Der Untergang des christlichen Abendlandes im Zeichen des
Kopftuchs
Goedart Palm 28.10.2003
Der Streit um religiöse Kleiderordnungen in Europa geht weiter
Die hier zu Lande mit der Bundesverfassungsentscheidung entfachte
Kopftuchdebatte wird in Frankreich bereits seit ca. 1989 heftig
geführt, da dort die strikte Trennung von Staat und Kirche einen
besonders hohen Stellenwert hat. Schon früher hatte "Le Figaro" im
Blick auf die wachsende Zahl muslimischer Mitbürger über den Untergang
des christlichen Abendlandes menetekelt: "Sie
werden ganze Städte, ja
sogar Regionen an sich reißen." (Gerhard Schweizer, Islam und Abendland
- ein Dauerkonflikt).
Wird die Skyline der westlichen Städte bald überall
von Minaretten
verziert? Wird das christliche Glockengeläut vom Ruf des Muezzins
übertönt?
Der Fanatismus stirbt ab; ich könnte sogar sagen, er ist tot.
Robespierre in seinem Plädoyer für Glaubensfreiheit, 1793
Religionskrieg in Aubervilliers
Gegenwärtig geht es vor allem um Kopftücher bzw. Djibab,
Tschador oder
Burka. Zwei Schülerinnen eines Pariser Vorortlyzeums
in Aubervilliers
traf jüngst der Bannfluch ihrer Schule. Die Schulkonferenz entschied,
dass die beiden 16- und 18-jährigen Mädchen ihr Kopftuch nicht mehr in
der Schule tragen dürfen.
Zwar gibt es seit 1905 ein französisches Gesetz zur Trennung von Staat
und Kirche, das allen Beschäftigten im öffentlichen Dienst untersagt,
während ihrer Tätigkeit Zeichen ihrer religiösen Zugehörigkeit zur
Schau zu stellen. Für SchülerInnen gibt es eine
solche Regelung aber
nicht. Es liegt lediglich eine höchstrichterliche Entscheidung des
Staatsrates aus dem Jahre 1989 vor, ostentative Zeichen der
Religionszugehörigkeit an Schulen zu untersagen. Davon unberührt soll
das Recht sein, seinen Glauben zu bekennen, wenn nicht Rechte Dritter
verletzt werden.
Die schwierige Auslegung dieser juristisch offenen bis unlösbaren
Situation ist also den Schulverwaltungen anheim gestellt, die bisher
vor allem Streitfälle produziert haben. In Aubervilliers
entschied man
sich dafür, das Verhalten der Schülerinnen als "ostentative"
Religionsausübung zu interpretieren. Die betroffenen Schülerinnen
klagen dagegen, man habe an ihnen ein lang vorbereitetes Exempel
statuieren wollen. Seit der Suspendierung vom Schulunterricht lernen
sie zuhause und hoffen nun auf einen erfolgreichen Rechtsstreit gegen
die Entscheidung.
Doch dieser Streit wie seine Vorgänger verlangt vielleicht mehr als
eine Einzelfallentscheidung auf rechtlich schwankendem
Boden.
Staatspräsident Jacques Chirac setzte bereits eine Kommission ein, die
sich mit dem Thema "Laizität" befassen.
Folge könnte eine eindeutige
gesetzliche Regelung sein, wenn es nicht zu einer gesellschaftlichen
Einigung kommen sollte.
Die Metropolitan Police in London erlaubt
muslimischen Polizistinnen
das Tragen des Hijab als Bestandteil der
Uniform
Doch weder in Frankreich noch in Deutschland sind ein Komment oder gar
ein "Gesellschaftsvertrag" in Sicht, während etwa in Großbritannien
das
Kopftuch öffentlicher Angestellten - von Ausnahmen abgesehen - nicht
als Provokation wahrgenommen wird.
Der Präsident der französischen antirassistischen Bewegung MRAP [1],
Mouloud Aounit, sieht in
der Entscheidung der gestrengen Schulmeister
eine schreckliche Niederlage für den Säkularismus,
die Intelligenz und
den Dialog der Religionen. Dabei macht dieses Statement paradigmatisch
deutlich, dass der Begriff des "Säkularismus"
offensichtlich ein
zweischneidiges Schwert im Konflikt der Kulturen ist. Denn die Schule
will sich dem Druck nicht beugen, weil sie gerade Gefahren für die
Säkularität ihrer Anstalt sieht. Öl aufs Feuer könnte sein, dass sich
die Schulleitung dabei auf die Schützenhilfe von Schülern aus dem
Maghreb oder mit muslimischem Hintergrund beruft. Diese Schüler hätten
erklärt: Haltet durch, wir wollen an der Schule keine Kopftücher, weil
für diese Mädchen die Schule das letzte Refugium ist.
