PRESSEMITTEILUNG
Polizeiliche Durchsuchung Islamisches Zentrum am 14. April 2005
Zwar handelte es sich laut Durchsuchungsbeschluß
nicht um eine Maßnahme gegen das Islamische Zentrum, dennoch verschaffte sich
die Polizei heute gegen 06.00 am Morgen Zugang zu den Räumlichkeiten. Während
der fünfstündigen Aktion unter Beteiligung von ca. 40 Beamten wurden eine Fülle
von Unterlagen geprüft und einige wenige Aktenstücke sowie drei Computer zwecks
näherer Untersuchung sichergestellt.
Man will Unterlagen über Kontakte und Geldtransfers eines
Geschäftsmannes finden, gegen den der Verdacht der Geldwäsche besteht. Dieser,
so die Begründung, besuche häufig das Islamische Zentrum und stehe in ständigen
Geschäftsbeziehungen mit dortigen Verantwortlichen.
Manche der am Einsatz Beteiligten nutzten aber offensichtlich auch
die Gelegenheit zu anderen Zwecken. Warum sonst käme eine
Islamwissenschaftlerin zum Einsatz und sollte ein Kollege sich für diverse Bücher
und Zeitschriften interessieren, die offensichtlich nicht mit Geldwäsche in
Verbindung stehen können aber vielleicht Auskunft darüber geben, was man denn
im Islamischen Zentrum liest? Immerhin beschränkte der anwesende Staatsanwalt
die Beschlagnahme auf ein vernünftiges Maß.
Als gläubige, praktizierende Muslime haben wir keine Einwände
gegen gerechtfertigte, notwendige Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung oder
Wahrung der Sicherheit. Pressemeldungen zufolge ging die Polizei zur selben
Zeit aber an insgesamt 30 Orten "gegen Islamisten"
vor. Damit ist ein ganz anderes Stichwort gegeben. Als gläubige, praktizierende
Muslime protestieren wir dagegen, daß polizeiliche
Maßnahmen instrumentalisiert werden.
Wer sich berufen fühlt, von den Muslimen in Deutschland
Gesetzestreue und Integrationsbereitschaft zu fordern, muß
glaubwürdig sein. Glaubwürdig ist nicht, wer sich mittels eines Vorwandes
Zutritt zu Räumen und Dokumenten verschafft, die ihm nicht offen stehen, und
glaubwürdig ist nicht, wer derart die Privatsphäre von zahlreichen Menschen
verletzt, die weder unmittelbar noch mittelbar mit dem hier vorgegebenen
Ermittlungsfall in Verbindung stehen
PRESSEMITTEILUNG
Razzia in der Moschee - was ist der eigentliche Skandal?
Ahmad von Denffer
Dies ist ein etwas längerer Beitrag. Wer die Wahrheit wissen und
nachvollziehen will, muß sich die Mühe machen,
sorgfältig zu sein und in Ruhe zu lesen.
Die folgenden Zeilen handeln von mehr als einem Skandal.
"Sie kamen um sechs Uhr morgens .".
So oder so ähnlich begannen die Meldungen über die Polizeiaktion, von der am
Donnerstag den 14. April 2005 auch das Islamische Zentrum München betroffen
war. Was man im Anschluß daran bundesweit auf allen
Fernsehkanälen zu sehen, in den Rundfunknachrichten zu hören und in der Presse
zu lesen bekam, ist skandalös.
Die Tatsache, daß die Polizei unsere
Moschee durchsuchte, ist nicht der Skandal. Skandalös ist die Begründung, mit
der dies geschah, und skandalös ist die Darstellung der Medien. Nur knapp zwei
Stunden nach der Aktion hieß es bei "Spiegel online": "Zwei mutmaßliche
Terrorfinanziers gefaßt", dazu ein Bild von
Polizeiwagen und Polizisten vor unserer Moschee und die Bilderläuterung:
"Razzia in einem Islamischen Zentrum bei München: Zwei Festnahmen."
Anders gesagt: Im Islamischen Zentrum wurden zwei Terrorfinanziers
festgenommen. Das qualifizierende Wörtchen "mutmaßliche" steht zwar
aus Sicherheitsgründen da. Im Vergleich zu dem Ausdruck "Terrorfinanziers"
ist es aber kaum Einfluß darauf, welches Bild im Kopf
des Lesers entsteht. Die Folge aus dieser Verknüpfung von Informationsfragmenten, Halbwahrheiten und
Bildern ist die Meinung:
Das Islamische
Zentrum hat mit Terroristen zu tun.
