Im Namen Gottes, des Erbarmers des Barmherzigen

Und Friede und Segen sei auf Prophet Muhammad

OFFENER BRIEF AN SEINE HEILIGKEIT PAPST BENEDIKT XVI

Original:

http://www.duaatalislam.com/english_letter.htm

 http://www.islamicamagazine.com/online-analysis/open-letter-to-his-holiness-pope-benedict-xvi.html (hier nicht mehr zu finden)

Übersetzung: M.M.Hanel 10/2006

 

Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen

Und disputiert nicht mit dem Volk der Schrift; es sei denn auf beste Art und Weise ..

(Heiliger Qur’an, al-Ankabut, 29:46).

 

Eure Heiligkeit,

 

In Hinblick auf Eure Rede an der Universität Regensburg in Deutschland am 12. September 2006 hielten wir es im Geiste offenen Austausches für angebracht, Euer Zitat aus einer Debatte zwischen Kaiser Manuel II Paleologus und einem „gelehrten Perser“ zum Ausgangspunkt für einen Diskurs über das Verhältnis von Vernunft und Glaube zu wählen. Während wir Euren Bemühungen Applaus zollen, der Dominanz des Positivismus und Materialismus im menschlichen Leben Widerstand zu leisten, haben wir auf einige Irrtümer in Euren Darstellungen hinzuweisen, den Islam als Widerpart zu ordentlichem Gebrauch der Vernunft darzustellen. Gleiches gilt für einige Fehler in Euren Behauptungen, die Eure Argumentation untermauern sollten.

 

Da ist kein Zwang in der Religion

Eure Erwähnung, dass „gemäß den Experten“ der Vers, welcher mit den Worten beginnt, „es sei kein Zwang in der Religion“ (al-Baqarah 2:256) aus einer frühen Zeit stamme, in welcher der Prophet „noch machtlos und bedroht war“, ist nicht korrekt. Tatsache ist, dass dieser Vers jener Periode qur'anischer Offenbarungen zuzuordnen ist, welche den politischen und militärischen Aufstieg den jungen muslimischen Gemeinschaft kennzeichnen. "Es ist (sei) kein Zwang in der Religion" war keine Anordnung an die Muslime standfest zu bleiben, angesichts des Wunsches ihrer Unterdrücker, sie zur Verleugnung ihres Glaubens zu zwingen, sondern eine Erinnerung an die Muslime selbst, daß, wenn sie die Herrschaft erlangten, sie die Herzen anderer nicht zu glauben zwingen könnten.

"Es sei kein Zwang in der Religion" richtet sich an jene in einer Machtposition, nicht an jene in schwacher Lage. Die frühesten Kommentare (wie jene des Al-Tabari) machen klar, dass einige der Muslime in Medina ihre Kinder christlichen oder jüdischen Glaubens den Islam anzunehmen zwingen wollten. Dieser Vers war die gezielte Antwort an jene, nicht zu versuchen, ihre Kinder zu zwingen den Islam anzunehmen. Darüber hinaus werden die Muslime auch geleitet durch Verse wie: "Sprich, die Wahrheit ist von deinem Herrn; so wer immer es will, so lasst ihn glauben, und wer immer es will, belasset ihn dabei, nicht zu glauben" (al-Khaf 18:29); und, "Sprich: O Ihr Nichtglaubenden, ich diene nicht dem, dem ihr dient, und ich werde nicht Diener dessen sein, dem ihr dient und ihr werdet nicht Diener dessen sein, dem ich diene. Euch eure Religion, mir meine Religion." [al-Kafirun 1-6].

 

Gottes Transzendenz

Auch sagt Ihr, „für die moslemische Lehre hingegen ist Gott absolut transzendent“, eine Vereinfachung, welche in die Irre führen kann. Der Qur’an stellt fest, "Es gibt nichts, das Ihm entspricht" (al-Shura 42:11), er sagt aber auch, "Er ist das Licht der Himmel und der Erde" (al-Nur 24:35) und, "Wir sind ihm näher als die Halsschlagader" (Qaf 50:16); und, "Er ist der Erste, der Letzte, der Innere, und der Äußere" (al-Hadid 57:3); und, "Er ist bei dir wo immer du bist" (al-Hadid 57:4); und, "Wohin immer du dich wendest, Gottes Gesicht ist ebenda" (al-Baqqarah 2:115).

