Bismillahi ar Rahmani
ar Rahim
WAS
HAT RELIGION MIT POLITIK ZU TUN?
Der
ISLAM schreibt den Glauben an einen Einzigen Gott vor = (Tauhid),
wird also als eine Religion bezeichnet.
Seine
Lehren bieten aber darüber hinaus auch Eckdaten für ein politisches
System, dessen Orientierung und Ausrichtung.
Das
arabische Wort, welches den ISLAM als ganzes definiert, =heißt DIN (nur -
aber doch entfernt verwandt zur deutschen Industrienorm :-)
Für
den Menschen, welcher sich zu diesem DIN ul ISLAM bekennt,
in Glaube und realem Gottesdienst, bzw. säkularer Denkweise und realitätsformender Politik, können die Begriffe
Religion und Politik nicht "singularisch" verstanden werden, sondern
nur als voneinander abhängig und ineinander verwoben, gleich zwei in
Andacht verschränkten Händen.
DIN ul ISLAM eine politische Religion oder
religiöse =Politik?
Alle,
auf dualistischem Denken gründenden Gesellschaftsformen, müssen sich
gesetzmäßig früher oder später in ihrem Schwerpunkt - EINSEITIG
in der Realität ausformen: nämlich, entweder als dominant
säkular oder sakral bestimmte Gesellschaftsform.
So
wie im, von Muslimen dominierten Gebieten jede äußere politische
Einmischung eher als politische Religion ("satanisch")
aufgefasst wird, so wird in Europa, als einem säkularen
Gesellschaftssystem, nicht nur der Islam (dieser allerdings in spezifischem
Maße), sondern grundsätzlich jede Religion, resp. die Einflussnahme
ins politische Geschehen derer Vertreter, eher als religiös(gefärbt)e
Politik erfahren. Somit als eine Einmischung in den eigenen politischen
Machtbereich.
Die
Reaktion darauf ist es, Religion als den "bösen
Bruder", als schlechte und negative Politik darzustellen (z.B. "Opium
fürs Volk" oder "terroristisch") oder eben
umgekehrt, die Politik als "teuflische Religion" ("Religion des Dajjal, des Antichrist" oder der "Kreuzzügler").
Damit
einhergehen Ende des 20. Jh. n. Chr. in der westlichen Welt permanent
kultivierte Vorstellungen sozialistischer Prägung, wie:
z.B.
-
Religion ist Opium für das Volk,
(dies
will sagen, dass Religion gefährlich ist, da es/sie abhängig macht,
den Blick für die (sozialistische) Wirklichkeit und Wahrheit verschleiert
und süße, jedoch irreführende Träume erzeugt.)
oder
-
für ein gedeihliches Entfalten der Politik bedarf es der absoluten
Trennung zwischen Religion und Politik
(dies
vielleicht, weil jede wahrhafte Religion die Entwicklung des Menschen, der
menschlichen Gesellschaft zuerst auf geistigem, geistlichem und friedlichem
Wege versucht? und stünde sie daher vielleicht nicht immer im Wege jenes Teils
der Gesellschaft, welcher sich eher politisch als religiös definiert und
die von ihm angestrebte Änderung im Sein des Menschen auf rein äußeren,
materiellen Wegen in Angriff nimmt?)
Das
ZENTRALE THEMA, die zentrale Frage in der islamischen UMMA =(Gemeinschaft)ist
jene um die und nach der Autorität und deren LEGITIMITÄT der
HERRSCHAFT.
Die
Autorität auf geistlichem, also religiösem bzw. =materiellem also
politischem Gebiet.
Kurz
gesagt, wer ist vor allen geeignet der IMAM, Führer und Hirte der Muslime
zu sein. (Hier stimme ich mal mit Bassam Tibis Formulierung überein.)