Wäre dies der Fauxpas eines einzelnen Journalisten gewesen, könnte
man die ganze Angelegenheit stillschweigend hinnehmen. Aber das war nicht der Fall.
In ganz ähnlicher Weise bedienten sich die Medien bundesweit dieser Verknüpfung
von Informationsbruchstücken, Halbwahrheiten, unbewiesenen Behauptungen und
Bildern. Auf diese Weise verbreiteten sie dann in alle Wohnzimmer eine Botschaft,
deren Inhalt wir zwar schon lange kennen, die aber, um wirksam zu bleiben,
ständig wiederholt werden muß:
Irgend etwas hat der Islam am Ende wohl doch mit dem Terrorismus zu tun, denn
sonst würde man in den Moscheen ja keine Terrorfinanziers festnehmen können.
Und so bleibt schließlich in den Köpfen das Fazit übrig: "Islam =
Terrorismus."
Ja,
das ist ein Skandal, aber es ist nicht der einzige Skandal.
Zunächst hätte man annehmen können, hier wird ein Fernsehkrimi
gedreht. Am 14. April gegen sechs Uhr morgens stiegen mehr als vierzig
Polizisten aus zahlreichen Einsatzfahrzeugen und umstellten das Moscheegelände.
Die Beamten waren schwarz gekleidet, mit schußsicheren
Westen und bewaffnet mit großkalibrigen Pistolen. Ein Staatsanwalt begleitete die
Aktion und legte einen Beschluß des Amtsgerichts München
vor. Demzufolge handelte es sich überhaupt nicht um eine Maßnahme gegen die oschee, sondern um ein
Ermittlungsverfahren gegen einen ägyptischen Geschäftsmann wegen Geldwäsche.
Die schriftliche Begründung für den richterlichen Beschluß
legte mit einzelnen Beispielen dar, wie es zu dem Verdacht der Geldwäsche
gekommen ist. Dieser Mann habe hohe Geldbeträge bewegt, darunter viele Ein- und
Auszahlungen in bar. Aber das war nicht alles: "Vielmehr konnten zwischenzeitlich
mehrere Bargeldtransfers, die mit Hilfe von Kurieren getätigt wurden,
nachgewiesen werden."
An dieser Stelle der schriftlichen Begründung stößt man beim
aufmerksamen Lesen nun auf eine Merkwürdigkeit. Der unmittelbar folgende Satz
lautet:
"Die Verantwortlichen der einzelnen Moscheen sind aber nicht nur bloße
Geschäftspartner des Beschuldigten, sondern stehen mit diesem in persönlicher
und auch enger ideologischer Verbindung."
Nirgendwo vorher ist in dem richterlichen Beschluß
eine Moschee erwähnt, jetzt plötzlich ist davon gleich in der Mehrzahl die
Rede. Nirgendwo vorher ist in dem richterlichen Beschluß
von Geschäftspartnern des Beschuldigten die Rede, jetzt plötzlich sind es
"die Verantwortlichen der einzelnen Moscheen." Hier diente offenbar
ein anderes Dokument als Vorlage, um diese Begründung zusammenzustellen.
"Daher", so heißt es dann weiter, "besteht aufgrund des Vertrauensverhältnisses
der begründete Verdacht, dass X. in den genannten Räumlichkeiten auch Geschäftsunterlagen
lagert, um sie auf diese Weise etwa dem Zugriff der Behörden (insbesondere
natürlich der Finanzbehörden) zu entziehen. Dies ist durch die umfangreiche
Observation sowie die Auswertung der Telefonüberwachung belegt."
Nur am Rande bemerkt: Wer bislang noch so naiv war und meinte, das
Telefon des Islamischen Zentrums werde nicht überwacht, hat hier eine amtliche
Bestätigung des Gegenteils vor sich.
