansicht nach nur bis zur
Erscheinungsform des Alls, die wir die des „Werdens“ nennen können. Jenseits
dieser ist die Erscheinungsform des Seins, in der alle Gesetze sich in ein
Gesetz auflösen, alle Prinzipien zu einem verschmelzen und - All, Prinzip,
Sein sind identisch, ein und dasselbe. Darum ist metaphysische Spekulation
über diesen Punkt unzulänglich. Wir sind an die Frage nur deshalb
herangetreten, um zu zeigen, dass wir sie wohl klar erkennen, aber auch die
Sinnlosigkeiten der gewöhnlichen Antworten der Metaphysiker und Theologen.
Zum Abschluss mag es für unsere Schüler
von Interesse sein, zu hören, dass einige der alten und neuzeitlichen hermetischen
Lehrer dahin neigten, das Prinzip der Entsprechung auf diese Frage anzuwenden,
mit dem Resultat der Folgerung einer „inneren Natur“, dass aber der Überlieferung
nach HERMES, der Große, die Frage seiner fortgeschrittenen Schüler beantwortet
haben soll, indem er seine Lippen fest zusammenpresste, ohne ein Wort zu sagen,
um auszudrücken, dass es auf diese Frage keine Antwort gäbe, es mag auch sein,
dass er beabsichtigte, den Grundsatz seiner Philosophie anzuwenden, der da
lautet:
„Die Lippen der Weisheit sind verschlossen, nur nicht für die
Ohren des Verständnisses“.
Und dass er glaubte, dass selbst seine
fortgeschrittenen Schüler nicht das Verständnis besäßen, das sie zu einer
Belehrung berechtigt hätte. Jedenfalls, wenn HERMES das Geheimnis besaß, so hat er es nicht mitgeteilt und, soweit es
die Welt betrifft, sind die Lippen von HERMES hierüber geschlossen. Und wo der
große HERMES zögerte zu sprechen, welcher
Sterbliche dürfte da zu lehren wagen?
Aber was auch immer die Antwort auf
dieses Problem sei - wenn es überhaupt eine Antwort gibt -, denkt daran, dass
die Wahrheit bestehen bleibt:
„Während Alles im All ist, ist es gleichermaßen wahr, dass das All
in Allem ist“.
Auf diesen Punkt legt die Lehre besonderen
Wert, und wir zitieren dazu
abschließend die Worte:
„Wer diese Wahrheit
versteht, hat ein großes Wissen erlangt“.
Die Ebenen der Entsprechungen
„Wie oben, so unten; wie unten, so oben“.
„Kyba!ion“
Das zweite große hermetische Prinzip
enthält die Wahrheit, dass Harmonie, Übereinstimmung und Entsprechung zwischen
den verschiedenen Erscheinungsebenen von Leben und Sein bestehen. Diese
Wahrheit ist wirklich Wahrheit, weil alles, was im Universum enthalten ist, aus
demselben Ursprung herrührt; und dieselben Gesetze, Prinzipien und Merkmale
passen auf jede Einheit oder Verbindung von aktiven Einheiten, denn jede
offenbart ihre eigenen Erscheinungen auf ihrer eigenen Ebene.
Aus Gründen der Bequemlichkeit des
Denkens und Forschens hält die hermetische Philosophie es für zweckmäßig, das
Universum in drei große Klassen von Erscheinungsformen einzuteilen und zwar
in:
1. die
große physikalische Ebene,
2. die
große geistige Ebene,
3. die
große rein geistige Ebene,
die unter dem Namen der
drei großen Ebenen bekannt sind. Die Einteilung ist mehr oder weniger künstlich
und willkürlich, denn in Wirklichkeit sind alle drei Unterabteilungen nur
steigende Grade der großen Stufenleiter des Lebens, deren niedrigster Punkt indifferenzierte Materie, deren höchster aber reiner Geist
ist. Überdies gehen die verschiedenen Ebenen ineinander über, so dass keine
genaue und feste Unterscheidung zwischen den höheren Erscheinungen der physischen
und den niederen der geistigen oder zwischen den höheren der geistigen und den
niedrigeren der rein geistigen Ebene gemacht werden kann.
Kurz, die drei großen Ebenen können als
drei große Gruppen von Erscheinungsgraden des Lebens betrachtet werden. Wenn
auch der Rahmen dieses kleinen Buches es uns nicht erlaubt, in eine
ausführliche Besprechung oder Erklärung dieser verschiedenen Ebenen
einzutreten, halten wir es doch für richtig, hier eine allgemeine Beschreibung
derselben zu geben.
Zuerst wollen wir einmal die Frage
behandeln, die so oft von Anfängern gestellt wird, die über die Bedeutung des
Wortes „Ebene“ unterrichtet zu werden wünschen, ein Ausdruck, der sehr viel
angewandt, aber sehr wenig erklärt wird in neuen Werken über das Gebiet des
Okkultismus. Die Frage ist im Allgemeinen ungefähr folgende: Ist eine Ebene ein
Ort, der Dimensionen hat, oder ist sie nur ein Zustand, ein Stand der Dinge?
Wir antworten: Nein, weder ein Ort noch eine gewöhnliche Dimension des Raumes
und doch mehr als ein Zustand oder ein Stand der Dinge. Sie könnte als ein
Zustand angesehen werden und doch ist dieser Zustand oder diese Lage ein
messbarer Grad der Dimension einer Skala. Etwas
paradox, nicht wahr? Aber wir wollen der
Sache auf den Grund gehen. Eine „Dimension“ ist, wie Ihr wisst, „eine Abmessung
in gerader Linie zu einem Maß in Beziehung gebracht“ usw. Die gewöhnlichen
Dimensionen des Raumes sind Länge, Breite und Höhe oder vielleicht Länge,
Breite, Höhe und Dichte, oder Umfang. Aber es gibt noch eine andere Dimension
„erschaffener Dinge“, ein anderes Maß in gerader Linie, den Okkultisten wohl
bekannt, ebenso den Gelehrten, obgleich letztere dafür noch nicht die
Bezeichnung „Dimension“ anwenden, und diese neue Dimension, die übrigens die
viel überdachte „vierte Dimension“ ist, ist der Maßstab zur Unterscheidung der
Grade oder „Ebenen“.
Diese vierte Dimension kann auch die
Dimension der Schwingungen genannt werden. Es ist die Tatsache, die der
modernen Wissenschaft ebenso wohlbekannt ist wie den Hermetikern,
die diese Wahrheit in ihrem dritten hermetischen Prinzip verankert haben,
welches lautet: „Alles ist in Bewegung, alles schwingt, nichts ist in Ruhe..’ Von der höchsten Erscheinungsform bis zur niedrigsten
schwingt alles und jedes. Es schwingt nicht nur in verschiedener Schwingungszahl,
sondern auch in verschiedenen Richtungen und in verschiedener Art. Die Höhe der
Schwingungszahl wird der Maßstab auf der Skala der Schwingungen, mit anderen
Worten: sie bildet die Grade der vierten Dimension. Diese Grade sind das, was
die Okkultisten „Ebenen“ nennen. Je höher die Schwingungszahl, desto höher die
Ebene und desto höher die Erscheinungsform des Lebens auf dieser Ebene. Also,
wenn auch die Ebene kein „Ort“ ist und auch kein „Zustand“, so besitzt sie doch
die Eigenschaften, die beiden gemeinsam sind. Wir werden in unseren nächsten
Lektionen über die Skala der Schwingungen mehr zu sagen haben, wenn wir das
hermetische Prinzip der Vibration behandeln.
Jedenfalls denkt daran, dass die drei
großen Ebenen nicht tatsächlich Teilungen der Erscheinungsformen des Universums
sind, sondern lediglich willkürliche Bezeichnungen der Hermetiker, um in die
Betrachtung und das Studium der verschiedenen Grade und Formen der Tätigkeit
und der Formen des Universums einzuführen. Das Atom der Materie, die Einheit
der Kraft, der Menschengeist, das Wesen eines Erzengels, sind alle nur eine
Sache des Grades und der Höhe der Schwingung - alle sind Schöpfungen des Alls
und haben ihr Dasein allein im unendlichen Geiste des Alls.
Die Hermetiker unterteilen jede der drei
großen Ebenen in sieben kleinere Ebenen und jede von diesen ist ebenso in
sieben Unterebenen unterteilt. Alle diese Einteilungen sind mehr oder weniger
willkürlich, gehen ineinander über und sind nur zum bequemeren
wissenschaftlichen Forschen und Denken vorgenommen worden.
Die große physikalische Ebene und ihre
sieben kleineren Ebenen sind die Einteilung jener Erscheinungsformen des
Universums, die alles umschließen, was sich auf Physik oder materielle Dinge,
Kräfte oder Erscheinungen bezieht. Es werden alle Formen dessen einbezogen, was
wir Materie nennen, und dessen, was wir Energie oder Kraft nennen. Aber Ihr
müsst Euch daran erinnern, dass die hermetische Philosophie Materie nicht als
„ein Ding an sich“ betrachtet, noch annimmt, sie habe eine besondere Existenz
im Geiste des Alls. Die Lehre besagt, dass Materie nur eine Form der Energie
ist, d. h. Energie gewisser Art mit sehr niedriger Schwingungszahl. Deshalb
ordnen die Hermetiker die Materie unter die Rubrik der Energie ein und teilen
sie dreien der sieben kleineren Ebenen der großen
physikalischen Ebene zu.
Diese sieben kleineren physikalischen Ebenen
sind folgende:
1. die Ebene der
A-Materie,
2. die Ebene der
B-Materie,
3. die Ebene der
C-Materie,
4. die Ebene der
ätherischen Substanz,
5. die Ebene der
A-Energie,
6. die Ebene der
B-Energie,
7. die Ebene der
C-Energie.
Die Ebene der A-Materie umfasst die
Formen der Materie in ihrer Form als feste Körper, Flüssigkeit und Gase, wie
sie im Allgemeinen in den Lehrbüchern der Physik bezeichnet sind.
Die Ebene der B-Materie umfasst gewisse
höhere und feinere Formen der Materie, deren Vorhandensein die moderne
Wissenschaft erst jetzt erkennt: die Erscheinungsformen strahlender Materie als
Radium usw., die niedrigeren Unterabteilungen dieser Unterebene angehören.
Die Ebene der C-Materie umfasst Formen
der feinsten und zartesten Materie, deren Existenz von gewissen Wissenschaftlern
angenommen wird. Die Ebene der ätherischen Substanz umfasst das, was die Wissenschaft
als Äther bezeichnet, eine Substanz von äußerster Zartheit und Dehnbarkeit, die
den ganzen Raum des Universums durchdringt und als Medium für die Übertragung
von Energiewellen dient, wie Licht, Wärme, Elektrizität usw. Diese ätherische
Substanz bildet das verbindende Glied zwischen so genannter Materie und Energie
und nimmt teil an der Natur beider.
Die Hermetiker jedoch lehren, dass diese
Ebene sieben Unterabteilungen hat wie alle Unterebenen und dass es tatsächlich
7 Äther gibt statt einen. Als nächste über der Ebene der ätherischen Substanz
kommt die Energieebene A mit ihren sieben Unterebenen, die die gewöhnlichen
Formen der Wissenschaft bekannten Energie umfasst: Wärme, Licht, Magnetismus,
Elektrizität und Anziehung (einschließlich Gravitation, Kohäsion und chemische
Affinität) und verschiedene andere Formen von Energie, die auch durch
wissenschaftliche Experimente angezeigt, aber noch nicht bekannt oder
klassifiziert wurden.
Die Energieebene B umfasst die sieben
Unterebenen von höheren Energieformen, die von der Wissenschaft bisher noch
nicht entdeckt sind, die aber „feinere Naturkräfte“ genannt und durch gewisse
geistige Erscheinungsformen hervorgerufen und ermöglicht werden.
Die Ebene der C-Energie umfasst sieben
Unterebenen von Energien, die so hoch organisiert sind, dass sie viele
Merkmale des Lebens tragen, die aber der menschliche Geist in seiner
gewöhnlichen Entwicklung nicht erfassen kann und die nur für Eingeweihte auf
der rein geistigen Ebene bestimmt sind. Eine derartige Energie ist für
gewöhnliche Menschen undenkbar und kann nahezu als göttliche Kraft angesehen
werden. Die Wesen, die diese Energien anwenden, sind Götter im Vergleich zu den
höchsten bekannten menschlichen Typen.
Die große Mentalebene umfasst jene Formen
„lebendiger Dinge“, die uns im gewöhnlichen Leben bekannt sind, und gewisse,
meist nur Okkultisten bekannte Formen. Die Einteilung der sieben kleineren
Mentalebenen ist ziemlich willkürlich und nicht allzu befriedigend, wenn sie
nicht von ausführlichen Erklärungen begleitet ist, die über den besonderen
Zweck dieses Werkes hinausgehen. Trotzdem wollen wir sie erwähnen. Sie ist
folgendermaßen:
1. die
Ebene der Mineralseelen,
2. die
Ebene der Elementarseelen A,
3. die
Ebene der Pflanzenseelen,
4. die
Ebene der Elementarseelen B,
5. die
Ebene der Tierseelen,
6. die
Ebene der Elementarseelen C,
7. die
Ebene der Menschenseelen.
Die Ebene der Mineralseelen umfasst die
Zustände der Einheiten der Wesenheiten oder Gruppen und Verbindungen
derselben, die die Formen beleben, die uns als Mineralien, Chemikalien usw.
bekannt sind. Diese Wesen dürfen nicht mit den Molekülen, Atomen und Korpuskeln
verwechselt werden, die nur die materiellen Körper oder Formen dieser
Wesenheiten sind, so wie der Körper des Menschen nur seine materielle Form,
nicht aber er selbst ist.
Diese Wesenheiten können in gewissem
Sinne „Seelen“ genannt werden und sind Lebewesen von einem niedrigen
Entwicklungsgrad des Lebens und Geistes, gerade ein wenig höher als die
Einheiten der lebenden Energien, die die höheren Unterabteilungen der höchsten
physikalischen Ebene umfassen. Der durchschnittliche Menschengeist billigt
gewöhnlich dem Mineralreich nicht den Besitz von Seele oder Leben zu, aber alle
Okkultisten erkennen die Existenz derselben an und die niedere Wissenschaft
bewegt sich mit großer Schnelligkeit auf diesen Standpunkt der Hermetiker zu.
Die Moleküle und die Korpuskeln haben ihre Liebe und ihren Hass, Neigung und
Abneigung, Anziehung und Abstoßung, Verwandtschaft und Nichtverwandtschaft
usw. und einige kühnere moderne Wissenschaftler haben ihre Meinung dahingehend
zum Ausdruck gebracht, dass Wunsch und Wille, Erregungen und Gefühle der Atome
sich nur dem Grade nach von denen der Menschen unterscheiden. Wir haben weder
Zeit noch Raum, diese Frage hier zu behandeln. Alle Forscher im Abstrakten
wissen, dass es eine Tatsache ist, und die andern mögen die Bestätigung von
außerhalb in einem der neueren wissenschaftlichen Werke suchen. Auch diese
Ebene hat sieben Unterabteilungen.
Die Ebene der Elementarseelen A umfasst
den Zustand und Grad der geistigen und Lebensentwicklung einer Klasse von
Wesenheiten, die den Durchschnittsmenschen unbekannt, aber von allen
Okkultisten anerkannt sind. Sie sind für die gewöhnlichen Sinne der Menschen
nicht wahrnehmbar, aber trotzdem existieren sie und spielen ihre Rolle in dem
Drama des Universums. Ihr Grad von Intelligenz liegt zwischen dem der
Mineralien und Chemikalwesen einerseits und dem der Wesenheiten des
Pflanzenreiches andererseits. Es gibt auch hier sieben Unterabteilungen.
Die Ebene der Pflanzenseelen in ihren
sieben Unterabteilungen umfasst den Zustand der Wesenheiten, die die Reiche
der Pflanzenwelt einnehmen, deren Lebens- und geistige Erscheinungen von jedem
durchschnittlich intelligenten Menschen verstanden werden, um so mehr, als
viele neue und interessante wissenschaftliche Werke über den Geist und das
Leben der Pflanzen während der letzten Zeit veröffentlicht worden sind.
Pflanzen haben Leben, Geist und Seele so wie die Tiere, Menschen und höheren
Menschen.
Die Ebene B der Elementarseelen enthält
in ihren sieben Unterabteilungen die Zustände einer höheren Form elementarer
bzw. unsichtbarer Wesenheiten, die ihre Rolle in dem großen Arbeitsplan des
Universums zu spielen haben und deren Leben und Geist einen Teil der Skala
zwischen den Ebenen der Pflanzen- und Tierseelen einnehmen und an der Natur
beider teilhaben.