Die islamische
Autorität stützt sich auf das Wissen und Überzeugung um die
Göttlichkeit der Offenbarung, auf die Weisheit, dieses Wissen gemäß
göttlichem Auftrag anzuwenden und das Verständnis darüber: wann,
wo, welches Wissen wie anzuwenden ist.
Es
wird scheinbar von allen Seiten (mit jeglicher Art von Verrenkung) darauf
hingewiesen, dass die Religion, man meint heutzutage zuallererst den ISLAM, im
Verlauf ihrer Geschichte immer wieder als Legitimation für ungerechte Staatsherrschaft
herhalten musste und herhielt.
Daraus
wird gefolgert, dass die Religion (auch,
bzw. besonders der ISLA)M entpolitisiert werden müsse.
Zwei
Begründungen werden gegeben.
Erstens,
um den Glauben vor Missbrauch zu =schützen
Khalid Muhammad Khalid 1950: Kahuna =Islamiya/IslamischeTheokratie:
"Wir sollten uns bewusst
sein, dass die Religion so beschaffen sein muss, wie Gott sie gewollt hat:
Eine Prophezeiung, kein
Königreich, eine geistige Führung, keine Regierungsform, eine Lehre,
keine politische Herrschaft. Das Beste was wir tun können, um die Religion
unverfälscht und rein zu erhalten, ist, sie von der Politik zu trennen und
sie über diese zu stellen. Die Trennung zwischen Religion und Staat
trägt dazu bei, die Religion von den Unzulänglichkeiten und der
Willkür des Staates fernzuhalten."
(Nur nebenbei sei angemerkt, dass die selbe
Argumentation mit umgekehrten Vorzeichen von den Befürwortern der
Gegenseite verwendet werden (können.))
und
Zweitens
um die Gesellschaft vor Missbrauch, sprich Ausbeutung und Ungerechtigkeit zu
bewahren.
Dazu
will vermerkt sein:
1. Wahrer
Glaube erfährt, ja kann ausschließlich nur Schutz von seiner Quelle
erfahren.
Dies ist in allgemeiner Übereinstimmung, der Allmächtige, der Schöpfer,
Gott, ALLAH
2. Gesellschaftsverändernd wirken, konkrete, realpolitische Handlungen
und Unterlassungen.
Oder
sind Änderungen im konkreten technischen Verfahren des menschlichen
Umgangs miteinander umzusetzen (das besondere SEIN des Menschen, als
Geschöpf, inmitten all übriger Schöpfung, als zugrunde liegendes
Handlungsmotiv bewahrend) – denn nicht doch das probate Instrument der
Zeit?
Die
Trennung von Politik und Religion war und ist kein populärer Gedanke in
der islamischen Welt.
Im
Gegensatz zu bestimmten Religionen und säkularen Weltsichten zeichnet sich
der Islam durch eine ganzheitliche Weltsicht aus, in welcher Politik, Recht und
Spirituelles zu einer untrennbaren lebendigen Einheit in der Allmacht Gottes
verschmolzen sind. (Solches Denken sollte eigentlich einem Abendland, welches
der christlich-jüdischen Tradition verschrieben ist, nicht fremd sein?!)
Das
Leitprinzip dieser Totalität ist = Tauhid,
die Ein- und Einzigkeit Gottes, die dem Islam seine
unverwechselbare Prägung gibt, denn Tauhid
bedeutet, dass die Welt, und folglich auch das gesamte Leben der Muslime und in
weiterer Sicht alle Menschen und Schöpfung in einer ganzheitlichen Weise
durch die Einheit Gottes, der obersten, und einzig absoluten Autorität,
gelenkt werden.
Daraus
folgt, dass es für den Muslim eine=prinzipielle
Trennung von religiöser und politischer Autorität unter den Menschen
nicht geben kann.
AD
DIN AL ISLAM ist daher in Hinblick
auf das Thema - in islamischer Terminologie weder als sakrales noch
als säkulares System zu bezeichnen
und
-
in
der westlichen Terminologie als ein System, =welches sowohl den sakralen
wie auch säkularen Bereich umfasst.
