Papst Johannes Paul II ermutigt
zum Gespräch über die "Spiritualität im Interreligiösen Dialogs"
Herr Kardinal
Arinze, liebe Brüder und Schwestern im
Herrn!
1. Mit großer
Freude begrüße ich alle Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Rats für
den Interreligiösen Dialog: »Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem
Vater, und dem Herrn Jesus Christus« (1 Kor 1,3).
Bei eurer
Versammlung beratet ihr über die Entwicklung des interreligiösen Dialogs in
einer Zeit, in der die gesamte Menschheit die erschütternden Ereignisse vom
vergangenen 11. September noch nicht überwunden hat. Es ist gesagt worden es
handle sich um einen regelrechtes Aufeinanderprallen von Religionen, aber, wie
ich bereits verschiedentlich betont habe, wäre dies eine Verfälschung der
Religion als solcher. Gläubige Menschen wissen, daß sie das Gute - keinesfalls
das Böse - anstreben sollen, die Linderung menschlichen Leids und den gemeinsamen
Aufbau einer gerechten und einträchtigen Welt.
Offene und vertrauensvolle Beziehungen fördern
2. Wenn es in der
internationalen Gemeinschaft unumgänglich ist, gute Beziehungen zwischen
Völkern unterschiedlicher ethnischer und religiöser Tradition zu fördern, dann
ist für die Gläubigen die Förderung von offenen und vertrauensvollen
Beziehungen, deren Ziel die gemeinsame Sorge für das Wohl der gesamten
menschlichen Familie ist, umso dringlicher.
In meinem
Apostolischen Schreiben Novo
milennio ineunte schrieb ich: »In der
Situation ei-nes immer ausgeprägteren kulturellen und religiösen Pluralismus,
wie man in der Gesellschaft des neuen Jahrtausends voraussehen kann, ist dieser
Dialog auch wichtig, um eine sichere Voraussetzung für den Frieden zu schaffen
und das düstere Gespenst der Religionskriege zu vertreiben, die viele Epochen
der Menschheitsgeschichte mit Blut überzogen haben. Der Name des einzigen
Gottes muß immer mehr zu dem werden, was er ist, ein Name des Friedens und ein
Gebot des Friedens« (55). ...
3. Seitens des H1. Stuhls ist es euer Rat, dem
seit seiner Gründung als »Sekretariat für Nichtchristen« durch meinen Vorgänger
Papst Paul VI. die besondere Aufgabe der Förderung des inter-religiösen Dialogs
anvertraut ist. Im Laufe der Jahre diente der Rat zur Förderung von Kontakten
mit den Verantwortlichen der verschiedenen Religionen im Geist stets tieferen
Einvernehmens und wachsender Zusammenarbeit, ein Geist. der beispielsweise während
des Interreligiösen Treffens hier im Vatikan im Vorfeld des Großen Jubiläums
klar ersichtlich war. Bei der Abschlußfeier dieses Treffens erinnerte ich an
eine wesentliche Aufgabe, vor der wir
stehen, nämlich zu zeigen, daß der Glaube
zum Frieden anspornt. die Solidarität und Gerechtigkeit fördert und die Freiheit
bewahrt (vgl. Ansprache beim Interreligiösen Treffen, Petersplatz, 28. Oktober
1999).
4.
Diese kurzen Anmerkungen mache ich im Hinblick auf das für eure Vollversammlung
gewählte Thema: »Die Spiritualität des Dialogs.« Eure Absicht ist es, über jene
geistige Inspiration nachzudenken, die diejenigen unterstützen soll, die
um den interreligiösen Dialog bemüht sind. Wenn wir Christen die in den
Schriften und vor allem in Jesus Christus geoffenbarte Natur Gottes betrachten,
erkennen wir in der Gemeinschaft des Vaters, des Sohnes und des Heiligen
Geistes das vollkommene und erhabene Vorbild für den Dialog unter den Menschen.
Die Offenbarung lehrt uns, daß der Dialog zwischen Gott und den Menschen nie unterbrochen
worden ist, ein Dialog, der das Alte Testament kennzeichnet und in jenen
letzten Tagen seinen Höhepunkt erreicht, in denen Gott unmittelbar durch seinen
Sohn zu uns spricht (vgl. Hebr 1,2). Im interreligiösen Dialog müssen wir folglich
die Mahnung des hl. Paulus beherzigen, der sagt: »Seid untereinander so
gesinnt, wie es dem Leben in Christus entspricht« (Phil 2,5). ...
5.
... Eine wahre Spiritualität des Dialogs muß solchen Situationen Rechnung
tragen und auch angesichts starker Widerstände oder mit dem Ausblick auf ein dürftiges
Ergebnis die Fortsetzung des Dialogs ausreichend motivieren.
...
Wenn es in der internationalen Gemeinschaft
unumgänglich ist gute Beziehungen zwischen Völkern unter-schiedlicher
ethnischer und religiöser Tradition zu fördern, dann ist für die Gläubigen die
Förderung von offenen und vertrauensvollen Beziehungen, deren Ziel die
gemeinsame Sorge für das Wohl der gesamten menschlichen Familie ist um so
dringlicher. Wir sind uns durchaus bewußt, daß der Friede nicht durch unsere
Initiativen verwirklicht werden kann...
(Orig. engl..
in: Osservatore Romano. 10.11.2001)