Erstaunlich ist diese Reaktion der Mitschüler nicht. Das Beharren auf
den Zeichen der Religion wurde immer verdächtigt, eine Antwort auf die
Bedrohung der eigenen kulturellen Identität zu sein. Gerade das
Kopftuch erscheint neben anderen Bedeutungen als ein besonders
bildhafter Schutz vor der Vereinnahmung durch die westliche Kultur und
ihre relativen Freizügigkeiten. Nicht nur in Deutschland, sondern auch
etwa in der Türkei ist zu beobachten, dass das Religionsbekenntnis
gerade bei jüngeren Menschen Widerstände auslöst, die dem hiesigen
Widerwillen gegen Religion, Frömmigkeit und Klerus sehr verwandt ist.
In der Türkei ist bekanntlich das Tragen von Kopftüchern in Schulen und
Universitäten verboten.
Kleidung als Zeichen
Weiland galt der Minirock einigen Trägerinnen als das Zeichen einer
nicht nur sexuellen Befreiung der Frauen von der Vorherrschaft des
Mannes. Das führte selbst zum heftigen Protest dieser Emanzipierten
gegen die Modeindustrie, die den Mini aus saisonalen, also ökonomischen
Gründen vorschnell verabschieden wollte. Oder waren das nur verblendete
Frauen, die nicht erkannten, dass der Minirock das perfideste
Unterdrückungsinstrument einer Männergesellschaft ist, die Frauen zu
wohlfeilen Sexobjekten herabstuft?
Auch das Kopftuch wirft ähnliche Auslegungsfragen auf. Denn in einigen
westlichen Augen handelt es sich nicht lediglich um ein religiöses
Accessoire, sondern mindestens ebenso um ein Zeichen der Unterdrückung
der Frau. Im heißen Sommer konnte man hin und wieder lässig gekleidete
Muslime sehen, während ihre Frauen in bis oben verschlossenen Gewändern
hinten ihnen her schritten.
War nicht hier zu Lande der Kampf für die Gleichberechtigung,
insbesondere in seiner feministischen Prägung, nicht zugleich der
Widerstand gegen eine patriarchalisch autoritäre Religion und ihre
ungleichen Geschlechterverhältnisse? Alice Schwarzer erkennt [2] heute
folgerichtig im "Schleier der Frauen die Flagge der islamistischen
Kreuzzügler" und das "Symbol für Separierung".
"Pseudotoleranz" sei
hier fehl am Platze.
Nun sehen einige Musliminnen die islamische
Frauenverhüllung
fundamental anders, wenn sie nicht wie viele gedankenlos dem
Kleiderkodex aus Gründen religiöser Konvention folgen. Diverse
Trägerinnen interpretieren das Kopftuch als Zeichen ihrer individuellen
Entscheidung für den Islam. Fereshta Ludin, die durch ihr Kopftuch
bekannt wurde, das den letztlich nicht entschiedenen Streitgegenstand
des Bundesverfassungsgerichts [3] bestimmte, spricht von einer
privaten Entscheidung. Über Emanzipiertheit sage das gar nichts aus.
Freiheit oder Unterdrückung? Persönliches Zeichen oder öffentliches
Glaubensbekenntnis? Was denn nun? Der Zentralrat der Muslime in
Deutschland erklärte [4] dazu offiziell: "Das Kopftuch hat im Islam
weder die Bedeutung einer Kennzeichnung, noch ist es als Missions-,
Demonstrations- oder gar Provokationsmittel vorgesehen." Frauen, die
kein Kopftuch trügen, könnten gleichwohl gläubige Menschen sein. Doch
kommt es auf die Absicht an, zudem die nicht so lauter sein muss wie
die offiziellen Begründungen.
Entscheidend kann nicht die religionsdogmatische Zuordnung eines
Kleidungsstücks sein oder die Selbstverständniserklärung der
Betroffenen, sondern die Bedeutung eines Zeichens in der
Öffentlichkeit. Doch auch die ist leider alles andere als klar. Kleider
sind, wie schon Roland Barthes erörterte, mehr als Kleider. Sie folgen
Codes, haben eine interpretationsfähige Semantik und sind regelmäßig
Zeichen gesellschaftlicher Ein- und Ausgrenzung.