Im Klartext und bezogen auf unsere Moschee bedeutet das Ganze: Man
geht davon aus, daß der beschuldigte Geschäftsmann
mit Verantwortlichen in unserer Moschee Geschäfte getätigt hat und ihnen zudem
noch persönlich und "ideologisch" eng verbunden ist. Schließlich
heißt es in der Begründung noch: "Der Beschuldigte sich (sic!) häufig das
IZM auf und hat Kontakte zu führenden Verantwortlichen dieser Organisation, mit
welchen er auch in ständiger Geschäftsbeziehung steht."
Mit dem Kürzel "IZM" ist "Islamisches ZentrumMünchen" gemeint. Allerdings kommt auch dieses
Kürzel in dem richterlichen Beschluß vorher nicht vor
und dürfte deshalb ebenfalls aus einem anderen Dokument stammen. Der Hinweis
auf die behauptete "enge ideologische Verbindung" zwischen dem
Beschuldigten und den "Verantwortlichen" des IZM läßt
nur den Schluß zu, daß hier
eine Stelle zugearbeitet hat, die sich mit der Beobachtung
"ideologischer" Einstellungen von Menschen beschäftigt. Denn das ist
ja keine eigentliche Polizeiaufgabe und hat mit einem schlicht kriminellen
Delikt wie Geldwäsche an sich nichts zu tun.
Fassen wir also zunächst zusammen: Die Polizei ermittelt gegen
einen Geschäftsmann wegen Geldwäsche. Dieser Geschäftsmann soll einen
Verantwortlichen im Islamischen Zentrum München zum Geschäftspartner haben.
Dieser "Verantwortliche" wird darum als "Zeuge" in dem
Ermittlungsverfahren bezeichnet. Mit diesem "Zeugen" soll der
Geschäftsmann ein so enges persönliches und "ideologisches"
Vertrauensverhältnis haben, daß "der begründete Verdacht"
besteht, der besagte Geschäftsmann benutze das Islamische Zentrum München, um
dort Geschäftsunterlagen zu verstecken.
Folglich muß das Islamische Zentrum München
durchsucht und müssen diese Unterlagen dort gefunden und beschlagnahmt werden.
Darum genehmigt der zuständige Richter "ohne vorherige Anhörung - die
Durchsuchung der Wohnung, einschließlich sämtlicher Neben-, Geschäfts- und
Gebetsräume" des "Zeugen" im Islamischen Zentrum München. Am
Rande gesagt: Weder wohnt er dort, noch wurde seine Wohnung durchsucht. Es ging
ganz also offensichtlich allein um das Islamische Zentrum. Gesucht und
beschlagnahmt werden sollen:
"Sämtliche Unterlagen - auch EDV-mäßig
gespeichert, - die Aufschluß über - die von dem
Beschuldigten X. zum Transfer von Geldmitteln benutzten Wege und Stationen -
sowie dessen Geschäftskontakte geben können (insbesondere EDV-Anlagen, Mobiltelefone,
Telefonverzeichnisse, Geschäftsunterlagen, Kontounterlagen)."
Den Wahrheitsgehalt all dieser Anschuldigungen kann kein
Außenstehender überprüfen. Verhalten wir uns aber - im Gegensatz zu dem, was
mit uns geschieht - , nach dem Grundsatz: Wir gehen
davon aus, daß alles, was ein anderer sagt, die
Wahrheit ist, es sei denn, wir haben Beweise für das Gegenteil.
Nehmen wir also einfach einmal an, alles das, was in dem Beschluß des Münchner Ermittlungsrichters zu lesen ist,
ganz gleich, aus welcher Quelle es letztendlich stammt, ist alles wahr und
richtig und zutreffend: Woher kommt dann aber die Verbindung zum Terror? Wie
kommt "Spiegel online" zu der Schlagzeile "Zwei mutmaßliche
Terrorfinanziers gefaßt"? Ich habe den
vierseitigen richterlichen Beschluß mehrmals sorgfältig
gelesen. Es steht nichts von Terror, Terrorfinanzierung oder Verbindungen zu
Terroristen oder Terrorismus darin, absolut nichts. Weder wörtlich noch
indirekt ist davon die Rede.
Das
ist ein Skandal. Aber es ist nicht der eigentliche Skandal.