Lasset uns auch des Ausspruchs des Propheten gedenken, welcher überliefert, dass Gott sagt: „Wenn Ich ihn (den Anbetenden) liebe, bin Ich das Gehör durch das er hört, die Sicht durch die er sieht, die Hand, mit der er greift und der Fuß, mit dem er läuft.“ (Sahih al-Bukhari no. 6502, Kitab al-Riqaq)

In der islamischen spirituellen, theologischen und philosophischen Tradition ist der von Euch erwähnte Denker, Ibn Hazm (gest. 1069), eine würdige, aber eher marginale Figur, welcher der Zahiri Rechtsschule angehörte, der in der heutigen islamischen Welt niemand mehr folgt. Sucht jemand nach klassischen Formulierungen der Lehre der Transzendenz, so sind Persönlichkeiten wie al-Ghazali (gest. 1111) und viele andere weit einflussreicher und repräsentativer für den islamischen Glauben als Ibn Hazm.

Ihr erwähnt ein Argument, dass, weil der Kaiser „geprägt von Griechischer Philosophie“, die Idee, dass „Gott kein Gefallen am Blut hat“ ihm „selbstverständlich“ sei, wobei die muslimische Lehre über Gottes Transzendenz als das Gegenbeispiel angeführt wird.

Zu sagen, dass für Muslime „Gottes Wille nicht an irgendeine unserer Kategorien gebunden ist“, ist gleicher Weise eine Vereinfachung, die zu Missverständnis führen kann. Gott hat viele Namen im Islam, einschließlich des Gnadenreichen, des Gerechten, des Sehenden, des Hörenden, des Wissenden, des Liebenden, and des Freundlichen. Deren letztliches Aufgehen in Gottes Einheit und daß, "Niemand ist wie Er" (al-Ikhlas 112:4) hat die Muslime nicht dazu geführt, diese Selbst-Zuschreibungen Gottes Seiner Eigenschaften für Sich und (einige) Seiner Geschöpfe zu leugnen (den erwähnten Begriff „Kategorien“, vorerst beiseite lassend, da dieser einige Klarstellung im Kontext benötigte). Soweit es Seinen Willen betrifft, die Schlussfolgerung zu ziehen,  dass Muslime an einen willfährigen Gott glaubten, der uns Böses befehlen oder auch nicht befehlen könnte, hieße zu vergessen, dass Gott im Qur’an sagt, "Höre! Gott gebietet Gerechtigkeit und Güte und den Verwandten zu geben; und Er verbietet das Schändliche, das offenbar Schlechte und die Übertretung. Er ermahnt euch, dass ihr es beherzigt" (al-Nahl, 16:90). Ebenso bedeutete es zu vergessen, dass Gott im Qur’an sagt, "Er hat Sich selbst Barmherzigkeit vorgeschrieben" (al-An’am 6:12, siehe auch 6:54), und dass Gott im Qur’an sagt, "Meine Barmherzigkeit umfaßt alles" (al-A’raf 7:156). Das Wort für Barmherzigkeit, rahmah, kann auch mit "Liebe, Güte" und "Mitgefühl" übersetzt werden. Von diesem Wort rahmah stammt die, von den Muslimen täglich verwendete geheiligte Formel, "Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen".

Ist es nicht selbstverständlich, dass unschuldiges Blut zu vergießen, der Gnade und Barmherzigkeit Gottes entgegensteht?

 