Das Dilemma der Toleranz gegenüber religiösen Kleiderordnungen wird
indes auch nicht durch Zeichenanalysen behoben: Sind religiöse Symbole
in der Öffentlichkeit Warnzeichen einer bevor stehenden Intoleranz
gegenüber Andersgläubigen? Oder ist es allein gesellschaftlich
tolerant, jedem die Wahl seines Kleidungscodes zu überlassen, in
welcher Funktion er auch immer auftreten mag? Auch der "gothic-look",
der das Schwarz bis zur Kinnlade zum Prinzip gemacht hat, löst
bürgerliches Naserümpfen aus. Ein inkriminierter Tatbestand wird daraus
deshalb noch lange nicht, obwohl auch diese Kleiderordnung eine
ideologische Bedeutung als Absage an die bürgerliche Gesellschaft
besitzt. Und wer will ernsthaft Krawattenträgern jenseits von
Weiberfastnacht an den Kragen, nur weil sie mehr oder weniger bewusst
ihr phallisches Surrogat als Dekorum ihrer Person zur Schau stellen?
Zum Dilemma toleranten Umgangs mit den Religionen
Ist es nur ein Frage der Zeit, dass auch der jüngere Islam so müde wird
wie das ältere Christentum und die Kopftücher auszieht? Oder ist das
Gegenteil wahrscheinlich? Der Fundamentalismus gewinnt die Oberhand, um
Europa schnurstracks in das Mittelalter zurückzuführen - diesmal
allerdings ein Mittelalter islamistischer,
fanatisch-fundamentalistischer Prägung.
Kommt es zum "Dschihad gegen die Moderne",
von dem Salman Rushdie aus
eigener leidvoller Erfahrung sprach? Solche Formeln
erzielen zwar hohe
Aufmerksamkeit und mögen islamophobe Ressentiments
mobilisieren. Aber
die Komplexität vieler Stimmen, die auch mehr oder weniger klare
Frontlinien innerhalb der Religionen selbst bestimmen, treffen sie
nicht.
Das deutsche Grundgesetz beantwortet die Frage des Gebrauchs religiöser
Zeichen in der Öffentlichkeit mit der Abwägung zwischen der
vorbehaltlos gewährten, aber gleichwohl begrenzbaren Religionsfreiheit
und anderen hochrangigen Rechtsgütern der Gemeinschaft und des
Einzelnen. Doch diese Abwägung ist eher selbst eine Frage als eine
Antwort, die zum wenigsten, wie immer sie ausfällt, eine nicht nur in
Glaubensangelegenheit heterogene Gesellschaft
befriedigen könnte. Weder
göttliche noch menschliche Gesetze scheinen die Frage nach dem rechten
Umgang mit dem Kopftuch und anderen religiösen Manifestationen
schlüssig für jedermann/jederfrau zu beantworten.
Die Trennung von Kirche und Staat hat eine blutige Sorte von unseligen
Konflikten durch allein selig machende Religionen und Konfessionen
vermeiden helfen. Dieses Prinzip ist daher bei allen kasuistischen
Streitigkeiten rund um das Kopftuch zu wahren. Deshalb kann es
grundsätzlich kein Fehler sein, in nicht entscheidbaren Zweifels- und
Streitfragen den Einfluss der Religionen auf ihre jeweiligen Gemeinden
zu bescheiden.
Das kämpferisch artikulierte Glaubensbekenntnis von Lehrern und
Schülern ist kein Moment des staatlichen Erziehungsauftrags. Das gilt
umso mehr, je konflikthaltiger solche Bekenntnisformen sind, unabhängig
davon, wie gutmeinend die Absicht der Bekennenden
sein mag. Die
inzwischen erloschene Diskussion über Schuluniformen, um
Gruppenbildungen und Ungleichheiten zwischen Schülern einzudämmen, ist
inzwischen abgeebbt. Doch die Idee, Konfliktstoff aus den ohnehin
gebeutelten "pisanischen Armenhäusern" der
Bildungsnation
herauszuhalten, war nicht falsch.
