Mein Vorredner hat sehr plastisch die Geschichte ISLAM - JUDENTUM, die Beziehung zwischen diesen beiden Religionen dargestellt. Ich habe mich auf die theoretische Seite des Friedensstiftens konzentriert. Ich wollte aktuelle Ereignisse nicht besonders behandeln.
Hätte ich den Vortrag meines Vorredners halten sollen, hätte ich fast identische Worte gefunden.
Es ist richtig, und das kann jeder bestätigen, der sich mit dieser Geschichte auseinandergesetzt hat, daß zwischen Judentum und Islam zwar verschiedene Glaubenswahrheiten gibt. Aber es gibt eine weitest gehend eine Übereinstimmung in der Vorstellung und in der Rolle der Religion. Aber von diesen zwei Religionen gemeinsame Vorstellung von der Herkunft der Religion und der Abstammung der Religion, und auch von den - zwischen diesen zwei Religionen hauptgestanden der abrahamitischen Tradition. Es wurden die Namen von Abraham - Ibrahim - und Moses erwähnt - aber es sind nicht die einzigen.
Wenn wir den Qur'an aufschlagen und über die Propheten der vergangenen Zeit uns erkundigen, dann finden wir identische biblisch-qur'anische Namen. Hier ist die Tradition also eine einhellige.
Ich habe vor kurzem einen Beitrag zu einem Schullehrbuch geschrieben und da hab' ich auch über Gott was geschrieben - da hab' ich wortwörtlich folgendes gesagt:
"Das islamische Gottesbild ist im Grunde ein biblisches Gottesbild. Denn der Islam verkündet und verehrt den Gott der Bibel."
Diese Feststellung ist auch aus islamischer Sicht vollkommen richtig, wenn wir zwei noch Einschränkungen berücksichtigen.
Die erste Einschränkung betrifft die qualitative Auserwählung.
Der Islam bestreitet sie. Der entsprechenden Qur'anstellen darüber oder die entsprechende Qur'anstelle lautet:
"Und als Abraham von seinem Herrn durch Worte geprüft wurde und er diese vollbrachte, (da) sprach Er: "Ich werde dich zu einem Imam für die Menschen machen." Da bat Abraham: "Auch von meiner Nachkommenschaft." Er sprach: "Mein Versprechen erstreckt sich nicht auf jene, die Unrecht tun. [2:124]
Die zweite grundsätzliche Einschränkung betrifft die Inkarnation der Gottheit.
Das bezieht sich nicht auf das Judentum, sondern auf das Christentum.
Diese wird auch von dem herrschenden islamischen Dogma bestritten. Der Islam lehrt nämlich, daß Gott nicht nur Einer und Einziger, sondern auch Einzigartiger sei.
Das grundislamische Dogma über Gott sagt, daß es zwei Bereiche gibt. Gott und die Schöpfung.
Alles ausser Gott ist Schöpfung. Die Schöpfung ist zwar von Gott hervorgegangen, aber sie ist von Ihm nun verschieden. Er aber herrscht über Seine Schöpfung und ....
Sie sehen also, es ist nicht von ungefähr, daß zwischen Judentum und Islam über die Geschichte - also während der Geschichte - und es ist eine gemeinsame Geschichte - 1200 Jahre richtig - wenig Probleme gegeben hat. Zu Beginn kleine Probleme und das wurde auch erwähnt und dann gar nicht mehr. Es gab die berühmte bekannte "Goldene Zeit" des Judentums in Spanien, wo die jüdische Kultur - nicht nur die Religion - auch die Kultur eine Blütezeit erlebt hat. Auch die häbräische Sprache hat eine sehr positive, fruchtbare und eine Blütezeit erlebt. Die Literatur, die häbräische Literatur wurde sozusagen wieder geboren. Gut. Das war die Geschichte und dann kamen die politischen Probleme, die politische Auseinandersetzung um ein Land. Das heißt der Konflikt zwischen Israeliten und Arabern in erster Linie und dann zwischen den Muslimen und Juden in zweiter Linie ist im Grunde nicht religiös sondern politisch, national. Es geht hier um etwas handfestes, um das Land Palästina. Und deswegen die Feststellung, daß Antisemitismen in der panislamischen Welt sind nicht echt, sondern wenn schon eine Projektion aus der europäischen Tradition, stimm ich vollkommen damit überein.
Jetzt aber zu meinem eigentlichen Referat, das kein Referat im eigentlichen Sinne ist, sondern - ich hab hier moralisiert über Religionen und Frieden und Friedensstiftung, weil ich bin nicht ganz überzeugt davon, daß die Religionen wirklich sich echt für den Frieden einsetzen. Es gibt da und dort ernsthafte Schritte in Richtung aber im großen und ganzen nicht. Gut.
Hier hab ich es zu Papier gebracht:
Der Friede war immer eine Sehnsucht des Menschen. Der Einzelne sucht seinen persönlichen Frieden und die Gesellschaft als Kollektivum strebt auch nach dem Frieden. So begegnen wir fast in jeder Gesellschaft auch immer wieder Redewendungen und Formulierungen die diese Sehnsucht des einzelnen Menschen und der Menschengemeinschaft zum Ausdruck bringen.