Die Anwendung von Vernunft

Reich ist die islamische Tradition an Erforschung der Natur menschlicher Intelligenz und ihrer Beziehung zu Gottes Natur und Seinem Willen, einschließlich Fragen, die Offensichtliches wie auch nicht Augenscheinliches zum Inhalt haben. Allerdings besteht in islamischem Denken eine Gegensätzlichkeit zwischen „Vernunft“ auf der einen Seite und „Glauben“ auf der anderen Seite nicht in genau gleicher Art und Weise. Vielmehr sind Muslime mit den Fähigkeiten und Grenzen menschlicher Intelligenz auf eigene Weise zurechtgekommen, indem sie eine Abstufung des Wissens anerkennen, in welcher Vernunft eine entscheidende Position innehat. Zwei Extreme gibt es, welche die islamische intellektuelle Tradition ganz allgemein erfolgreich vermied: erstens, den analytischen Verstand zum letztlichen Richter über die Wahrheit zu setzen, und zweitens, menschlichem Verständnis die Fähigkeit abzusprechen, endgültige Fragen anzusprechen. Noch wichtiger ist, dass die Muslime in ihren ausgefeiltesten, aber auch den ganz allgemein anerkannten Formen intellektueller Forschungen über die Zeiten hinweg, den übereinstimmenden Gleichklang zwischen den Wahrheiten qur’anischer Offenbarungen und den Fragen der menschlichen Intelligenz bewahrten, ohne dabei das eine dem anderen zu opfern. Gott sagt, "Wir wollen ihnen Unsere Zeichen zeigen an den Horizonten und in ihnen selbst bis ihnen deutlich ist, dass es die Wahrheit ist" (Fussilat 41:53). Vernunft selbst ist eines unter vielen Zeichen in uns, über welche Gott uns nachzudenken einlädt, und die wir als einen Weg die Wahrheit zu erkennen, gebrauchen sollen.

 

Was ist „Heiliger Krieg“?

Wir möchten darauf hinweisen, dass „heiliger Krieg“ ein Begriff ist, der in islamischen Sprachen nicht existiert. Jihad, das muß betont werden, meint Anstrengung, und spezifisch Anstrengung auf dem Wege Gottes. Diese Anstrengung mag verschiedene Formen annehmen, einschließlich der Anwendung von Gewalt. Obwohl ein jihad möglicherweise heilig im Sinne der Ausrichtung auf ein heiliges Ideal sein kann, ist es nicht notwendigerweise ein „Krieg“. Darüber hinaus ist es erwähnenswert, dass Manuel II. Paleologus sagt, dass „Gewalt“ gegen Gottes Natur gerichtet sei, allzumal Christus selbst Gewalt gegen die Geldwechsler im Tempel übte, und sagte, „Glaubt nicht, dass ich gekommen sei, um den Frieden auf Erden zu bringen; ich kam nicht den Frieden zu bringen, sondern das Schwert …“ (Matthäus 10:34-36). Als Gott den Pharao ertränkte, richtete Er sich dabei gegen Seine eigene Natur?

Vielleicht wollte der Kaiser zum Ausdruck bringen, dass Grausamkeit, Brutalität und Aggression gegen den Willen Gottes seien, womit das klassische und traditionelle gesetzliche Recht zum Jihad vollständig erhärtet wäre.

Ihr sagt, „der Kaiser natürlich auch die im Koran niedergelegten – später entstandenen – Bestimmungen über den heiligen Krieg kannte“. Allerdings waren die erwähnten Bestimmungen, wie wir oben im Hinblick auf "Es gibt keinen Zwang im Glauben" dargelegt haben, überhaupt nicht späteren Datums. Vielmehr zeigen die Ansichten des Kaisers über gewaltvolle Konversionen, dass er die unverändert gleich gebliebenen und unverändert geltenden Bestimmungen nicht kannte.

Die verbindlichen und althergebrachten islamischen Kriegsbestimmungen können in folgenden Prinzipien zusammengefasst werden:

1. Am Kampf Nichtbeteiligte sind keine erlaubten oder legitimen Ziele. Dies wurde immer wieder ausdrücklich durch den Propheten, seine Gefährten und durch die überlieferte Lehre betont.

(Anm. des Übers. Siehe auch: Shaykh Muhammad Afifi al-Akiti - Fatwa gegen Angriffe auf Zivilisten "orthodoxer sunnitischer Standpunkt" - Amal Press 2005; Uebersetzung 8/2006: M.M. Hanel http://www.islamheute.ch/Afifi.pdf)

2. Religiöse Überzeugungen alleine machen aus niemanden ein Angriffsobjekt. Die ursprüngliche muslimische Gemeinschaft hatte gegen Heiden zu kämpfen, die sie (die Muslime; Anm. d. Übers.) darüber hinaus aus ihren Häusern vertrieben, verfolgt, gefolterten und ermordet hatten. Nach dieser Zeit waren die islamischen Eroberungen politischer Natur.

