Bismillahi ar Rahmani ar
Rahim
WAS
HAT RELIGION MIT POLITIK ZU TUN?
Der ISLAM schreibt den Glauben an einen
Einzigen anbetungswürdigen Gott vor (Tauhid).
Darüber hinaus bietet der Islam nicht nur Eckdaten für ein politisches oder
soziales System, d.h. für eine Ordnung im weltlichen Diesseits, dessen
Orientierung und Ausrichtung, sondern wird von Muslimen als komplexes Regelwerk
in Bezug auf diesseitige und jenseitige Angelegenheiten erachtet..
Das arabische Wort, welches den ISLAM als ganzes
definiert, heißt DIN.
Das arabische Wort Din ("Religion") ist
verwandt mit dem Wort dain
("schulden", gebildet aus der Wortwurzel dana). Din bezeichnet sinngemäß das,
was der Mensch Gott, sich selbst und der Schöpfung insgesamt schuldet. Nach
islamischer Ansicht ist damit eine ethisch verantwortliche Lebensweise gemeint,
die alle Lebensäußerungen umfasst und vor diesem Hintergrund die Beziehungen
des Menschen ordnet, nämlich zu seinem Schöpfer, sich selbst, seinen
Mitmenschen, den Geschöpfen und zur Schöpfung insgesamt. Din bezeichnet somit ein System
gegenseitiger Verpflichtungen, sowohl zwischen Mensch und Gott als auch
zwischen den Menschen untereinander.
Für den Menschen, welcher sich zu diesem DIN ul ISLAM bekennt, in Glaube und dessen realer Umsetzung, (bzw.
in säkularer Terminologie: Ideologie und realitätsformendem
politischem Handeln) können die Begriffe Religion und Politik nicht von
einander getrennt verstanden werden, sondern nur als voneinander abhängig und
ineinander verwobene, in Begrifflichkeit gefasste Inhalte - gleich zwei ineinander
andächtig verschränkte Hände.
DIN ul ISLAM eine politische Religion oder
religiöse Politik?
Alle, auf dualistischem Denken gründenden
Gesellschaftsformen, müssen sich gesetzmäßig früher oder später in ihrem
Schwerpunkt - EINSEITIG in der Realität ausformen – nämlich entweder
als dominant säkular oder dominant sakral bestimmte Gesellschaftsform.
So wie in den heutigen, eher religiös ausgerichteten
muslimischen Gebieten jede „politische“ Einmischung eher als „politische
Religion“ (satanisch) aufgefasst wird, so wird im Westen, als einem Gebiet
säkularer Gesellschaftssysteme, nicht nur der Islam (dieser allerdings in
spezifischem Maße), sondern grundsätzlich jede Religion, eher als „religiöse
Politik“ erfahren. Somit als eine Einmischung in den eigenen politischen
Macht- und Entfaltungsbereich.
Die Reaktion darauf ist es, Religion als den
"bösen Bruder", als schlechte und negative Politik darzustellen oder
eben umgekehrt, die Politik als "teuflische Religion" –
("Religion des Dajjal, des Antichrist").
Damit gehen Ende des 20. Jh. n. Chr. in der
westlichen Welt permanent kultivierte Vorstellungen, im Grunde sozialistischer
Prägung einher, wie: z.B.
- Religion ist Opium für das Volk, Religion
unterdrücke und versklave die Menschen (besonders die Frau?!)
Damit will zum Ausdruck gebracht werden, dass
Religion gefährlich ist, da sie abhängig mache, den Blick für die
(sozialistische, materialistische, nihilistische) Wirklichkeit und Wahrheit
verschleiere und bestenfalls süße, jedoch irreführende Träume und Illusionen
erzeuge.)
oder eher kapitalistischer Prägung:
- für ein gedeihliches Entfalten der Politik bedarf
es der absoluten Trennung zwischen Religion und Politik – und damit ein Entfalten der Machbarkeit.
(Dies vielleicht deshalb, weil jede wahrhafte
Religion die Entwicklung des Menschen, der menschlichen Gesellschaft zuerst auf
geistigem, geistlichem und friedlichem Wege versucht und nicht auf materiellem?
– und stünde sie damit vielleicht nicht immer
im Wege jener gesellschaftlichen Kräfte, welcher sich eher politisch als
religiös definieren und die angestrebten Änderung im Sein des Menschen auf
äußeren, materiellen Wegen in Angriff nehmen?)