Da wir
jedoch in der Sprache des Westens, der Sprache der Polarität und nicht der
Sprache der Einheit, des Tauhid argumentieren, fahren
wir fort und sagen, dass ein islamischer Herrscher (Imam oder Politiker,
König) seine Autorität als Führungskraft mit der Unterwerfung
unter das Gebot legitimiert, lediglich gemäß göttlichen Willens
zu handeln, der in der islamischen Offenbarung, dem Qur'an al Karim fixiert und
in der Sunna, den Gepflogenheiten des Propheten
Muhammad (der Friede und Segen Allahs auf ihm) beschrieben und bestätigt
ist.
Kein
islamischer politischer Herrscher kann deshalb die Autorität eines
Souveräns nach westlichem Politverständnis beanspruchen, nicht in der
Person eines einzelnen Herrschers und auch nicht als ganzes demokratisch
geeintes Volk (auch wenn die Geschichte muslimischer Gebiet oft anderes
suggeriert).
Gemäß
der islamischen Lehre ist der islamische Herrscher Instrument des
Göttlichen Willens, also nicht politischer Souverän, der
selbständig, handelt.
So wie nach demokratischer Auffassung der politische Herrscher Instrument des politischen
Wollens des Volkes ist.
Zwischen
Lehre und Wirklichkeit gab es jedoch zu allen Zeiten, in allen Völkern
meist eine große Kluft.
Angesichts
der Tatsache, dass es im Islam im Wesentlichen keine rein spirituelle
päpstliche Autorität gibt, die, wie in Europa bis zum
dreißigjährigen Krieg den Gehorsam der Könige gegen Gott
sozusagen überwacht, kontrolliert und ev. auch sanktioniert, waren die
islamischen Führer, Imame, Kalifen faktisch eben doch Souveräne und
zwar im Maße ihrer eigenen Ignoranz gegenüber den Bestimmungen Gottes,
und/oder der Ignoranz ihrer Feinde und/oder Anhänger diesbezüglich –
wenn man dies nur recht bedächte!
Die
Gefahr, die Willkür und die Wünsche der eigenen niederen Triebseele
als göttliches Gesetz zu präsentieren, wurde dem Menschen immer vom großen
Feind des Menschen, dem "verführenden Satan" verniedlicht.
Vielleicht
ist dies auch der Grund, warum seit jeher bis heute der MACHTKAMPF stets
religiös und niemals politisch (bzw. =ideologisch und nicht materiell)
begründet wird. Denn argumentiert man von religiösem Standpunkt aus,
den man a priori als superior
als jenen des Kontrahenten ansetzt, hat man keinerlei Autorität mehr über
sich, als die Gottes und nimmt für sich in Anspruch, keiner menschlichen Instanz
mehr Rechenschaft schuldig zu sein.
Die
islamische Ordnung kennt als Staatsbegriff nur das KALIFAT (als allgemeines
Führungsprinzip, welches somit nicht unbedingt die königgleiche
Machtausübung eines Individuums meinen muss, sondern durchaus auch
kollektiv ausgeübt werden kann – sind doch in übertragenem Sinnddie Kinder ADAMS, alle Menschheit also, zum Kalif
bestimmt).
Von
einem ganzheitlichen Sein ausgehend, (dem Tauhid, Gott
als Einziger absoluter Souverän)
fußt die islamische Lehre darauf, dass die weltliche Führung, das
Betragen der Menschen in allen Lebensbereichen mit den islamischen Vorschriften
in Einklang stehen muss, welche von der im Qur'an festgelegten Offenbarung niedergelegt sind.
Mit
anderen Worten muss die politische Legitimität im Islam durch die
religiöse Autorität, welche im Qur'an Ausdruck gefunden hat,
untermauert werden.