Die Ebene der Tierseelen umfasst in ihren
sieben Unterabteilungen diejenigen Wesen, Geschöpfe oder Seelen, die die
tierischen Formen beleben, die uns allen vertraut sind. Es ist nicht nötig,
sich im Einzelnen über das Tierreich zu ergehen, denn die Tierwelt ist uns ja
so vertraut wie unsere eigene.
Die Ebene C der Elementarseelen umfasst
in ihren sieben Unterabteilungen diejenigen Wesen oder Geschöpfe, die in
gewissen Maßen und gewissen Verbindungen wie alle diese Elementarformen an der
Natur des Tierischen sowohl wie des Menschlichen teilnehmen. Die höchsten
Formen sind deshalb menschlich, was ihre Intelligenz betrifft.
Die Ebene des menschlichen Geistes
umfasst solche Formen des menschlichen Geistes, die den Menschen gemeinsam
sind, in ihren verschiedenen Stufen, Graden und Einteilungen. In diesem
Zusammenhang wollen wir auf die Tatsache hinweisen, dass der Durchschnittsmensch
nur die 4. Unterabteilung der menschlichen Geistesebene einnimmt; nur die
Intelligentesten haben die Grenze der 5. Unterabteilung überschritten.
Es hat Jahrmillionen gedauert, bis das Menschengeschlecht
diese Stufe erreichte. Und es wird noch viel länger dauern, bis es die 6. oder
7. Unterabteilung erreicht oder überschreitet. Aber bedenkt, dass schon vor uns
Menschengeschlechter diese Ebenen überschritten haben, hinauf zu noch höheren
Stufen. Unser Menschengeschlecht ist das 5., das mit Nachzüglern des 4. den
Pfad betreten hat. Ferner gibt es einige vorgeschrittene Seelen, die die Masse
überholt haben und bis zur 6. und 7. Unterabteilung vorgeschritten sind, und
einige wenige sind noch weiter; der Mensch der 6. Unterabteilung wird der
höhere Mensch genannt und der der 7. der Übermensch.
In unserer Betrachtung der sieben
kleineren Mentalebenen haben wir auf die drei Elementarebenen nur im
Allgemeinen Bezug genommen. Wir wollen über sie in diesem Werk nicht in
Einzelheiten eingehen, denn das gehört nicht zu diesem Teil der ganzen
Physiologie und Lehre. Aber um Euch eine etwas klarere Idee von der
Verwandtschaft dieser Ebene zu den bekannteren zu geben, wollen wir wenigstens
andeuten, dass die Elementarebenen dieselbe Beziehung zu den Geistes- und
Lebensebenen der Minerale, Pflanzen, Tiere und Menschen haben, wie die weißen
Tasten auf dem Klavier zu den schwarzen. Die weißen Tasten genügen, um Musik zu
machen, aber es gibt gewisse Tonleitern, Melodien und Harmonien, in denen die
schwarzen Tasten ihre Rolle spielen und bei denen ihre Gegenwart notwendig ist.
Sie sind auch notwendig als
Verbindungsglieder der Seelen- und Wesenszustände usw. zwischen den
verschiedenen anderen Ebenen. Gewisse Entwicklungsformen werden hierbei
erreicht und diese Tatsache wird dem, der zwischen den Zeilen lesen kann, neue
Erkenntnisse über den Prozess der Evolution und einen neuen Schlüssel geben zu
dem Geheimnis der Sprünge des Lebens zwischen den Reichen. Die großen
Elementarreiche sind von allen Okkultisten voll und ganz erkannt worden und
alle esoterischen Schriften erwähnen sie immer wieder.
Die Leser von BULWERS Zanoni
und ähnlichen Erzählungen werden die Wesen erkennen, die diese Lebensebenen
bewohnen. Was sollen wir aber sagen, wenn wir von der großen Mentalebene zur
höchsten Geistesebene übergehen? Wie sollen wir diese höheren Zustände des
Seins, Lebens und Geistes einem Menschen erklären, der noch nicht einmal in der
Lage ist, die höheren Unterabteilungen der menschlichen Geistesebene zu
erkennen und zu begreifen? Die Aufgabe ist unmöglich. Wir können nur in ganz
allgemeinen Ausdrücken sprechen. Wie soll man einem, der blind geboren ist, das
Licht beschreiben, wie Zucker einem, der niemals etwas
Süßes gekostet hat, wie Harmonie einem Taubgeborenen?
Alles, was wir sagen können, ist, dass
die sieben kleineren Ebenen der großen rein geistigen Ebene (die sieben kleineren
Ebenen haben jede ihre sieben Unterabteilungen) Wesen umfassen mit Leben, Geist
und Formen, die so weit über dem sind, was den heutigen Menschen zu eigen ist,
wie letztere über dem Regenwurm, dem Mineral oder sogar über gewissen Formen
der Energie oder der Materie stehen. Das Leben dieser Wesen übersteigt das
unsere so weit, dass für sie wir kaum zu denken und unsere geistigen Funktionen
ihren materiellen Prozessen sehr ähnlich zu sein scheinen. Der Stoff, aus dem
sie zusammengesetzt sind, stammt aus den höchsten Ebenen der Materie, nein
einige von ihnen sollen in reine Energie gekleidet sein. Was soll man über
solche Geschöpfe sagen?
Auf den sieben kleineren Ebenen der
großen geistigen Ebene leben Geschöpfe, die wir Engel, Erzengel oder Halbgötter
nennen können. Auf den niedrigeren kleineren Ebenen wohnen die großen Seelen,
die wir Weise und Adepten nennen. Über ihnen kommen die großen Hierarchien oder
himmlischen Heerscharen, für Menschen unausdenkbar, und über diesen jene, die
ohne Unehrbietigkeit die Götter genannt werden
können. Sie sind so hoch auf der Stufenleiter des Seins, dass ihr Dasein, ihre
Intelligenz und ihre Macht dem vergleichbar sind, was Menschengeschlechter
ihren Begriffen von Göttlichkeit beigelegt haben. Viele dieser Wesen wie auch
die himmlischen Heere haben die größte Anteilnahme an den Geschehnissen des Universums
und spielen dabei eine wichtige Rolle. Diese unsichtbaren Gottheiten und
engelhaften Helfer machen ihren Einfluss frei und mächtig geltend in dem
Prozess der Evolution und im kosmischen Prozess. Ihr gelegentliches Eingreifen
in menschliche Angelegenheiten hat zu vielen Legenden, Glaubensvorstellungen,
Religionen und Traditionen des vergangenen und heutigen Menschengeschlechtes
geführt. Sie haben ihre Kenntnisse und ihre Macht der Welt gegenüber immer
wieder zur Geltung gebracht. Natürlich alles unter dem Gesetz des Alls.
Doch bestehen sogar die
höchsten dieser vorgeschrittenen Wesen nur im Geiste des Alls, als seine
Schöpfungen, und sind den kosmischen Prozessen und Gesetzen des Universums
unterworfen. Sie sind noch sterblich. Wir können sie, wenn wir wollen, „Götter“
nennen, aber noch sind sie die älteren Brüder des Menschengeschlechtes, die
fortgeschrittenen Seelen, die ihre Brüder überholt haben und vorangegangen
sind in der Verzückung des Aufgehens im All, um den Menschen zu helfen auf ihrer
Reise nach oben, den Pfad entlang. Aber sie gehören zum Universum und sind
seinen Bedingungen unterworfen - sie sind sterblich und ihre Ebene ist unter
der des absoluten reinen Geistes.
Nur die am weitesten fortgeschrittenen
Hermetiker sind in der Lage, die tieferen Lehren über die Daseinsbedingungen
und die Kräfte zu geben, die auf den rein geistigen Ebenen in Erscheinung
treten. Die Erscheinungsform ist so viel höher als auf den mentalen Ebenen,
dass der Versuch, sie zu beschreiben, sicherlich eine Begriffsverwirrung hervorrufen
würde. Nur diejenigen, deren Geist auf der Linie der hermetischen Philosophie
jahrelang sorgfältig geübt wurde, - ja nur solche, die aus anderen
Inkarnationen die früher erworbenen Erkenntnisse mitgebracht haben, können das,
was mit der Lehre dieser rein geistigen Ebene gemeint ist, richtig verstehen.
Vieles dieser tieferen Lehre wurde von
den Hermetikern für zu heilig, zu wichtig und sogar
für zu gefährlich für eine allgemeine öffentliche Verbreitung gehalten. Der
intelligente Schüler kann erkennen, was wir mit der Feststellung meinen, dass
die Bedeutung von „Reiner Geist“, wie sie von den Hermetikern
angewendet wird, gleichbedeutend ist mit „lebende Kraft“, „lebendige Kraft“,
„innere Essenz“, „Lebensessenz“ usw., eine Bedeutung, die nicht mit der
verwechselt werden darf, die gewöhnlich darunter verstanden wird und zwar als
religiös“, „kirchlich“, „spirituell“, „ätherisch“, „heilig“ usw. Den
Okkultisten bedeutet das Wort „reiner Geist“ das belebende Prinzip mit der
Idee der Kraft, der lebendigen Energie, der mystischen Kraft usw. Und die
Okkultisten wissen, dass das, was ihnen als rein geistige Kraft bekannt ist,
zum Schlechten und zum Guten angewandt werden kann (in Übereinstimmung mit dem
Prinzip der Polarität), eine Tatsache, die von den meisten Religionen mit
ihren Begriffen von Satan, Beelzebub, Teufel, Luzifer, gefallener Engel usw.
anerkannt worden ist, Darum wurde das Wissen über die Ebenen in allen esoterischen
Bruderschaften und okkulten Orden im Allerheiligsten des Tempels verschlossen.
Aber das mag hier gesagt sein: diejenigen, die eine hohe geistige Macht
erreicht und sie missbraucht haben, haben ein schreckliches Schicksal zu
erwarten, Und der Schwung des rhythmischen Pendels wird sie unausweichlich zurückschwingen in das alleräußerste Extrem der materiellen
Existenz, von wo sie ihre Schritte den ermüdenden Pfad entlang wieder
zurücklenken müssen, aber immer mit der zusätzlichen Qual, dass sie stets die
unzerstörbare Erinnerung an die Höhen begleitet, von denen sie wegen ihrer
bösen Tat gestürzt sind. Die Legenden von gefallenen Engeln haben ihren
Ursprung in wirklichen Geschehnissen, wie fortgeschrittene Okkultisten wissen.
Das Streben nach eigennütziger Macht auf
den rein geistigen Ebenen lässt die
egoistische Seele ihr rein geistiges Gleichgewicht verlieren und sie so tief
stürzen, wie sie früher emporgestiegen war. Aber selbst für solche Seelen ist
die Gelegenheit für eine Rückkehr gegeben und sie können heimkehren, wenn sie
die fürchterliche Strafe zahlen, die das unumstößliche Gesetz verlangt.
Zum Schlusse wollen wir Euch noch einmal
daran erinnern, dass alle sieben hermetischen Prinzipien nach dem Gesetz der
Entsprechung auf allen physischen, geistigen und rein geistigen Ebenen in
voller Wirksamkeit sind, indem sie die Wahrheit enthalten:
„Wie oben, so unten; wie unten, so oben,“
Das Prinzip der mentalen Substanz richtet sich
natürlich auf alle Ebenen, denn sie sind alle gehalten im Geiste des Alls. Das
Prinzip der Entsprechung erscheint in allem, denn überall gibt es eine
Entsprechung, Harmonie und Übereinstimmung in den verschiedenen Ebenen. Das
Prinzip der Schwingung offenbart sich auf allen Ebenen und gerade die
Unterschiede der Schwingung lassen die „Ebenen“ höher steigen, so wie wir es
erklärten. Das Prinzip der Polarität offenbart sich auf jeder Ebene, denn es
ist augenscheinlich, dass die Extreme der Pole im Gegensatz zueinander stehen
und sich widersprechen. Das Prinzip des Rhythmus offenbart sich auf jeder
Ebene, denn die Bewegungen der Erscheinungsformen haben Ebbe und Flut, Steigen
und Fallen, Ein und Aus. Das Prinzip der Ursache und Wirkung offenbart sich auf
jeder Ebene, da jede Wirkung ihre Ursache und jede Ursache ihre Wirkung hat.
Das Prinzip des Geschlechts offenbart sich auf jeder Ebene, denn die
schöpferische Energie tritt stets in Erscheinung und wirkt auf der Linie ihrer
männlichen und weiblichen Aspekte.
„Wie oben, so unten; wie unten, so oben“.
Dieser jahrhundertealte hermetische Grundsatz
enthält eines der größten hermetischen Prinzipien der Erscheinungsformen des
Universums. Wenn wir mit unserer Betrachtung der restlichen Prinzipien weiter
schreiten, werden wir die Wahrheit der universellen Natur dieses großen
Prinzips der Entsprechungen klarer erkennen.
Schwingung
„Nichts ist in Ruhe, alles bewegt sieh, alles ist in
Schwingung.“
„Kybalion“
Das dritte große hermetische Prinzip, das
Prinzip der Schwingung, enthält die Wahrheit, dass Bewegung sich überall im Universum
offenbart, dass nichts in Ruhe ist, dass alles sich bewegt, schwingt und
kreist. Dieses hermetische Prinzip wurde von einigen der ältesten griechischen
Philosophen erkannt, die es in ihre Systeme einbauten. Aber dann wurde es von
den Denkern, die außerhalb der hermetischen Reihen standen, für Jahrhunderte
aus den Augen verloren. Aber im 19. Jahrhundert entdeckte die physikalische
Wissenschaft diese Wahrheit von neuem und die wissenschaftlichen Entdeckungen
des 20. Jahrhunderts haben zusätzliche Beweise für die Richtigkeit dieser
uralten hermetischen Lehre hinzugefügt.
Die hermetischen Lehren besagen, dass
alles nicht nur in konstanter Bewegung und Schwingung ist, sondern dass die
„Unterschiede’ zwischen den verschiedenen Offenbarungen der universalen Kraft
ausschließlich der wechselnden Höhe und Art der Schwingungen zuzuschreiben
sind. Und nicht nur das, sondern dass sogar das All in sich eine dauernde
Schwingung von einer so unendlichen Intensität und reißenden Schnelligkeit
zeigt, dass man es praktisch als in Ruhe befindlich ansehen kann, und die
Lehrer richten die Aufmerksamkeit der Schüler auf die Tatsache, dass sogar auf
der physischen Ebene ein sich reißend schnell bewegender Gegenstand (wie z.B.
ein sich drehendes Rad) in Ruhe zu sein scheint. Die Lehrer kommen zu dem
Schluss, dass an dem einen Ende des Pols der Schwingungen reiner Geist ist, am
andern außerordentlich grobe Formen der Materie. Zwischen diesen beiden Polen
sind Millionen und Abermillionen von Schwingungen verschiedener Höhe und Art.
Die moderne Wissenschaft hat bewiesen,
dass alles, was wir Materie und Energie nennen, nur Arten von schwingender
Bewegung sind, und einige weiter fortgeschrittene Wissenschaftler nähern sich
sehr schnell der Stellung der Okkultisten, welche behaupten, dass die
geistigen Phänomene ebenfalls Arten der Schwingung oder Bewegung sind. Wir
wollen einmal sehen, was die Wissenschaft über die Frage der Schwingung in der
Materie und Energie zu sagen hat.
Erstens lehrt die
Wissenschaft, dass alle Materie im gewissen Grade Schwingungen aufweist, die
von der Temperatur oder Wärme ausgehen. Ein Gegenstand möge kalt oder warm
sein (beides sind ja nur Grade ein- und desselben Dinges), stets zeigt er
gewisse Wärmeschwingungen und in diesem Sinne ist er in Bewegung und
Schwingung. Ferner sind alle Teilchen der Materie in kreisender Bewegung vom
Elektron oder Ion bis zu den Sonnen. Die Planeten drehen sich um die Sonnen
und viele von ihnen drehen sich um ihre eigene Achse. Die Sonnen bewegen sich
um größere Zentralpunkte und diese sollen sich um noch größere bewegen und so
weiter ad infinitum. Die Moleküle, aus denen die besonderen Arten der Materie
bestehen, sind in einem Zustand dauernder Schwingung und Bewegung um- und
gegeneinander. Die Moleküle sind aus Atomen zusammengesetzt, die sich ebenfalls
im Zustand dauernder Bewegung und Schwingung befinden. Die Atome sind aus
Korpuskeln zusammengesetzt, die man auch Elektronen oder Ionen nennt und die
sich auch in rasender Bewegung um einander drehen und sehr schnelle und hohe
Schwingungen aufweisen. So sehen wir, dass alle Formen der Materie Schwingungen
bekunden in Übereinstimmung mit dem hermetischen Prinzip der Vibration oder
Schwingung.