Umgekehrt wird in der muslimischen Welt
„freiheitliche Politik“, die Aufwertung der Individualität als satanische
Einführung von Amoralität und Zügellosigkeit oder als bidat,
unzulässige Neuerung oder Revolte gegen die Obrigkeit aufgefasst. (Dies
vielleicht deshalb, weil „ICH“ die Regentschaft in der Welt übernommen hat –
und dem wahren Herrscher, wahrhafte
Achtung verweigert wird?)
Das
ZENTRALE THEMA, die zentrale Frage in der islamischen UMMA (Gemeinschaft) ist
jene um die und nach der Autorität und deren LEGITIMITÄT, formuliert Bassam Tibi, diesmal nicht ganz
zu Unrecht, wenn auch nicht ganz korrekt.
Denn
es muss der Wahrheit willen angemerkt werden, dass dies nicht exklusive
Beschäftigung der muslimischen Umma ist, sondern
jene, ALLER organisierten, nicht nur menschlichen Gemeinschaften.
Die Autorität auf geistlichem - also religiösem bzw.
materiellem - also politischem Gebiet.
Kurz gesagt, wer ist vor allem geeignet der IMAM,
Führer und Hirte der Muslime zu sein?
Die Autorität stützt sich auf das Wissen und
Überzeugung um die Göttlichkeit der Offenbarung, auf die Weisheit, dieses
Wissen gemäß göttlichem Auftrag anzuwenden und das Verständnis darüber: wann,
wo, welches Wissen wie anzuwenden ist. Wobei es für die Muslime außerhalb jeder
Diskussion steht, dass die höchste Autorität dem Allmächtigen Schöpfer, Gott
selbst zusteht und es dem Menschen als Gottes Stadthalter im Diesseits zu
wirken gestattet ist (aus der „Wahre Imam“).
Im Westen wird „political correct“ von allen Seiten darauf hingewiesen, dass die
Religion, man meint allerdings heutzutage dabei nicht nur den ISLAM, im Verlauf
ihrer Geschichte immer wieder als Legitimation für ungerechte Staatsherrschaft
herhalten musste, herhielt und sich instrumentalisieren ließe.
Daraus wird gefolgert, dass die Religion – auch –
bzw. in diesem Zusammenhang besonders der ISLAM, entpolitisiert werden müsste,
bzw. der Islam bis zur Vernichtung bekämpft werden müsse, da eine Nicht-Einmischung
religiöser islamischer Aspekte in eine säkulare Ordnung an welcher Muslime
teilhaben, eben und einfach nicht möglich sei.
Vordergründig werden zwei Begründungen gegeben.
Erstens um den Glauben vor Missbrauch zu schützen
Z.B. Khalid Muhammad Khalid 1950: Kahuna Islamiya/Islamische Theokratie:
„Wir sollten uns bewusst sein, dass die Religion so beschaffen sein muss,
wie Gott sie gewollt hat:
Eine
Prophezeiung, kein Königreich, eine geistige Führung, keine Regierungsform,
eine Lehre, keine politische Herrschaft. Das Beste was wir tun können, um die
Religion unverfälscht und rein zu erhalten, ist, sie von der Politik zu trennen
und sie über diese zu stellen. Die Trennung zwischen Religion und Staat trägt
dazu bei, die Religion von den Unzulänglichkeiten und der Willkür des Staates
fernzuhalten."
und
Zweitens um die Gesellschaft vor klerikalem Missbrauch, sprich
Ausbeutung und Ungerechtigkeit zu bewahren.
Die
„neuzeitliche“ europäische Geschichte ist als Ganzes Beleg für diese
Auffassung.
Die
Trennung von Politik und Religion war und ist kein populärer Gedanke in der
islamischen Welt.
Im
Gegensatz zu bestimmten Religionen und säkularen Weltsichten zeichnet sich der
Islam durch eine ganzheitliche Weltsicht aus, in welcher geistig-geistliches
und materiell-weltliches zu einer untrennbaren lebendigen Einheit in und unter
der Allmacht Allahs verschmolzen sind.
Das
Leitprinzip dieser Totalität ist Tauhid, die
Ein- und Einzigheit Gottes, die dem Islam seine
unverwechselbare Prägung gibt, denn Tauhid
bedeutet, dass die Welt, und folglich auch das gesamte Leben der Muslime – und
in weiterer Sicht alle Menschen und Schöpfung – in einer ganzheitlichen Weise
durch die Einheit Gottes, der obersten Autorität, gelenkt werden.
Daraus
folgt, dass es für den Muslim eine prinzipielle
Trennung von religiöser und politischer Autorität unter den Menschen nicht
geben kann.