Es geht also schlicht und einfach um ein Ermittlungsverfahren
wegen Geldwäsche gegen einen Geschäftsmann. Nicht weniger, aber auch nicht mehr
hat der Richter genehmigt. Die Polizei, so zitiert sie indes der "Münchner
Merkur", macht darüber hinaus noch etwas ganz anderes. Sie erklärt im
Hinblick auf einen der beiden Verhafteten: "Wir untersuchen, ob der Mann Mitglieder
für den Dschihad angeworben hat." Und weiter:
"Wir brauchen ja erst einmal ein Delikt, weswegen wir ermitteln können, denn
niemand hat den Begriff ,Terrorist' auf die Stirn
geschrieben", sagt Jörg Beyser. Der Kriminaloberrat schließt nicht aus, daß die Kontakte des 47-Jährigen bis in die Kreise der Terroristen
vom 11. September reichen." Entsprechend war auch in der "Süddeutschen
Zeitung" zu lesen: "Weil den Ermittlern bislang haltbare Beweise
fehlten, lief die Aktion als Schlag
gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung."
Auch
das ist ein Skandal, aber nicht der eigentliche Skandal.
Im Klartext: Die Polizei bedient sich eines Verdachts der
Geldwäsche, der so weit begründbar ist, daß ein
Ermittlungsrichter eine Durchsuchung genehmigt, um dann einem
Terrorismusverdacht "bis hin in die Kreise der Terroristen vom 11.
September" nachzugehen, der eben nicht so weit begründbar ist, daß ein Ermittlungsrichter eine Durchsuchung genehmigt.
Niemand kann ungeprüft wissen, inwiefern ein derart schwerwiegender
Verdacht zutreffend ist. Insofern lässt sich jetzt dazu nichts abschließend
sagen. Aber wir sind mittlerweile in Deutschland so weit, daß
eine solch schwere Anschuldigung, obwohl von Seiten eines Richters als
unzureichend begründet abgelehnt, dazu genügt, daß
die Medien und die Öffentlichkeit es der Politik und der von ihr eingesetzten
Polizei durchgehen lassen, sich derart eines Vorwandes zu bedienen. Statt in
den Berichten darauf hinzuweisen, daß die Justiz in
keiner Weise von Verbindungen zum Terrorismus gesprochen hat, werden die
unbewiesenen Anschuldigungen durch die Polizei als quasi Wahrheiten weiter
verbreitet.
Das
ist ein weiterer Skandal, aber auch das ist nicht der eigentliche Skandal.
Woher also die ganze Terrorismusgeschichte und der Zusammenhang
mit unserer Moschee? Hierüber gab die Presse am nächsten Tag noch nähere
Auskunft. Selbst die als seriös geltende "Süddeutsche Zeitung"
bediente sich eines manipulierenden Satzbaus, mit dessen Hilfe im Kopf des
Lesers das gewünschte Bild entsteht: "In München - hier waren auch die
Moscheen in der Landwehrstraße und in Freimann betroffen - nahm die Polizei den
43-jährigen Tunesier Abdellatif T. und den 47-jährigen
Ägypter Abdel-Raouf R. fest."
Natürlich hat der Autor damit nur gesagt, daß
in München zwei Personen festgenommen wurden. Aber kaum ein Leser wird sich der
suggestiven Kraft des eingeschobenen Hinweises auf die beiden Moscheen entziehen
können. Wer in dieser Kürze und Zusammenstellung davon liest, das zwei Moscheen
durchsucht und zwei Personen verhaftet wurden, kommt unwillkürlich zu der
Ansicht, daß die beiden Personen in den beiden
Moscheen oder in einer der beiden festgenommen wurden. In Wahrheit wurde aber
niemand in einer Moschee festgenommen, in keiner Moschee. Nur das Bild unserer
Moschee wurde immer dann gezeigt, wenn von den Festnahmen die Rede war. Das ist
gleichfalls ein Skandal, aber nicht der eigentliche Skandal.
Was den anderen Verhafteten betrifft, weiß die Presse, ebenfalls
nicht aufgrund eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses sondern aufgrund
von Polizeiinformationen, zu berichten: "Der zweite Festgenommene, der
43-jährige Tunesier, war von einem Gericht in seiner Heimat zu elf Jahren Haft
verurteilt worden, weil er in Tunesien Terroranschläge verübt hat."