3. Muslime können und sollen mit ihren Nachbarn in Frieden leben. "Und wenn sie dem Frieden zuneigen, so neige auch du ihm zu; und lege dein Vertrauen in Gott" (al-Anfal 8:61). Dies schließt allerdings die legitime Selbstverteidigung und Aufrechterhaltung eigener Souveränität nicht aus.

Muslime sind in Gehorsam an diese Regeln genauso gebunden, wie sie von Diebstahl und Ehebruch abzustehen haben. Wenn eine Religion den Krieg regelt und Umstände beschreibt, wo dieser nötig und gerecht ist, macht dies diese Religion nicht kriegerisch, genauso wenig eine Regelung der Sexualität eine Religion lüstern macht. Wenn Einige die althergebrachte und gut etablierte Tradition zugunsten utopistischer Träume missachtet haben, in welchen der Zweck die Mittel rechtfertigt, dann haben sie dies aus eigenem Entscheid und ohne die Erlaubnis Gottes, Seines Propheten oder der gelehrten Tradition getan. Gott sagt im Heiligen Qur’an: "Lass nicht Hass gegen ein Volk dich zu Ungerechtigkeit verführen. Sei gerecht, dies ist näher zur Frömmigkeit" (al-Ma’idah 5:8). In diesem Zusammenhang müssen wir klar stellen, dass die Ermordung einer unschuldigen katholischen Nonne am 17. September in Somalia - und alle anderen ähnliche Handlungen unzulässiger individueller Gewalt – als Reaktion auf Euren Vortrag an der Regensburger Universität, völlig unislamisch ist und wir diese Handlungen vollumfänglich verurteilen.

 

Gewaltsam erzwungener Glaubensübertritt

Die Vorstellung, dass Muslimen befohlen sei, ihren Glauben „mit dem Schwert“ zu verbreiten oder dass Islam tatsächlich hauptsächlich „durch das Schwert“ verbreitet wurde, hält einer Untersuchung nicht stand. Tatsächlich breitete sich Islam als ein politisches Gesamtkonzept teilweise als Ergebnis territorialer Eroberung aus, allerdings erfolgte der größere Teil seiner Expansion als Ergebnis von Verkündigung und Missionstätigkeit. Islamische Lehre schrieb nicht vor, dass die eroberten Bevölkerungen durch Gewalt oder Zwang zum Übertritt gebracht werden sollte. Tatsächlich blieben viele der ersten von Muslimen eroberten Gebiete für Jahrhunderte vorwiegend nichtmuslimisch. Hätten Muslime angestrebt, andere durch Gewalt zu bekehren, gäbe es heute keine einzige Kirche oder Synagoge mehr irgendwo in der islamischen Welt. Das Gebot, "Es gibt keinen Zwang im Glauben" besagt heute, was es damals besagte. Nur die Tatsache,  dass eine Person Nicht-Muslim ist, war gemäß islamischem Recht oder Glauben niemals legitimer casus belli (Kriegsgrund). In gleicher Weise, wie dies für die Kriegsregelungen gilt, zeigt die Geschichte, dass einige Muslime islamische Vorschriften - gewaltsame Konversion und die Behandlung anderer religiöser Gemeinschaften betreffend - verletzt haben. Die Geschichte zeigt aber auch, dass diese Verstöße bei weitem die Ausnahme bildeten, welche die Regel bestätigen. Wir stimmen ausdrücklich zu, dass andere zu glauben zu zwingen - sollte so etwas überhaupt möglich sein – nichts Gott Gefallendes ist und Gott keinen Gefallen an Blut hat. Vielmehr glauben wir, und Muslime haben immer so geglaubt, daß, "wenn jemand einen Menschen tötet, ohne dass dieser einen Mord begangen hätte, oder ohne dass ein Unheil im Lande geschehen wäre, es so sein soll, als hätte er die ganze Menschheit getötet;" (al-Ma’idah 5:32).

 

Etwas Neues?