Und so ist es auch mit
den verschiedenen Formen der Energie. Die Wissenschaft lehrt, dass Licht,
Wärme, Magnetismus und Elektrizität nur Formen schwingender Bewegung sind,
die damit in irgendeiner Form verbunden und wahrscheinlich Ausstrahlungen des
Äthers sind. Der Wissenschaft ist es weder gelungen, die Natur der Erscheinung,
die man mit Kohäsion bezeichnet, zu erklären, d. h. das Prinzip molekularer
Anziehung, noch die der chemischen Affinität, die das Prinzip der atomischen
Anziehung, noch die der Gravitation (des größten Mysteriums von den dreien),
die das Prinzip einer Anziehung ist, durch die jedes Teilchen oder die Masse
der Materie an jedes andere Teilchen oder Masse gebunden ist. Diese drei Formen
der Energie hat die Wissenschaft bisher noch nicht begriffen, doch in der
Fachliteratur neigt man zu der Ansicht, dass auch sie Erscheinungen
irgendeiner Art von Schwingungsenergie sind, eine Tatsache, die die Hermetiker
schon sehr lange behaupten und lehren. Der universale Äther, dessen Vorhandensein
von der Wissenschaft gefordert wird, ohne dass seine Natur klar verstanden
wird, ist nach Auffassung der Hermetiker nur eine höhere Erscheinungsform
dessen, was man irrigerweise Materie nennt, d.h. Materie in einem höheren Grad
von Schwingung, die sie ätherische Substanz nennen.
Die Hermetiker lehren,
dass diese ätherische Substanz äußerst dünn und ausdehnbar ist, den ganzen Raum
durchdringt und als Medium für die Übertragung von Schwingungsenergie, wie
Wärme, Licht, Elektrizität, Magnetismus usw. dient. Die Lehren besagen, dass
die ätherische Substanz ein Verbindungsglied zwischen den Formen der
Schwingungsenergie ist, die einerseits als Materie, andererseits als Energie
oder Kraft bekannt ist; und dass sie auf einem eigenen Schwingungsgrad
erscheint, sowohl was die Höhe als auch die Art anbetrifft. Zur Erläuterung
haben die Gelehrten das Beispiel eines sehr schnell drehenden Rades, Kreisels
oder Zylinders herangezogen, um die Wirkung der immer höher werdenden
Schwingungszahl zu zeigen. Dieses Beispiel setzt ein Rad, einen Kreisel oder
Zylinder voraus, jeweils mit einer niedrigen Geschwindigkeit laufend. Wir
wollen bei der Auswertung dieses Beispiels dieses sich drehende Ding das
„Objekt“ nennen. Wir wollen annehmen, das Objekt bewege sich langsam. Es kann
leicht gesehen werden, aber kein Ton seiner Bewegung erreicht das Ohr. Die
Geschwindigkeit wird allmählich erhöht. In wenigen Augenblicken wird seine
Geschwindigkeit so schnell, dass ein tiefes Brummen oder ein niedriger Ton
gehört werden kann. Bei Erhöhung der Schnelligkeit steigt der Ton um eine Note
höher in der Tonleiter. Bei weiterer Beschleunigung kann man den nächst höheren Ton unterscheiden. So erscheinen nach und nach alle
Töne der Tonleiter, immer höher steigend mit wachsender Geschwindigkeit.
Schließlich nimmt die Umdrehung eine solche Schnelligkeit an, dass der höchste
Ton, den das menschliche Ohr vernehmen kann, erreicht ist und das schrille
durchdringende Kreischen erstirbt und Stille folgt. Keinen Ton hört man von dem
sich rasend drehenden Objekt, denn der Grad der Bewegung ist so hoch, dass das
menschliche Ohr die Schwingungen nicht wahrnehmen kann. Dann bemerkt man das
Steigen der Wärmegrade. Nach gewisser Zeit bemerkt das Auge, dass das Objekt
eine matt dunkelrötliche Farbe annimmt. Je mehr die Geschwindigkeit wächst,
desto heller wird das Rot, es zerschmilzt zu einem Orange. Dann folgen
nacheinander die Farben grün, blau, indigo und schließlich violett. Dann
verschwindet das Violett, alle Farbe schwindet, da das menschliche Auge sie
nicht mehr wahrnehmen kann. Aber unsichtbare Strahlen gehen von dem sich
drehenden Objekt aus, Strahlen, wie sie zum Photographieren verwandt werden
und andere subtile Lichtstrahlen. Dann erscheinen besondere Strahlen, die als
X-Strahlen usw. bekannt sind, denn der Zustand des Objekts ändert sich,
Elektrizität und Magnetismus werden ausgesandt, wenn die entsprechende
Schwingungshöhe erreicht ist.
Wenn nun das Objekt
einen gewissen Schwingungsgrad erreicht hat, lösen sich seine Moleküle in ihre
Bestandteile auf und zwar in ihre ursprünglichen Elemente und Atome. Dann
zerfallen die Atome, dem Prinzip der Schwingung folgend, in zahllose
Korpuskeln, aus denen sie bestehen. Schließlich verschwinden sogar die
Elektronen, und man kann sagen, dass das Objekt jetzt aus ätherischer Substanz
besteht. Die Wissenschaft darf nicht wagen, das Beispiel weiter zu verfolgen,
aber die Hermetiker lehren, dass, wenn die Schwingungen weiter erhöht werden,
das Objekt sich zu den entsprechenden geistigen Zuständen in nacheinander
folgenden Erscheinungsstufen erheben würde, den rein geistigen entgegen, bis
es schließlich ins All zurückkehren würde, das Reiner Geist ist. Das „Objekt“
würde allerdings lange, bevor es den Zustand ätherischer Substanz erreichte,
aufgehört haben, ein Objekt zu sein, aber sonst ist das Beispiel richtig,
insofern es die Wirkung fortgesetzt erhöhter Schwingungszahl und -art zeigt.
Bei obigem Beispiel darf
man nicht vergessen, dass das Objekt auf der Stufe, wo es die Schwingungen von
Licht und Wärme usw. abwirft, nicht tatsächlich in diese Energieformen aufgelöst
wird (die viel höher in der Skala liegen), sondern dass es nur einen
Schwingungsgrad erreicht, bei welchem Energieformen in gewissem Maße frei
werden von den bindenden Einflüssen ihrer Moleküle bzw. Atome und Elektronen.
Diese Energieformen, obgleich viel höher in der Skala als die Materie, sind
eingeschlossen und gebunden in materielle Verbindungen aus dem Grunde, weil die
Energien materielle Formen benutzen und darin in Erscheinung treten, so aber
verstrickt und gefesselt werden in ihre Schöpfungen materieller Formen, was zu
einem gewissen Grade für alle Schöpfungen wahr ist, insofern die schöpferische
Kraft in ihre Schöpfung eingehüllt wird.
Aber die hermetischen Lehren gehen viel
weiter als die der modernen Wissenschaft. Sie lehren, dass alle Manifestationen
von Gedanken, Erregungen, von Vernunft, Wunsch und Wille, dass also alle
geistigen Zustände begleitet sind von Schwingungen, von denen ein Teil
abgegeben wird mit der Absicht oder der Neigung, den Geist anderer Personen
durch „Induktion“ zu beeinflussen. Das ist das Prinzip, das die
Erscheinungsformen der Telepathie, der geistigen Beeinflussung und andere
Formen geistiger Beeinflussung anderer hervorruft, Dinge, deren Kenntnis immer
größere Kreise umfasst, da das okkulte Wissen auf diesem Gebiet durch die
verschiedenen Schulen, Kulte und Lehrer heute weit verbreitet wird. Jeder
Gedanke, jede Erregung und jeder geistige Zustand haben ihre entsprechende
Schwingungszahl und -art. Und durch Willensanstrengung der betreffenden
Person oder anderer Personen können die geistigen Zustände wiederholt werden,
so wie man einen musikalischen Ton wiederholen kann, indem man ein Instrument
in einer bestimmten Höhe schwingen
lässt, wie man Farbe in derselben Weise reproduzieren kann. Durch
Kenntnis des Prinzips der Schwingung, angewandt auf geistige Erscheinungen,
kann man seinen Geist auf jeder beliebigen Stufe polarisieren und so
vollkommene Kontrolle über seine geistigen Zustände, Stimmungen usw. gewinnen.
Auf dieselbe Art und Weise kann man den Geist anderer beeinflussen, indem man
in ihnen geistige Zustände hervorruft. Kurz, man kann auf der geistigen Ebene
dasselbe hervorrufen, was die Wissenschaft auf der physikalischen Ebene tut,
nämlich „Schwingungen nach Belieben“. Diese Kraft kann natürlich nur durch
richtige Belehrung, Übungen und Praxis usw. erworben werden, es ist die
Wissenschaft der geistigen Verwandlung, einer der Zweige der hermetischen
Kunst.
Ein wenig Nachdenken über das Gesagte
wird dem Schüler zeigen, dass das Prinzip der Schwingung den Wundern von Kraft
zugrunde liegt, die Meister und Adepten offenbart haben, die anscheinend die
Gesetze der Natur beiseite schieben können, die aber in Wirklichkeit ein Gesetz
gegen das andere gebrauchen, ein Prinzip gegen das andere, und die ihre Erfolge
durch Änderung der Schwingungen materieller Gegenstände oder Energieformen
erreichen und so das vollbringen, was man gewöhnlich als „Wunder“ bezeichnet.
Sehr wahr sagte einer der alten
hermetischen Schriftsteller:
„Wer das Prinzip der Schwingung
versteht, hat das Zepter der Macht ergriffen.“
Polarität
„Alles ist zwiefach, alles hat zwei Pole, alles hat sein Paar
von Gegensätzlichkeiten; gleich und ungleich ist dasselbe; Gegensätze sind identisch in der Natur, nur verschieden
im Grad; Extreme berühren sieh; alle Wahrheiten sind nur halbe Wahrheiten; alle Widersprüche können miteinander in
Einklang gebracht werden.“
„Kybalion“
Das vierte große hermetische Prinzip der
Polarität enthält die Wahrheit, dass alle in Erscheinung tretenden Dinge zwei
Seiten haben, zwei Aspekte, zwei Pole, ein Paar von Gegensätzen mit unzähligen
Graden zwischen den beiden Extremen. Die alten Paradoxe, die von jeher den
Menschengeist verwirrt haben, werden durch das Verständnis dieses Prinzips
erklärt. Man hat immer etwas erkannt, was diesem Prinzip ähnlich ist, und hat
versucht, es durch folgende Worte, Grundsätze und Aphorismen auszudrücken:
„Alles ist und ist nicht zu gleicher Zeit, alle Wahrheiten sind nur halbe
Wahrheiten, jede Wahrheit ist zur Hälfte falsch, alles hat zwei Seiten, jedes
Schild hat eine Rückseite“ usw.
Die hermetische Lehre besagt, dass die
Verschiedenartigkeit von Dingen, die einander anscheinend diametral entgegengesetzt
sind, nur eine Sache des Grades ist. Sie sagt, dass „die Gegensätze miteinander
in Einklang gebracht werden können“ und dass These und Antithese ihrer Natur
nach identisch, nur dem Grad nach verschieden sind und dass im Universum die
Aussöhnung von Gegensätzen durch die Erkenntnis dieses Prinzips der Polarität
bewirkt wird. Die Lehrer behaupten, dass man Beispiele für dieses Prinzip
überall finden kann und zwar, indem man die wahre Natur jedes Dinges prüft.
Zuerst zeigen sie. dass reiner Geist und Materie nur die beiden Pole ein und
derselben Sache sind und die dazwischen liegenden Ebenen lediglich Schwingungsgrade.
Sie zeigen, dass das All und die Vielheit dasselbe sind und der Unterschied
lediglich eine Sache des Grades der geistigen Erscheinungsform. So sind das
Gesetz und die Gesetze die beiden gegensätzlichen Pole einer Sache. Gleichfalls
das Prinzip und die Prinzipien, unendlicher Geist und endlicher Geist.
Dann gehen sie auf die physikalische
Ebene und erläutern das Prinzip. indem sie zeigen, dass Wärme und Kälte der
Natur nach identisch und die Unterschiede lediglich eine Sache des Grades sind.
Das Thermometer zeigt viele Grade der Temperatur, den niedrigsten nennt man
„kalt“, den höchsten „warm“, zwischen diesen beiden Polen sind viele Grade von
Hitze und Kälte, es wäre ebenso richtig, wenn man nur eine der beiden
Bezeichnungen wählte. Der höhere von zwei Graden ist immer „wärmer“, der
niedrigere immer „kälter“. Es gibt keinen absoluten Maßstab - alles ist eine
Sache des Grades. Es gibt keine Stelle auf dem Thermometer. wo die Hitze
aufhört und die Kälte beginnt. Das ist aber Sache der höheren und niedrigeren
Schwingungen. Auch die Bezeichnungen „hoch“ und „niedrig“, die wir benutzen
müssen. sind nur Pole derselben Sache, die Bezeichnungen sind relativ. So ist
es auch mit Ost und West. Wenn man um die Welt in östlicher Richtung reist,
erreicht man schließlich einen Punkt, den man am Ausgangspunkt „Westen“
nannte, und kehrt von diesem „westlichen“ Punkt zurück. Reise weit genug nach
Norden und Du wirst Dich nach Süden reisend wieder finden und umgekehrt.
Licht und Finsternis sind Pole derselben
Sache, viele Grade sind dazwischen. Ebenso ist es mit der Tonleiter - anfangend
mit „C steigt man aufwärts, bis man wieder ein „C“ erreicht usw. Der Unterschied
zwischen den beiden Enden der Skala ist derselbe, aber viele Grade liegen zwischen
den beiden Extremen. Mit der Farbenskala ist es dasselbe, höhere und
niedrigere Schwingungen sind der einzige Unterschied zwischen hochviolett und
tiefrot. So steht es mit Lärm und Ruhe, mit hart und weich, mit stumpf und
scharf. Positiv und negativ sind zwei Pole derselben Sache mit unzähligen
Graden dazwischen.
Gut und böse sind nicht absolut, wir
nennen das eine Ende der Skala gut, das andere
schlecht, oder das eine gut und das andere böse, wie es der Sprachgebrauch
verlangt. Ein Ding ist weniger gut als eines, das höher steht in der
Stufenleiter, aber das „weniger gute“ Ding seinerseits ist „besser“ als das
nächste unter ihm usw. Die Anwendung von „mehr“ oder „weniger“ hängt von der
Stellung in der Skala ab.
So ist es auch auf der geistigen Ebene.
„Liebe“ und „Hass“ werden im Allgemeinen als Eigenschaften angesehen, die
einander diametral gegenüberstehen, völlig verschieden und unversöhnlich.
Wenden wir aber das Prinzip der Polarität an, so stellen wir fest, dass es so
etwas wie absolute Liebe und absoluten Hass gar nicht gibt; beide sind
lediglich Bezeichnungen, die man für die beiden Pole derselben Sache anwendet.
Beginnen wir an irgendeiner Stelle der Skala und wir finden „mehr“ Liebe oder
„weniger“ Hass, je mehr wir aufsteigen, und „mehr“ Hass oder „weniger Liebe, je
mehr wir hinabsteigen; dies ist wahr, ganz gleich, von welchem Punkt, hoch oder
niedrig, wir ausgehen. Es gibt Grade von Liebe
und Hass und einen mittleren Punkt, wo Neigung und Abneigung so schwach werden,
dass es schwer ist, sie zu unterscheiden. Für Mut und Furcht gilt dieselbe
Regel. Das Paar von Gegensätzen ist überall vorhanden. Wo man ein Ding findet,
findet man auch seinen Gegensatz, immer zwei Pole.
Diese Tatsache befähigt die Hermetiker,
einen geistigen Zustand in einen anderen zu verwandeln, auf der Linie der
Polarisation. Dinge, die verschiedenen Klassen angehören, können nicht
ineinander verwandelt werden, sondern nur Dinge derselben Klasse, d. h. ihre
Polarisation kann geändert werden. So wird Liebe niemals Ost oder West oder
Rot oder Violett, aber sie kann sich oft in Hass verwandeln, Mut in Furcht und
umgekehrt, Hartes in Weiches, Stumpfes in Scharfes, Heißes in Kaltes usw. Immer
findet die Verwandlung zwischen Dingen derselben Art, aber verschiedenen
Grades statt. Man nehme den Fall eines furchtsamen Menschen. Durch Steigerung
seiner geistigen Schwingungen auf der Linie Mut - Furcht kann er mit dem
höchsten Grad von Mut und Furchtlosigkeit erfüllt werden. Ebenso kann ein
träger Mensch sich in einen aktiven, energischen verwandeln, lediglich durch
Polarisation auf der Linie der gewünschten Eigenschaft.