Besonders die Weltreligionen postulieren in ihren theologischen Dokumenten und in ihrer Liturgie die Zielstrebigkeit nach dem Frieden.
Die Juden grüßen einander mit "Schalom", die Muslime mit "Salaam" und Christen praktizieren am Ende einer Messe den Friedenskuss. Und trotzdem haben die Religionen den Menschen nicht immer den ersehnten Frieden gebracht. Ja sehr oft waren die Religionen die Quellen von Feindseligkeiten und Unfrieden. Die Geschichte ist voll von traurigen Ereignissen, welche entweder von den Institutionen verursacht und ausgelöst wurden oder standen religiöse Motive dieses Ereignissen zu Grunde. Es ist vielleicht viel zu verharmlosend, wenn wir von dieser Rolle der Religionen nur im Bezug auf die Vergangenheit reden, also in Bezug auf die Geschichte. Wo wir ganz gewiß sind, daß unsere Gegenwart voll von Konfliktsmomenten ist, die ihre Ursachen oder zumindest ihre Vorwände in der Religion haben.
Daß die Religionen noch immer eine bestimmende und sehr wichtige Rolle im Leben der Menschen spielen, ist wohl eine unumstrittene Tatsache. Man klagt da und dort, daß der Einfluß der Religionen zurückgegangen ist. Daß die Gesellschaften weitestgehend säkularisiert sind. Und es mag auch stimmen, daß die Religionen ... nicht mehr die erste, die Hauptrolle spielen, daß sie aber genauso wichtige meinungsbildende Faktoren in der Gesellschaft sind, haben uns vergangene aber auch aktuelle Ereignisse immer wieder neu bestätigt.
Wenn wir darüber einig sind, daß die Religionen eine nicht zu unterschätzende Rolle im Leben der Menschen und ihren Gesellschaften spielen, so müssen wir auch diese Rolle auch in Bezug auf die Friedensstiftung näher untersuchen. Wir müssen überprüfen, ob und wie weit die Religionen ihrer wahren Verpflichtung zum Frieden und zur Friedensstiftung gerecht sein können.
Meiner Meinung nach bemühen sich die Religionen viel zu wenig um die wirkliche Friedensstiftung in unserer Welt. Oder aber, und das ist vielleicht die wahrscheinliche Ursache für das oftmalige Versagen der Religionen in dieser Angelegenheit, haben die Religionen ein eigenes Verständnis und eine eigene Vorstellung von dem vermeintlichen Frieden. Denn sie postulieren eigentlich - wahrscheinlich meinen sie sehr oft den Frieden für die eigenen Gemeinschaft. Oder aber den Frieden nach den eigenen Voraussetzungen und Bedingungen. Eine Art Frieden alà "pax romanum". Einen diktierten Frieden - und das ist mit Sicherheit nicht der richtige Weg, der zum Frieden zwischen den Völkern und den Gemeinschaften führt.
Religionen haben, meine ich mindestens - eine grundlegende Verpflichtung den Menschen gegenüber. Sie müssen für Gerechtigkeit Zeugnis ablegen und den Menschen, wenn sie Gerechtigkeit begehren, tatkräftig beistehen..
Man kann den Frieden zwischen den Völkern und Nationen nicht unter Mißachtung der Gerechtigkeit stiften. Und wenn der Friede einmal gestiftet worden ist, wird er ohne eine gerechte Grundlage nicht lange bestehen können.
Faule Kompromisse und schwärmerische Bestrebungen welche darauf hinzielen einen Frieden ... zu stiften, erreichen vielleicht einen toten Frieden. Einen Friedhofsfrieden - aber nicht einen Frieden, der die Gemeinschaft der Menschen befriedet.
Gerechtigkeit ist eigentlich auch die brauchbare Grundlage für den gesellschaftlichen Frieden und da müssen wir, müssen auch die Religionen als meinungsbildende Institutionen Gebrauch machen. So helfen sie wirklich in der Gesellschaft den Frieden zu stiften. Aber auch aufrecht zu erhalten. Bevor die Religionen ihren Beitrag zur Friedensstiftung auf internationaler, nationaler und auch lokaler Ebene leisten können, müssen sie selbstverständlich den interreligiösen Frieden herstellen. Der einzig gangbare Weg um den interreligiösen Frieden zu errichten, zu erreichen ist der interreligiöse Dialog. Und der findet meiner Meinung nach viel zu wenig statt. Und wenn er hier und da einmal geführt wird, dann wird er nicht wirklich ernsthaft betrieben. Man tauscht Höflichkeiten aus, man spricht über gute Vorsätze und Zielvorgaben aber wirkliche Problemstellungen werden ausgeklammert oder nur am Rande behandelt.