Daher ist in Hinblick auf das
Thema AD DIN AL ISLAM, also die umfassende islamische Ordnung
–- in islamischer
Terminologie weder als
sakrales noch als
säkulares System zu bezeichnen und -
in der westlichen Terminologie als ein System, welches sowohl den
sakralen wie auch
säkularen Bereich umfasst.
Da
wir jedoch in der Sprache des Westens, der Sprache der Polarität und nicht der
Sprache der Einheit, des Tauhid
argumentieren, fahren wir fort und sagen, dass ein islamischer Herrscher
(Politiker) seine Autorität als Führungskraft mit der Unterwerfung unter das
Gebot legitimiert, lediglich gemäß göttlichen Willens zu handeln, der in der
islamischen Offenbarung, dem erhabenen Qur’an al fixiert und in der Sunna, den
Gepflogenheiten des Propheten Muhammad (der Friede und Segen Allahs auf ihm)
beschrieben und bestätigt ist.
Kein
islamischer (politischer) Herrscher kann deshalb die Autorität eines absoluten Souveräns
beanspruchen, nicht in der Person eines einzelnen Herrschers und auch nicht als
ganzes demokratisch geeintes Volk.
Gemäß
der islamischen Lehre ist der islamische Herrscher Instrument des Göttlichen Willens.
Er ist somit nicht politischer Souverän, der absolut selbständig,
handelt – auch wenn er innerhalb eines weiten Rahmens relative
Selbständigkeit genießt und diese in Selbstverantwortung und Verantwortung
gegenüber seiner „Herde“ (jeder ist ein Hirte, ein Hüter des Seinen) auszuüben
legitimiert ist.
Zwischen
Lehre und Wirklichkeit gab es jedoch zu allen Zeiten, in allen Völkern meist
eine große Kluft.
Angesichts
der Tatsache, dass es im Islam im Wesentlichen keine rein spirituelle „päpstliche“
Autorität gibt, die – wie in Europa bis zum dreißigjährigen Krieg den Gehorsam
der Könige gegen Gott sozusagen überwacht, kontrolliert und ev. auch
sanktioniert, waren die islamischen Führer, Imame, Kalifen faktisch eben doch sozusagen
absolute Souveräne und zwar im Maße ihrer eigenen Ignoranz gegenüber den
Bestimmungen Gottes, und/oder der Ignoranz ihrer nichtmuslimischen Feinde und
muslimischen Anhängern diesbezüglich.
Die
Gefahr, die Willkür und die Wünsche der eigenen niederen Triebseele als
göttliches Gesetz zu präsentieren, wurde dem Menschen immer vom großen Feind
des Menschen, dem verführenden Satan schmackhaft gemacht und verniedlicht.
Vielleicht ist dies auch der Grund, warum seit jeher bis heute der MACHTKAMPF letztlich
stets religiös und niemals politisch (bzw. ideologisch und nicht materiell)
begründet wird. Denn argumentiert man von einem religiösen Standpunkt aus, den
man a priori als superior, also von vorneherein
überlegen, als jenen des Kontrahenten
ansetzt, hat man keinerlei Autorität mehr über sich, als die Gottes und nimmt
für sich in Anspruch, keiner menschlichen Instanz mehr Rechenschaft schuldig zu
sein. (Dies wird ja durch die aktuellen Ereignisse mehr als bestätigt.)
Die
ursprüngliche islamische politische Ordnung kennt als positiven Staatsbegriff
nur das KALIFAT (Statthalterschaft) unter den rechtgeleiteten Kalifen, resp.
IMAMAT (Führerschaft) unter den rechtgeleiteten Imamen. Der KALIF als oberster
IMAM.
Von
einem ganzheitlichen Sein ausgehend, (dem Tauhid,
Gott als Einziger Souverän) fußt die islamische Lehre darauf, dass die
weltliche Führung, das Betragen der Menschen in allen Lebensbereichen mit den
islamischen Vorschriften in Einklang stehen müssen, die von der im Qur’an
festgelegten Offenbarung ausgesagt und verbindlich vorgegeben sind.
Mit
anderen Worten muss die politische Legitimität im Islam durch die religiöse
Autorität, welche im Qur’an ausgedrückt und gefunden wird, untermauert werden
und sich nach ihr hin ausrichten.