Der Schüler, der vertraut ist mit der
Art, wie die verschiedenen Schulen der Geisteswissenschaft die geistigen
Zustände derer verwandeln, die ihren Lehren folgen, wird möglicherweise das
Prinzip, das vielen dieser Umwandlungen zugrunde liegt, nicht leicht
verstehen. Wenn das Prinzip aber einmal begriffen ist und man gesehen hat, dass
geistige Umwandlungen durch Wechsel der Polarität, durch ein Entlanggleiten auf derselben Skala bewirkt werden, dann ist
das Verständnis leichter. Die Umwandlung liegt nicht darin, dass ein Ding in
ein anderes, völlig verschiedenes verwandelt wird, sondern sie ist nur ein
Wechseln des Grades innerhalb ein und desselben Dinges, ein ungeheuer
wichtiger Unterschied! Nehmen wir eine Analogie aus der physikalischen Ebene.
Es ist z. B. unmöglich, Hitze in Schärfe,
Lärm, Höhe usw. zu verwandeln, aber mit Leichtigkeit in Kälte, einfach durch
Senkung der Schwingungen. Auf dieselbe Weise kann Liebe und Hass wechselseitig
verwandelt werden, ebenso Mut und Furcht. Aber Furcht kann nicht in Liebe oder
Mut in Hass transmutiert werden. Die geistigen
Zustände gehören zu unzähligen Klassen und jede dieser Klassen hat ihre
gegensätzlichen Pole, innerhalb derer eine Verwandlung möglich ist.
Der Schüler wird leicht erkennen, dass
die beiden Pole in den geistigen Zuständen sowohl wie auf der physikalischen
Ebene als positiv bzw. negativ bezeichnet werden können. So ist Liebe positiv
gegenüber Hass, Mut positiv gegenüber Furcht, Tätigkeit positiv gegenüber
Untätigkeit usw. Und selbst diejenigen, denen das Prinzip der Schwingung nicht
vertraut ist, werden bemerken, dass der positive Pol einem höheren Grade
anzugehören scheint als der negative und ihn leicht beherrscht. Die Natur neigt
nach der Richtung der vorherrschenden Aktivität des positiven Pols.
Geistige Zustände können durch die Kunst
der Polarisation nicht nur bei einem selbst verändert werden, sondern die
Erscheinungen geistiger Beeinflussung in ihren verschiedenartigsten Formen
zeigen, dass die Anwendung des Prinzips auch auf alle Fälle von Einflüssen
eines Geistes auf den andern ausgedehnt werden kann, worüber in früheren Zeiten
so viel geschrieben und gelehrt worden ist. Wenn man begriffen hat, dass
geistige Induktion möglich ist, d. h. dass geistige Zustände durch „Induktion“
seitens anderer herbeigeführt werden können, dann können wir leicht verstehen,
wie ein bestimmter Schwingungsgrad oder eine Polarisation eines bestimmten
geistigen Zustandes auf eine andere Person übertragen und so deren Polarität in
dieser Klasse geistiger Zustände geändert werden kann. Auf diesem Prinzip
beruhen die vielen Erfolge geistiger Behandlung, z. B. eine Person ist
schwermütig, melancholisch und voller Furcht. Ein Geisteswissenschaftler stellt
seinen Geist durch seinen geübten Willen auf die gewünschte Schwingung ein und
erreicht so die gewünschte Polarisation für seine eigene Person. Dann bewirkt
er durch Induktion einen ähnlichen geistigen Zustand bei dem „Patienten“,
wodurch die Schwingungen erhöht werden und die betreffende Person zum positiven
statt zum negativen Ende der Skala hin polarisiert wird; ihre Furcht oder
negativen Gefühle werden in Mut oder ähnliche positive Geisteszustände
verwandelt. Ein wenig Nachdenken wird zeigen, dass diese geistigen Umwandlungen
überall auf der Linie der Polarisation möglich sind, wobei der Wechsel mehr
einer des Grades als der Art ist.
Das Wissen um die Existenz dieses großen
hermetischen Prinzips wird den Schüler in die Lage versetzen, seine eigenen
geistigen Zustände und die anderer zu verstehen, Er wird begreifen, dass alle
diese Zustände Sache des Grades sind. Damit kann er die Schwingungen nach
Belieben steigern oder senken und so seine geistigen Pole verwandeln und
Meister seiner geistigen Zustände sein anstatt ihr Diener und Sklave. Durch
dieses Wissen kann er seine Gefährten einsichtsvoll leiten und, wenn es
erwünscht ist, durch die angenommenen Methoden die Polarität ändern, Wir raten
allen Schülern, sich mit diesem Prinzip der Polarität vertraut zu machen, denn
ein volles Verständnis desselben kann viele schwierige Fragen erhellen.
Rhythmus
„Alles fließt aus und ein, alles hat
seine Gezeiten, alle Dinge steigen und fallen, das Schwingen des Pendels zeigt
sich in allem; das Maß des Schwunges nach rechts
ist das Maß des Schwunges nach links; Rhythmus kompensiert.“
„Kybalion“
Das fünfte große hermetische Prinzip
enthält die Wahrheit, dass sich in allem eine abgemessene Bewegung zeigt, ein
Hin- und Herbewegen, ein Aus- und Einfließen, ein Vorwärts- und
Rückwärtsschwingen, eine Pendelbewegung, eine den Gezeiten gleichende Ebbe und
Flut, u. zw. bei allen zwischen zwei Polen liegenden Erscheinungen auf den physikalischen,
geistigen und rein geistigen Ebenen. Das Prinzip des Rhythmus ist eng verbunden
mit dem der Polarität, das wir im vorhergehenden Kapitel näher beleuchtet
haben. Rhythmus zeigt sich zwischen den beiden Polen, die durch das Prinzip der
Polarität festgelegt wurden. Das bedeutet nicht, dass das Pendel des Rhythmus
bis zu den extremen Polen schwingt, denn das geschieht selten. In der Mehrzahl
der Fälle ist es tatsächlich sehr schwer, die äußersten Gegensätze zu
erreichen. Aber der Ausschlag geht immer in Richtung erst des einen und dann
des anderen Pols. Stets gibt es eine Aktion und Reaktion, ein „Vor“ und
„Zurück“, ein Steigen und Fallen in allen Erscheinungsformen des Universums.
Sonnen, Welten, Menschen, Tiere, Pflanzen, Mineralien, Kräfte, Energie, Geist
und Stoff, ja sogar reiner Geist offenbaren dieses Prinzip.
Das Prinzip tut sich kund in der
Schöpfung und Zerstörung von Welten, in Aufstieg und Niedergang von Nationen,
in der Lebensgeschichte aller Dinge und schließlich in den geistigen Zuständen
des Menschen. Beginnen wir mit den Offenbarungen des reinen Geistes - des Alls
-, so werden wir hier ein stetes Ausgießen und Einziehen bemerken, das Aus- und
Einatmen Brahmas, wie die Brahmanen es nennen. Universen
werden geschaffen, erreichen ihren tiefsten Punkt der Stofflichkeit und
beginnen dann ihren Schwung nach oben. Sonnen treten ins Dasein und sobald sie
die Höhe ihrer Kraft erreicht haben, beginnt der Prozess des Rückganges und
nach Äonen werden sie zu toten Massen von Materie, warten auf einen neuen
Impuls, der ihrer inneren Energie erneute Aktivität verleiht, und ein neuer
solarer Lebenszyklus hat begonnen. Und so ist es mit allen Welten, sie werden
geboren, wachsen und sterben - nur um wiedergeboren zu werden.
So ist es mit allen Dingen, wie auch
immer sie gestaltet sein mögen, sie schwingen von Aktion zu Reaktion, von
Geburt zum Tode, von Tätigkeit zu Untätigkeit - und wieder zurück. So ist es
mit allem Lebenden, es wird geboren, wächst und stirbt und wird wiedergeboren.
So ist es mit allen großen Bewegungen, Philosophien, Glaubensbekenntnissen,
Moden, Regierungen, Nationen und allem andern - Geburt, Wachstum, Reife, Niedergang,
Tod und Wiedergeburt! Das Schwingen des Pendels ist überall zu sehen. Die
Nacht folgt dem Tag, der Tag der Nacht. Das Pendel schwingt von Sommer zu
Winter und wieder zurück. Die Korpuskeln, Atome, Moleküle und alle Massen von
Energie schwingen rings um den Zirkel ihrer Natur. So etwas wie absolute Ruhe
gibt es nicht, auch kein Aufhören der Bewegung, und jede Bewegung hat Teil am
Rhythmus. Das Prinzip findet überall im Universum sein
Anwendung. Es kann auf jede Frage oder jeden Vorgang auf jeder der vielen
Lebensebenen angewandt werden, auch auf allen Ebenen menschlicher Tätigkeit.
Stets ist der rhythmische Schwung von einem Pol zum andern, stets ist das
universale Pendel im Gange. Die Gezeiten des Lebens fließen ein und aus, dem
Gesetz gemäß.
Die moderne Wissenschaft
hat das Prinzip des Rhythmus gut verstanden und betrachtet es als ein
allgemeines Gesetz, das auf materielle Dinge anzuwenden sei. Aber die
Hermetiker geben diesem Gesetz einen viel größeren Wirkungsbereich. Sie
wissen, dass seine Offenbarungen und Einflüsse sich bis zu den geistigen
Tätigkeitsebenen des Menschen ausdehnen und dass die verwirrende Fülle von
Stimmungen, Gefühlen und anderen störenden und verworrenen Empfindungen, die
wir in uns feststellen, ihm zuzuschreiben ist. Die Hermetiker jedoch haben
nach Studium der Wirksamkeit dieses Prinzips gelernt, durch Transmutation
einigen seiner Auswirkungen zu entgehen.
Die hermetischen Meister
haben schon seit langem entdeckt, dass, während das Gesetz des Rhythmus zwar
stets und unabänderlich in geistigen Vorgängen in Erscheinung tritt, es sich
hierbei jedoch auf zwei verschiedenen geistigen Ebenen äußern kann. Sie
entdeckten, dass es zwei hauptsächliche Bewusstseinsebenen gibt, die niedrigere
und die höhere. Das Verständnis dieser Tatsache befähigt sie, sich zu der
höheren Ebene zu erheben, um dem Pendelschlag des Rhythmus auf der niedrigeren
zu entgehen. Mit anderen Worten: der Pendelschwung fand auf der unbewussten
Ebene statt und das Bewusstsein wurde davon nicht berührt. Sie nennen dies das
Gesetz der Neutralisation. Seine Wirksamkeit beruht auf der Erhebung des „Ich“
über die Schwingungen der unbewussten Ebene der geistigen Tätigkeit, so dass
der negative Pendelschwung im Bewusstsein nicht in Erscheinung tritt. Darum
bleiben sie davon unberührt. Es ist ebenso, als ob man sich über einen
Gegenstand erhebt und ihn unter sich vorbeigehen lässt.
Der hermetische Meister
oder fortgeschrittene Schüler polarisiert sich selbst an dem gewünschten Pol.
In dieser polarisierten Stellung bleibt er fest stehen. indem er sich gleichsam
..weigert“, den Rückwärtsschwung mitzumachen, oder, wenn man diesen Vergleich
vorzieht, indem er dessen Einfluss auf sich „verneint und das geistige Pendel
auf der unbewussten Ebene zurückschwingen lässt. Alle Persönlichkeiten, die etwas
Selbstbeherrschung erlangt haben, tun dies mehr oder weniger, ohne es zu
wissen, und wenden das Gesetz der Neutralisation an, indem sie ihren
Stimmungen und negativen geistigen Zuständen nicht erlauben, sie zu
beeinflussen. Der Meister jedoch bringt dies zu einem viel höheren Grad der
Vollkommenheit und erreicht durch seinen Willen ein Maß von Gleichgewicht und
geistiger Festigkeit, das von denen fast für unmöglich gehalten wird, die von
dem geistigen Pendel der Stimmungen und Gefühle willenlos hin- und
hergeschleudert werden. Die Bedeutung dieser Tatsache wird jeder denkende
Mensch anerkennen, wenn er sich darüber klar wird, wie abhängig die meisten
Menschen von ihren Stimmungen, Gefühlen und Empfindungen sind und wie wenig
Selbstbeherrschung sie zeigen.
Überlegt einmal einen
Augenblick und Ihr werdet Euch erinnern, wie viel Schwingungen des Rhythmus
Euch in Eurem Leben beeinflusst haben, wie auf eine Periode des Enthusiasmus
unweigerlich eine entgegengesetzte Empfindung oder
Stimmung der Niedergeschlagenheit gefolgt ist. So sind auf Stimmungen und
Perioden des Mutes die Gefühle der Furcht gefolgt. So ging es den meisten
Menschen, mit den Gezeiten des Gefühles sind sie gestiegen und gesunken, aber
niemals haben sie die Ursache oder den Grund dieser geistigen Erscheinungen
vermutet. Das Verständnis der Arbeitsweise dieses Prinzips gibt einem den
Schlüssel zur Beherrschung dieser rhythmischen Gefühlsschwingungen, befähigt
zu größerer Selbsterkenntnis, so dass man von dieser Ebbe und Flut nicht mehr
hin- und hergetragen wird. Der Wille ist den bewussten Offenbarungen dieses
Prinzips überlegen, wenn auch das Prinzip selbst niemals zerstört werden kann.
Wir können uns seinen Wirkungen entziehen, aber es ist trotzdem in Tätigkeit.
Das Pendel schwingt immer, auch wenn wir es vermeiden können, mit ihm
davongetragen zu werden.
Aber das Prinzip des
Rhythmus hat noch andere Züge, von denen wir an dieser Stelle sprechen wollen:
und zwar von den Einwirkungen dessen, was als Gesetz der Kompensation bekannt
ist. Eine der Erklärungen und Bedeutungen des Wortes „kompensieren“ ist „das
Gegengewicht halten“ und in diesem Sinne benutzen die Hermetiker diesen
Ausdruck. Auf dieses Gesetz der Kompensation bezieht sich das „Kybalion“, wenn
es sagt:
„Das Maß des Schwunges nach rechts ist das Maß des Schwunges
nach links. Rhythmus kompensiert.“
Das Gesetz der
Kompensation besagt, dass das Schwingen in einer Richtung das Schwingen nach
der entgegengesetzten Richtung bestimmt. Das eine
hält das andere im Gleichgewicht oder Gegengewicht. Wir sehen auf der physikalischen
Ebene viele Beispiele für dieses Gesetz. Das Pendel der Uhr schwingt ein
bestimmtes Stück nach rechts und dann ein gleiches Stück nach links. Die
Jahreszeiten halten sich in derselben Weise im Gleichgewicht. Die Gezeiten
folgen demselben Gesetz. Dieses Gesetz zeigt sich in allen Erscheinungsformen
des Rhythmus. Das Pendel, das nur kurz in einer Richtung schwingt, schwingt
auch nur kurz nach der andern, während ein langes Schwingen nach rechts
unabänderlich ein ebenso langes Schwingen nach links bedeutet. Ein in die Höhe
geschleuderter Gegenstand hat auf seinem Rückweg die gleiche Entfernung
zurückzulegen. Die Kraft, mit der ein Geschoß tausend Meter hoch geschleudert
wird, wird beim Fallen wieder erzeugt, wenn dasselbe zur Erde zurückkehrt.
Dieses Gesetz ist konstant auf der physikalischen Ebene, wie alle namhaften
Fachgelehrten bestätigen können. Aber die Hermetiker geben sich damit nicht
zufrieden. Sie lehren, dass die geistigen Zustände des Menschen demselben
Gesetz unterworfen sind. Ein Mensch, der einer großen Freude fähig ist, ist
auch großen Leiden unterworfen, während derjenige, der wenig Schmerz
empfindet, sich auch nur in geringem Maße freuen kann. Das Schwein leidet
seelisch nur wenig, empfindet aber auch nur wenig Freude, darin liegt der
Ausgleich. Andererseits gibt es Tiere, die großer Freude fähig sind, deren
Nervensystem und Temperament sie aber auch in besonderem Maße Schmerz
empfinden lässt. So ist es auch bei den
Menschen. Es gibt Temperamente, die sich nur wenig freuen können und ebenso
wenig Schmerz empfinden, während andere von höchster Freude, aber auch von
tiefstem Schmerz erfüllt sein können. Es ist die Regel, dass sich in jedem
Geschöpf die Fähigkeiten zu Freude und Schmerz im Gleichgewicht befinden.
Das Gesetz der
Kompensation ist hier in voller Wirksamkeit. Aber die Hermetiker gehen in
dieser Beziehung noch weiter. Sie lehren, bevor jemand in der Lage sei, ein
bestimmtes Maß von Freude zu empfinden, müsse er entsprechend weit zum andern
Pol der Empfindung hingeschwungen sein. jedenfalls
behaupten sie, dass das Negative hierbei dem Positiven voranginge, d.h. dass,
wenn jemand ein bestimmtes Maß von Freude erlebte, nun nicht daraus folge, dass
er mit einem entsprechenden Maß von Schmerz dafür zu zahlen habe. Im Gegenteil,
die Freude ist nach dem Gesetz der Kompensation der rhythmische Schwung für
ein entweder im gegenwärtigen Leben oder in einer früheren Inkarnation erlittenes
Maß von Schmerz. Dies wirft ein neues Licht auf das Problem des Schmerzes.