Erst im
20. Jh. n.Chr. denken Muslime über die Trennung von
Politik und Religion (nicht "Staat und Kirche") nach, indem sie den
neuen Bergriff DAULA (also "STAAT", den nun z.T.
nur mehr religiös verstandenen Begriff DIN (RELIGION, resp., der sich
herausgebildeten Vertretern des Sakralen, den im Islam eigentlich nicht
vorgesehen "Priesterschaft") gegenüberstellen.
Ein Resultat des polaren
westlichen Denkens, welches allerdings anstatt
- von der Einheit - durch die
Einheit - in die Einheit Gottes, -
in die Einseitigkeit führt.
Selbstverständlich
wird durch solche Entwicklung ein natürliches Verlangen nach einer
einheitlichen Weltsicht, einem ganzheitlichen Sein stimuliert.
In
deren Extremen ist dies einerseits an der Entwicklung und Propagierung der "Neuen Weltordnung" und
andererseits; dem weltweit keimenden und wachsenden - religiös begriffenen Extremismus, Fanatismus und Fundamentalismus
zu erkennen.
Ich
komme nun gleich zum Schluss und will an dieser Stelle einen Ausspruch des
Propheten Muhammads (der Friede und Segen Gottes auf ihm) zitieren, der in etwa
sagte:
"ISLAM ist der Weg der Mitte"
Den Weg
der Mitte beschreiten zu können verlangt, sowohl die extreme Linke (als
politischen Begriff verstanden), als die eher säkulare, politische, Gesellschaftsbewegende
(verändernde) Komponente, wie auch die extreme Rechte, als die eher
spirituelle, konservative, Gesellschaftsstabilisierende (bewahrende) Komponente
zu kennen (und entsprechend zu berücksichtigen), um beider konkreten
Wirklichkeitsbearbeitungen, also die aktive Umsetzung beider Extreme, zugunsten
des "geraden" Weges - des Weges der
und durch die Mitte - aufzugeben.
Dies
möchte ich heute als den religiösen
Auftrag des Islam und zugleich als die politische Herausforderung an die Muslime bezeichnen.
Ich
bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Hanel, 9.2.99
(leicht bearbeitet, 2008)
(Exkurs
nach Bassam.TIBI):
FUNDAMENTALISMUS:
Der
Fundamentalismus ist ein globales, nicht allein auf islamische Länder
beschränktes Phänomen, das im Kontext der sich verschärfenden
Krise unserer Welt am Ende des 20. Jahrhunderts steht. Der religiöse
Fundamentalismus aktualisiert in dieser Krisensituation Jahrhunderte alte
Konfliktpotentiale zwischen den Zivilisationen. Obwohl der islamische
Fundamentalismus diesbezüglich die sich am schnellsten ausbreitende
Variante darstellt, finden sich auch zahlreiche bedeutende Spielarten dieses
Phänomens in anderen Regionen und Religionen dieser Welt. So gibt es
jüdische und protestantische sowie Hindu- und Sikh-Fundamentalisten. Religiöser
Fundamentalismus ist ein Ausdruck der Politisierung von Religion in unserer
Gegenwart. In diesem Kontext wird die jeweilige religiöse Ideologie zum
Vehikel für die Artikulation von sozio-politischen,
ökonomischen und kulturellen Forderungen. Fundamentalistische Ideologien sprechen
auch und vor allem die Sinnkrise unserer turbulenten Zeit an, so dass diese
Erscheinung nicht allein auf die Rahmenbedingungen =der wirtschaftlichen
Verelendung zurückgeführt werden darf.
Grundsätzlich
ist der religiöse Fundamentalismus von der Moderne gleichermaßen
beeinflusst, wie er gegen sie gerichtet ist.
(Kommentar: nicht alles was Bassam
Tibi im Zusammenhang mit Religion sagt, ist aus der
Sicht islamischer Denkweise – willkürlich.)