Ihr erwähnt des Kaisers Behauptung, dass „alles Neue“, welches durch den Propheten gebracht wurde, „böse und unmenschlich, wie sein ihm zugeschriebener Befehl den Glauben den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten“ sei. Was der Kaiser zu verstehen verfehlte – abgesehen von der (oben erwähnten) Tatsache, dass solch ein Befehl im Islam niemals existierte - ist, dass der Prophet nie beanspruchte etwas grundsätzlich Neues zu bringen. Gott sagt im Heiligen Qur’an, "Nichts anderes wird dir gesagt, als was schon den Gesandten vor dir gesagt wurde." (Fussilat 41:43), und, "Sprich: "Ich bin kein neuer Erfinder unter den Gesandten, und ich weiß nicht, was mit mir oder mit euch geschehen wird. Ich folge nur dem, was mir offenbart wird; und ich bin nur ein deutlicher Warner." (al-Ahqaf, 46:9). So ist der Glaube an den Einen Gott nicht das Eigentum irgendeiner religiösen Gemeinschaft.

Gemäß islamischer Überzeugung haben alle wahren Propheten die gleiche Wahrheit zu verschiedenen Völkern zu verschiedenen Zeiten gepredigt. Die Vorschreibungen mögen unterschiedlich sein, aber die Wahrheit ist unabänderlich.

 

„Die Experten“

An einem Punkt bezieht Ihr Euch auf nicht genauer bezeichnete „Experten“ (über Islam) und nennt auch zwei katholische Gelehrte mit Namen, Professor (Adel) Theodore Khoury und (Assoziierter/Außerordentlicher Professor) Roger Arnaldez. Es soll an dieser Stelle zu sagen reichen, dass, während viele Muslime anerkennen, dass es verständnisvolle Nicht-Muslime und Katholiken gibt, die wirklich als „Experten“ des Islam gelten können, unseres Wissens nach, Muslime doch die von Euch zitierten  „Experten“ weder als solche bestätigt, noch sie als die Muslime oder ihre Ansichten vertretend anerkannt haben. Am 25. September 2006 wiederholtet Ihr Eure bedeutende Erklärung in Köln vom 20. August 2005, wonach „interreligiöser und interkultureller Dialog zwischen Christen und Muslimen nicht reduziert werden kann zu einem optionalen Extra. Es ist tatsächlich eine vitale Notwendigkeit, von der zu einem großen Teil unsere Zukunft abhängt.“ Wenn wir auch darin mit Euch übereinstimmen, so scheint es uns doch, dass es ein großer Teil der Sache interreligiösen Dialoges ist, uns zu bemühen, den authentischen Stimmen jener zuzuhören und diese zu bedenken, mit welchen wir den Dialog führen und nicht nur jenen, die unserer eigenen Überzeugung entsprechen.

 

***

Christentum und Islam

Christentum und Islam sind die größte, bzw. zweitgrößte der Religionen der Welt und in der Geschichte. Gemäß Statistiken machen  Christen und Muslime je über ein Drittel, resp. über ein Fünftel der Menschheit aus. Zusammen bilden sie mehr als 55% der Weltbevölkerung, was die Beziehung zwischen diesen beiden religiösen Gemeinschaften zum wichtigsten Faktor eines Beitrages für einen verlässlichen Frieden in der Welt macht. Als Führer von über einer Milliarde Katholiken and moralisches Vorbild für viele andere im Erdenrund, ist Eure persönliche Stimme wohl die einflussreichste, um diese Beziehung in Richtung gegenseitigen Verständnisses zu bewegen. Wir teilen Euren Wunsch nach einem freimütigen und ehrlichen Dialog und anerkennen dessen Bedeutung in einer zunehmend vernetzten Welt. Über solch freien und aufrichtigen Dialog hoffen wir damit fortzufahren, friedliche und freundschaf­t­liche Beziehungen aufzubauen, begründet auf gegenseitigem Respekt, Gerechtigkeit, und - was im Wesentlichen unseren gemeinsamen Abrahamitischen Traditionen gleich ist, nämlich‚ den beiden „größten Geboten“ in Markus 12:29-31 (und, in etwas anderer Form, in Matthäus 22:37-40), dass, "der Herr unser Gott ist Ein Gott; / Und du sollst den Herrn deinen Gott lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzer Seele und deinem ganzen Verstand und deiner ganzen Kraft; dies ist das erste Gebot. / Und das zweite Gebot ist dem gleich, nämlich jenes, Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Es gibt kein anderes Gebot größer als diese."