Die Hermetiker sehen die
Kette des Lebens als kontinuierlich an, als einen Teil eines einzigen Lebens
eines Individuums, so dass infolgedessen das rhythmische Schwingen auch in
obiger Weise verstanden werden kann, während es ohne Voraussetzung der
Inkarnation sinnlos wäre. Die Hermetiker behaupten aber, dass der Meister oder
fortgeschrittene Schüler bis zu einem großen Maß dem Schwingen dem Schmerz
entgegen durch den oben erwähnten Vorgang der Neutralisation entgehen kann.
Indem man sich auf eine höhere Ebene des Ichs erhebt, kann man sich vielen
Erfahrungen der auf einer niedrigeren Ebene Wohnenden entziehen. Das Gesetz
der Kompensation spielt eine bedeutende Rolle im Leben der Menschen. Im
Allgemeinen muss man für alles, was man hat oder was einem fehlt, „den Preis
bezahlen“.
Wenn man eine Sache
besitzt, fehlt einem die andere - das Gleichgewicht ist hergestellt. Niemand
kann das Stückchen Kuchen kaufen und zu gleicher Zeit sein Geld behalten. Jedes
Ding hat seine erfreulichen und unerfreulichen Seiten. Die Dinge, die man
gewinnt, werden immer mit denen bezahlt, die man verliert. Der Reiche besitzt
viel, was dem Armen fehlt, während der Arme oft Dinge besitzt, die dem Reichen
nicht erreichbar sind. Dem Millionär, der üppiges Essen liebt und sich die auserlesensten Freuden der Tafel leisten kann, fehlt
vielleicht der Appetit, sie zu genießen; er beneidet den Arbeiter, der nicht
den Reichtum und die Neigungen des Millionärs besitzt, um seinen gesunden
Appetit, weil er seine einfache Nahrung mehr genießt, als der Millionär jemals
könnte, selbst wenn sein Appetit nicht übersättigt und seine Verdauung nicht
verdorben wäre, denn die Wünsche, Gewohnheiten und Neigungen weichen
voneinander ab. So geht es das ganze Leben hindurch. Das Gesetz der
Kompensation ist immer am Werke, bemüht, Gleichgewicht und Gegengewicht zu
halten, was schließlich immer gelingt, selbst wenn mehrere Leben für das
Zurückschwingen des Pendels des Rhythmus benötigt werden.
Ursache und Wirkung
„Jede Ursache hat ihre Wirkung; jede Wirkung ihre Ursache; alles
geschieht gesetzmäßig, Zufall ist nur der Name für ein unbekanntes Gesetz. Es
gibt viele Ebenen der Ursächlichkeit, aber nichts entgeht dem Gesetz.“
„Kybalion“
Das sechste große
hermetische Prinzip, das von Ursache und Wirkung, enthält die Wahrheit, dass
das Universum von Gesetzmäßigkeit erfüllt ist, dass nichts durch Zufall
geschieht, dass Zufall nur der Ausdruck für eine zwar vorhandene, aber nicht
erkannte Ursache ist. Diese Erscheinung wirkt jedoch unaufhörlich, ohne
Unterbrechung, ohne Ausnahme. Das Prinzip von Ursache und Wirkung liegt allem
wissenschaftlichen Denken sowohl des Altertums wie der Neuzeit zugrunde. Es
wurde von den Hermetikern bereits in frühester Zeit
verkündet. Seitdem haben viele Schulen des Denkens über die verschiedensten
Fragen gestritten, aber diese Streitigkeiten haben sich hauptsächlich auf
Einzelheiten hinsichtlich der Wirksamkeit des Prinzips bezogen, noch öfter auf
die Bedeutung einzelner Worte. Das grundlegende Prinzip von Ursache und Wirkung
ist von fast allen nennenswerten Denkern der Welt als richtig angenommen
worden. Wenn man anders dächte, so hieße das, die Erscheinungen des Universums
von Gesetz und Ordnung auszuschließen und es der Kontrolle des imaginären Etwas
auszuliefern, das die Menschen „Zufall“ nennen.
Ein wenig Nachdenken wird jeden davon
überzeugen, dass es in Wirklichkeit so etwas wie reinen Zufall nicht gibt.
WEBSTER definiert das Wort „Zufall“ folgendermaßen:
„eine angenommene wirkende Macht oder Art
Aktivität, anders als Kraft, Gesetz oder Absicht; die Tätigkeit oder Aktivität
eines solchen Agens, ein Sich-Zutragen, eine Zufälligkeit,
ein gelegentliches Ereignis usw.“
Aber ein wenig Nachdenken wird Euch zeigen, dass es
ein solches Agens wie „Zufall“ im Sinne von etwas außerhalb des Gesetzes von
Ursache und Wirkung Liegendem nicht geben kann. Wie könnte es etwas geben, was
unabhängig von den Gesetzen der Ordnung und ihrem Zusammenhang in der Welt der
Erscheinungen wirksam wäre? So etwas würde völlig unabhängig vom gewöhnlichen
Lauf des Universums und ihm darum überlegen sein. Wir können uns außerhalb vom
All nichts vorstellen, was außerhalb des Gesetzes steht, schon allein, weil das
All das Gesetz in sich selbst ist. Im Universum ist kein Platz für etwas, was
außerhalb des Gesetzes und von ihm unabhängig ist. Die Existenz eines solchen
Etwas würde alle Naturgesetze unwirksam machen und das Universum in chaotische
Unordnung und Gesetzlosigkeit werfen.
Eine sorgfältige Prüfung wird ergeben,
dass das, was wir „Zufall“ nennen, lediglich eine Bezeichnung ist, die auf
dunkle Ursachen hinweist, auf Ursachen, die wir nicht feststellen können.
Das Wort „Zufall“ ist entstanden aus dem
Zeitwort „fallen“ (wie das Fallen eines Würfels) und die Idee ist dabei, dass
das Fallen des Würfels (und viele andere Geschehnisse) nur „Geschehnisse“ sind
ohne jede Verbindung zu irgendeiner Ursache. In diesem Sinne wird der Ausdruck
im Allgemeinen gebraucht. Aber wenn man die Sache genau prüft, sieht man, dass
heim Fallen des Würfels gar kein Zufall im Spiele ist. Jedes Mal wenn ein
Würfel fällt und eine gewisse Zahl zeigt, gehorcht er einem Gesetz, das ebenso
unfehlbar ist wie das, welches die Bewegung der Planeten und der Sonne
beherrscht. Hinter dem Fall des Würfels liegen Ursachen oder Ketten von
Ursachen weiter zurück, als der Verstand folgen kann: die Lage des Würfels im
Becher, der Aufwand von Muskelkraft beim Wurf, die Stellung des Tisches usw.
sind alles Ursachen, deren Wirkung man feststellen kann. Aber hinter diesen
festgestellten Ursachen gibt es Ketten von vorhergehenden unbekannten Ursachen,
die alle einen Einfluss hatten auf die Zahl des Würfels, die nach oben fiel.
Wenn ein Würfel sehr oft geworfen wird,
kann man feststellen, dass die geworfenen Zahlen ungefähr gleich sein werden,
d. h. es wird eine gleiche Anzahl von Einsern, Zweiern usw. herauskommen. Wirf
ein Goldstück in die Luft, dann kann entweder „Kopf“ oder „Wappen“ geworfen
werden, aber bei einer genügenden Anzahl von Würfen werden „Kopf“ und „Wappen“
sich gleichstellen. Das ist das Gesetz des Durchschnitts. Aber der Durchschnitt
und der Einzelwurf stehen unter dem Gesetz von Ursache und Wirkung und wenn
wir die vorhergehenden Ursachen prüfen könnten, würde man klar sehen, dass es
einfach unmöglich für den Würfel war, unter diesen Umständen und in dieser Zeit
anders zu fallen. Gleiche Ursachen - gleiche Resultate. Für jedes Ereignis
gibt es eine Ursache. Nichts geschieht ohne Ursache, vielmehr ohne eine Kette
von Ursachen.
Bei der Betrachtung dieses Prinzips hat
die Tatsache, dass man sich nicht erklären konnte, wie ein Ding die Ursache,
der „Schöpfer“ anderer sein könnte, die Gemüter in Verwirrung gebracht.
Tatsächlich „erschafft“ kein Ding jemals ein
anderes Ding. Bei Ursache und Wirkung handelt es sich stets um Geschehnisse.
Ein „Geschehnis ist etwas, das „kommt“, sich zuträgt, sich ereignet als
Resultat oder Folge eines vorhergehenden Geschehnisses. Kein Geschehnis „erschafft“
ein anderes Geschehnis, sondern es ist nur ein vorhergehendes Glied in der
großen Kette der unzähligen Geschehnisse, die der schöpferischen Energie des
Alls entfließen.
Zwischen allen vorhergehenden und immer
weiter folgenden Geschehnissen besteht ein ununterbrochener Zusammenhang. Es
besteht eine Beziehung zwischen dem Vorangegangenen und allem, was folgt. Ein
Stein löst sich von einer Bergwand und durchbricht das Dach eines Landhauses im
Tal darunter. Im ersten Augenblick halten wir dies für einen Zufall, aber wenn
wir die Sache prüfen. finden wir dahinter die große Kette von Ursachen. Erst
war es der Regen, der die Erde aufweichte, die den Stein trug, und der so den
Fall ermöglichte. Dahinter war es der Einfluss der Sonne, früherer Regen usw.,
der allmählich das Stück von einem größeren Felsen ablöste, dann gab es
Ursachen, die zu der Bildung des Berges führten und seiner Aufrichtung durch
die Konvulsionen der Natur und so fort bis zur Unendlichkeit. Dann könnten wir
die Ursachen des Regens zurückverfolgen. Dann könnten wir die Existenz des
Daches betrachten. Kurz, wir könnten uns bald in ein Netz von Ursache und
Wirkung verstrickt finden, aus dem wir uns bald zu lösen versuchen würden.
Genau so wie der Mensch zwei Eltern hat und vier Großeltern und 16 Urgroßeltern
usw. - bis, sagen wir, 40 Generationen ausgerechnet wären, läuft die Zahl der
Vorfahren auf viele Millionen an -, so ist es mit der Anzahl der Ursachen
selbst hinter dem unbedeutenden Ereignis oder einer solchen Erscheinung wie
dem Vorbeifliegen eines winzigen Stäubchens Ruß vor Deinem Auge.
Es ist nicht leicht, das
bisschen Ruß bis zu der früheren Periode der Weltgeschichte zurückzuverfolgen,
als es noch einen Teil eines massiven Baumstammes bildete, der sich später in
Kohle verwandelte usw., bis es jetzt als Russtäubchen vor Deinem Blick
vorüberschwebt, anderen Abenteuern entgegen. Eine mächtige Kette von
Geschehnissen, Ursachen und Wirkungen brachte es in seinen augenblicklichen
Zustand und letzterer ist nur einer aus der Kette der Geschehnisse, die andere
Geschehnisse in hunderten von Jahren herbeiführen wird. Eine der Serien der
Geschehnisse, die von dem bisschen Ruß herrührten, war das Schreiben dieser
Zeilen, die den Schriftsetzer veranlassten, eine gewisse Arbeit zu verrichten,
ebenso den Korrekturleser, und die gewisse Gedanken bei Euch und anderen
erstehen lassen und so weiter, immer weiter über die Denkfähigkeit des Menschen
hinaus - und alles nur wegen des Vorbeifliegens eines Russtäubchens. Das alles
zeigt die Relativität und die Verbindung der Dinge sowie die Tatsache:
„Es gibt nichts Großes, nichts Geringes
beim Schöpfer all und jeden Dinges.“
Denke einmal einen Augenblick nach. Wenn
in einer weit zurückliegenden dunklen Periode des Steinzeitalters ein bestimmter
Mann nicht ein bestimmtes Mädchen getroffen hätte, würdest Du, der Du diese
Zeilen liest, jetzt nicht hier sein. Und, wenn dieses Paar sich nicht getroffen
hätte, würden wir, die wir diese Zeilen schreiben, vielleicht jetzt auch nicht
hier sein. Und gerade der Akt des Schreibens von unserer Seite und der Akt des
Lesens von der Euren wird entsprechend nicht nur Euer und unser Leben
berühren, sondern sie werden auch direkt oder indirekt einen Einfluss auf
viele andere Leute haben, die jetzt leben oder die in künftigen Zeiten leben
werden. Jeder Gedanke, den wir denken, jede Handlung, die wir vollbringen,
haben ihre direkten und indirekten Wirkungen, die in die große Kette von
Ursache und Wirkung hineinpassen.
Aus verschiedenen Gründen wünschen wir
nicht in eine Betrachtung über freien „Willen“ oder „Bestimmung“ in diesem Werk
einzugehen. Der wichtigste unter den vielen Gründen ist der, dass keine der
beiden Seiten der Kontroverse völlig im Recht ist - tatsächlich haben beide
Seiten teilweise Recht, den hermetischen Lehren gemäß. Das Prinzip der
Polarität zeigt, dass beides nur halbe Wahrheiten sind, die entgegengesetzten
Pole der Wahrheit. Die Lehren besagen, dass ein Mensch frei sein kann und
gebunden durch die Notwendigkeit, das hängt ganz von dem Sinn der Ausdrücke ab
und von der Höhe der Wahrheit, von der aus die Frage geprüft wird. Die
Schriftsteller des Altertums drücken das folgendermaßen aus: „Je mehr die
Schöpfung vom Mittelpunkt entfernt ist, um so gebundener ist sie, je näher sie
dem Mittelpunkt ist, desto näher ist sie der Freiheit.“
Die Mehrzahl der Menschen ist mehr oder
weniger Sklave ihrer Abstammung, Umgebung usw. und besitzt sehr wenig Freiheit.
Diese Menschen werden beherrscht durch die Meinung, die Gewohnheiten und
Gedanken der äußeren Welt, ebenso wie durch ihre Erregungen, Gefühle,
Stimmungen usw. Sie zeigen keine nennenswerte Meisterschaft. Entrüstet weisen
sie diese Behauptung zurück, wenn sie sagen: natürlich bin ich frei zu handeln
und zu tun, was mir gefällt. Ich tue nur, was ich will. Aber sie erklären
nicht, woher das „was ich will“ und „was mir gefällt entspringt. Was lässt sie eine Sache bevorzugt gegenüber
einer anderen „wollen“, was bewirkt, dass ihnen dies und jenes nicht „gefällt“?
Gibt es keinen Grund für ihr „Wollen.’ oder „Gefallen“? Der Meister kann dieses
Belieben oder Wünschen in ein anderes am entgegengesetzten
Ende des geistigen Pols verwandeln. Er kann „das Wollen wollen“,
anstatt nur zu wollen, weil irgendein Gefühl, eine Stimmung, Erregung oder der
Einfluss seiner Umgebung die Neigung oder den Wunsch dazu in ihm erzeugen.
Die Mehrzahl der Menschen wird dahingetragen wie der fallende Stein und gehorcht ihrer
Umgebung, äußeren Einflüssen und inneren Stimmungen, Wünschen usw., ganz zu
schweigen von dem Wunsch und Willen anderer, die stärker sind als sie, wie
Abstammung, Umgebung, Beeinflussungen, die sie dahintragen,
ohne dass sie Widerstand leisten oder ihren Willen in Anspruch nehmen. Sie
werden wie Figuren auf dem Schachbrett des Lebens hin- und hergerückt, spielen ihre Rolle und werden beiseitegelegt,
wenn das Spiel vorbei ist. Aber die Meister, die die Spielregeln kennen,
erheben sich über die Ebene des materiellen Lebens und indem sie sich mit den
höheren Kräften ihrer Natur in Verbindung setzen, beherrschen sie ihre
Stimmungen, ihren Charakter, ihre Eigenschaften und Polarität ebenso wie ihre
Umgehung und werden so Spieler anstatt Figuren - Ursache statt Wirkung.
Die Meister entgehen nicht der Ursächlichkeit
auf höheren Ebenen, aber sie bringen sich mit den höheren Gesetzen in
Übereinstimmung und meistern so die Verhältnisse auf der niedrigeren Ebene. So
bilden sie bewusst einen Teil des Gesetzes, statt lediglich blindes Werkzeug
zu sein. Während sie auf den höheren Ebenen dienen, herrschen sie auf den
materiellen.