Andererseits ist die Schule als Agentur dieser Gesellschaft auf
Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit ihrer Schäfchen gerichtet
und erwartet von Pädagogen, dass sie just diese Werte vermitteln. Wer
die Unterdrückung der Frau durch den Islam beklagt, wird überdies kaum
eine Emanzipation von "draußen" erfolgreich propagieren, sondern muss
schon warten, dass die Musliminnen das selbst
besorgen. Und muss nicht
der, der heute Kopftücher verbietet, morgen muslimische Bärte oder
christliche Anstecknadeln als Zeichen eines religiösen Bekenntnisses
verbieten?
Vor der Hintergrund der nationalsozialistischen Verfolgung von Juden,
denen die Bärte abgeschnitten wurden, um sie ihrer menschlichen Würde
zu berauben und ihr Religionsbekenntnis zu desavouieren, sind solche
Maßnahmen zu undelikat, um sie ernsthaft zu diskutieren. Will man Skins
dagegen zukünftig zwingen, ihre Haare wachsen zu lassen, um sie
gewaltfreier zu machen? Die Aporien, in die sich der Staat mit solchen
Entscheidungen über die sozialverträgliche Angemessenheit der
persönlichen Erscheinung hineinstoßen lassen würde, sind unabsehbar.
Vor allem aber würde die Jagd auf alle Formen religiöser Bekenntnisse
in der Schule "haargenau" die Konflikte produzieren, die es doch zu
vermeiden gilt.
Es ist zudem ein gravierender Unterschied, ob ein Kruzifix als
unpersönliches Symbol über den Köpfen der Schüler schwebt und gleichsam
durch die Institution autorisiert wird oder das Zeichen einer
Religionszugehörigkeit einem persönlichen Träger zuzurechnen ist. So
wenig es in der schulischen Alltagspraxis Lehrern oder Schülern
praktisch zu verwehren ist, ihr Religionsbekenntnis wenigstens
beiläufig zu outen, so wenig dürfte der Kampf gegen
religiöse Zeichen
dauerhaft erfolgreich sein. Statt dieses Kampfs sollte eine
diskursivere Praxis die zukünftige Konfliktwahl zwischen den Kulturen
bestimmen: Vergleichender Religionsunterricht, Aufklärung über die
Geschichte und Gegenwart religiöser Praxis, Pflichtreferate zum Thema
"Unterdrückung der Frau".
Und als ultima ratio: Wer missioniert, agitiert oder
hetzt - mit oder
ohne Kopftuch, mit oder ohne Kreuz am Revers - fliegt im
Wiederholungsfall von der Schule.
Links
[1] http://www.mrap.asso.fr/
[2] http://www.emma.de/content/c1064395315480.html
[3] http://www.bverfg.de/cgi-bin/link.pl?entscheidungen
[4] http://www.muslim-lawyers.net/german/html/000006.html
Telepolis Artikel-URL:
http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/mein/15956/1.html
Schavan gibt Kopftuch Schulverweis
Frankfurter Rundschau 29.10.2003
http://www.fr-aktuell.de/fr_home/startseite/?cnt=329963
Gesetzesnovelle soll nichtchristliche Religionssymbole im Unterricht
verbieten
Vier Wochen nach dem Karlsruher "Kopftuch"-Urteil
hat Baden-Württembergs
Kultusministerin Annette Schavan (CDU) eine Novelle
des Schulgesetzes
vorgelegt. Es verbietet Lehrkräften, in Schulen "Symbole wie das Kopftuch
zu tragen".
Stuttgart · 28. Oktober · Ein Kopftuch sei nicht allein religiöses Symbol,
begründete Annette Schavan den Gesetzentwurf. Es sei
auch "politisches
Zeichen und Symbol kultureller Abgrenzung". Die Ministerin sieht das
Kopftuch als "Teil der Unterdrückungsgeschichte der Frau", es sei
daher
nicht vereinbar mit den Forderungen nach Gleichberechtigung in Grundgesetz
und Landesverfassung.
Aktive Religionsfreiheit müsse dort ihre Grenzen finden, wo religiöse
Symbole für politische Aussagen instrumentalisiert würden, sagte die
stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende. Dies sei "beim Kopftuch eindeutig
der Fall".