Erschwerend für den interreligiösen Dialog sind die verschiedenen Glaubenswarheiten und dies stimmt besonders in Bezug auf die drei Offenbarungsreligionen - Judentum, Christentum und Islam. Denn alle drei Religionen begründen ihre Glaubenswahrheiten in der Göttlichen Offenbarung und diese ist authentisch und unfehlbar. Also man kann sie nicht antasten und auf keinen Fall relativieren und deswegen, meine ich, daß diese Glaubenswahrheiten niemals Gegenstand des ... Dialogs sein sollen. Wenn schon, dann als gegenseitige Information. Aber nicht als Verhandlungsmaterie, denn Glaubenswahrheiten sind - das ist meine Überzeugung - ihrer Natur nach nicht verhandelbar.
Wenn die Glaubenswahrheiten nicht Gegenstand des Dialogs sein dürfen, soll das bedeuten, daß der Dialog nicht durchgeführt werden soll? Keinesfalls!
Es gibt genug worüber die Religionen miteinander sprechen müssen, damit sie ihrer Verpflichtung, dem Frieden unter den Menschen zu dienen gerecht sein können. Man kann ja - man muß - über die gemeinsame Vergangenheit sprechen, um hier Vergangenheitsbewältigung zu betreiben. Man kann über die Ethik sprechen, wo ohnehin viele gemeinsame Grundsätze vorhanden sind, man kann aber auch über die soziale Lage der Menschen sprechen und hier über gemeinsame Projekte und Vorgangsweisen verhandeln und Vereinbarungen treffen. Schließlich und endlich, man kann über die spirituellen Dimensionen sprechen um Gemeinsamkeiten zu orten und diese den Menschen bewußt zu machen.
Voraussetzung für einen fruchtbaren Dialog der Religionen und für den ersehnten interreligiösen Frieden, ist die gegenseitige Akzeptanz, Achtung und Wertschätzung. Nicht die Bestätigung der jeweils anderen Glaubenswahrheit wird verlangt, denn jeder muß seine eigene Glaubenswahrheit vor Gott verantworten und nicht vor seinem Nächsten. Verlangt und erwartet aber wird die Achtung vor der Wahl des anderen. Jeder muß dem anderen das Anrecht auf die eigene Wahl, auf die eigene Entscheidung, die eigene Glaubenswahrheit einräumen. Und hier erlaube ich mir ein Wort des heiligen Qur'ans zu zitieren. Da heißt es:
Und Wir haben das Buch mit der Wahrheit zu dir herabgesandt, das bestätigt, was von der Schrift vor ihm da war und darüber Gewißheit gibt; richte also zwischen ihnen nach dem, was Allah herabgesandt hat und folge nicht ihren Neigungen, von der Wahrheit abzuweichen, die zu dir gekommen ist. Für jeden von euch haben Wir Richtlinien und eine Laufbahn bestimmt. Und wenn Allah gewollt hätte, hätte Er euch zu einer einzigen Gemeinde gemacht. Er wollte euch aber in alledem, was Er euch gegeben hat, auf die Probe stellen. Darum sollt ihr um die guten Dinge wetteifern. Zu Allah werdet ihr allesamt zurückkehren; und dann wird Er euch das kundtun, worüber ihr uneins waret.[5:48]
Wenn die Religionen aus diesem Verständnis heraus sich für
den interreligiösen Frieden einsetzen und diesen wirklich stiften
und realisieren und dann den erreichten Frieden je in die eigene Gemeinschaft
und auf alle Ebenen hineintragen, dann können wir von einem Zeugnis
der Religionen für den Frieden unter den Menschen sprechen. Und dann
können wir auch erwarten, daß die Versöhnung unter den
Menschen als Frucht des erreichten interreligiösen Friedens gedeiht...
Wir dürfen nicht naiv sein um zu glauben, daß wir schon
morgen vor dem erstrebten Ziel stehen werden. Wir dürfen uns aber
auch nicht von Rückschlägen und Mißerfolgen entmutigen
lassen. Wichtig ist, daß wir uns auf diesen richtigen Weg begeben
und wichtig ist, daß wir auch auf diesem Weg voranschreiten. Jeder
von uns kann dazu seinen Beitrag leisten, denn schließlich und endlich
der wahre Friede beginnt und endet auch im Herzein eines jeden einzelnen
von uns. Den wahren Frieden werden wir aber - hoffe ich - nur bei Gott
finden . Und hier erlaube ich mir - oder erlauben Sie mir bitte - wiederum
meinen bescheidenen Beitrag mit dem Wort des heiligen Qur'ans abzuschließen.
Da heißt es:
Und das Paradies wird den Gerechten nahegebracht werden - nicht länger fern. Das ist es, was euch verheißen war für jeden der Gott stets zugewandt und wachsam war , der den Gnadenreichen fürchtete im Geheimen und mit reuigem Herz zu Ihm kam. Gehet darin ein in Frieden. Dies ist der Tag der Ewigkeit. (50:32-35)
"Und das Paradies wird den Gottesfürchtigen nahe gerückt, (und es ist) nicht länger fern.[50:31] Das ist es, was jedem von euch verheißen wurde, der reumütig war und sich in acht nahm;[50:32] der den Allerbarmer im geheimen fürchtete und mit reuigem Herzen (zu Ihm) kam.[50:33] Geht darin (ins Paradies) ein in Frieden. Dies ist der Tag der Ewigkeit."[50:34]