Aber sowohl auf der höheren als auch auf
der niedrigeren Ebene, überall ist das Gesetz in Tätigkeit. So etwas wie Zufall
gibt es nicht. Die blinde Göttin ist durch die Vernunft abgeschafft worden. Mit
erkenntnisklaren Augen sehen wir jetzt, dass alles durch das universale Gesetz
beherrscht wird, dass die unendliche Zahl von Gesetzen nur Offenbarungen des
einen großen Gesetzes sind - des Gesetzes, das das All ist. Es ist wahrhaftig
wahr, dass kein Sperling unbeachtet vom
Geiste des Alls herniederfällt - sogar die Haare auf
unserm Haupte sind gezählt, wie es in den Schriften steht. Es gibt nichts
außerhalb des Gesetzes, nichts, was im Gegensatz zu ihm geschieht. Und doch,
macht niemals den Fehler anzunehmen, dass der Mensch ein blinder Automat sei
weit davon! Die hermetischen Lehren besagen, dass der Mensch das Gesetz
benutzen kann, um Gesetze zu überwinden, und dass der höhere Wille stets über
den niedrigeren die Oberhand gewinnt, bis er endlich die Stufe erreicht hat,
wo er im Gesetz selbst eine Zuflucht sucht und die Gesetze der Erscheinungswelt
verächtlich verlacht. Kannst Du den tieferen Sinn hiervon erkennen?
Geschlecht
„Geschlecht ist in allem, alles hat männliche und weibliche
Prinzipien, Geschlecht offenbart sich auf allen Ebenen.“
„Kybalion“
Das siebente große hermetische Prinzip,
das Prinzip des Geschlechts, enthält die Wahrheit, dass Geschlecht sich in
allem offenbart, dass das männliche und weibliche Prinzip in allen Ebenen der
Erscheinungen immer gegenwärtig und aktiv ist, in allem und auf jeder
Lebensebene. An diesem Punkt halten wir es für gut, Eure Aufmerksamkeit auf die
Tatsache zu lenken, dass Geschlecht im hermetischen Sinne und
Geschlechtlichkeit (sexus) im gewöhnlichen Sprachgebrauch
nicht dasselbe sind.
Das lateinische Wort genere
(davon genus = Geschlecht) heißt soviel wie „zeugen,
erzeugen, erschaffen, hervorbringen“. Ein Augenblick Überlegung wird Euch
zeigen, dass das Wort Geschlecht einen viel umfassenderen und allgemeineren Sinn hat als die Bezeichnung
Geschlechtlichkeit, die auf den körperlichen Unterschied zwischen männlichen
und weiblichen Lebewesen hinweist. Geschlechtlichkeit ist lediglich eine
Erscheinungsform des Geschlechts auf einer gewissen Unterebene der großen
physikalischen Ebene - der Ebene des organischen Lebens.
Wir wünschen Euch diese Unterscheidung
eindringlich zu machen, denn gewisse Schriftsteller, die eine oberflächliche
Kenntnis der hermetischen Philosophie erlangt haben, haben versucht, dieses
siebente hermetische Prinzip mit wilden, phantastischen und oft tadelnswerten
Theorien und Lehren, die Geschlechtlichkeit betreffend, zu identifizieren.
Das Amt des Geschlechts ist allein das
des Erschaffens, Hervorbringens, Zeugens usw. und seine Offenbarungen sind auf
jeder Erscheinungsebene sichtbar. Es ist nicht ganz leicht. hierfür
wissenschaftliche Beweise zu erbringen, weil die Wissenschaft die universale
Anwendung dieses Prinzips noch nicht erkannt hat. Doch einige Beweise kommen
aus wissenschaftlichen Quellen. Erstens finden wir eine klare Offenbarung des
Prinzips des Geschlechts unter den Korpuskeln, Ionen und Elektronen, welche
den Grundstock der Materie bilden, so wie sie die Wissenschaft jetzt kennt, und
welche durch gewisse Kombinationen das Atom bilden, das man bis vor kurzem noch
als letzte unteilbare Einheit betrachtet hat.
Nach dem letzten Wort der Wissenschaft
ist das Atom aus einer Menge von Korpuskeln, Elektronen oder Ionen
zusammengesetzt (die verschiedenen Bezeichnungen werden von verschiedenen
Autoritäten angewandt!), welche umeinander kreisen und mit hoher Wellenlänge
und großer Stärke schwingen. Es wurde aber die begleitende Feststellung gemacht,
dass die Bildung eines Atoms tatsächlich der Anhäufung von negativen Korpuskeln
um ein positives zuzuschreiben ist. Die positiven Korpuskeln scheinen einen
gewissen Einfluss auf die negativen auszuüben und sie zu zwingen, gewisse
Kombinationen einzugehen und so ein Atom zu erschaffen oder zu erzeugen. Dies
entspricht den ältesten hermetischen Lehren, die stets das männliche
Geschlechtsprinzip mit dem „positiven“, das weibliche mit dem „negativen“ Pol
der so genannten Elektrizität identifiziert haben.
Hier ein Wort über diese Identifikation.
In der öffentlichen Meinung hat sich eine völlig irrige Auffassung über die
Eigenschaften des so genannten negativen Pols elektrischer oder magnetischer
Materie gebildet. Die Ausdrücke „positiv“ und „negativ“ sind von der
Wissenschaft sehr falsch auf diese Erscheinung angewandt worden. Das Wort
positiv bedeutet hier etwas Reales, Starkes im
Vergleich mit einer negativen Unwirklichkeit oder Schwäche. Nichts ist weiter
von den wirklichen Tatsachen elektrischer Erscheinungen entfernt. Der so
genannte negative Pol einer Batterie ist in Wirklichkeit der Pol, in welchem
und durch welchen die Zeugung oder Erzeugung neuer Formen und Energien sich
offenbart. Da ist nichts Negatives an ihm. Die ersten wissenschaftlichen
Autoritäten benutzen jetzt das Wort „Kathode“ an Stelle von „Negativ“. Dieses Wort
kommt aus einer griechischen Wurzel im Sinne von Abstammung, Weg der Zeugung
usw. Vom Kathodenpol steigt der Schwarm der
Elektronen oder Korpuskeln auf, von demselben Pol gehen diese wunderbaren
Strahlen aus, die während der letzten Jahrzehnte die wissenschaftlichen
Begriffe umgestürzt haben.
Der Kathodenpol
ist die Mutter von all den seltsamen Erscheinungen, die die alten Lehrbücher unbrauchbar
gemacht haben und die die Ursache waren, dass so viele lang angenommene
Theorien zum alten Eisen wissenschaftlicher Spekulation geworfen werden
mussten. Die Kathode oder der negative Pol ist das mütterliche Prinzip der
elektrischen Erscheinungen, er besteht aus den feinsten stofflichen Formen,
die bisher der Wissenschaft bekannt wurden.
So sind wir, wie Ihr seht, berechtigt,
die Verwendung der Bezeichnung „negativ“ bei der Nennung dieser Gegebenheiten
abzulehnen und darauf zu bestehen, sie durch das Wort „weiblich“ zu ersetzen.
Die diesbezüglichen Tatsachen unterstützen uns darin, ohne dass dabei die hermetischen
Lehren in Betracht gezogen werden müssten. Darum werden wir das Wort „weiblich“
statt „negativ“ benutzen, wenn wir über diesen Pol der Aktivität sprechen.
Die letzten wissenschaftlichen Lehren
gehen dahin, dass die schöpferischen Korpuskeln oder Elektronen weiblich sind
(die Wissenschaft sagt, „sie bestehen aus negativer Elektrizität“, wir sagen:
sie bestehen aus weiblicher Energie). Ein weibliches Korpuskel wird abgeteilt
oder vielmehr verlässt ein männliches Korpuskel und beginnt eine neue Laufbahn.
In Wirklichkeit sucht es eine Verbindung mit einem männlichen Korpuskel, wenn
es durch den natürlichen Impuls getrieben wird, neue Formen von Materie oder
Energie zu schaffen. Ein Schriftsteller geht so weit, den Ausdruck zu benutzen,
„es sucht sogleich aus eigenem Entschluss eine Verbindung“ usw. Diese
Loslösung und Vereinigung bilden die Grundlage des größten Teils der Aktivität
der chemischen Welt. Wenn das weibliche Korpuskel sich mit dem männlichen
vereinigt, beginnt damit ein bestimmter Prozess. Die weiblichen Teilchen
schwingen rasend unter dem Einfluss der männlichen Energie und kreisen um diese
mit ungeheurer Schnelligkeit. Das Resultat ist die Geburt eines neuen Atoms.
Dieses neue Atom ist wirklich aus einer Vereinigung von männlichen und
weiblichen Elektronen oder Korpuskeln entstanden, doch wenn die Verbindung
gebildet ist, ist das Atom ein besonderes Ding, das gewisse Eigenschaften
besitzt, aber nicht mehr die Eigenschaften freier Elektrizität zeigt.
Der Prozess der Loslösung oder Abtrennung
des weiblichen Elektrons gleicht der „Ionisation“. Diese Elektronen oder
Korpuskeln sind die aktiven Arbeiter in der Natur. Aus ihren Verbindungen und
Kombinationen entstehen die verschiedenartigsten Erscheinungen, wie Licht,
Wärme, Elektrizität, Magnetismus, Anziehung, Abstoßung, chemische Affinität und
ihr Gegenteil und ähnliche Erscheinungen. Und alles dies entsteht aus der
Wirksamkeit des Prinzips des Geschlechts auf der Ebene der Energie.
Es scheint die Rolle des männlichen
Prinzips zu sein, eine bestimmte ihm innewohnende Energie auf das weibliche
Prinzip zu richten und so die schöpferischen Prozesse in Gang zu setzen. Aber
das weibliche Prinzip ist das, welches die tatsächliche schöpferische Arbeit
leistet, und dies auf allen Ebenen. Und doch, jedes Prinzip ist unfähig zur
wirksamen Energie ohne die Unterstützung des anderen. In einigen Lebensformen
sind die zwei Prinzipien in einem Organismus verbunden. Deshalb enthält alles
in der organischen Welt beide Geschlechter, immer ist
das männliche in der weiblichen Form und das weibliche in der männlichen Form
vorhanden. Die hermetischen Lehren enthalten viel über die Wirksamkeit der zwei
Geschlechtsprinzipien bei der Erschaffung und dem Auftreten verschiedener
Energieformen usw., aber wir halten es nicht für vorteilhaft, hier auf Einzelheiten
einzugehen, weil wir nicht in der Lage sind, sie mit wissenschaftlichen
Beweisen zu belegen, denn die Wissenschaft ist so weit noch nicht
vorgeschritten.
Aber die Beschreibung, die wir Euch über
die Erscheinungsformen der Elektronen und Korpuskeln gegeben haben, zeigt auch,
dass sich die Wissenschaft auf dem richtigen Wege befindet, und sie wird Euch
auch eine allgemeine Idee von dem zugrundeliegenden
Prinzip geben.
Einige führende wissenschaftliche
Forscher haben ihre Annahme bekannt gegeben, dass man bei der Bildung von
Kristallen etwas feststellen kann, das einer „Geschlechtstätigkeit“
entspricht; ein neuer Hinweis, in welcher Richtung in der Wissenschaft heute
der Wind weht. lind jedes Jahr wird andere Tatsachen bringen, die die
Richtigkeit des hermetischen Geschlechtsprinzips bestätigen. Man wird finden,
dass Geschlecht in dauernder Wirksamkeit auf dem Gebiet der anorganischen Materie ebenso wie auf dem der Energie
und Kraft auftritt. Elektrizität wird jetzt allgemein als das „Etwas“
betrachtet, in das sich alle anderen Formen der Energie zu verschmelzen oder
aufzulösen scheinen. Die „elektrische Theorie über das Universum“ ist die
letzte wissenschaftliche Lehre; sie gewinnt rapid an Volkstümlichkeit und
allgemeiner Anerkennung. Daraus folgt, dass, wenn wir in den Erscheinungen der
Elektrizität - sogar an der Wurzel und Quelle ihres Auftretens - einen klaren
und unmissverständlichen Beweis von der Gegenwart des Geschlechts und seiner
Auswirkungen entdecken können, wir Euch aufzufordern berechtigt sind, zu
glauben, dass die Wissenschaft endlich Beweise von der Existenz des großen
hermetischen Prinzips in allen universalen Erscheinungen gegeben hat - des
Prinzips des Geschlechts.
Es ist nicht notwendig, Eure Zeit mit den
wohlbekannten Erscheinungen der „Anziehung und Abstoßung“ der Atome in Anspruch
zu nehmen, der chemischen Affinität, „der Liebe und dem Hass der chemischen
Teilchen, der Anziehung oder Kohäsion der Moleküle der Materie. Diese Tatsachen
sind zu sehr bekannt, um einer eingehenden Erläuterung von unserer Seite zu
bedürfen. Aber habt Ihr jemals darüber nachgedacht, dass alle diese Dinge
Manifestationen des Geschlechtsprinzips sind?
Seht Ihr nicht, dass sich hier dasselbe abspielt
wie bei den Korpuskeln oder Elektronen? Und mehr als das, seht Ihr nicht die
Richtigkeit der hermetischen Lehren ein, welche behaupten, dass sogar das
Gesetz der Gravitation, jener seltsamen Anziehung, auf Grund derer alle
Teilchen und Körper der Materie zueinander hinneigen, dass diese Anziehung
nichts ist als ein weiteres Auftreten des Geschlechtsprinzips, das dahin
wirkt, dass die männlichen die weiblichen Energien anziehen und umgekehrt? Wir
können Euch zurzeit keinen wissenschaftlichen Beweis hierfür geben - aber prüft
die Frage im Lichte der hermetischen Lehren und seht, ob Ihr darin nicht eine
bessere Hypothese habt als in irgendeiner, die die physikalische Wissenschaft
bietet. Unterzieht alle physikalischen Erscheinungen dieser Prüfung und Ihr
werdet entdecken, dass das Geschlechtsprinzip immer in Wirksamkeit ist.
Wir wollen jetzt zu einer Betrachtung der
Wirkung dieses Prinzips auf der geistigen Ebene übergehen. Viele interessante
Züge harren hier der Untersuchung.
XIV.
Kapitel
Geistiges Geschlecht
Studenten der Psychologie, die den
modernen Gedankengängen auf dem Gebiet der geistigen Phänomene gefolgt sind,
werden über die Hartnäckigkeit überrascht sein, mit der sich die Idee eines
dualen Geistes während der letzten 10-15 Jahre
durchgesetzt hat, aus der eine Anzahl annehmbarer Theorien über die Natur und
Beschaffenheit dieses zwiefachen Geistes entstanden sind. Der verstorbene Thomsen J. HUDSON erreichte eine große Volkstümlichkeit im
Jahre 1893, als er seine bekannte Theorie über den objektiven und subjektiven
Geist aufstellte deren Existenz in jedem Individuum er annahm. Andere
Schriftsteller haben fast die gleiche Aufmerksamkeit erregt durch die Theorien
über den „bewussten und unbewussten“, den „freiwilligen und unfreiwilligen“,
den „aktiven und passiven Geist. Wenn auch die Theorien der Schriftsteller
voneinander abweichen, so ist ihnen doch das zugrundeliegende
Prinzip der „Dualität des Geistes“ gemeinsam.
Der Schüler der hermetischen Philosophie
ist in Versuchung zu lächeln, wenn er von diesen vielen „neuen“ Theorien über
die Dualität des Geistes liest und hört, wobei jede Schule sich hartnäckig an
ihre eigenen Lieblingstheorien klammert und jede den Anspruch erhebt, die
Wahrheit entdeckt zu haben. Der Schüler blättert die Seiten der Geschichte des
Okkultismus zurück und tief in den okkulten Anfängen der okkulten Lehren findet
er Bezugnahmen auf die alte hermetische Lehre vom Geschlechtsprinzip auf der
geistigen Ebene, von der Offenbarung des geistigen Geschlechts. Und wenn er die
Untersuchung weiter führt, wird er finden, dass die alte Philosophie Kenntnis
hatte vom „zwiefachen Geist“ und sich darüber Rechenschaft ablegte durch die
Theorie vom geistigen Geschlecht. Diese Idee vom geistigen Geschlecht kann
Schülern, die mit den soeben genannten modernen Theorien vertraut sind, mit
wenigen Worten erklärt werden. Das männliche Prinzip des Geistes entspricht dem
„objektiven, bewussten, freiwilligen, aktiven Geist und der weibliche Geist dem
so genannten „subjektiven, unbewussten, unfreiwilligen, passiven Geist.
Natürlich stimmen die hermetischen Lehren
nicht mit den vielen modernen Theorien über die Natur der beiden Phasen des
Geistes überein, noch bestätigen sie alle Tatsachen, die man für die beiden
Aspekte als zutreffend angesehen hat. Viele der besagten Theorien und
Behauptungen sind sehr weit hergeholt und halten einer Prüfung durch das
Experiment oder einer Beweisführung nicht stand. Wir weisen auf die Übereinstimmungen
nur deshalb hin, um dem Schüler zu helfen, seine früher gewonnenen Kenntnisse
den Lehren der hermetischen Philosophie anzupassen. Schülern von HUDSON wird
die Feststellung am Anfange des zweiten Kapitels seines Buches „Das Gesetz
psychischer Phänomene auffallen: „Die mystische Sprache der hermetischen
Philosophen enthüllt im allgemeinen dieselbe Idee“, - d. h. die Dualität des
Geistes.