Muslime schätzen daher die folgenden Worte des Zweiten Vatikanischen Konzils:

„Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime. Sie beten den alleinigen Gott an, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat. Sie mühen sich, auch seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gerne beruft. Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten, und sie ehren seine jungfräuliche Mutter Maria, die sie bisweilen auch in Frömmigkeit anrufen. Überdies erwarten sie den Tag des Gerichtes, an dem Gott alle Menschen auferweckt und ihnen vergilt. Deshalb legen sie Wert auf sittliche Lebenshaltung und verehren Gott besonders durch Gebet, Almosen und Fasten.“ (Nostra Aetate, 28. Oktober 1965)

Und in gleicher Weise die Worte Papst Johannes Paul II., für den viele Muslime großen Respekt und Wertschätzung empfanden:

„Wir Christen erkennen mit Freude die religiösen Werte, die wir mit dem Islam gemeinsam haben. Heute möchte ich gerne erwidern, was ich jungen Muslimen vor einigen Jahren in Casablanca sagte: „Wir glauben an den gleichen Gott, den einen Gott, den lebenden Gott, den Gott, der die Welt erschaffen hat und seine Geschöpfe zu ihrer Vollendung führt.““ (Insegnamenti, VIII/2, [1985], S. 497, gesprochen während einer Generalaudienz am 5. Mai 1999).

Ebenso begrüßten Muslime Euren präzedenzlosen persönlichen Ausdruck des Bedauerns und Eure Klarstellung und Versicherung (am 17. September,) dass Euer verwendetes Zitat nicht Eure persönliche Meinung wiedergibt, sowie die Bekräftigung des Kardinalsstaatssekretärs Tarcisio Bertone (am 16. September) im Konzilsdokument Nostra Aetate. Schließlich begrüßten Muslime, dass Ihr (am 25. September) vor versammelten Botschaftern muslimischer Länder „umfassenden und profunden Respekt für alle Muslime“ zum Ausdruck brachtet. Wir hoffen, dass wir alle die Fehler der Vergangenheit vermeiden und künftig zusammen in Frieden, gegenseitiger Akzeptanz und gegenseitigem Respekt leben werden.

 

Und alles Lob gebührt Gott, und keine Macht, noch Kraft außer mit Gott.

 

Unterzeichnet

(in alphabetischer Reihenfolge)

1. S.E. Allamah Abd Allah bin Mahfuz bin Bayyah

Professor, König Abd Al-Aziz Universität, Saudi-Arabien, ehem. Vizepräsident; Justizminister; Bildungsminister und Minister für Religiöse Angelegenheiten, Mauretanien

2. Professor Dr. Allamah Muhammad Sa‘id Ramadan Al-Buti

Dekan der Religionsabteilung, Universität von Damaskus, Syrien

3. Prof. Dr. Mustafa Çaĝrıcı

Großmufti von Istanbul

4. S.E. Shaykh Professor Dr. Mustafa Ceric

Großmufti und Vorsitzender der Ulema von Bosnien und Herzegowina

5. S.E. Shaykh Ravil Gainutdin

Großmufti von Russland

6. S.E. Shaykh Nedžad Grabus

Großmufti von Slowenien

7. Shaykh Al-Habib Ali Mashhour bin Muhammad bin Salim bin Hafeez

Imam der Tarim Moschee und Vorsitzender des Fatwa-Rates, Tarim, Jemen

8. ShaykhAl-Habib Umar bin Muhammad bin Salim bin Hafeez

Dekan, Dar Al-Mustafa, Tarim, Jemen

9. Professor Dr. Farouq Hamadah

Professor der Wissenschaften der Überlieferungen, Mohammad V Universität, Marokko

10. Shaykh Hamza Yusuf Hanson

Gründer und Direktor, Zaytuna Institut, California, USA

11. S.E. Shaykh Dr. Ahmad Badr Al-Din Hassoun

Großmufti der Republik Syrien

12. Dr. Shaykh Izz Al-Din Ibrahim

Berater für Kulturelle Angelegenheiten, Premierministerium, Vereinigte Arabische Emirate

