Interview mit Prof. Anas SCHAKFEH Geschäftsführender Präsident der ISLAMISCHEN GLAUBENSGEMEINSCHAFT in ÖSTERREICH
Radio FRO:
Sehr geehrter Herr Prof. Anas Schakfeh, Sie sind der geschäftsführende
Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich.
Ich möchte Sie gerne bitten unseren Zuhörern bei Radio FRO in
Ober-österreich (105 MHz, jeden Samstag 19 Uhr 30) einiges über
Ihre Gemeinschaft und deren Ziele zu sagen.
Prof. SCHAKFEH:
Bismillahir Rahmanir Rahim.
Unsere Glaubensgemeinschaft, die ISLAMISCHE GLAUBENSGEMEINSCHAFT in ÖSTERREICH
ist eine staatlich anerkannte Religionsgesellschaft der Muslime in der
Republik ÖSTERREICH. Die Anerkennung wurde uns Muslime in Österreich
ausgesprochen, auf Grund des sog. ISLAMGESETZES - und das war im Jahre
1912. Selbstverständlich waren seinerzeit die Muslime in Österreich
eine große Minderheit, denn damals gehörte BOSNIEN-HERZEGOWINA
zu ÖSTERREICH und die Muslime dort waren eben die Islamische Gemeinde
- und auf Grund dessen kam die Anerkennung. Nach dem ersten Weltkrieg,
wo BOSNIEN-HERZE-GOWINA dem Lande ÖSTERREICH verloren-gegangen ist,
haben wir Muslime praktisch aufgehört zu existieren in ÖSTERREICH.
Es war eine Zeit, wo nur vereinzelt Muslime in diesem Land anwesend waren.
Dann nach dem zweiten Weltkrieg hat sich die Situation rasch verändert und besonders nach dem Beginn der 60er Jahre kamen dann zunehmend Muslime nach ÖSTERREICH - aus verschiedensten Gründen. Zuerst als Diplomaten, dann als Studenten und schließlich als Gastarbeiter. Und so bildete sich wieder eine Islamische Gemeinde in Österreich. Die Anerkennung war gesetzlich noch immer da und so hat man diese alte Anerkennung nur reaktivieren müssen und das haben wir bereits getan. Seit 1979 besteht die Islamische Religionsgemeinde WIEN. Die Islamische Religionsgemeinde WIEN ist eine von 4 vorgesehenen Religionsgemeinden für die gesamte Republik. Diese 4 Religionsgemeinden bilden dann insgesamt zusammen die ISLAMISCHE GLAUBENS-GEMEINSCHAFT in ÖSTERREICH. Diese hat natürlich die Aufgabe aber auch das Ziel, die Muslime in diesem Land religiös zu betreuen. Das heißt die religiösen Dienste für die Muslime in Österreich, ob Staatsbürger oder Mitbürger, die noch nicht eingebürgert sind religiös zu betreuen. In erster Linie heißt dies, den religiösen Unterricht in den Schulen, den öffentlichen Schulen für die muslimischen Kinder zu organisieren. Derzeit haben wir in etwa mehr als 36.000 bis 37.000 Schüler, die in islamischer Religion unterrichtet werden. Darüber hinaus gibt es in Österreich in etwa 100 bis 130 Moscheen und diese Moscheen oder Gebetststätten - die Bezeichnung Moschee paßt wahrscheinlich nur auf ein Objekt in Wien, die anderen sind Gebetsstätten, welche von den lokalen Vereinen unterhalten werden - aber diese Vereine unterstehen der Oberaufsicht der Islamischen Religions-gemeinde und in der Folge der Islamischen Glaubens-gemeinschaft in Österreich.
Dies ist im großen und ganzen die Islamische Glaubensgemeinschaft und ihre Ziele. Selbstverständlich verstehen wir uns als eine österreichische Institution und wir arbeiten auf die Integration der Muslime in diesem Land.
Die Integration soll aber nicht heißen eine absolute Auflösung und Assimilation in der hiesigen Gesellschaft, sondern die Integration bedeutet, daß wir uns als Teil der hiesigen Gesellschaft betrachten. Wir haben die gleichen Rechte und Pflichten wie die anderen Mitbewohner dieses Landes. Die Bevölkerung dieses Landes gehört nicht einer Religion, sondern vielen verschiedenen Religionen. Selbstverständlich - die katholische Kirche bestellt sozusagen die Mehrheit des Landes und diese Mehrheit und diese Position der katholischen Kirche wird von uns akzeptiert und respektiert! Niemand denkt daran, die Rolle aber auch Position der katholischen Kirche streitig zu machen. Wir kommen auch mit der Katholischen Kirche und auch anderen religiösen Institutionen und religiösen Minderheiten dieses Landes sehr gut aus, wir sind im Gespräch mit den anderen, wir wollen mit den anderen Kirchen und Religions-gesellschaften für das Land, für die Harmonie in diesem Land, für den Frieden in diesem Land zusammen-arbeiten und wir engagieren uns sehr oft in gemein-schaftlichen Veranstaltungen mit den anderen Kirchen und Religionsgesellschaften.