Auch in diesem Fall kann niemand ungeprüft wissen, inwiefern eine
derart schwerwiegende Anschuldigung zutreffend ist. Insofern läßt sich auch dazu jetzt nichts abschließend sagen. Aber
wie ist es möglich, daß dieser Mann, statt seine
Strafe abzusitzen, nach Deutschland gekommen ist, hier geschäftlich tätig werden
konnte und "einen hohen sechsstelligen Betrag" an Steuern hinterzogen
haben soll? Handelt es sich dabei am Ende um eine der zahlreichen Personen, die
in Tunesien des Terrorismus beschuldigt wurden, deren Fälle vor Militärgerichte
kamen, die in Abwesenheit verurteilt wurden und die in Deutschland politisches Asyl
erhielten, weil die tunesische Militärgerichtsbarkeit den deutschen
Vorstellungen von Rechtsstaatlichkeit nicht entspricht?
Das
wäre ein Skandal, aber nicht der eigentliche Skandal.
Dafür, daß diese Version zunächst einmal
aber nicht auszuschließen ist, spricht zumindest der Hinweis:
"Der Mann soll mit dem Geld die Organisation Al-Nahda
unterstützt haben." In der "Süddeutschen Zeitung" heißt es noch
konkreter: "Insbesondere sollen, so Staatsschutz-Ermittler Jörg Beyser, Angehörige von inhaftierten Terroristen finanziert
worden sein." Hat der Mann vielleicht Geld nach Tunesien gebracht, dann natürlich
heimlich, für Frauen und Kinder, die hilflos und mittellos sind, weil ihre
Männer, von den Machthabern des Terrorismus beschuldigt, gefoltert wurden und
von Militärgerichten verurteilt in Gefängnissen umgekommen sind oder dort noch
immer einsitzen? Ein guter Journalist dürfte keine Schwierigkeiten haben dies
zu überprüfen, sofern er daran interessiert ist, die Wahrheit herauszufinden und
zu berichten, und falls er einen Tip benötigt, wo er
mit seiner Recherche anfangen soll: Möglicherweise kann ja "amnesty
international" zu dem Fall Al-Nahda in Tunesien
ein bißchen mehr sagen als die Münchner Polizei.
Und am Rande bemerkt: Offenbar war der am Morgen verhaftete Tunesier
am Abend schon wieder auf freiem Fuß und hat am nächsten Tag in aller Ruhe sein
Freitagsgebet in einer Moschee verrichtet. Warum haben die Medien das nicht
aufgegriffen sondern verschwiegen?
Auch
das ist ein Skandal, aber nicht der eigentliche Skandal.
Wer die im allgemeinen seltene
Gelegenheit hat, bei einer polizeilichen Durchsuchung anwesend zu sein, darf
beobachten. Im Falle der Aktion in unserer Moschee war das nicht immer und
überall möglich. Denn die Durchsuchung fand gleichzeitig in verschiedenen Räumlichkeiten
statt, und die wenigen anwesenden Mitarbeiter des Islamischen Zentrums konnten
nicht gleichzeitig in allen Räumen sein. Immerhin aber gewann man einen
Eindruck davon, wie in diesem Fall vorgegangen wurde. Die ungewöhnlichen
Moscheebesucher hatten offensichtlich drei verschiedene Aufgaben, die an ihrem
Auftreten und ihrer Vorgehensweise erkennbar wurden.
Die uniformierten, bewaffneten Polizisten dienten allein zur
Machtdemonstration und zur Einschüchterung der wenigen anwesenden Muslime, denn
um sechs Uhr morgens war die Moschee nahezu leer. Es gab keine Menschenmassen,
die man mit bewaffneten Sondereinsatzkräften hätte unter Kontrolle halten müssen.
Für eine Steuerfahndungsmaßnahme hätte es genügt, zwei Beamte zu schicken, die
sich zur Prüfung unserer Unterlagen in unser Büro hätten setzen können. Die
Polizisten haben sich indes korrekt verhalten. Sie sorgten auch dafür, daß sich die vor der Moschee ansammelnden Journalisten
nicht auf das Moscheegelände kamen. Natürlich liefen sie mit Schuhen auch durch
den Gebetsraum, aber zumindest Hunde hatten sie nicht dabei.