13. S.E. Professor Dr. Omar Jah

Sekretär des Muslimischen Gelehrtenrates, Gambia, Professor für Islamische Zivilisation und Islamisches Denken, Universität von Gambia

14. Shaykh Al-Habib Ali Zain Al-Abideen Al-Jifri

Gründer und Direktor, Taba Institut, Vereinigte Arabische Emirate

15. S.E. Shaykh Professor Dr. Ali Jumu‘ah

Großmufti der Republik von Ägypten

16. Professor Dr. Abla Mohammed Kahlawi

Dekanin der Islamischen und Arabischen Studien, Al-Azhar Universität, (Frauenkollegium), Ägypten

17. Professor Dr. Mohammad Hashim Kamali

Dekan, Internationales Institut für Islamisches Denken und Islamische Zivilisation (ISTAC), Malaysia, Professor für Islamisches Gesetz und Rechtsprechung, Internationale Islamische Universität, Malaysia

18. Shaykh Nuh Ha Mim Keller

Scheich des Shadhili-Orden, Senior Fellow des Aal al-Bayt Instituts für Islamisches

Denken (Jordanien), U.S.A.

19. S.E. Shaykh Ahmad Al-Khalili

Großmufti des Sultanats von Oman

20. Shaykh Dr. Ahmad Kubaisi

Gründer der Ulema-Organisation, Irak

21. Allamah Shaykh Muhammad bin Muhammad Al-Mansouri

Hohe Autorität (Marja’) der Zeidi-Muslime, Jemen

22. Shaykh Abu Bakr Ahmad Al-Milibari

Generalsekretär der Ahl Al-Sunna Vereinigung, Indien

23. S.E. Dr. Moulay Abd Al-Kabir Al-Alawi Al-Mudghari

Generaldirektor der Bayt Mal Al-Qods Al Sharif Agency,ehem. Minister für Religiöse Angelegenheiten, Marokko

24. S.E. Shaykh Ahmad Hasyim Muzadi

Generalvorsitzender der Nahdat al-Ulema, Indonesien

25. S.E. Professor Dr. Seyyed Hossein Nasr

Universitätsprofessor für Islamische Studien, George Washington Universität,

Washington D.C., U.S.A.

26. S.E. Shaykh Sevki Omerbasic

Großmufti von Kroatien

27. S.E. Dr. Mohammad Abd Al-Ghaffar Al-Sharif

Generalsekretär des Ministeriums für Religiöse Angelegenheiten, Kuwait

28. Dr. Muhammad Alwani Al-Sharif

Vorsitzender der Europäischen Akademie für Islamische Kultur und Wissenschaften,

Brüssel, Belgien

29. Shaykh M. Iqbal Sullam

Stellvertr. Generalsekretär, Nahdat al-Ulema, Indonesien

30. Shaykh Dr. Tariq Sweidan

Generaldirektor des Risalah Satellitenkanals

31. Professor Dr. S.K.H. Prinz Ghazi bin Muhammad bin Talal

Vorsitzender des Vorstandes des Aal al-Bayt Institutes für Islamisches Denken, Jordanien

32. S.E. Ayotollah Muhammad Ali Taskhiri

Generalsekretär der Weltversammlung zur Annäherung Islamischer Schulen des Denkens (WAPIST), Iran

33. S.E. Shaykh Naim Trnava

Großmufti des Kosovo

34. S.E. Dr. Abd Al-Aziz Uthman Al-Tweijri

Generaldirektor der Islamischen Erziehungs-, Wissenschafts- und Kulturorganisation

(ISESCO), Marokko

35. S.H. Justice Mufti Muhammad Taqi Uthmani

Vizepräsident, Dar Al-Ulum, Karachi, Pakistan

36. S.E. Shaykh Muhammad Al-Sadiq Muhammad Yusuf

Großmufti von Usbekistan

37. Shaykh Abd Al-Hakim Murad Winter

Shaykh Zayed Lecturer für Islamische Studien, Divinity School,Universität Cambridge, U.K. Direktor des Muslim Academic Trust, U.K.

38. S.E. Shaykh Muamer Zukorli

Mufti des Sanjak, Bosnien