NICHT BETEILIGT UND
DOCH BETROFFEN…
Ahmad von Denffer
Karikaturen beeindrucken mich wenig.
Sie spitzen zu.
Die Wahrheit ist hingegen komplex.
Sie entspricht nie ein paar Federstrichen.
Als Unbeteiligter möchte man
sich zurücklehnen und mit dem Bibelwort begnügen:
„Wer Wind sät, wird Sturm
ernten!“
Doch die Entwicklung ist
besorgniserregend. Nicht nur Gebäude wurden schon zerstört, sondern auch Menschen
getötet. Unmissverständlich gesagt: Friedlicher Protest ist erlaubt,
Gewaltanwendung nicht.
Der Koran lehrt Gerechtigkeit,
Mäßigung, Vergebung, nicht Ungerechtigkeit, Maßlosigkeit und Hass.
Die Meinungsfreiheit, heißt es, sei
das höchste Gut. Als geschichtsbewusster Deutscher weiß ich um die wirkliche Bedeutung
der Meinungsfreiheit. Hier in Deutschland haben schon zweimal menschenverachtende
Regime die Meinungsfreiheit brutalst unterdrückt –
das NS- und das SED-Regime.
Aber war davor Deutschland nicht
auch ein demokratischer Staat, und kannte nicht auch die Weimarer Verfassung
die Meinungsfreiheit? Und fand nicht gerade damals die übelste Hetze gegen
Minderheiten statt? Wurden nicht derart zahllose Menschen eingestimmt auf all
das, was sich anschloss? Wie weit ist der Abstand noch zwischen manchen
anti-jüdischen Karikaturen der Weimarer Zeit und manchen anti-muslimischen von
heute? Ein gutes Gesetz allein wendet Gefahren nicht ab, entscheidend ist, wes
Geistes Kind diejenigen sind, die sich der Gesetze bedienen.
„Hass-Prediger“ und perfide
Hetzer unter Politikern und Journalisten gibt es nicht nur im Nahen Osten und
in Dänemark, sondern auch mitten unter uns. Ich selbst erfuhr erst vergangene
Woche wieder, wie sie vorgehen. Ein Fernsehteam kam in die Moschee und wollte
ein Interview von mir, als Beitrag „zur
Entschärfung des Konflikts“. Darf man sich einem solchen Anliegen entziehen? Doch
die vielen sehr deutlichen Aussagen „zur Entschärfung des Konflikts“ wurden zusammengeschnitten. Nur ein einziger zusammenhangloser
Satz wurde gesendet. Immerhin betraf auch dieser „Gerechtigkeit“ für beide
Seiten. Doch statt dieses Bemühen um Ausgleich aufzugreifen, wurde unmittelbar
darauf eine abscheuliche Szene eingeblendet, aus einem arabischen Horrorfilm. Angebliche
Juden schlachten da ein Kind. Was hat das mit dem Islamischen Zentrum München
zu tun oder gar mit mir persönlich? Welcher Eindruck soll durch diese
Verknüpfung im Kopf des Zuschauers entstehen? Jeder weiß, dass ein Bild mehr
sagt als tausend Worte, vor allem aber weiß es der Journalist, der es einsetzt…
Wäre ich mein eigener
Urgroßvater, ich hätte den Verursacher dieser persönlichen Ehrabschneidung wohl
gefordert, dann jedoch festgestellt, dass er nicht einmal satisfaktionsfähig
ist. Nun lebe ich aber im 21. Jahrhundert und bin Muslim. Mir bleibt, mich an
den Koran zu halten. Darin heißt es - frei übersetzt:
„Die
wahren Diener des barmherzigen Gottes treten bescheiden auf, und wenn die
Unwissenden sie anpöbeln, sagen sie: Frieden!“ (25:63)
Sich daran zu orientieren, empfehle
ich jedermann. „Frieden“ heißt „salam“, und „Islam“ ist, wie schon der Name es
zum Ausdruck bringt, die Religion des Friedenmachens.
Das ändern weder Verleumdung noch Überreaktion. Ersparen wir einander also beides.