Die CDU im Landtag billigte in einer Fraktionssitzung am Dienstag die
Vorlage Schavans, während sich der Koalitionspartner
FDP zunächst mit einem
Vorschlag befasste, den Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck
(FDP)
gemacht hatte. Sie plädierte darin für eine "strikte Neutralität" des
Staates und schlug vor, die Schulaufsichtsbehörden jeden Einzelfall in
letzter Instanz entscheiden zu lassen. Nach der Debatte in der Fraktion sah
Werwigk-Hertneck ihre Bedenken gegen den CDU-Entwurf
allerdings zerstreut
und unterstützte die Vorlage Schavans auf ganzer
Linie.
Parteien und Kirchen in Baden-Württemberg sind sich in ihrer Ablehnung des
Kopftuchs im Schulunterricht einig. Aber die "religiös neutrale
Schule",
für die beispielsweise die Grünen-Abgeordnete Theresia Bauer plädiert, ist
im Südweststaat mehrheitlich nicht gewollt. Das Land bekennt sich klar zu
christlichen Grundwerten, die auch in der Landesverfassung explizit
festgeschrieben seien.
Die "äußere Bekundung christlicher und abendländischer Bildungs- und
Kulturwerte" entspreche dem Erziehungsauftrag der Landesverfassung, sagte
Schavan. Einer Diskussion um Kruzifixe in Klassenräumen
scheint damit
vorgebeugt.
Die SPD-Opposition im Stuttgarter Landtag kritisierte, in dieser "ganz,
ganz schwierigen Debatte" trotz anders lautender Absichtserklärungen
Schavans nicht einbezogen worden zu sein.
Grünen-Fraktionschef Winfried
Kretschmann sieht die Chance vertan, "einen möglichst großen Konsens"
im
Parlament zu erzielen. Schavan habe wohl den Ehrgeiz
gehabt, ihre Novelle
"ohne große Diskussion" durchzusetzen.
Baden-Württemberg steht unter Zeitdruck. Das Bundesverfassungsgericht hatte
sein Urteil über die Zulassung von Fereshta Ludin zum Schuldienst an das
Bundesverwaltungsgericht verwiesen. Erlässt der Landtag nicht bald ein
Gesetz, wäre es verfassungswidrig, die muslimische Lehrerin nicht
einzustellen.
--
Land verbietet Kopftuch an Schulen Christliche Symbole weiter erlaubt -
Positionswechsel im Justizministerium
Zollern-Alb-Kurier 29.10.2003
Kultusministerin Annette Schavan hat einen
Gesetzesentwurf vorgelegt, der
das Kopftuch an den Schulen des Landes verbietet. Christliche Symbole
werden erlaubt.
Mit ihrem von der CDU-Landtagsfraktion gestern einstimmig gebilligten
Entwurf hofft die baden-württembergische Schulministerin Schavan
einen Text
gefunden zu haben, "der in den zu erwartenden weiteren gerichtlichen
Auseinandersetzungen überzeugend ist." Demnach sind religiöse Bekundungen
verboten, die die Neutralität des Landes gegenüber Schülern und Eltern
gefährden.
Ausgenommen davon sind "christliche und abendländische Bildungs- und
Kulturwerte oder Traditionen", weil sie dem Erziehungsauftrag der
Landesverfassung entsprechen. Beraten ließ sich die Ministerin für den
bundesweit ersten Entwurf vom Tübinger Verfassungsrechtler Ferdinand
Kirchhof. Das Verfassungsgericht hatte den Ländern ein Verbot nur auf
gesetzlicher Grundlage erlaubt. Das Land hatte das muslimische Kopftuch im
Fall von Fereshda Ludin auf
der Basis des Beamtenrechts untersagt. Die
Opposition zeigte sich vom Schavan-Entwurf ebenso
überrascht wie der
Koalitionspartner FDP.
Deren Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck hatte
bislang eine
Gleichbehandlung aller Religionen verlangt, weil sie andernfalls eine
erneute Niederlage in Karlsruhe fürchtete. Ihr Sprecher zeigte sich
zunächst "irritiert" über das unabgestimmte Vorgehen Schavans. Die Berufung
auf christlich-abendländische Werte, so verlautete aus dem
Justizministerium, dürfe im Gesetzestext nicht auftauchen, allenfalls in
der Gesetzesbegründung.
Im Verlaufe des Nachmittags änderte Werwigk-Hertneck
aber ihre Position.
Auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Schavan
zeigte sie sich
zuversichtlich, dass das Gesetz, das einer Quadratur des Kreises
gleichkomme, Bestand haben werde. Auch die FDP-Fraktion sei "in der
Grundtendenz" einverstanden.
SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler kritisierte das Vorpreschen Schavans,
das dem gemeinsamen Ziel eines Kopftuch-Verbots nicht diene. "Frau Schavan
hatte angekündigt, auf alle Fraktionen zuzugehen." Grünen-Fraktionschef
Winfried Kretschmann warf Schavan ein
Kurzanmerkung des Muslim-Markt: Es ist schon erstaunlich, wie eine einzige
Frau von Anfang an sich als Vorreiterin mit solch einer Vehemenz gegen das
islamische Kopftuch engagiert hat!
Das Ende der Religionsfreiheit
http://www.freace.de/artikel/okt2003/hijab291003.html
29.10.2003
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, hinsichtlich des
"Kopftuchstreits" eben keine Entscheidung zu fällen, sondern dies den
Regierungen der Bundesländer zu überlassen, führt dazu, daß
das Grundgesetz
in diesem Punkt praktisch außer Kraft gesetzt wird.
Artikel 4 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland lautet:
"(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des
religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.
(3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe
gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz."
Wie der Spiegel am Dienstag berichtete, hat nun die baden-württembergische
Kultusministerin Annette Schavan ein Gesetz
vorgelegt, daß Lehrerinnen in
dem Bundesland das Tragen von Hijabs im Unterricht
verbieten soll.
Andere christliche oder jüdische Symbole sollen aber weiterhin zugelassen
sein und auch Nonnen sollen weiterhin in ihrer Tracht unterrichten dürfen.
Das Kopftuch sei weniger ein religiöses Symbol als ein Zeichen für die
politische Unterdrückung im Islam, sagte Schavan. Darüberhinaus würden
durch den Entwurf die christlich-abendländischen Werte als Grundlage der
Erziehung bestätigt, so Schavan weiter.
Die in diesem Zusammenhang häufig vorgebrachte Argumentation, daß das
Tragen des Hijabs die Frauen in ihre traditionelle
Rolle dränge, in der sie
weniger Rechte als Männer haben, kann nur als anmaßend bezeichnet werden,
solange die Entscheidung hierzu aus freiem Willen erfolgt - und dies ist
anzunehmen, wenn eine Klage bis vor das Bundesverfassungsgericht geführt
wird.
Selbst wenn diese strengere Auslegung des Islam Frauen in eine Rolle
drängt, die mit "westlichen" Vorstellungen nicht vollständig
vereinbar ist,
so haben die Frauen doch das uneinschränkbare Recht,
diese Entscheidung zu
treffen und ihren Glauben entsprechend auszuüben.
Gerade die genannten Nonnen könnten hier als Gegenbeispiel dienen, da auch
sie einen Teil ihrer Freiheiten "für die Kirche" beziehungsweise
"für Gott"
aufgeben. Dies scheint Frau Schavan allerdings nicht
zu stören.
Unter dem Deckmantel der "Wahrung der freiheitlich-demokratischen
Grundordnung" wird hier offen eine Religion in ihrer Ausübung beschränkt,
während dies für andere Religionen nicht gelten soll.
Artikel 4 des Grundgesetzes sieht keinerlei Einschränkungen der Ausübung
des Glaubens vor. Selbst wenn der Staat der Ansicht ist, daß
eine Religion
"falsch" ist, steht es ihm nicht zu, diese zu beschränken oder zu
verbieten.
Die jetzt geplanten Gesetze scheinen viel mehr sicherstellen zu wollen, daß
das Christentum in Deutschland keine zu große "Konkurrenz" durch den
Islam
erfährt. Dies wurde durch Schavans geäußerte
Bevorzugung der "christlich-
abendländischen Werte" auch schon angedeutet.
Kurzanmerkung des Muslim-Markt dazu: Was würde eigentlich passieren, wenn
eine muslimische Lehrerin mit der Tracht einer Nonne zum Unterricht kommt?
************Ende der weitergeleiteten Nachricht***********************
Vorsichtshalber weist der Muslim-Markt darauf hin, daß
es uns nicht
möglich ist, den Wahrheitsgehalt dieser Nachricht zu überprüfen, und
es ist grundsätzlich Zweifel bei derartigen Meldungen bezüglich
Richtigkeit und Vollständigkeit angebracht. Daher leitet der
Muslim-Markt nur in den Fällen derartige Meldungen weiter, in
denen es angebracht scheint, dass die Muslime über die Verbreitung
einer derartigen Meldung informiert werden.