Wenn Dr. HUDSON sich die Zeit und die
Mühe genommen hätte, die mystische Sprache der hermetischen Philosophie ein
wenig zu entziffern, würde er vielleicht manche Erleuchtung über den Gegenstand
des „zwiefachen Geistes“ erhalten haben, aber vielleicht wäre dann sein doch
immerhin so interessantes Werk gar nicht geschrieben worden. Wir wollen jetzt
die hermetischen Lehren über das geistige Geschlecht näher betrachten.
Die hermetischen Lehrer geben Belehrungen
über diesen Gegenstand, indem sie ihre Schüler veranlassen, ihr Bewusstsein
über ihr Selbst zu prüfen. Die Schüler werden ersucht. ihre Aufmerksamkeit
nach innen auf ihr eigenes Selbst zu richten. Jeder Schüler wird dahin geführt.
zu erkennen. dass sein Bewusstsein ihm zuerst von der Existenz seines Selbst
berichtet. dass es sagt: „Ich bin“. Zuerst scheint es, als ob diese Worte des
Bewusstseins endgültig wären, aber eine etwas weitergehende Prüfung zeigt. dass
dieses „Ich bin“ in zwei verschiedene Teile oder Aspekte geteilt oder gespalten
werden kann, die, obgleich sie in Verbindung miteinander arbeiten, trotzdem
bewusst getrennt werden können.
Während es im ersten
Augenblick erscheint, als ob nur ein „Ich“ besteht, enthüllt eine etwas
sorgfältigere und genauere Prüfung die Tatsache, dass es ein „Ich“ und ein
„Mich“ gibt. Diese geistigen Zwillinge unterscheiden sich in ihren
charakteristischen Merkmalen und in ihrer Natur und eine Untersuchung ihrer
Natur und der aus ihr entstehenden Erscheinungen wird viele Probleme geistiger
Einflüsse enthüllen.
Wir wollen mit einer
Betrachtung des „Mich“ beginnen, das gewöhnlich vom Schüler irrtümlich für das
„Ich“ gehalten wird, bis er die Nachforschung ein wenig weiter in die Tiefen
des Bewusstseins treibt. Der Mensch hält sein Selbst (in seinem Mich-Aspekt) für zusammengesetzt aus gewissen Gefühlen,
Geschmacksrichtungen, Meinungen, Abneigungen, Gewohnheiten, besonderen
Verpflichtungen, Charakteristiken usw. Alle zusammen machen seine Persönlichkeit
aus oder das „Selbst“, wie er selbst und andere es kennen. Er weiß, dass diese
Emotionen und Gefühle wechseln, entstehen und vergehen, dass sie dem Prinzip
des Rhythmus unterworfen sind und dem Prinzip der Polarität, die ihn von einem
extremen Gefühl zum anderen schleudern. Auch denkt er von dem Mich, als sei
ein bestimmtes Wissen in seinem Geist gesammelt und bilde so einen Teil von ihm
selbst. Das ist das Mich eines Menschen.
Aber wir sind zu schnell vorangegangen. Das
Mich vieler Menschen, kann man sagen, besteht in weitgehendem Maße aus dem
Bewusstsein um ihren Körper und ihren psychischen Wünschen usw. Da ihr
Bewusstsein zum großen Teil an ihre körperliche Natur gebunden ist, „leben sie
praktisch dort“! Manche Menschen gehen sogar so weit, ihre persönliche Bekleidung
als einen Teil ihres Mich anzusehen und scheinen sie tatsächlich als einen Teil
ihrer selbst zu betrachten. Ein Schriftsteller hat das humorvoll ausgedrückt,
indem er sagte: „Der Mensch bestünde aus drei Teilen - Seele, Körper und
Kleider“.
Diese „kleidungsbewussten“ Leute würden
ihre Persönlichkeit verlieren, wenn sie gelegentlich eines Schiffbruchs von
Wilden ihrer Kleider beraubt würden. Aber selbst viele, die nicht so eng mit der
Idee der persönlichen Kleidung verbunden sind, halten daran fest, dass ihr
Bewusstsein um ihren Körper ihr Mich sei. Sie können sich nicht ein Selbst
denken, das unabhängig vom Körper ist. Ihr Geist scheint ihnen etwas zu sein,
das praktisch zu ihrem Körper gehört, was tatsächlich vielfach der Fall ist.
Aber so, wie ein Mensch sich in der Skala
des Bewusstwerdens erhebt, so ist er in der Lage, sein Mich von den Gedanken
seines Körpers loszulösen und er wird von seinem Körper als von einem geistigen
Teil von sich denken können. Aber selbst dann ist er allzu bereit, das Mich
gänzlich mit den geistigen Zuständen, Gefühlen usw. zu identifizieren, die er
in sich spürt. Er ist allzu geneigt, diese inneren Zustände als identisch mit
sich selbst zu betrachten, anstatt sie für „Dinge“ zu halten, die aus
irgendeinem Teil seiner Geistigkeit
entstehen und in ihm existieren - von ihm und in ihm. aber nicht er selbst. Er
sieht, dass er diese inneren Gefühlszustände durch eine Willensanstrengung
ändern kann und dass er auf dieselbe Weise ein Gefühl oder einen Zustand völlig
entgegengesetzter Natur erzeugen kann, und doch
besteht dasselbe Mich. So ist er nach einer Weile in der Lage. diese
verschiedenartigen geistigen Zustände, Erregungen,. Gefühle, Gewohnheiten, Charakteristiken
und andere persönliche Eigenschaften beiseitezustellen
- er kann sie beiseitestellen in die nicht dem Mich
zugehörige Sammlung von Merkwürdigkeiten, Belastungen und auch wertvollen
Besitztümern. Dazu bedarf es starker geistiger Konzentration und geistiger
Erkenntniskraft seitens des Schülers. Aber die Aufgabe kann vom
fortgeschrittenen Schüler gelöst werden. doch auch die nicht so weit Fortgeschrittenen
können ahnen. wie der Prozess durchgeführt werden kann.
Nachdem dieser Prozess des Beiseitelegens
zum Abschluss gebracht worden ist, befindet sich der Schüler in einem
bewussten Besitz eines „Selbst“, das in seinen zwiefachen Aspekten. dem Ich
und dem Mich betrachtet werden kann. Man wird das Mich als etwas Geistiges
empfinden, in dem Gedanken, Ideen, Erregungen, Gefühle und andere geistige
Zustände hervorgebracht werden können. Es kann als der „geistige Schoß“, wie es
die Alten nannten, bezeichnet werden, der fähig ist, geistige Nachkommenschaft
zu erzeugen. Es stellt sich dem Bewusstsein als ein Mich dar mit latenten
Kräften der Erschaffung und Erzeugung aller Arten geistiger Produkte. Man fühlt
die enorme Kraft seiner schöpferischen Energie.
Doch scheint es sich dessen bewusst zu sein,
dass es eine gewisse Art von Energie entweder von seinem Ich-Gefährten oder von
einem anderen Ich empfangen muss, bevor es in der Lage ist, seine geistigen
Schöpfungen ins Leben zu setzen. Dieses Bewusstsein ruft ungeheure
Fähigkeiten an geistigem Schaffen hervor. Aber der Schüler empfindet, dass das
nicht alles ist, was er in seinem inneren Bewusstsein entdecken kann. Er
empfindet, dass da noch ein geistiges Etwas existiert, das in der Lage ist zu
wollen, dass das Mich nach gewissen schöpferischen Richtlinien handelt, und
das ebenso in der Lage ist, beiseitezustehen und die
geistige Schöpfung zu beobachten. Ihm wird gelehrt, diesen
Teil seines Selbst sein Ich zu nennen. In dessen Bewusstsein kann er nach
Belieben verweilen. Er findet, dass es ein Bewusstwerden der Fähigkeit, zu
erzeugen und tatsächlich zu erschaffen, im Sinne eines fortlaufenden Prozesses
geistiger Tätigkeit nicht gibt, sondern vielmehr in dem Sinne und in dem
Bewusstsein der Fähigkeit, eine Energie vom Ich auf das Mich zu übertragen -
ein Prozess des „Wollens“, dass eine geistige Schöpfung beginne und
fortschreite. Er findet auch, dass das Ich beiseitestehen
und Vorgänge der geistigen Schöpfung und Zeugung seitens des Mich beobachten
kann. Dieser zwiefache Aspekt besteht im Geiste jedes Menschen. Das Ich
repräsentiert das männliche Prinzip des geistigen Geschlechts, das Mich das
weibliche. Das Ich repräsentiert den Aspekt des „Seins und das Mich den Aspekt
des „Werdens“. Ihr werdet bemerken, dass das Prinzip der Entsprechung auf
dieser Ebene wirkt, so wie dies auf der großen Ebene der Fall ist, auf der die
Erschaffung von Universen sich vollzieht. Die Beiden sind ähnlich in der Art,
wenn auch ungeheuer verschieden im Grad. „Wie oben, so unten; wie unten, so
oben.“ Diese Aspekte des Geistes, das männliche und das weibliche Prinzip, das „Ich“
und das „Mich“, sind, wenn man sie in Verbindung mit den bekannten geistigen
und psychischen Erscheinungen betrachtet, der Hauptschlüssel zu den nur wenig
bekannten Gebieten geistiger Tätigkeit. Das Prinzip des geistigen Geschlechts
zeigt die Wahrheit, die allen Erscheinungen geistiger Einflüsse usw. zugrundeliegt.
Die Tendenz des weiblichen Prinzips
bewegt sich immer in der Richtung auf den Empfang von Eindrücken, die des
männlichen stets in der Richtung des Ausstreuens oder Ausdruckgebens. Das weibliche
Prinzip hat ein viel größeres Feld der Tätigkeit als das männliche. Das
weibliche Prinzip leistet die Arbeit der Erzeugung neuer Gedanken, Begriffe,
Ideen, einschließlich der Tätigkeit der Phantasie, das männliche Prinzip
begnügt sich mit der Arbeit des „Wollens“ in seinen verschiedenen Ebenen. Doch
kann das weibliche Prinzip sich auch ohne die Willensunterstützung des männlichen
damit begnügen, geistige Bilder zu erzeugen, die das Resultat äußerer Eindrücke
sind, anstatt eigene geistige Schöpfungen hervorzubringen.
Menschen, die
fortgesetzt Aufmerksamkeit und Gedanken auf einen Gegenstand richten können,
wenden beide geistigen Prinzipien an das weibliche bei dem Werk aktiver
geistiger Zeugung und den männlichen Willen, der den schöpferischen Teil des
Geistes anfeuert und ihm Energie verleiht. Die Mehrzahl der Menschen wendet das
männliche Prinzip nur wenig an und ist zufrieden, von den Gedanken und Ideen zu
leben, die ihrem Mich von dem Ich anderer eingegeben werden. Aber es ist nicht
unsere Absicht, bei dieser Phase des Themas zu verharren, die aus jedem guten
Lehrbuch über Psychologie mit dem Schlüssel studiert werden kann, den wir Euch
für die Frage des geistigen Geschlechts gegeben haben.
Der Studierende seelischer Phänomene
kennt die wunderbaren Erscheinungen, die unter der Bezeichnung Telepathie,
Gedankenübertragung, geistige Beeinflussung, Suggestion, Hypnose usw.
klassifiziert werden. Viele haben unter Verwendung der verschiedenen Theorien
über den geistigen Dualismus nach einer Erklärung dieser verschiedenartigen
Phasen von Erscheinungen gesucht. In gewissem Grade haben sie recht, denn es zeigen sich ganz klar zwei bestimmte Phasen
geistiger Tätigkeit. Betrachten aber die Studierenden diesen zwiefachen Geist
im Lichte der hermetischen Lehren über Schwingung und geistiges Geschlecht,
dann werden sie sehen, dass sie den lange gesuchten Schlüssel in der Hand
haben.
Bei den Erscheinungen der Telepathie
sieht man, wie sich die Schwingungsenergie des männlichen Prinzips auf das
weibliche Prinzip einer anderen Person richtet, und diese nimmt den
übertragenen Gedanken auf und lässt ihn
zur Reife kommen. Suggestion und Hypnose arbeiten in der gleichen Weise. Das
männliche Prinzip der suggerierenden Person richtet einen Strom von Schwingungsenergie
oder Willenskraft auf das weibliche Prinzip einer andern und diese nimmt ihn
auf, macht ihn sich zu eigen und handelt und denkt
dementsprechend. Eine Idee, die in dieser Weise in den Geist eines anderen
„hineingepflanzt“ wird, wächst und entwickelt sich und wird nach einiger Zeit
als echtes geistiges Kind des Betreffenden betrachtet, während sie in
Wirklichkeit wie ein Kuckucksei in das Sperlingsnest gelegt wurde, dort die
rechtmäßige Nachkommenschaft zerstört und sich häuslich einrichtet.
Das Normale ist es, wenn das männliche
und das weibliche Prinzip sich koordinieren und harmonisch in Verbindung
miteinander handeln. Aber leider ist das männliche Prinzip bei den
Durchschnittsmenschen zu träge, um zu handeln die Entfaltung der Willenskraft
ist zu gering und die Folge ist, dass solche Menschen fast ganz durch den Geist
und Willen anderer beherrscht werden, denen sie gestatten, ihr Denken und
Wollen für sie zu tun. Wie wenig eigene Gedanken oder selbständige Handlungen
werden von durchschnittlichen Menschen erdacht bzw. ausgeführt! Sind nicht die
meisten bloße Schatten und das Echo von anderen, die einen stärkeren Willen
oder Geist haben als sie selbst? Der Kummer ist, dass der Durchschnittsmensch
fast gänzlich in seinem Mich-Bewusstsein lebt und
sich gar nicht darüber klar ist. dass er so etwas wie ein „Ich“ besitzt. Er ist
in dem weiblichen Prinzip seines Geistes polarisiert und das männliche Prinzip,
das seinen Willen enthält, muss untätig und unbeschäftigt bleiben.
Die starken Männer und
Frauen in der Welt bekunden unveränderlich das männliche Prinzip des Willens
und ihre Stärke beruht wesentlich auf dieser Tatsache. Statt von den Eindrücken
zu leben. die andere in ihrem Geist hervorrufen, beherrschen sie ihren Geist
durch ihren eigenen Willen. erhalten somit die gewünschten Bilder und
beherrschen überdies in gleicher Weise den Geist anderer. Beobachtet, wie die
starken Menschen es fertig bringen ihre Ideen den Massen einzupflanzen und sie
zu zwingen, dem Wunsch und Willen dieser starken Persönlichkeiten gemäß zu
denken. Das ist der Grund, warum die meisten Menschen so primitive Geschöpfe
sind, die niemals eine eigene Idee haben oder ihre geistigen Kräfte betätigen.
Das Auftreten des
geistigen Geschlechts kann man im Alltagsleben überall um uns beobachten. Die
magnetischen Personen sind solche, die das männliche Prinzip anwenden können,
indem sie ihre Ideen anderen aufzwingen. Der Schauspieler, der die Menschen
nach Belieben weinen und lachen macht, wendet dieses Prinzip an. Ebenso der erfolgreiche
Redner, Staatsmann, Priester, Schriftsteller oder andere, die in der
Öffentlichkeit stehen. Der besondere Einfluss, den einige Menschen über andere
ausüben, ist den Auswirkungen des geistigen Geschlechts zuzuschreiben auf der
oben bezeichneten Linie der Schwingungen. In diesem Prinzip liegt das Geheimnis
vom persönlichen Magnetismus, persönlichen Einfluss, Bezauberung usw. sowie
aller Erscheinungen, die unter dem Namen Hypnose zusammengefasst werden.
Der Schüler, der sich mit den im
allgemeinen als „psychisch“ bezeichneten Erscheinungen vertraut gemacht hat,
wird die bedeutende Rolle der Kraft entdeckt haben, welche die Wissenschaft
„Suggestion“ genannt hat, womit der Prozess oder die Methode, eine Idee auf den
Geist eines andern zu übertragen, sie ihm aufzuzwingen, gemeint ist, wodurch
der letztere entsprechend handeln muss. Ein genaues Begreifen der Suggestion
ist notwendig, wenn man die ihr zugrundeliegenden
psychischen Erscheinungen verstehen will. Aber noch notwendiger ist die
Kenntnis der Vibration (= Schwingung) und des geistigen Geschlechts für den die
Suggestion Studierenden, denn das Prinzip der Suggestion hängt von diesen
beiden Prinzipien ab.