Die Beamten in Zivil führten die eigentliche Durchsuchung aus. Zu
diesem Zweck begaben sie sich mit jeweils mehreren Personen in alle Räume, die
Büros, den Vortragsraum, den Gebetsraum, die Kellerräume und das Wohnheim, und
nahmen dort praktisch jeden Gegenstand in die Hand. Dabei befaßten
sie sich erkennbar mit zweierlei. Eine Anzahl von ihnen waren offensichtlich
Kriminalpolizisten, die zielstrebig nach Geschäftsunterlagen Ausschau hielten.
Sie suchten nach Kontoauszügen, Bestellungen, Rechnungen, Buch-führungsunterlagen
u.ä. Einige andere interessierten sich dafür in keinster Weise, sondern waren allein damit beschäftigt, zu
sichten, was an Büchern, Zeitschriften, Veranstaltungsprogrammen, Briefen
anderer muslimischer Einrichtungen usw. vorhanden war. Einmal konnte man hören,
daß sie einander fragten: Is
nix von Al-Aqsa dabei? Al-Aqsa
ist bekanntlich der Name der mittlerweile verbotenen
palästinensischen Hilfsorganisation, und offenbar hätte es als Erfolg gegolten,
wenn im Islamischen Zentrum ein Hinweis darauf zu finden gewesen wäre, dass es,
wenn auch nur in der Vergangenheit, vielleicht einmal Kontakte gegeben hätte.
Aber scheinbar war "nix" von Al-Aqsa dabei.
Auch die Schulbücher, die bei unserem Kinderunterricht am
Wochenende Verwendung finden, wollten diese Herrschaften gern mitnehmen, und
man kann sich vorstellen, weshalb. Dazu kam es dann aber am Ende nicht, wie
auch bei einem ganzen Stoß anderen Materials, das sie sich schon zurechtgelegt
hatten. Denn eine deutsche Polizei-Mitarbeiterin mit Arabischkenntnissen, die
Dolmetscherin und auch Islamwissenschaftlerin genannt wurde, mußte dem anwesenden Staatsanwalt die einzelnen Stücke erläutern,
und der Staatsanwalt verhielt sich korrekt. Er wies alles ab, bei dem
offensichtlich kein Bezug zur Ermittlung des Geldwäschefalls bestehen konnte.
Selbst der betonte Hinweis der Islamwissenschaftlerin, auf einem Blatt stehe
doch der Name von Scheich al-Qardawi, beeindruckte
ihn nicht. Auch dieses Blatt blieb unbeschlagnahmt zurück.
Gegen Ende der Aktion bewirteten wir unsere Besucher mit Kaffee
und erhielten schließlich den "Durchsuchungs- und
Sicherstellungsbericht." Demnach hatte die ganze Maßnahme über fünf
Stunden gedauert, von 06.00 bis 11.15 Uhr. Beschlagnahmt wurden nach diesem
Bericht: Vier Aktenordner, zwei Seiten Notizen, eine Diskette, eine CD, drei
Videokassetten "arab. Aufschrift", zwei
Quittungsblöcke, zwei "Bestandslisten" (was immer das sein soll),
zwei Kontoauszüge, drei Computer und 380 MB auf polizeilichen Datenträger
gespeichert.
Zumindest auf den ersten Blick scheint das Ergebnis also eher
etwas mager für einen fünfstündigen Einsatz von über vierzig Beamten. Aber es
ist verständlich, daß man ohne genauere Prüfung nicht
beurteilen kann, was im Einzelnen diese Aktenordner und Computer aus unserem
Islamischen Zentrum beinhalten. Deshalb hat die Polizei diese zur genaueren
Untersuchung mitgenommen.
Woher aber stammen die "stapelweise CDs, Goldschmuck, ein
Laptop, und jede Menge Bücher und Schriften" die beschlagnahmt wurden, von
denen in der Zeitung zu lesen war? Woher die "Kassetten und CDs mit Hassbriefen",
von denen "Spiegel online" berichtete?
Woher die "fast eine Million Tonträger"?
Woher
die "?50 000 Bargeld"? (So viel haben wir nicht einmal auf unserem
Bankkonto, geschweige denn in der Barkasse!)
Und vor allem, wo wurde jemand verhaftet, ganz gleich ob mutmaßlicher
Terror-Finanzier oder nicht, wo?
