Der Kampf ums Öl

Netzeitung 01. Nov 15:38

 Die Politik in der Region um Afghanistan ist eine Politik um Pipelines. Noch sind die Oelvorkommen des Kaspischen Meeres nicht aufgeteilt, der Markt offen. Viele Staaten und
 Konzerne kämpfen dort um Einfluss.

 Von Kai Biermann

 
 In der Region rund um das Kaspische Meer lagern Erdöl- und Erdgas-Reserven, die zu den größten der Welt zählen. Noch ist nur ein kleiner Teil erschlossen, doch sollte die Förderung ausgebaut werden, könnten die Länder dort politisch und wirtschaftlich ebenso bedeutend werden wie es heute die Staaten am Persischen Golf sind. Das Kaspische Meer würde die zweite Hauptquelle für fossile Brennstoffe.

 Ein Problem verhindert jedoch bisher den wirtschaftlichen Aufschwung. Bisher gibt es keine
 politisch und wirtschaftlich sichere Möglichkeit, das Öl auf den Weltmarkt zu transportieren. Es gibt keinen direkten Zugang zu den Weltmeeren, alle bestehenden Röhren werden von Moskau kontrolliert, das für die Durchleitung hohe Gebühren erhebt. Jede bisher geplante Strecke birgt eigene Risiken, bei jeder gibt es gegensätzliche Interessen. Und jede führt durch
 mehrere Länder.

 Rangeln um den Marktzugang


 Aserbaidschan, Russland, Kasachstan, Turkmenistan und Iran grenzen an das
 Kaspische Meer. Zwei Endpunkte gibt es für das Öl und das Gas: die türkische Mittelmeerküste und das Arabische Meer vor Pakistan. Der Weg durch Iran ist zumindest den
 USA, dem mächtigsten Interessenten, versperrt. Iran und die USA sind seit vielen Jahren verfeindet, auch wenn es in den vergangenen beiden Jahren Zeichen für eine vorsichtige Annäherung gab.

 Seit Jahren kämpfen Ölgesellschaften und Staaten um die verschiedenen Routen. Russland hat in den ehemaligen Sowjetrepubliken viel an Einfluss verloren, die USA viel gewonnen. Aufgrund ihrer Bodenschätze wurden Staaten wie Turkmenistan oder Aserbaidschan zu eigenen politischen Faktoren.

 Antirussische Allianzen

 Es gibt die nordwestliche Route: Aserbaidschan - Georgien/Armenien - Türkei. Russland hat diese Pläne stets torpediert, Moskau fürchtet, seinen Einfluss auf die Entwicklung des Energiemarktes der Region zu verlieren.

 Die Türkei dagegen ist an der Strecke durch den Südkaukasus sehr interessiert, sie würde zum wichtigsten Transitland, auch für das Öl in Richtung Europa und könnte den russischen Einfluss zurückdrängen. Aserbaidschan hat eigene Interessen, es will nicht nur von Russland, sondern auch von der Türkei unabhängig sein und wendet sich den USA zu.

 Georgien, das kaum eigene Bodenschätze hat, hofft, mit den Transit-Gebühren für die Pipeline seine bittere Armut zu dämpfen. Außerdem würde auch Tiflis gern von Moskau unabhängig sein und versucht, mit Aserbaidschan zusammenzuarbeiten. Gemeinsam mit der Ukraine und Moldawien wird über eine kaukasische Allianz nachgedacht, die den russischen
 Einfluss in der Region minimieren soll.

 Amerikas Pläne

 Und es gibt Pläne für eine südöstliche Öl-Route:
 Turkmenistan - Afghanistan - Pakistan. Hauptinvestoren sind die saudi-arabische
 Delta-Oil und der amerikanische Konzern Unocal. Die Pipeline scheiterte bisher an der unsicheren Situation im Transitland Afghanistan, seit 1978 herrscht dort Krieg.

 Die Taliban galten den USA lange als Garant für Stabilität und wurden massiv unterstützt, weil sie einerseits gegen den russischen Einfluss stehen und andererseits andere islamistische Milizen an sich gebunden oder ins Exil gezwungen haben.

 Eine dritte Pipeline könnte durch Afghanistan zum Arabischen Meer führen und damit US-Unternehmen erlauben, die reichen Vorkommen in Kasachstan auszubeuten. Die amerikanische Ölfirma Chevron soll sich die Felder bereits durch Vorverträge gesichert
 haben.

 Neue Herrscher gesucht

 Ursprünglich gab es in der US-Regierung Pläne, die Taliban nach ihrem Sieg diplomatisch anzuerkennen. Die Anschläge vom 11. September haben diese jedoch endgültig zunichte gemacht.

 Nach einem Bericht der Friedrich-Ebert-Stiftung war die vor dem 11. September schon jahrzehntealte «auswärtige Einmischung in Afghanistan nicht mehr zu trennen vom Kampf um eine Gaspipeline von Turkmenistan durch das Bürgerkriegsland nach Pakistan».



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