Gelehrte, die über Suggestion lehren und schreiben,
pflegen zu erklären, dass der „objektive und freiwillige“ Geist auf den
„subjektiven oder unfreiwilligen“ Geist den geistigen Einfluss oder die
Suggestion ausübe. Aber sie beschreiben den Prozess nicht oder zeigen uns
nicht irgendeine Analogie in der Natur, wodurch wir die Idee leichter verstehen
könnten. Überdenkt man aber die Frage im Lichte der hermetischen Lehre, kann
man sehen, dass das Anspornen des weiblichen Prinzips durch die Schwingungsenergie
des männlichen Prinzips in Übereinstimmung ist mit den universalen Gesetzen der
Natur und dass diese Welt der Natur zahllose Analogien liefert, durch die das
Prinzip verstanden werden kann. Tatsächlich zeigen die hermetischen Lehren,
dass gerade die Erschaffung des Universums demselben Gesetze folgt und dass bei
allen schöpferischen Manifestationen auf der rein geistigen, geistigen und
körperlichen Ebene überall das Geschlechtsprinzip in Wirksamkeit ist. Es ist
die Offenbarung des männlichen und weiblichen Prinzips, „wie oben, so unten;
wie unten, so oben“, und mehr als das, wenn man das Prinzip des geistigen
Geschlechts einmal völlig begriffen hat, wird es auf einmal möglich, die
verschiedenen Phänomene der Psychologie zu klassifizieren und zu studieren,
anstatt im dunkeln zu tappen. Das Prinzip tritt hier in der Praxis zutage, weil
es ja auf den unveränderlichen allgemeinen Lebensgesetzen begründet ist.
Wir werden nicht auf eine ausführliche
Besprechung oder Beschreibung der verschiedenartigen Erscheinungsformen
geistiger Einflüsse oder seelischer Aktivität eingehen. Über diesen Gegenstand
sind in den letzten Jahren viele Bücher, sogar viele gute Bücher geschrieben
und veröffentlicht worden. Die grundsätzlichen Feststellungen in diesen
Büchern sind richtig, wenn auch einige Schriftsteller versucht haben, diese
Erscheinungen mit verschiedenen eigenen Lieblingstheorien zu erklären. Der
Studierende kann sich mit diesen Dingen vertraut machen und er wird durch
Verwendung der Theorie des geistigen Geschlechts in der Lage sein, Ordnung in
das Chaos widerstreitender Theorien und Lehren zu bringen. Es ist nicht die
Absicht dieses Werkes, einen ausführlichen Bericht über psychische
Erscheinungen zu geben, sondern vielmehr die, dem Studierenden einen Hauptschlüssel
in die Hand zu geben, mit dem er die vielen Tore öffnen kann, die in die Teile
des Tempels der Weisheit führen, die er zu erforschen wünscht. Wir glauben,
dass man in solchen Lehren des „Kybalion“ eine Aufklärung finden wird, die dazu
dient, viele überraschende Schwierigkeiten hinwegzuräumen - einen Schlüssel,
der viele Tore erschließt. Was hat es für einen Zweck, bei all den vielen
Formen psychischer Phänomene und geistiger Wissenschaft auf Einzelheiten
einzugehen, wenn wir dem Studierenden nicht die Mittel in die Hand geben, durch
die er sich mit jedem Teil des Gegenstandes bekannt machen kann, der ihn
interessiert. Mit Hilfe des „Kybalion“ kann man jede okkulte Bibliothek erneut
durchstudieren und das alte Licht aus Ägypten wird viele dunkle Seiten
verborgener Geheimnisse enthüllen. Das ist die Absicht dieses Buches. Wir
kommen nicht, um eine neue Philosophie zu erklären, sondern vielmehr, um die
Umrisse einer großen uralten Lehre herauszustellen, die die Lehren anderer
klären wird als großer „Versöhner“ der verschiedenen Theorien und widerstreitenden
Dogmen.
XV.
Kapitel
Hermetische Grundsätze
„Die Aneignung von Wissen
ist, wenn es nicht tätig zu Ausdruck und Wirkung kommt, wie das Horten
wertvoller Metalle - eine zwecklose
und unsinnige Sache. Wissen muss wie Reichtum einer Verwendung zugeführt
werden. Das Gesetz der Anwendung ist ein
universales Gesetz und wer es verletzt, kommt mit den Naturkräften in Konflikt
zu seinem Schaden.“
„Kybalion“
Es war niemals beabsichtigt, die
hermetischen Lehren, die aus den erwähnten Gründen im Geiste ihrer glücklichen
Besitzer sorgfältig aufbewahrt wurden, nutzlos aufzuspeichern und völlig geheimzuhalten. Das Gesetz der Anwendung gilt auch für
diese Lehren, wie man aus obigem Zitat aus dem „Kybalion“ zweifellos ersehen
kann. Wissen, das man nicht verwendet und mitteilt, ist eitel und bringt einem
Menschen oder Volk nichts Gutes. Hüte Dich vor geistiger Mißgunst
und bringe das, was Du gelernt hast, zum Ausdruck. Ergründe die Grundsätze und
Lehrsprüche, aber wende sie auch an. Nachstehend geben wir einige der
wichtigsten hermetischen Grundsätze aus dem „Kybalion“ bekannt mit ein paar
kurzen Erläuterungen. Mache sie Dir ganz zu eigen und
wende sie an, denn dadurch werden sie erst wirklich Dein.
„Wenn Du Deine Stimmung oder irgendeinen anderen geistigen
Zustand ändern willst, so ändere Deine Schwingung.“
Man kann seine geistigen Schwingungen
durch Ausspannung seines Willens ändern, indem man seine Aufmerksamkeit
vorsätzlich auf einen wünschenswerten Zustand festlegt. Der Wille konzentriert
die Aufmerksamkeit und die Aufmerksamkeit verwandelt die Schwingung. Übe die
Kunst der Konzentration vermittels des Willens und Du hast das Geheimnis
gelöst, Stimmungen und geistige Zustände zu beherrschen.
„Willst Du einen unerwünschten Schwingungsgrad beseitigen, so
setze das Prinzip der Polarität in Tätigkeit und konzentriere Dich auf den entgegengesetzten Pol dessen, was Du zu unterdrücken
wünschst. Töte das Unerwünschte ab, indem Du seine Polarität wechselst.“
Dies ist eine der wichtigsten hermetischen
Formeln. Sie beruht auf den wissenschaftlichen Prinzipien des „Kybalion“. Wir
haben Euch gezeigt, dass ein geistiger Zustand und sein Gegensatz lediglich
zwei Pole ein und derselben Sache sind, und dass die Polarität durch geistige
Verwandlung umgedreht werden kann. Dieses Prinzip ist den modernen Psychologen
bekannt, sie wenden es an, um unerwünschte Gewohnheiten zu brechen, indem sie
ihre Schüler veranlassen, sich auf die entgegengesetzte
Eigenschaft zu konzentrieren. Bist Du von Furcht besessen, so verschwende keine
Zeit, die Furcht abzutöten, sondern pflege statt dessen
die Eigenschaft des Mutes, und die Furcht wird verschwinden. Einige
Schriftsteller haben diesen Gedanken sehr treffend ausgedrückt, indem sie das
Beispiel eines dunklen Raumes benutzten: Du musst die Dunkelheit weder
herausschaufeln noch herausfegen, sondern Du brauchst nur die Läden zu öffnen und das Licht hineinzulassen,
damit die Dunkelheit verschwindet. Um eine negative Eigenschaft abzutöten,
konzentriere Dich auf den positiven Pol dieser Eigenschaft und die Schwingungen
werden sich allmählich vom Negativen ins Positive verwandeln, bis Du
schließlich auf dem positiven Pol polarisiert sein wirst, statt auf dem
negativen. Das Umgekehrte ist ebenfalls wahr, wie viele zu ihrem Kummer ersehen
haben, wenn sie sich erlaubt haben, zu lange auf dem negativen Pol der Dinge zu
schwingen. Durch Wechseln der Polarität kannst Du Deine Stimmungen meistern,
die Zustände Deines Geistes verändern, Deine Neigungen lenken und Deinen Charakter
aufbauen. Vieles von der geistigen Meisterschaft der fortgeschrittenen Hermetiker
muss man dieser Anwendung der Polarität zuschreiben, die einen der wichtigsten
Gesichtspunkte der geistigen Verwandlung darstellt. Denke an den früher
erwähnten hermetischen Grundsatz, welcher lautet:
„Geist kann (wie Metalle und Elemente) verwandelt werden, von
Zustand zu Zustand, von Grad zu Grad, von Pol zu Pol, von Schwingung zu
Schwingung.“
Die Beherrschung der Polarisation ist die
Meisterung der grundlegenden Prinzipien geistiger Transmutation
oder geistiger Alchimie, denn wer sich die Kunst, seine eigene Polarität zu
verwandeln, nicht erwirbt, ist unfähig, auf seine Umgebung eine Wirkung
auszuüben. Das Verständnis dieses Prinzips versetzt einen in die Lage, seine
eigene Polarität zu ändern sowie die anderer, wenn man die Zeit, Sorgfalt,
Studium und Übung darauf verwendet, die notwendig sind, diese Kunst zu lernen.
Das Prinzip ist richtig, aber das Resultat hängt ab von der unaufhörlichen
Geduld und Übung des Schülers.
„Rhythmus kann man neutralisieren, wenn man die Kunst der
Neutralisation anwendet.“
Wie wir in den vorhergehenden Kapiteln
erklärt haben, stehen die Hermetiker auf dem Standpunkt, dass das Prinzip des Rhythmus
sich sowohl auf der geistigen als auch auf der physischen Ebene offenbart und
dass die verwirrende Folge von Stimmungen, Gefühlen, Erregungen und anderer
geistiger Zustände von dem Rückwärts- und Vorwärtsschwingen des geistigen
Pendels herrührt, das uns von einem Gefühlsextrem zum andern trägt. Die
Hermetiker lehren auch, dass das Gesetz der Neutralisation einen in großem
Umfange befähigt, die Auswirkungen des Rhythmus bewusst zu beherrschen. Wie
wir auseinandersetzten, gibt es eine höhere Ebene des Bewusstseins, außer der
gewöhnlichen niedrigen, und der Meister, der sich geistig auf die höhere Ebene
erhebt, lässt den Schwung des geistigen
Pendels sich auf der niedrigeren Ebene auswirken und entgeht so dem bewussten
Rückwärtsschwingen. Dies geschieht durch Polarisation auf dem höheren Selbst,
wodurch die geistigen Schwingungen des Ego über die
gewöhnliche Ebene des Bewusstseins hinaus gesteigert werden. Es ist ebenso, als
ob man sich über einen Gegenstand erhöbe und ihn unter sich vorbeigehen ließe.
Der fortgeschrittene Hermetiker polarisiert sich selbst an den positiven Pol
seines Wesens - der mehr der „Ich-bin“ -Pol als der
seiner Persönlichkeit ist, und indem
er die Wirkung des Rhythmus „abwehrt“ und „verneint“, erhebt er sich über
dessen Ebene des Bewusstseins, steht fest auf seinem Standpunkt und lässt das Pendel auf der niedrigeren Ebene zurückschwingen, ohne seine Polarität zu ändern. Dies kann
erreicht werden durch alle Persönlichkeiten, die einen gewissen Grad von
Selbstbeherrschung erreicht haben, ganz gleich ob sie das Gesetz verstehen
oder nicht. Solche Menschen lassen sich durch das Pendel ihrer Stimmungen und
Erregungen einfach nicht zurückschwingen, bleiben an
dem positiven Pol polarisiert und beweisen
so ihre unerschütterliche Überlegenheit. Der Meister erreicht natürlich einen
viel höheren Grad von Fertigkeit, denn er versteht das Gesetz, das er mit
einem höheren Gesetz überwindet, und durch Anwendung seines Willens erreicht er
einen Grad von Gleichgewicht und geistiger Standfestigkeit, den diejenigen kaum
für möglich halten können, die sich von dem Pendel ihrer Stimmungen und Gefühle
hin- und herschwingen lassen.
Erinnert Euch aber stets, dass in
Wirklichkeit das Prinzip des Rhythmus nicht gestört wird, denn es ist unzerstörbar.
Man überwindet ein Gesetz lediglich dadurch, dass man es durch das Gegengewicht
eines anderen ausgleicht. Die Gesetze des Gleichgewichts und Gegengewichts
sind sowohl auf den geistigen als auch auf den physischen Ebenen in Wirksamkeit
und das Verständnis dieser Gesetze bringt einen in die Lage, die Gesetze
scheinbar außer Kraft zu setzen, während man nur ein Gegengewicht zur
Auswirkung bringt.
„Nichts entgeht dem Prinzip von Ursache und Wirkung, aber es
gibt viele Ebenen der Ursächlichkeit und man kann die Gesetze der höheren
verwenden, um die Gesetze der niedrigeren zu überwinden.“
Durch praktische Nutzanwendung der
Polarisation erheben sich die Hermetiker zu einer hohen Ebene der Ursächlichkeit
und schaffen so ein Gegengewicht gegen die Gesetze der niedrigeren Ebenen der
Ursächlichkeit. Indem sie sich über die Ebene der gewöhnlichen Ursachen
erheben, werden sie in gewissem Grade selbst Anlaß,
anstatt veranlasst zu werden. Dadurch, dass sie in der Lage sind, ihre eigenen
Gefühle und Stimmungen zu beherrschen, und dadurch, dass sie den Rhythmus
neutralisieren können, können sie einem großen Teil von Ursache und Wirkung auf
der gewöhnlichen Ebene entgehen. Die Massen der Menschen lassen sich tragen,
sie gehorchen ihrer Umgebung, dem Willen und den Wünschen anderer, die stärker
sind als sie, den Auswirkungen ererbter Tendenzen, den Einflüsterungen anderer
und anderen äußeren Ursachen, die sie wie Figuren auf dem Schachbrett des
Lebens hin- und herschieben. Die fortgeschrittenen Hermetiker suchen eine
höhere Ebene geistiger Tätigkeit auf, indem sie sich über diese einwirkenden
Ursachen erheben, ihre Stimmungen, Erregungen, Antriebe und Gefühle
beherrschen und sich so einen neuen Charakter, neue Eigenschaften und Kräfte
schaffen, wodurch sie ihre Umgebung überwinden. So werden sie Spieler statt
Figuren. Solche Personen tragen zu dem Spiel des Lebens verständnisvoll bei,
anstatt dass sie hin- und herbewegt werden durch stärkere Einflüsse, Kräfte und
Willensäußerungen. Sie benützen das Prinzip von Ursache und Wirkung, anstatt
ihm zu unterliegen. Natürlich sind selbst die am höchsten Stehenden diesem
Prinzip unterworfen, wenn es sich auf den höheren Ebenen auswirkt; aber auf
den niedrigeren Ebenen sind sie Meister anstatt Sklaven. Wie das „Kybalion“ sagt:
„Die Weisen dienen auf den höheren, aber herrschen auf den
niedrigeren Ebenen.“
Sie gehorchen den Gesetzen, die von oben
kommen, aber auf ihren eigenen Ebenen, und auf denen unter ihnen herrschen und
befehlen sie. Aber doch bilden sie dabei einen Teil des Prinzips, statt sich
ihm entgegenzustellen. Der Weise macht sich das Gesetz zueigen und indem er
seine Bewegungen versteht, bedient er sich seiner, anstatt sein Sklave zu sein.
So wie ein geschickter Schwimmer sich hier und dorthin wendet, wohin er will,
anstatt wie ein Klotz hin- und hergetragen zu werden - so ähnlich kann man den
Weisen mit dem Durchschnittsmenschen vergleichen und doch sind beide, der
Schwimmer und der Klotz. Der Weise und der Tor, dem Gesetz unterworfen. Wer das
wohl versteht, ist weit auf dem Wege zur Meisterschaft.
Zum Schluss wollen wir noch einmal Eure
Aufmerksamkeit auf den hermetischen Grundsatz lenken:
„Wahre hermetische Verwandlung ist geistiger Art.“
Mit diesem Grundsatz lehren die
Hermetiker, dass man die schwere Aufgabe der Beeinflussung seiner Umgebung nur
durch geistige Kraft lösen kann. Da das Universum vollständig geistig ist,
folgt daraus, dass es nur durch Geist beherrscht werden kann. In dieser
Wahrheit liegt die Erklärung aller Erscheinungen und Offenbarungen der verschiedenen
geistigen Kräfte, denen seit Anfang dieses Jahrhunderts so viel Aufmerksamkeit
und Studium gewidmet wird. Allen Lehren der verschiedenen Kulte und Schulen
liegt als konstante Größe stets das Prinzip der geistigen Substanz des Universums
zugrunde. Wenn das Universum seiner substantiellen Natur nach geistig ist, so
folgt daraus, dass geistige Transmutation die
Zustände und Erscheinungsformen des Universums ändern muss. Wenn das Universum
geistig ist, dann muss Geist die höchste Kraft sein, die seine Erscheinungen
beeinflusst. Wenn man dies recht versteht, so wird man alle so genannten Wunder
und Wundertaten als das ansehen, was sie sind:
„Das All ist Geist, das Universum ist geistig.“
„Kybalion“