Ziel, wie ich gesagt habe, ist die Integration unserer Bevölkerung, der moslemischen Bevölkerung in der hiesigen Gesellschaft unter Aufbehaltung und Einbewahrung der religiösen und kulturellen Identität.
Radio FRO:
Sehr geehrter Herr Präsident - ich danke sehr herzlich für die
ausführliche Darstellung Ihrer Gemeinschaft und deren Ziele. Vielleicht
können wir gleich die Gelegenheit auf Radiosendung zu sein nutzen
und uns direkt an unser Publikum wenden? Möglicherweise haben Sie
bestimmte Wünsche an unsere Zuhörer oder Sie möchten unseren
österreichischen MitbürgerInnen oder Ihren islamischen Glaubens-geschwistern
etwas ganz Bestimmtes mitteilen?
Prof. SCHAKFEH:
Ja, selbstverständlich. Ein Anliegen und ein Wunsch von mir, und nicht
nur von mir sondern von uns in der Leitung der Islamischen Glaubensgemeinschaft
wäre, daß unsere Nachbarn, unsere Nachbarn von den anderen Religionen
uns genauso aufnehmen wie wir sie betrachten, nämlich als Nachbarn.
Als gute Nachbarn. Wir wollen mit den anderen nicht nur, wie ich gesagt
habe sozusagen - "in Frieden und von weitem" - leben, sondern
mit ihnen zusammenleben. Das Zusammenleben heißt, daß wir uns
gegenseitig respektieren und akzeptieren. Selbstverständlich wissen
wir, daß manche unserer Mitbewohner in Österreich gewisse Bedenken
haben, irgendwelche Ängste, Befürchtungen weil sie uns nicht
näher kennen. Weil sie glauben bestimmte Verhältnisse, die in
anderen Teilen der Welt herrschen, kommen möglicherweise nach ÖSTERREICH
übertragen. Auf diese Ängste, für welche wir auch Verständnis
haben will ich antworten, daß die Menschen moslemischen Glaubens,
die in Österreich leben, nichts anderes wollen, als - wie ich bereits
gesagt habe - in Frieden mit der hiesigen Bevölkerung zusammenleben.
Tendenzen, die auf Radikalität hinzielen, usw. sind mit Sicher---heit von der absoluten Mehrheit unserer moslem-ischen Bevölkerung abgelehnt und nicht gut zu heißen und werden auch nicht akzeptiert, aber wir können sie nicht ausschließen. Aber was wir versichern können, daß solche Tendenzen minimal sind und nur bei solchen Randgruppen, die eben nicht ins Gewicht fallen. Deswegen wäre angebracht, wenn wir mehr Verständnis und mehr Entgegenkommen von unseren Nachbarn erfahren, denn dann werden auch unsere Menschen ermutigt, offener und auch sagen wir - kooperativer zu sein und dann wird man sie kennenlernen als einfache, fleißige aber auch freundliche Menschen.
An meine Gemeinschaft, an die Brüder und Schwestern will ich apellieren, daß sie eben das Gespräch suchen mit den Nachbarn, daß sie nicht versuchen abgesondert und isoliert zu leben. Ein Gettoleben ist nicht wünschenswert und nicht zielführend. Es ist schon auch verständlich, daß man zuerst die Kontaktaufnahme mit den "Gleichen" sucht, aber in zweiter Linie sind wir alle gleich. Wir sind alle Bewohner dieses schönen Landes und wollen uns etablieren als Teil der Gesellschaft - und kein Teil der Gesellschaft kann und darf sich absondern und isolieren von der übrigen Gesellschaft. Deshalb mehr Verbindung, mehr Beziehung zu den Nachbarn, denn nur dadurch können wir Vorurteile abbauen. Vorurteile gibt es, das kann man von vorne herein nicht verhindern, aber man kann sie abbauen. und dafür sind wir alle da und dafür sollen wir alle gemeinsam zusammen arbeiten.
Radio FRO: Sehr geehrter Prof. SCHAKFEH, wir bedanken uns herzlich für dieses Interview und wünschen Ihnen und Ihrer Gemeinschaft viel Erfolg bei der Verwirklichung Ihrer Ziele.
Prof. SCHAKFEH:
Vielen Dank.