Ist
es wahr, dass erst im 20. Jh. n. Chr. die Muslime explizit über die Trennung
von Staat und Religion nachdenken, obgleich die faktische Trennung schon seit
Jahrhunderten praktiziert wurde, (auch wenn der Kalif Imam des historischen
islamischen Staates war, offizielle erste religiöse Instanz war, war er in der
Regel dennoch keineswegs dessen anerkannter spiritueller Führer oder auch nur
Gelehrter der religiösen Wissenschaften.) wenn sie den neuen Begriff DAULA
(also STAAT, den nun z.T. nur mehr religiös
verstandenen Begriff DIN (also RELIGION) gegenüberstellen?
In
früheren Zeiten waren diese beiden Bereiche durchaus in zwei verschiedene
Verwaltungsbereiche getrennt. MULK wa DIN. Quasi
Königtum (Wezir) und Kirche (Imam) (Siehe: Nizam ul Mulk;
Staatsordnung) vereint unter der verantwortlichen Oberaufsicht des KALIFEN.
Die
absolute Trennung und Unterwerfung des Sakralen unter das Säkulare ist ein
Resultat des polaren westlichen Denkens, welches allerdings anstatt von der
Einheit - durch die Einheit - in die Einheit Gottes, - in die Einseitigkeit
führt, ja führen muss!
Selbstverständlich
wird durch solche Entwicklung ein natürliches Verlangen nach einer
einheitlichen Weltsicht, einem ganzheitlichen Sein stimuliert, ganz nach dem
Prinzip von „Druck und Gegendruck“.
In
deren Extremen ist dies einerseits an der Entwicklung und Propagierung der
"Neuen Weltordnung" und andererseits; dem weltweit keimenden und
wachsenden - religiös begriffenen –„ Extremismus, Fanatismus und
Fundamentalismus“ zu erkennen.
Ich
komme nun gleich zum Schluss und will an dieser Stelle einen Ausspruch des
Propheten Muhammads (der Friede und Segen Allahs auf ihm) zitieren, der in etwa
sagte:
"ISLAM ist der Weg der
Mitte"
Den
Weg der Mitte beschreiten zu können verlangt, sowohl die extreme Linke (als
politischer Begriff verstanden), als die eher säkulare, politische, gesellschaftsbewegende Komponente, wie auch die extreme
Rechte, als die eher spirituelle, konservative, gesellschaftsstabilisierende
Komponente zu kennen (und entsprechend zu berücksichtigen), um bei der
konkreten Wirklichkeitsbearbeitung, die aktive Umsetzung der Extreme beider
Seiten, zugunsten des geraden Weges - des Weges der und durch die Mitte -
aufzugeben.
Dies
möchte ich heute als den religiösen Auftrag des Islam und zugleich als die
politische Herausforderung an die Muslime bezeichnen.
Ich
bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Hanel, 9.2.99, überarbeitet, 6.11.2005, 2006
Einige
Stichworte:
Schutz der persönlichen und kollektiven SICHERHEIT und
IDENTITÄT
Das MITTEL dazu ist die durch ein GESETZ legitimierte MACHT.
ISLAM ist nicht theokratisch sondern theozentrisch,
da kein KLERUS, sondern RECHTSGELEHRTE
FIQH = VERSTEHEN
Gemeinschaft funktioniert nur im Rahmen eines Gesetzes.
In der Tat nimmt der Qur’an für den Mensch jenen Platz ein,
welchen der Instinkt in der Tierwelt für deren Bewohner hat. Für jede Art und
Gruppe gibt es ein Gesetz. Aus der Souveränität ergibt sich die soziale
Ordnung. Diese Ordnung ist ein Teil der Religion, welche NICHT von ihr getrennt
werden kann.
MACHT ist nichts Erstrebenswertes für MUSLIME. Sie ist die
Fahrkarte zur Hölle, doch das einzige Mittel zur Stabilisierung
gesellschaftlicher Ordnung.
SHARIA = Trampelpfad wilder Tiere zur Tränke
Qur’an – Sunna – Idschma’a (Analogie) – Qiyas (Übereinstimmung)
– Ijtihad (intell.
Ableitung)
Idschma’a funktionierte nicht bei Kaffe. Ijtihad wegen der Willkür der Herrscher geschlossen.
Alle Imame wurden verprügelt oder eingesperrt (von
Herrschern) – sie waren immer das Schild zwischen Volk und Herrscher.
ZEITGEMÄSS ist nicht unbed. MODERN
ISLAM spricht den Menschen in seiner komplexen
Natürlichkeit an.
Beispiel: Der Mann der zur Bestrafung fasten sollte, nicht
konnte, auch keine Armen speisen, da er nichts hatte – Prophet schenkte ihm
Datteln – die er dann selbst essen durfte, da er der Ärmste war.