All das hat im Islamischen Zentrum München, in unserer Moschee,
nicht stattgefunden. Aber die Medien zeigten bei nahezu allen Meldungen das
Bild unserer Moschee dazu, die Fernsehkameras schwenkten auf das Schild an der
Bushaltestelle, auf dem groß "Islamisches Zentrum München" steht und
dann auf die zahlreichen schwarzgekleideten
bewaffneten Polizisten, die rund um die Moschee zu sehen waren.
Das
ist ein Skandal, aber nicht der eigentliche Skandal.
Und dann meldete sich Bayerns Innenminister stolz zu Wort,
dahingehend zitiert, er werte die Aktion als "weiteren Beleg für die
Entschlossenheit im Vorgehen gegen islamistische
Extremisten." Der Druck auf sie werde erhöht. Man werde alle Mittel des Ausländerrechts
nutzen, "um Top-Gefährder und Hassprediger so
schnell wie möglich außer Landes zu bringen."
Er läßt damit erkennen, daß die ganze Aktion, wenn nicht allein, dann doch auch mit
Sicherheit ein Signal sein sollte. Einerseits ein Signal an die Öffentlichkeit:
Wir, die Regierenden, haben alles unter Kontrolle. Und wir werden alle zur
Verfügung stehenden Mittel nutzen, um unsere Sicht der Dinge durchzusetzen. Wer
Terrorist ist, bestimmen wir! Wer Extremist ist, bestimmen wir! Und wer Islamist ist, bestimmen auch wir! Und andererseits ein
Signal an die Muslime: Wagt euch nicht, in die Moscheen zu gehen, denn wir
betreten jede Moschee, wann immer wir wollen, und beschlagnahmen dort, was
immer wir wollen und beschaffen uns dort jedwede Information, die wir wollen!
Auch
das ist ein Skandal, aber noch immer nicht der eigentliche Skandal.
Und wir Muslime? Die Aktion in München vom 14. April 2005 ist
nicht das erste Signal dieser Art.
Schon fast routinemäßig finden ja praktisch monatlich irgendwo in Deutschland
derartige Überfälle auf Moscheen statt. In diesem Sinn hieß auch die Schlagzeile
in "Die Welt": "Weiter Anti-Terror-Kampf in Deutschland:
Großrazzia gegen mutmaßliche Geldgeber." Und jedesmal
verkünden die Politiker, die das zu verantworten haben, es handele sich dabei
um ein Signal. Dabei haben wir es doch schon längst verstanden, dieses Signal.
Es lautet: Mißbrauch von Teilen der Justiz und der
Polizei durch die Staatsgewalt ist praktisch
und möglich! Auch das ist ein Skandal, aber was ist der eigentliche Skandal?
Als gläubige, praktizierende Muslime haben wir keine Einwände
gegen gerechtfertigte, notwendige Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung oder
Wahrung der Sicherheit. Den Pressemeldungen zufolge ging aber die Polizei zur
selben Zeit an insgesamt 30 Orten, davon fünf Moscheen, "gegen Islamisten" vor. Damit ist ein ganz anderes Stichwort gegeben,
nämlich das der politischen Auseinandersetzung mit dem Islam. Als gläubige,
praktizierende Muslime protestieren wir dagegen, daß
polizeiliche Maßnahmen instrumentalisiert werden. Wer sich berufen fühlt, von
den Muslimen in Deutschland Gesetzestreue und Integrationsbereitschaft zu
fordern, muß glaubwürdig sein. Glaubwürdig ist nicht,
wer sich mittels eines Vorwandes Zutritt zu Räumen, Dokumenten und
Informationen verschafft, die ihm nicht offenstehen,
und glaubwürdig ist nicht, wer
derart die Privatsphäre von zahlreichen Menschen verletzt, die weder
unmittelbar noch mittelbar mit dem hier vorgegebenen Ermittlungsfall in
Verbindung stehen.
Wer so handelt, sägt an dem Ast, auf dem er sitzt, und Hochmut, so
heißt es in dem alten Sprichwort, Hochmut kommt vor dem Fall. Eine
Gesellschaft, die so etwas hinnimmt und dagegen nicht einschreitet, eine Gesellschaft,
die einen solchen Machtmißbrauch duldet und sich
derartiger Medienmanipulation nicht widersetzt, eine solche Gesellschaft muß unweigerlich mit in den Abgrund fallen.
Daß niemand dem entgegentritt, das ist der eigentliche
Skandal.
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